Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Protest, wenn EVU nur Einkaufspreiserhöhung weitergibt?  (Gelesen 7688 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline elektron

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 65
  • Karma: +0/-0
Protest, wenn EVU nur Einkaufspreiserhöhung weitergibt?
« am: 08. Oktober 2006, 23:05:13 »
Mein Gasversorger (rhenag Siegburg) verweist darauf, dass er (durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bescheinigt) nur die selbst zu verkraftenden Einkaufspreiserhöhungen weitergegeben habe (nachzulesen: http://www.rhenag.de/de/grosskunden/aktuelles.php?pageID=Gro%DFkunden%2FAktuelles).

Irgendwo auf www.energieverbraucher.de habe ich darüber gelesen, dass ein Versorger damit noch nicht aus dem Schneider ist, sondern auch dafür haftbar gemacht werden kann, wenn er selbst gegen unbillige Preiserhöhungen seines Gaslieferanten nichts unternommen hat. Wer kennt die URL zu diesem Beitrag?

elektron

Offline kamaraba

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.017
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Männlich
    • http://www.faire-energiepreise.de
Gruss aus der EnBW-Hauptstadt Karlsruhe
www.Faire-Energiepreise.de

Offline enerveto

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 128
  • Karma: +0/-0
Protest, wenn EVU nur Einkaufspreiserhöhung weitergibt?
« Antwort #2 am: 09. Oktober 2006, 12:59:30 »
@elektron

„Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht“
Kartellrechtswidrigkeit des Gasbezugsvertrages vor Gericht

Was hindert die regionalen Versorger daran, sich ebenfalls gegenüber ihrem Lieferanten mit dem Einwand der Unbilligkeit nach § 315 BGB gegen die Erhöhung der Bezugspreise und die Ölpreisbindung zu wehren? Warum machen sie sich weiterhin zum „Handlanger“ der Energiekonzerne. Wann vertreten sie endlich auch die Interessen ihrer Kunden.

Ein Unternehmer kann unternehmerische Versäumnisse nicht auf den Verbraucher abwälzen (Urteil LG Frankenthal 09.10.03, Az. 2 HK.O 97/03).

„Das LG Mannheim macht in einem Urteil vom 16.08.2004 (Az: 24 O 41/04)  durch die beteiligten Prozessparteien deutlich, dass auch von Vorlieferanten (regionales kommunales Energieversorgungsunternehmen) versorgte Energieversorgungsunternehmen (bundesweit tätiges Energiedienstleistungsunternehmen, Lieferant von Öl, Fernwärme und Erdgas), die Dritte (Unternehmen der Contracting-Branche) mit Energie beliefern, sich mit dem Einwand aus § 315 BGB zur Wehr zu setzen könne.
 Die einzelnen örtlichen Gasversorger haben jetzt als wohl keinen Grund mehr, darauf zu verweisen, sie hätten keine Möglichkeit,  gegen die Preiserhöhungen ihrer Vorlieferanten vorzugehen, diese wären von Ihnen nicht zu beeinflussen.
Soweit Energiedienstleister die Möglichkeit haben, sich selbst mit dem Unbilligkeitseinwand zur Wehr zu setzen gilt:
Preiserhöhungen des Vorlieferanten wären frühestens wirksam und fällig geworden, wenn dieser gegenüber seinem Kunden die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preiserhöhungen durch Offenlegung der eigenen Preiskalkulation nachgewiesen hätte.
Solange das nicht geschehen ist, konnten die Preise des Vorlieferanten nicht wirksam erhöht werden. Dann bestand jedoch auch schon keinerlei Grund, die Preise für die eigene Kundschaft mit der Begründung gestiegener Bezugskosten zu erhöhen.
Die Preiserhöhungen gegenüber den eigenen Kunden sind dann auch nicht gerechtfertigt und können somit insgesamt nicht der Billigkeit entsprechen.“

„In einer mündlichen Verhandlung vor dem OLG Düsseldorf am 12.04.2006 (Az: VI – 2 U 16/05 Kart) nahmen die Niederrheinwerke Viersen  ihre Berufung gegen eine einstweilige Verfügung des LG Mönchengladbach vom 20.10.2005 (Az: 7 O 116/05) zurück, nachdem der 2. Kartellsenat des OLG Düsseldorf die Aussichtslosigkeit der Berufung erläutert hat.
Das OLG hat argumentiert, dass § 315 BGB unmittelbar Anwendung findet. Die Versorger seien zur Offenlegung ihrer Kalkulation im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens verpflichtet. § 30 AVBGasV sei als Verordnung subsidiär gegenüber § 315 BGB.

