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Autor Thema: Wer hat Angst vor dem Kartellgericht ?!  (Gelesen 3611 mal)

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Offline RR-E-ft

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Wer hat Angst vor dem Kartellgericht ?!
« am: 19. Oktober 2006, 21:34:07 »
Niemand, außer vielleicht die Niederrheinwerke Viersen.


Denn auch dort gelten die selben Gesetze.

Die Kartellgerichte wenden bis hoch zum Kartellsenat des BGH § 315 BGB fortlaufend an. Die Vorschrift lässt sich nur so anwenden, wie sie seit ehedem im Gesetzbuch steht. Sie ist einfach zu klar.

"Die Bestimmung ist für den anderen nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht."

Der Kartellsenat des OLG Celle - 13 U 160/06 (Kart) hat zu einer Verhandlung am 19.12.2006 über die Berufung gegen das Gaspreisurteil des LG Verden geladen und dabei bereits folgende Anmerkung gemacht:

"Nach Senatsberatung weise ich darauf hin, dass nach derzeitiger Einschätzung des Senats die Beklagte ihre Kalkulation zum Gesamtpreis wird offen legen müssen, damit eine Billigkeitsprüfung stattfinden kann. Darlegungs- und beweisbelastet dürfte die Beklagte sein."

Auch der 2. Kartellsenat des OLG Düsseldorf hatte sich bereits in dem Berufungsverfahren der Niederheinwerke Viersen nach dem Urteil des LG mönchengladbach am 12.04.2006 dementsprechend geäußert.

Ersichtlich kennt auch der Kartellsenat des OLG Schleswig § 315 BGB und wendet diesen zutreffend an (vgl. Urteil vom 05.04.2006).

Wenn es um die Frage geht, Kartellgericht ja oder nein, so geht es den Beklagten oft nur darum, eine Entscheidung zu verzögern.

Wer vom Versorger vor einem Kartellgericht auf Zahlung verklagt wird, und die Zuständigkeit eines anderen Gerichts wünscht, braucht wohl eigentlich nur zu bestreiten, dass der Versorger eine Monopolstellung inne hat und außerdem geltend machen, dass aber jedenfalls eine solche Monopolstellung nicht zur Verwendung unwirksamer Preisänderungsklauseln gem. § 307 BGB und zu unbilligen einseitigen Preisbestimmungen berechtigen kann, man zudem von der ausschließlichen Zuständigkeit eines zuständigen Gerichts nach §§ 102 ff. EnWG ausgeht.

Schließlich sollte man sich darauf berufen, sich auch als Energiekunde überhaupt nicht kartelliert zu haben, sondern sich vielmehr auf §§ 307, 315 BGB beruft.

Der Versorger wird sich wohl schwer damit tun, nachzuweisen, dass er eine Monopolstellung auf dem ggf. relevanten Wärmemarkt hat, die ihn dazu berechtigt, Preisänderungen auf gem. § 307 BGB unwirksame Preisänderungsklauseln zu stützen bzw. einseitig unbillige Preise festzulegen.

Auf einen dem widersprechenden  Vortrag des Versorgers dürfte man gespannt sein. :D

Dass es für eine Klauselkontrolle nach § 307 und auch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auch bei Gaspreisen auf eine Monopolstellung des Versorgers jedenfalls überhaupt nicht ankommen kann, ergibt sich aus folgendem Aufsatz:

Dr. Bernd Kunth, Dr. Stefan Tüngler
Preisanpassungsklauseln in Gaslieferungsverträgen und AGB-Recht
RdE 2006, 257 ff.


Dort insbesondere in den Fußnoten 44, 46 und 55 werden die allein maßgeblichen Kriterien der Billigkeitskontrolle ganz deutlich aufgezeigt.

In Fußnote 44 wird nachgewiesen, dass es sich bei § 4 AVBGasV, zukünftig § 5 Abs. 2 Satz 1 GasGGV, um einen Preisvorbehalt handelt.

In Fußnote 46 wird ausgeführt, dass die aufgrund einer Vorbehaltsklausel vorgenommene einseitige Leistungsbestimmung für den anderen Teil nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht.

In Fußnote 55 wird auf §§ 1, 2 Abs. 1 EnWG Bezug genommen.

Berühmt sich also ein Versorger seiner Monopolstellung schlicht und einfach "Angeber !" zurückrufen.



Also keine Angst vor den Kartellgerichten (siehe nur BGH NJW 2006, 684 und BGH NJW- RR 2006, 915).

Siehe auch hier:

http://www.pontepress.de/pdf/200602U2.pdf

OLG Düsseldorf: Offenlegung der Kalkulation erforderlich

Gaspreisurteil LG Mönchengladbach v. 10.07.2006 !



Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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