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Autor Thema: OLG Brandenburg bejaht § 315 BGB auf Fernwärmelieferungen  (Gelesen 7275 mal)

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Offline RR-E-ft

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Offline uwes

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OLG Brandenburg bejaht § 315 BGB auf Fernwärmelieferungen
« Antwort #1 am: 20. November 2006, 11:58:29 »
Leider ohne jegliche Begründung dazu, warum § 315 BGb einschlägig sein sollte. So hilft das Urteil doch auch niemandem.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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OLG Brandenburg bejaht § 315 BGB auf Fernwärmelieferungen
« Antwort #2 am: 20. November 2006, 13:12:16 »
@uwes

Ich glaube, die Begründung ist eindeutig:

Wenn der Vertrag durch Kündigung wirksam beendet wurde und sich die Parteien hiernach über die Begründung eines neuen Vertragsverhältnisses einig sind, ohne sich zugleich über den Preis geeinigt zu haben, so entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass dabei dem Energieversorger nach §§ 315, 316 BGB ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt sein soll.

Diese Rechtsprechung ist so alt und gefestigt, dass das OLG Brandenburg wohl keine Veranlassung zu einer weitergehenden Begründung sah (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 183 ff.; OLG München, NJW-RR 1999, 421; BGH NJW-RR 2006, 915; BGH NJW 2006, 1667, 1670, jeweils m.w.N.).

Warum sollte es angesichts dieser gefestigten Rechtsprechung einer weiteren Begründung bedürfen?

Es ist dem OLG Brandenburg wohl eigen, dass es sich nicht unbedingt vertieft mit der langjährigen, gefestigten Rechtsprechung auseinandersetzt.

Offline uwes

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OLG Brandenburg bejaht § 315 BGB auf Fernwärmelieferungen
« Antwort #3 am: 20. November 2006, 19:19:06 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
(vgl. BGH, NJW-RR 1992, 183 ff.; OLG München, NJW-RR 1999, 421; BGH NJW-RR 2006, 915; BGH NJW 2006, 1667, 1670, jeweils m.w.N.).Warum sollte es angesichts dieser gefestigten Rechtsprechung einer weiteren Begründung bedürfen?


...weil keines der o.g. Gerichte sich damit auseinandergesetzt hat, woraus sich ein Bestimmungsrecht ergibt. Sie haben dieses als "naturgegeben" vorausgesetzt.
Dagegen begünden die LGe  Berlin und Dresden ihre anderslautende Auffassung wenigstens.
Ich sehe meine Auffassung auch gestützt beim Lesen der Kommentarliteratur. Weder Daunar/Theobald noch Herrmann/Recknagel u.a. haben sich in der Lage gesehen, eine ausführliche Begründung abzuliefern, sondern verweisen auf die VO- Begründung des BMWi.

Letztere jedoch wiederum lässt lediglich erkennen, dass die Versorgungsunternehmen während des Vertragsverhältnisses Tarifänderungen bewirken können müssen. Die Begründung lässt aber offen, wie dies geschehen soll. Der Verordnungsgeber hat daher lediglich erkennen lassen, dass er sich der Möglichkeit von Tarifänderungen im laufenden Vertrag bewusst war. Er hat aber keine Regelung geschaffen. Ganz anders übrigens z.B. im Personenbeförderungsrecht. (§ 39)
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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OLG Brandenburg bejaht § 315 BGB auf Fernwärmelieferungen
« Antwort #4 am: 20. November 2006, 19:33:43 »
@uwes

Das ist doch wieder etwas ganz anderes.

Nach der wirksamen Kündigung des Erstvertrages geht es doch nicht mehr um eine einseitige Preisänderung, sondern um eine einseitige Preisbestimmung im Neuvertrag überhaupt.

Die gesamte Rechtsprechung dazu gründet darauf, dass ein wirksames Vertragsverhältnis im Interesse beider Parteien liegt, die eine sonst notwendige, allein bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines länger bestehenden Austauschverhältnisses vermeiden wollen (vgl. auch BGH NJW-RR 2006, 915 m.w.N.). Das ist die einzige, vollkommen zutreffende  Begründung. Auf Energielieferungsverträge findet nun einmal Kaufrecht Anwendung und die Rechtsprechung dazu ist vollkommen eindeutig:

Vorbehaltlich eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Verkäufers scheitert sonst der (neue) Vertragsabschluss an einem Dissens hinsichtlich des Preises, so dass es insgesamt gar keinen Vertrag gäbe.

Leitsatz 1:

http://www.pontepress.de/pdf/200602U3.pdf

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/BGH_911002_VIIIZR240-90.pdf

Offline uwes

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OLG Brandenburg bejaht § 315 BGB auf Fernwärmelieferungen
« Antwort #5 am: 20. November 2006, 19:48:07 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
Nach der wirksamen Kündigung des Erstvertrages geht es doch nicht mehr um eine einseitige Preisänderung, sondern um eine einseitige Preisbestimmung im Neuvertrag überhaupt.


Das sehe ich mittlerweile - es wird Sie erstaunen - übrigens ebenfalls so. Diesen insoweit anderen Sachverhalt hatte ich nicht mehr präsent.

Ich meine bei meinen Ausführungen Preisänderungen im laufenden Vertrag.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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OLG Brandenburg bejaht § 315 BGB auf Fernwärmelieferungen
« Antwort #6 am: 20. November 2006, 20:28:19 »
@uwes

Herzliche Einladung zum letzten Schritt:

Weil sich die Parteien eines Tarifkundenvertrages bei Vertragsabschluss nicht auf einen für die Vertragsdauer geltenden Preis im vornherein einigen können, einigen sie sich im vornherein nur auf vom EVU jeweils (neu) einseitig festzusetzende Entgelte dem Grunde nach, wobei der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist wie die Folgepreise (BGH NJW 2006, 684).

Die überzeugende, einzige Begründung ist die gleiche wie oben.

Es gäbe vorbehaltlich dieses einseitigen Preisbestimmungsrechts des Verkäufers  keinen zum Vertragsabschluss notwendigen Konsens über den Preis und damit die zukünftige vertragliche Leistungspflicht des Tarifkunden (Strom/ Gas).

Bei Fernwärme gilt bekanntlich anderes, als es dort keine Tarifkunden gibt.

Dies gilt vorrangig für einen konkludenten Vertragsabschluss, bei dem der Kunde den Preis noch nicht einmal kennen muss. Ohne Kenntnis über den (nicht verhandelbaren) Preis wäre eine Einigung auf den selben sowieso denknotwendig unmöglich.

Nun sollte es eigentlich Klick gemacht haben. :wink:

Offline uwes

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OLG Brandenburg bejaht § 315 BGB auf Fernwärmelieferungen
« Antwort #7 am: 21. November 2006, 16:04:40 »
Ich empfinde Ihre Ausführungen - wie immer - gut begründet und durchdacht. Gleichwohl vertrete ich die andere Auffassung und bleibe auch dabei. Es gibt keine Entscheidung, in der die Preisänderungen im laufenden Vertrag bei Tarifkunden sorgfältig und gut begründet an den Maßstäben der AVBGasV begründet werden. Im Gegenteil: Die BGH - Entscheidung vom 15.6.2006 stellt für mich einen Umbruch dar. Die dortigen Ausführungen sehe ich als übertragbar an, da es im Fernwärmebereich selbstredend Kunden gibt, die Energie beziehen ohne einen schriftlichen  Vertrag zu haben.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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