Außerdem sehe der Senat eine Verletzung einer Nebenpflicht des Versorgers aus dem Vertrag mit seinen Kunden, wenn er erhöhte Bezugspreise zwar an seine Endkunden weitergebe (so die Standardbegründung der Preisanhebungen), aber es gleichzeitig unterlasse, seinerseits gegen seinen Lieferanten im Wege des § 315 BGB vorzugehen. Dies ergebe sich eindeutig aus der BGH-Rechtsprechung im Herbst 2005 („Lichtblick-Urteil“ vom 18.10.2005). Der Versorger ist zu allererst seinen Kunden verpflichtet und nicht seinen Lieferanten (RA Fricke, Forum BdEV)“
„Die vertragliche Nebenpflicht folgt unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis mit den eigenen Kunden, §§ 1, 2 Abs.  EnWG sehen eine möglichst preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente leitungsgebundene Energieversorgung im Interesse der Allgemeinheit vor. Es ergäbe sich zudem auch aus dem Rücksichtnahmegebot gegenüber den eigenen Kunden gem. BGB (RA Fricke, Forum BdEV).“

„Eine Erklärung, warum man dem Ausland die ganze Schuld für den dramatischen Preisanstieg [der Verbraucherpreise] geben will, gibt es nicht.
Die Hauptverantwortlichen (Differenz zwischen gestiegenen Verbraucherpreisen und gestiegenen Erdgasimportpreisen) sind hier zu suchen – und hoffentlich auch zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen.
Immerhin treiben die Energiepreise die Inflation in dramatischer Art und Weise und haben sicher maßgebliche Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung einschließlich Binnenkonjunktur und Arbeitsmarkt.
Die Konterfei der Verantwortlichen sollten ggf. in einer Art „Straße der Besten“ im gesamten Bundesgebiet plakatiert werden, damit jeder weiß, um wen es sich handelt.
Dann könnte sich jeder persönlich bei denen bedanken.
RA Thomas Fricke, Jena, Forum BdEV.“

Mit freundlichen Grüßen

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Protest, wenn EVU nur Einkaufspreiserhöhung weitergibt?
« Antwort #3 am: 10. Oktober 2006, 17:09:26 »
@elektron


Siehe nur hier:

Zusammenhang Gasnetzentgelte/ Gaspreise

Überlegen wir einmal gemeinsam:

RWE WWE hätte sich wohl auch darauf beschränken können, nur die gestiegenen Bezugspreise weiterzugeben und sich diese durch einen Wirtschaftsprüfer bestätigen zu lassen. Nichts einfacher als das.

Wäre das jemandem aufgefallen?

Wohl kaum.

Man hätte einfach bei Lieschen Müller und den anderen Kunden einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr zusätzlich abgeholt.

Diese Belastung solidarisch verteilt auf 400.000 Haushaltskunden wäre schließlich auch von Lieschen Müller noch gut zu ertragen gewesen. Merkt die kaum. Und schließlich könnte der Konzern das Geld auch gut gebrauchen, um im ausschließlichen Interesse seiner Kunden weiter zu wachsen.

Entgegen einem weit verbreiteten Missverständnis ist weltweites Wachstum kein Selbstzweck und liegt auch nicht etwa im alleinigen Interesse der Aktionäre:

Denn nur große Versorger können dauerhaft günstigst Brennstoffe einkaufen und liefern. Das liest man allenthalben.

Die "Konkurrenz" schläft nicht:

http://www.eon-thueringerenergie.com/EON_Thueringer_Energie/_kampagnen/_reichtDerStrom/Brennstoffeinkauf.htm


Kann man sich dieser Logik entziehen?

Und mal ehrlich:

Die "Konkurrenz" mag Dank ihrer schieren Größe zu bestmöglichsten Preisen die Brennstoffe beziehen. Deshalb verkauft diese Strom und  Gas jedoch auch nicht billiger an ihre Kundschaft ( eher im Gegenteil).

Vergleichen Sie selbst:

http://www.eon-thueringerenergie.com/Privatkunden/Erdgas/Erdgaspreissystem/index.htm

http://www.eon-thueringerenergie.com/_Material/PDF/Grund_Ersatzversorgung.pdf


Schließlich soll das Geld des Konzerns trotz Milliardeninvestitionen in weltweite Finanzbeteiligungen auch dann noch reichen, wenn unsere  Kinder einmal groß sind.

http://www.eon.com/

Auch logisch, oder ?

Und deshalb bezieht auch der größte Erdgasimporteuer E.ON Ruhrgas Dank der schieren Größe des E.ON- Konzerns den Brennstoff Erdgas zu günstigsten Preisen.

http://de.wikipedia.org/wiki/E.ON_Ruhrgas

Es liegt kein Widerspruch darin,  dass Deutschland trotz dessen hohen Marktanteil am deutschen Erdgasmarkt im europäischen Vergleich steuer- und abgabenbereinigt mit die höchsten Erdgas- Preise hat.

Denn von nix kommt nix. Schon gar nicht  ein für alle so dramatischerErfolg:

"Ruhrgas verfügt über ein Leitungsnetz von mehr als 10.000 km mit 26 Verdichteranlagen und 12 unterirdischen Speichern, womit das Unternehmen 1990 mit 2.900 Beschäftigten einen Umsatz von DM 10,8 Mrd. erzielte, der bis 1994 auf DM 13,8 Mrd. und bis 2004 auf EUR 14,4 Mrd. gewachsen war, wohingegen die Zahl der Beschäftigten auf 2.500 im gleichen Zeitraum abnahm."

Hat etwa der RWE- Konzern demgegenüber im harten Wettbewerb um die prall gefüllteste Schatztruhe etwas zu verschenken?

http://www.rwe.com

Nein.

Auch logisch, oder?

Schön, wenn die Kundschaft die Logik endlich begriffe.

http://www.capital.de/static/bilder/Redaktion/001-Personen/002-Manager/rwe_roels_harry_froh_g.jpg

http://www.manager-magazin.de/img/0,1020,476272,00.jpg


Und wer möchte nach alldem etwa denken, ein Stadtwerk habe im harten Wettbewerb kleinere Probleme als die großen Konzerne?


Siehste!

Wofür also dann noch Protest ?!

Wenn es den Energiekonzernen im harten Wettbewerb nicht gelingt, hier weiter so und noch viel dramatischer erfolgreich zu sein, könnten die ihren Sitz auch einfach in das Ausland verlegen. Der deutsche Staat erhält keine Steuern mehr auf die wohlverdienten riesigen Gewinne und am Ende reichen sogar  Strom und Gas nicht mehr, bis unsere Kinder groß sind:

http://www.eon-energie.com/pages/eea_de/Verantwortung/Regionale_Kampagne/index.htm

Kann das jemand ernsthaft wollen?


@elektron

Der Gasabsatz der rhenag war 2005 gegenüber 2004 branchentypisch bzw. witterungsbedingt leicht gesunken.

Dafür hat sich der Jahresüberschuss 2005 gegenüber dem Vorjahr prächtig entwickelt.

Aber sehen Sie doch selbst auf Seite 2 des Geschäftsberichtes:

http://www.rhenag.de/de/downloads/publikationen/rhenag_geschaeftsbericht_2005.pdf

Es empfiehlt sich immer, den Geschäftsbericht etwas genauer zu lesen.

Übrigends haben einige Versorger tatsächlich nur gestiegene Bezugskosten weitergegeben, sinkende Bezugspreise 2003/2004 jedoch nicht zum Anlass für Preissenkungen genommen. Die wurden vergessen oder für ein großes Ziel angespart:

http://www.vng.de/content/pdf-erdgasmarkt/hel_gasimportpreise.pdf :shock:

Erdgasimportpreise Entwicklung

Offline Schermbecker

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 15
  • Karma: +0/-0
Protest, wenn EVU nur Einkaufspreiserhöhung weitergibt?
« Antwort #4 am: 11. Oktober 2006, 13:27:38 »
@RR-E-ft (was heisst das eigentlich?)

es ist immer wieder eine Freude, deine Beitraege zu lesen  :D
Hat stellenweise ein wenig was von der Sendung mit der Maus: "Das ist das RWE. Klingt komisch, ist aber so...".

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich

Offline Schermbecker

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 15
  • Karma: +0/-0
Protest, wenn EVU nur Einkaufspreiserhöhung weitergibt?
« Antwort #6 am: 11. Oktober 2006, 14:03:32 »
Stimmt, der hats ja auch erfunden :roll:

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz