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Autor Thema: BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!  (Gelesen 14028 mal)

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Offline RR-E-ft

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« am: 08. September 2006, 19:45:11 »
Viele Mitarbeiter von Gasversorgungsunternehmen aus ganz Deutschland  nahmen am 07.09.2006 an einer BGW- Tagung teil:

http://www.bgw-kongress.de/pdf_veranst/energiepreis_urteile.pdf

Dabei wurden folgende Inhalte klar und unmissverständlich vermittelt:

Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen unterfallen der Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB.

Der Referent Herr Prof. Dr. Graf von Westphalen wies darauf hin, dass eine wirksame Preisanpassungsklausel in den AGB in den letzten 20 Jahren von der Rechtsprechung nicht gesichtet worden sei und eine solche wegen der hohen Anforderungen der Rechtsprechung auch nicht unbedingt zu erwarten stünde.

So seien die Preisänderungsklauseln, die Gegenstand der Verfahren vor den Landgerichten Bremen, Berlin und Dresden waren, zweifelsfrei wegen Intransparenz gem. § 307 BGB unwirksam.

Der Referent Prof. Dr. Graf von Westphalen wies darauf hin, dass ein Kündigungsrecht die unangemessene Benachteiligung durch Intransparenz allenfalls dann kompensieren könnte, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der Preisänderungsklausel ein Sonderkündigungsrecht deutlich eingeräumt wird und zudem der Wechsel zu einem anderen Anbieter unmittelbar erfolgen kann und mit keinem zusätzlichen Aufwand verbunden wäre.

Davon könne bei einer Kündigung eines Erdgaslieferungsvertrages da keine Rede sein, wo kein anderer Erdgaslieferant zur Verfügung steht. Bei einem notwendigen Wechsel zu einem anderen Energieträger, der mit Kosten verbunden ist, sei dies eben nicht der Fall.


Über die Folgen wurde debattiert.

Ziel der eigenen Argumentation der Gasversorger  müsse deshalb eine ergänzende Vertragsauslegung sein, die zur Anwendbarkeit des § 4 AVBGasV führe.

Das dafür notwendige Argumentationsmuster war indes sehr umständlich und kam nicht ohne erhebliche "Griffe in die Trickkiste" aus. Teilweise musste es wohl selbst Nichtjuristen deshalb bereits suspekt erscheinen.

Ziel dieser Argumentation ist nichts weniger, als die Gerichte davon zu überzeugen, dass es bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel bei Abschluss des Vertrages bereits dem hypothetischen Willen Vertragspartner entsprochen hätte, (exakt) den Wortlaut des § 4 AVBGasV im Vertrag zu vereinbaren.

Dafür bedarf indes schon viel Phantasie.

Dass eine solche Regelung zudem selbst vollkommen unzweifelhaft nicht transparent sei, müsse man hinnehmen.

Schließlich hätten quasi von Staats wegen umhegte Tarifkunden auch keinen größeren Schutz.....

Es steht angesichts der klaren Rechtsprechung des BGH nicht zu erwarten, dass die Berufungsgerichte dem folgen werden, zumal die Rechtsprechung zur AGB- rechtlichen Zulässigkeit einseitiger Preisänderungsvorbehalte umfangreich und gefestigt ist.


In Verträgen mit Haushaltskunden sei die Zulässigkeit von HEL- Preisgleitklauseln ebenfalls in Anbetracht von § 307 BGB sehr zweifelhaft.

Die Rechtsprechung der OLG Rostock ließe sich nicht ohne weiteres übertragen, da es dabei um einen Vertrag im kaufmännischen Bereich zwischen Energieversorgungunternehmen ging.

Die Rechtsprechung des OLG Brandenburg im Urteil vom 21.06.2006 gebe dafür nichts her, weil die Preisgleitklausel in einem Fernwärmelieferungsvertrag als Individualvereinbarung gerade nicht am Maßstab des § 307 BGB gemessen wurde.

Weitere Rechtsprechung bestehe ersichtlich noch nicht.

Klarheit müssten hierzu Entscheidungen, etwa in einem vom Bund der Energieverbraucher betriebenen Verfahren gegen RheinEnergie vor dem LG Köln bringen.

Keiner der Experten unternahm auch nur den Versuch, eine Preisänderungsklausel vorzustellen, welche den Ansprüchen der Rechtsprechung überhaupt genügen könnte.

Man sei eben in einem Dilemma.


Preisänderungsvorbehalte gem. § 4 AVBGasV, welche grundsätzlich nur auf Tarifkunden (Grundversorgung) Anwendung finden, unterliegen der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle.

Der Referent Herr Dr. Kunth legte dabei seine Folie Nr. 13 auf, in der es unmissverständlich heißt:

"Die Preisänderung nach § 4 AVBGasV steht - selbstverständlich - unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Kontrolle ( § 19 Abs. 4 GWB, § 315 Abs. 3 BGB)"

Der Referent Herr Dr. Kunth wies darauf hin, dass die auf Grundlage einer Vorbehaltsklausel vorgenommene Leistungsbestimmung für den anderen Teil nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht. Dies ergebe sich "bei Lichte besehen".

Vorgenannter Referent verwies innerhalb seines Vortrages auch auf Rechtsansichten in der Energiedepesche Sonderheft, deren Lektüre wohlmöglich zu einer neuen Beurteilung der Rechtslage Veranlassung gab.

Demnach sollte den Unternehmen nach dieser Tagung des Branchenverbandes, bei welchem ausgewiesene Spezialisten auf dem Gebiet des AGB- Rechts und des Energiewirtschaftsrechts umfassend referierten, die Rechtslage ziemlich klar sein.

Zum Umfang des Billigkeitsnachweises wurde darauf verwiesen, dass am 20.12.2006 das Revisionsverfahren nach dem Heilbronner Urteil vor dem Bundesgerichtshof verhandelt werden soll, im Januar dann die Revision nach dem Urteil des LG Karlsruhe.


Klar wurde, dass herkömmliche Gasversorgungsunternehmen, die außerhalb der Grundversorgung tätig werden, und somit im Wettbewerb mit anderen Gaslieferanten - wie auch Flüsssiggas- Anbietern stehen, keinen Wettbewerbsvorteil daraus erlangen können, dass deren Preisänderungsklauseln von der Rechtsprechung in Anwendung des  § 307 BGB anders beurteilt werden, als die der Konkurrenzunternehmen.

Es gibt keinen sachlich gerechtfertigten Grund für eine Besserstellung  gegenüber Flüssiggaslieferanten und neu am Markt auftretenden Erdgaslieferanten, welche eine Gasversorgung für Haushaltskunden anbieten.

Anders konnten die Stellungnahmen des Referenten Herrn Prof. Dr. Graf von Westphalen nicht verstanden werden, der keinen Zweifel daran ließ, dass die Maßstäbe der AGB- Kontrolle bei abstrakt- genereller Betrachtung keine Unterscheidung zulassen.

Insbesondere bei einer Klauselkontrolle nach § 1 UKlaG stelle sich nicht die Frage, ob der Vertrag etwa schon immer "geatmet" habe, also in der Vergangenheit Preisanpassungen nach oben oder nach unten erfolgt seien, die der Kunde bisher ohne sich zu beschweren mitgegangen sei.

Angestrengt wirkten die Versuche des Referenten Herrn Dr. Kunth, für eine Sonderrolle der Gasversorgungsunternehmen ins Feld zu führen, dass diese aber im Bereich der Daseinsvorsorge (!) tätig seien, nach dem Energiewirtschaftsgesetz eine ganz besondere Verantwortung trügen (!) und deshalb mit Flüssiggas- Lieferanten oder anderen  nun überhaupt nicht zu vergleichen wären. Von einem einheitlichen Wärmemarkt (!) war auf einmal auch keine Rede mehr.....

Darauf kommt jedoch es bei abstrakt-genereller Betrachtung gerade nicht an, worauf der Referent Herr Prof. Dr. Graf von Westphalen noch hinwies, welcher der Diskussion an dieser Stelle nicht mehr folgen konnte und die Veranstaltung verließ...

Anmerkung:

In einem Wettbewerb treffen alle Anbieter auf einem Markt die gleichen Risiken. Zu den Risiken zählt auch, im Vertragsmanagement juristische Fehler zu begehen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen als Konsequenz unternehmerischen Handelns auf einem Wettbewerbsmarkt zu tragen.

Wie der Wettbewerb auf dem Strommarkt gezeigt hat, kann dieses unternehmerische Handeln auf einem liberalisierten Energiemarkt auch damit verbunden sein, dass Unternehmen im Extremfall  infolge Insolvenz aus dem Markt ausscheiden müssen.

Auch das ist Wettbewerb, ebenso wie die Möglichkeit, alle Kunden an einen Wettbewerber zu verlieren.

Im Wettbewerb ist der wirtschaftliche Bestand eines Unternehmens gerade nicht geschützt.

In Monopolzeiten gab es einen solchen Schutz nach der Rechtsprechung des Kammergerichts  Berlin in Sachen SpreeGas ebenfalls schon nicht.

Ein GVU musste demnach seine Preise auf das Niveau eines preisgünstigeren, vergleichbaren Versorgers absenken, selbst wenn es danach selbst nachhaltig keine Kostendeckung mehr erzielen konnte.

Im Wettbewerb kann ein Erdgasversorgungsunternehmen selbstredend insoweit keinen größeren Schutz erfahren als zuvor zu Monopolzeiten.  

Die Beurteilung hinsichtlich einer Selbstverständlichkeit einer gerichtlichen Kontrolle von Preisanpassungen nach § 4 AVBGasV könnte so manchen überrascht haben, der von den selben Referenten wohlmöglich vor nicht allzulanger Zeit noch eine andere Beurteilung der Rechtslage vorfand.

Möglicherweise soll dadurch ein Bedürfnis begründet werden, ständig weitere solcher Veranstaltungen zu besuchen.

Über die Rechtslage kann man sich indes z.B. auf www.energienetz.de auch deutlich  preiswerter, gleichwohl  qualitativ hochwertig  informieren.

Die Veranstaltung war in jedem Falle interessant und aufschlussreich.

Im Auditorium war zu vernehmen, dass man sich noch als Monopolist sieht und auch große Skepsis herrscht, ob zum 01.10.2006 überhaupt neue Erdgasanbieter zur Verfügung stehen werden, so dass alles beim alten bleiben könnte.

Man sehe sich nun weiter zwischen Pest und Cholera und habe angesichts der Rechtsprechung  "Erhängen oder Erschießen" zur Wahl (§§ 307/ 315 BGB).

Den von den Referenten angestellten Versuchen des Aufzeigens von Auswegen begegnete man teilweise mit Skepsis.


Auf den Punkt brachte es wohl  der Referent der Gasag mit der Formulierung "Wir müssen gewinnen.".

Folge eines Urteils nach Anwendung des § 307 BGB sei ein "Flächenbrand":

Alle Kunden, auch diejenigen, welche vorbehaltlos gezahlt hätten, hätten mehr gezahlt, als vertraglich geschuldet war und hätten deshalb Rückzahlungsansprüche (§ 812 BGB).

Wenn das Unternehmen dies schon nicht gewusst habe, hätten es die Kunden erst recht nicht wissen können, so dass § 814 BGB ausscheide. Die Kunden konnten dann nicht wissen, dass sie teilweise auf eine Nichtschuld zahlten.

Gewiss prekär.

Da sei man schon eher bereit, die Karten offen zu legen.

Nur leider interessieren die Gerichte sich nun gar nicht mehr dafür, so wird nun beklagt.

Kunststück:

Hatte man den Gerichten doch zuvor lang und breit ohn Unterlass erklärt, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gar nicht vertraglich vereinbart sei und deshalb § 315 BGB gar nicht zur Anwendung käme.

Nun wundert man sich wohl selbst, dass man mit diesem Vortrag von den Gerichten ernst genommen wurde.

Mehr noch will man nun den Gerichten wohl Glauben machen, es sei der hypothetische Parteiwille beider Parteien schon bei Vertragsschluss gewesen, dass der Versorger den Preis jederzeit einseitig neu bestimmen können soll, allein durch eine öffentliche Bekanntmachung, ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB.

Dem Kunden hätte bestimmt bei Vertragsabschluss kein Gedanke näher gelegen, als ggf. schon am Tag nach Vertragsabschluss in der Zeitung zu lesen, dass die Preise einseitig neu bestimmt und dabei erheblich erhöht werden.

Wie sollte es auch anders sein. Alles andere wäre kaum vorstellbar, rein hypothetisch. Ebenso vorstellbar wäre ggf., dass der Kunde davon ausgeht, dass der Preis nur einmal jährlich zu einem bestimmten Termin allenfalls um einen bestimmten Prozentsatz  angepasst wird, er darüber in einem Schreiben lange genug vorher informiert wird, um sich ggf. umorientieren zu können.


Volle Fahrt zurück?!

Und obschon alles so schlimm und bedrohlich sei, könne man auch nicht wie in Bremen alle von der Unsicherheit betroffenen Verträge kurzerhand kündigen:

Schließlich könnte man damit auch die vielen Kunden, die immer brav alles ohne Murren gezahlt haben vor den Kopf stoßen, so dass diese etwa in Berlin  sofort zur schon in  vorhandenen Konkurrenz wechseln....

Hinter vorgehaltener Hand war noch zu erfahren, dass das Angebot der Thüga- Tochter Klickgas für Berlin  nur Show sei.  Dies verwundert insoweit nicht, als Thüga an der Gasag beteiligt ist und ihr Angebot derzeit auf die Hauptstadt beschränkt. Bei einer solchen Konstellation bedarf es keiner großen Phantasie.





Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Offline alx

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #1 am: 08. September 2006, 22:49:56 »
Hallo Herr Fricke,

waren Sie bei der Veranstaltung vor Ort? Kann sich jeder zu den Veranstaltungen und Kongressen des BGW anmelden? Da gibt es ja interessante Themen... http://www.bgw-kongress.de/v_t_bereich.php?a=%

Gruß
Alex
E.R.N.A. - Energie-Rebellen Neckar-Alb
www.E-R-N-A.de

Offline RR-E-ft

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #2 am: 09. September 2006, 13:31:48 »
@alx

Ja, ich war dabei und wurde ausdrücklich als Vertreter des Bundes der Energieverbraucher besonders willkommen geheißen.

Ja, es kann sich grundsätzlich jeder zu Veranstaltungen anmelden, welche auch für Nicht- BGW- Mitglieder öffentlich sind. Rechtzeitige Anmeldung empfiehlt sich.


Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #3 am: 11. September 2006, 11:36:09 »
In diesem Zusammenhang siehe auch hier:

BGH NJW 2000, 651

Abmahnung unwirksamer Klauseln durch Verbraucherverbände

http://www.rws-verlag.de/bgh-free/volltex/1999/vo12_9/vo63628.htm

"Die konkrete Ausgestaltung der beanstandeten Klauseln verstößt unabhängig davon auch gegen das sich aus § 9 AGBG ergebende Transparenzgebot. Danach sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (grundlegend: BGHZ 106, 42, 49 f.; 106, 259, 264 f.). Deshalb verstoßen Anpassungsklauseln, die dem Verwender ein uneingeschränktes Änderungsrecht vorbehalten, ohne daß der Kunde vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ihn höhere oder weitere Gebühren treffen, gegen das Transparenzgebot und sind unwirksam (BGHZ 136, 394, 402). Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlaß, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (Brandner, in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 8. Aufl. § 9 Rdn. 100).


In der Standardkommentierung Palandt, BGB, Vor § 307 Rn. 14 kann man erfahren:

Die Verwendung von unwirksamen Klauseln begründet gem. § 1 UKlaG einen Unterlassungsanspruch.

Sie verstößt zugleich gegen die bei Vertragsverhandlungen bestehende Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und verpflichtet daher nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo dem anderen Vertragsteil gegenüber zum Schadensersatz (BGH NJW 84, 2816; 94, 2754; OLG Hamm VersR 01, 1422, § 311 Rn. 41).

Der Schadesnersatzanspruch kann auf Ersatz von Rechtsberatungskosten oder auf Rückforderung der aufgrund von unwirksamen Klauseln erbrachten Leistungen gerichtet sein (dann Konkurrenz mit Anspruch aus § 812 BGB).


Hieran knüpfte auch die Einschätzung des Referenten Dr. Erman (Gasag) an, der eine Rückzahlungspflicht des Unternehmens im Wege des Schadensersatzes gegenüber allen betroffenen Kunden konstertierte.

Nach den Urteilen der LG Bremen, Berlin und Dresden waren die Preisänderungsklauseln wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot unwirksam, so dass im Ergebnis die bei Vertragsabschluss geltenden Preise immer noch Gültigkeit haben.

Es handelt sich dann faktisch von Anfang an um Fixpreis- Verträge, wobei die Höhe des geschuldeten Preises von der jeweiligen Preisstellung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abhängt.

Die über diesen weiter gültigen Preis hinaus geleisteten Zahlungen können- soweit noch nicht verjährt - im Wege des Schadensersatzanspruches und zugleich als ungerechtfertigte Bereicherung gem. § 812 BGB vollständig zurück gefordert werden.

Dies gilt auch dann, wenn die Zahlungen vollkommen vorbehaltlos geleistet wurden.



Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Offline userD0005

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #4 am: 11. September 2006, 15:13:13 »
@fricke

wie stellt sich die Sache der Preiserhöhungsklauseln in dem Falle dar,
wenn das EVU die Preiserhöhung auf max. 15% pro Jahr begrenzt hat?

Zitat aus den AGB meines EVU:
"Soweit sich die Kosten für Beschaffung, Übertragung und/oder Verteilung der elektrischen Energie künftig ändern,  ist XXX jederzeit berechtigt, die genannten Preise verhältnismäßig anzupassen. Preiserhöhungen dürfen jährlich insgesamt nicht mehr als 15 % des vertraglichen Stromlieferungsentgelts (vor sämtlichen ... Abgaben) betragen. ..."

Die AGB sind Stand 12/2005. Somit wohl auf die neuen gegebenheiten angepasst worden.....

Gruss

Offline RR-E-ft

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #5 am: 11. September 2006, 16:04:52 »
@pitti

Der Beitrag gehört hier nicht her, wo es um die Stellungnahme des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) geht.

Graf von Westphalen ist nichts hinzuzufügen.

Woher sollte der Kunde den steuer- und abgabenbereinigten Preis kennen und somit wissen, um welchen Betrag der Strompreis im Jahr maximal (15 Prozent davon) erhöht werden darf ?!

Zudem ließe sich die Berechtigung einer Preiserhöhung nicht allein anhand der Klausel kontrollieren.

Weiter fehlt es ebenso an einer von außen kontrollierbaren Verpflichtung zur Preissenkung etwa bei sinkenden Netznutzungsentgelten.

Wenn Sie das Thema weiter diskutieren wollten, machen Sie einen neuen Thread auf oder verwenden Sie bitte den Thread zu Ihrem Versorger oder eröffnen Sie zu diesem - nur soweit noch nicht vorhanden - einen neuen Thread unter Stadt/ Versorger.


Freundliche Grüße  
aus Jena


Thomas Fricke
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Offline uwes

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #6 am: 12. September 2006, 16:40:54 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
Weiter fehlt es ebenso an einer von außen kontrollierbaren Verpflichtung zur Preissenkung etwa bei sinkenden Netznutzungsentgelten.


Ziemlich treffend ausgedrückt.

Die AVBGasV sagt: (§4 Abs. 2)

(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst öffentlicher Bekanntgabe wirksam.

Für wen gilt das?
Dem Wortlaut nach für beide Teile?
Können die Verbraucher eigene Tarife veröffentlichen und damit zum Vertragsinhalt machen?
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #7 am: 12. September 2006, 19:17:48 »
@uwes

Im direkten Anwendungsbereich der AVBGasV ist diese Frage klar zu beantworten:

Die Antwort ergibt sich aus der Zusammenschau mit den Regelungen der § 6 EnWG 1935 bzw. § 10 Abs. 1 EnWG 1998, wonach Gasversorgungsunternehmen verpflichtet waren, jederman an das Gasnetz anzuschließen und  zu Allgemeinen Preisen und Bedingungen mit Gas in Niederdruck zu versorgen, wobei die Allgemeinen Bedingungen gem. § 7 EnWG 1935 bzw. § 11 EnWG 1998 in den §§ 2 - 34 AVBGasV niedergelegt waren, die gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV kraft normativer Anordnung Vertragsbestandteil der Verträge mit Tarifkunden wurden.

Gemäß § 4 Abs. 1 AVBGasV erfolgt die Versorgung zu den jeweiligen Tarifen.

Dabei bestimmte das gesetzlich kontrahierungspflichtige GVU die jeweils geltenden Tarife von Anfang an, so dass es sich bei diesen zu jeder Zeit um einseitig bestimmte vertragliche Leistungen handelte, die der Tarifkunde vertraglich schuldete.

Demnach findet auf diese Allgemeinen Tarife § 315 BGB von Anfang an und vollumfänglich Anwendung (vgl. auch BGH NJW 2006, 684 für Netzentelte in der Form Allgemeiner Tarife).

Diese Frage lässt sich indes nicht beantworten im Bereich außerhalb der Versorgung von Tarifkunden.

Außerhalb der Tarifkundenversorgung bestand kein gestzlicher Kontrahierungszwang, ebenso wie außerhalb der heutigen Grund- und Ersatzversorgung gem. § 36, 38 EnWG 2005.

Ein solcher konnte und kann sich allenfalls für einen Monopolanbieter aus § 826 BGB und den GWB- Vorschriften ergeben.

Deshalb kann eine Regelung wie in § 4 AVBGasV nicht einfach in einen Sondervertrag übernommen werden.

Anders als beim Tarifkunden bestimmt das GVU gegenüber einem Sondervertragskunden nicht auch den Anfangspreis bei Vertragsabschluss. Dieser ist vielmehr bei Abschluss eines Sondervertrages regelmäßig Gegenstand einer entsprechenden Einigung.

Für einen konkludenten Vertragsabschluss eines Tarifkunden gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV musste der Kunde den aktuell geltenden Tarif bei Vertragsabschluss noch nicht einmal kennen.

Ohne Kenntnis eines Tarifes kann ein solcher indes in konkreter Höhe nicht Gegenstand einer Einigung gem. §§ 145 ff. BGB sein.

Auch darin wird deutlich, dass der Tarifkunde sich von Anfang an einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des gesetzlich kontrahierungspflichtigen GVU aussetzt.

Ohne ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des GVU hinsichtlich der vertraglich geschuldeten Entgelte käme es zu keinem wirksamen Vertragsabschluss, weil es an einem hinreichenden Konsens über das künftig  geschuldete Entgelt als essentialia negotii fehlen würde.

Dafür, dass sich hinterher der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch den Versorger einseitig bestimmte Tarif, zu dem er seine gesetzliche Versorgungspflicht erfüllen wollte, überhaupt feststellen lässt, bedurfte es der öffentlichen Bekanntmachung der jeweils geltenden Tarife.

Die Ermessensausübung des GVU  bei der Festsetzung des Tarifs unterfällt somit von Anfang an und jederzeit einer Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB.

Bei einem Sondervertrag fehlt es hingegen am einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des GVU hinsichtlich des Anfangspreises.

Ein konkludenter Vertragsabschluss gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV eines Sondervertrages ist schon nicht möglich, da schon die Bestimmungen der AVBGasV gar nicht gelten.

Es würde sich die Frage stellen, was zuerst da war, Henne oder Ei....

Für den wirksamen Abschluss eines Sondervertrages bedarf es mithin wohl immer einer Einigung über den Anfangspreis. Das kann mit Rücksicht auf BGH NJW-RR 1992, 183 ff. selbstredend diskutiert werden.

Indes ist im liberalisierten Markt schon nicht klar, welcher Erdgaslieferant überhaupt  Vertragspartner eines solchen Sondervertrages werden sollte.

Will das GVU später von diesem vertraglich vereinbarten Preis abweichen, bedarf es dafür eines wirksam vereinbarten einseitigen Leistungsneubestimmungsrechts.

Ein solches vertragliches Leistungsbestimmungsrecht muss von demjenigen nachgewiesen werden, der sich darauf beruft. Das ist der Gaslieferant, der die Preise nachträglich im Vertragsverhältnis einseitig neu bestimmen will.

Leugnet dieser im Prozess - wie zumeist - deshalb die Einräumung eines vertraglichen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts, braucht man sich diesen Vortrag eigentlich nur zu eigen machen und die Prüfung müsste an dieser Stelle für das Gericht beendet sein....


(An dieser Stelle wären viele Klage zu erledigen gewesen.)

Hierfür muss das GVU sich einen vertraglichen  Preisänderungsvorbehalt einräumen lassen, wobei die spätere einseitige Leistungsneubestimmung der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterworfen wäre.

Die Neubestimmung ist für den Kunden demnach  nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht.

Für einen solchen Preisänderungsvorbehalt, der innerhalb gestellter  Allgemeiner Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil werden soll, gelten indes die Restriktionen des § 307 BGB, so dass ein einfacher Preisänderungsvorbehalt regelmäßig unwirksam ist.

Dabei kann auch nicht auf eine öffentliche Bekanntgabe abgestellt werden, da es sich bei der Ausübung des vertraglich eingeräumten Gestaltungsrechts um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung handelt.

Ebenso kann dabei nicht auf ein jederzeit bestehendes Preisneubestimmungsrecht abgestellt werden, weil es sonst in jedem Falle auch an einer wirksamen Einigung über den Preis als essentialia negotii fehlen würde.

Der Kunde, der eben einen schriftlichen Vertrag abgeschlossen und sich auf einen Preis geeinigt hätte, könnte sonst schon am Abend in der Zeitung lesen, dass ab dem nächsten Tag vollkommen andere Preise gelten sollen.

Vertragsrechtlich wohl undenkbar. Schließlich könnte sich der Versorger so auch aus jedem Vertrag rausstehlen, er trüge selbst keinerlei Preis- oder Vertragsrisiko.

Es bestehen mithin gravierende Unterschiede zwischen Tarifkunden, die aufgrund einer gestzlichen Versorgungspflicht versorgt werden und den Sondervertragskunden, denen gegenüber eine solche gesetzliche Versorgungspflicht gerade nicht besteht.

Demnach wäre eine frei vertragliche Bestimmung, die den Wortlaut des § 4 AVBGasV exakt wiedergibt, vollkommen ungeeignet, überhaupt einen wirksamen Vertrag zu begründen.

Es fehlt dabei ganz klar an der Regelung, wer von den Vertragskontrahenten die geänderten Preise und Bedingungen veröffentlicht.

Es gäbe mithin  keinerlei tragbaren Konsens zwischen den Kontrahenten über die zukünftigen gegenseitigen Leistungspflichten, wenn jeder Vertragspartener jederzeit alles neu bestimmen kann, Hauptsache er findet einen geeigneten Platz zur öffentlichen Bekanntgabe.

Allein darin würde sich nämlich der Konsens erschöpfen, dass man sich gerade nicht abschließend geeinigt hat.

Demnach gäbe es gar keinen wirksamen Vertrag.

Um die Wirksamkeit des Vertrages nicht vollständig in Frage zu stellen, wird man es deshalb dabei zu belassen haben, dass eine entsprechende Klausel unwirksam ist und deshalb die Einigung der Vertragsparteien bei Abschluss des Sondervertrages unverändert fortwirkt.

Sollte diese Situation für einen der Vertragsteile zu einer unzumutbaren Härte führen, hätte man die Lösung dieses Konfliktes allein über §§ 313, 314 BGB zu suchen.

Gerade dafür sind die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nunmehr kodifiziert worden.

Das ist wohl unmittelbar einleuchtend.

Manch einer wird es indes erst wieder bei Lichte besehen müssen.

Übrigends:

Die Bestimmung in AGB:

"Es gilt die AVBGasV in der jeweils geltenden Fassung" ist wegen der dynamischen Verweisung schon mit Rücksicht auf § 305 II BGB regelmäßig  unwirksam.

http://dejure.org/gesetze/BGB/305.html

§ 305 III BGB meint  Rahmenverträge.

Schon daran kranken viele Verträge und auch der Referent Herr Dr. Kunth musste sich deshalb hinsichtlich einer seiner Folien durch den Referenten Herrn Prof. Dr.  Graf von Westphalen eines besseren belehren lassen.

So leicht kann man einen ganzen Vertrag unbrauchbar machen....

Oft ohne rechten Sinn und juristischen Verstand wurden in der Vergangenheit Vertragsklauseln in AGB übernommen, die sich allesamt als unwirksam erweisen.

Kautelarjurisprudenz ist nicht umsonst die höchste Schule der Juristerei.


Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Offline uwes

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #8 am: 02. Oktober 2006, 18:22:02 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
Gemäß § 4 Abs. 1 AVBGasV erfolgt die Versorgung zu den jeweiligen Tarifen.
Dabei bestimmte das gesetzlich kontrahierungspflichtige GVU die jeweils geltenden Tarife von Anfang an, so dass es sich bei diesen zu jeder Zeit um einseitig bestimmte vertragliche Leistungen handelte, die der Tarifkunde vertraglich schuldete.

Demnach findet auf diese Allgemeinen Tarife § 315 BGB von Anfang an und vollumfänglich Anwendung (vgl. auch BGH NJW 2006, 684 für Netzentelte in der Form Allgemeiner Tarife).


Gut. Zm Zeitpunkt des Vertragsschlusses gelten die allgemeinen - vom Versorger einseitig bestimmten - Tarife. § 315 BGB ist anwendbar. Gut.

Woraus ergibt sich bezogen auf Tarifkunden jetzt aber ein Preisanpassungsrecht und wenn ja, für wen?

Dresden und Berlin sagen, ein solches Recht ergibt sich zumindest nicht aus der AVBGasV.

Woraus denn sonst?
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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« Antwort #9 am: 02. Oktober 2006, 19:19:09 »
@Uwes

Da wurde ich möglicherweise falsch verstanden.

Aus § 4 I AVBV ergibt sich, dass die Parteien sich von Anfang an betragsmäßig auf keinen konkreten Preis sowie auch nicht auf eine Art und Weise dessen zukünftiger Bestimmung  geeinigt haben, sondern statt dessen ging die Einigung allein darauf,  dass dem Versorger ein jederzeitiges einseitiges Preisbestimmungsrecht gem. § 315 BGB eingeräumt wird (so auch BGH NJW 2006, 684 und BGH NJW-RR 2006, 915).

Dann bedarf es streng genommen  keines Preisänderungsrechts, weil man sich ja schon von Anfang an betragsmäßig auf keinen konkreten Preis geeinigt hat, der nachträglich einseitig abgeändert wird.....

Die Höhe der Tarife wird jederzeit insgesamt vom Versorger einseig bestimmt.

Das ist der Inhalt der vertraglichen Abrede in § 4 I AVBV, die gem. § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AVBV Inhalt eines jeden Tarifkundenvertrages wird.

Lediglich dahin geht die Einigung der Parteien bei Abschluss eines Tarifkundenvertrages überhaupt nur, nämlich auf ein jederzeitiges einseitiges Preisbestimmungsrecht des Versorgers im Sinne des § 315 BGB.

(Es gibt auch keine Einigung auf irgendeinen Preissockel. Die konkrete betragsmäßige Höhe des Tarifs wird zu keinem Zeitpunkt Gegenstand einer vertraglichen Einigung der Parteien. Der Kunde hat zu keinem einzigen Zeitpunkt  Einfluss auf die jederzeit durch das EVU  einseitig festgelegte Höhe des Tarifs).

Aus § 4 II AVBV ergibt sich dementsprechend auch kein Preisänderungsrecht.

Es handelt sich vielmehr nur um eine Regelung zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens geänderter Tarife.

Das ist wichtig insbesondere für neu hinzutretende Tarifkunden, weil sonst der gerade geltende, einseitig festgelegte  Preis bei Vertragsabschluss schon nirgends "dokumentiert" wäre. Gleiches gilt für Bestandstarifkunden.

Die einseitigen Preisbestimmungen des EVU müssen iregendwie nach außen dokumentiert werden.


Preisverhandlungen finden auch mit Neutarifkunden nicht statt.

Der geänderte Tarif gilt gleichermaßen für Neutarifkunden wie auch Bestandstarifkunden undzwar vollständig privatautonom allein durch den Versorger einseitig festgelegt.

In diesem Bereich gilt also vollständig die neuere Tarife- oder Preisblätter- Rechtsprechung des BGH (aaO.), der § 315 BGB direkt zur Anwendung bringt.


Anders ist es bei Sonderverträgen, also außerhalb der Grundversorgung:

Dort ist ein innerhalb  der AGB geregelter Preisvorbehalt gem. § 307 BGB nur unter den o.g. Voraussetzungen zulässig.

Dass dabei nicht auf den nur im Rahmen der Grundversorgungspflicht (§ 36 EnWG) geltenden  § 4 AVBV zurückgegriffen oder abgestellt werden kann, ergibt sich unmittelbar aus § 41 EnWG, der eine vertragliche Regelung über Preisanpassungen verlangt.

Preisanpassungen oder -änderungen setzen jedoch zunächst überhaupt eine Einigung auf einen Anfangspreis voraus, der später ggf. abgeändert werden kann.

Die Rechtsprechung zu Sonderverträgen vollzieht genau dies nach, sieht eine Einigung auf einen Anfangspreis und fragt sodann nach einem wirksam vereinbarten Recht zu einseitigen Preisänderungen, welches sich insbesondere weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig aus § 4 II AVBV ergeben kann.

Die Kollegen auf Seiten des BGW meinen nun, man könnte die für Tarifkunden geltenden Regelungen auf Sondervertragskunden übertragen und berufen sich dabei teilweise auf meine Ausführungen in Energiedepesche Sonderheft bezüglich Norm- Sondervertragskunden (so Kollege Dr. Kunth).


Es gibt indes eine klare Unterscheidung zwischen den Anwendungsbereichen des § 36 EnWG einerseits und § 41 EnWG andererseits.

Diese lässt sich nicht verwässern oder gar hochdialektisch im Wege der Negation der Negation aufheben.  

Während der Tarifversorger gar keines Rechts zur Abänderung eines Preises, der Gegenstand einer Eingung wurde, bedarf - weil er nach der vertraglichen Abrede von Anfang an jederzeit den Preis einseitig bestimmen soll (selbstredend mit der Kontrollmöglichkeit des § 315 BGB), bedarf ein Erdgaslieferant in einem Sondervertrag eines vertraglich wirksam eingeräumten Preisänderungs- bzw. Preisanpassungsrechts.....

Dies folgt unmittelbar aus § 41 EnWG.

Die Bestimmung des § 41 EnWG gilt auch für neue Anbieter wie Nuon, Flexgas und Klickgas in Berlin.

Jedem wird wohl einleuchten, dass diese sich nicht auf § 4 AVBGasV berufen könnten.

Im Strombereich gilt nichts anderes.

Auch Yello Strom und Lichtblick etc. pp. können sich schließlich nicht auf § 4 AVBEltV berufen. Wie und wo sollten etwa bundesweit tätige Energieanbieter ihre allgemeinen Preise öffentlich bekannt geben?

Warum sollte nun für einen (ggf. im Wettbewerb stehenden) Energielieferanten, der rein zufällig vor Ort auch die Gas- oder Strom- Grundversorgung betreibt, etwas anderes gelten?

Der Energielieferant, der in einem Gebiet die Grundversorgung betreibt, genießt außerhalb der selben keinerlei Privilegierung gegenüber (seinen ggf. schon vorhandenen oder erst noch hinzutretenden) Wettbewerbern.

Gegenprobe:

Ein kontrahierungspflichtiger Grundversorger muss jederzeit alle vergleichbaren Kunden in der Grundversorgung zu gleichen Preisen versorgen (Gleichbehandlungsgebot), unabhängig davon, wann der Vertrag zustande gekommen war.

Ein im Wettbewerb stehender Energielieferant ist demgegenüber nicht daran gehindert, mit jedem einzelnen seiner Kunden die Preise vollkommen individuell auszuhandeln.

Solche individuellen Preisverhandlungen sind gerade für einen Wettbewerb kennzeichnend.

So kann die Lachgas GmbH in X- Stadt den Kunden A zu einem anderen Preis beliefern als den - im übrigen vollkommen vergleichbaren - Kunden B.

Will die Lachgas GmbH später in den laufenden  Verträgen mit diesen Kunden A und B die Preise einseitig ändern, bedarf es eines wirksamen vertraglichen Preisänderungsrechts, ohne dass sich aus diesem ergeben muss oder gar kann, in welcher Höhe die geänderten Preise liegen werden.

Waren mit A und B bei zeitgleichem Vetragsabschluss unterschiedliche Preise vereinbart worden, gebietet das Äquivalenzprinzip in jedem Falle wohl, dass diese beiden Kunden nie zur gleichen Zeit den selben Preis zu zahlen haben werden....

Der eine hatte eben bei Vertragsabschluss  besser verhandelt als der andere.

Und bei genauer Betrachtung vereinbaren bundesweit tätige Stromanbieter auch regelmäßig regional unterschiedliche Preise, ohne dass es dagegen etwas zu sagen gäbe....

Fazit:

Allein das Gleichbehandlungsgebot, dem der kontrahierungspflichtige Grundversorger unterliegt, lässt gar keine Preisverhandlungen zu, sondern verlangt, dass ein Tarif, der betragsmäßig vom Grundversorger bereits einseitig bestimmt wurde, zur Anwendung kommt.

Er muss also den Preis jederzeit einseitig bestimmen.


Und wenn sich in einem Sondervertrag nun einmal kein wirksam vereinbartes, einseitiges Preisänderungsrecht finden lässt, dann verbleibt es eben beim Anfangspreis. Jedenfalls kann der Preis nicht einseitig abgeändert werden.





Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Stadt/Versorger

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #10 am: 04. Oktober 2006, 17:22:37 »
Der BGH hat in einem Fernwärme-Fall mit Urteil vom 15. Februar 2006 entschieden, dass die Verträge gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 AVBFernwärmeV zustande kommen und deshalb § 315 BGB nicht anzuwenden ist. Damit wird erstmals vom BGH anerkannt, dass die Verhältnisse bei Fernwärme eine automatische Anwendung des § 315 BGB nicht zulassen. § 30 AVBFernwärmeV wurde einschränkend ausgelegt.

aus www.agfw.de

Offline RR-E-ft

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #11 am: 04. Oktober 2006, 17:32:20 »
@Stadt/Versorger

Na so etwas aber auch.

Man darf nicht alles glauben, was man auf den Seiten der Lobbyverbände zu lesen bekommt. Die Kollegen werden sehr gut dafür bezahlt, die Meinung der Versorgungswirtschaft zu vertreten/ zu verbreiten oder eine solche neu zu gestalten:

http://www.agfw.de/823.0.html

Man muss einfach selbst die BGH- Entscheidung lesen, insbesondere die Textziffern [28] ff.:

http://www.pontepress.de/pdf/200602U6.pdf

Das steht hier schon so oft im Forum geschrieben, dass man nicht immer wieder neu damit kommen sollte:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4327

Die Kollegen vom AGFW sehen es übrigends (mittlerweile?) selbst weit differenzierter, vgl. nur hier auf Seite 10:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/060928_Preisanpassung_Internet_01.pdf


Übrigends befassen sich die BGW- Energierechtsexperten, um deren Erkenntnisprozess es in diesem Thread geht, mit der Billigkeitskontrolle von Erdgaspreisen.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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Offline uwes

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #12 am: 17. Oktober 2006, 12:41:02 »
@Fricke
@Stadt/Versorger
Bitte genau lesen!
Ich bin der Auffassung, dass das Urteil des BGH (ZNER 2006 S. 150)
http://www.zner.org/pdf/200602U6.pdf
in Sachen Fernwaerme eine Menge auch für den Bereich des Erdgaspreisanpassungsrechts hergibt und vor allem ganz anders als oben beschrieben.

Der BGH stellt nämlich gerade nicht fest, dass § 315 BGB auf die Preisgestaltung nicht anwendbar ist.
Darüberhinaus prüft der 8 Zivilsenat des BGH aber auch, unter welchen Voraussetzungen eine Preisänderung/Erhöhung möglich ist.

Er vertritt hierzu die Auffassung, dass die Preise geschuldet werden, die in vergleichbaren Versorgungsverhältnissen von dem Energieversorger zugrundegelegt werden.

Soweit ersichtlich - erstmalig - sagt der BGH aber jetzt hierzu, dass es "desweiteren der Feststellung" bedürfe, "ob und unter welchen Voraussetzungen solche Verträge Preisanpassungen während der Vertragslaufzeit" zuließen[/b]. Ohne Preisänderungsklauseln wären im Verhältnis Kunde - Versorger ausschließlich die zu Beginn des Vertrages in vergleichbaren Versorgungsverträgen vereinbarten Preise maßgeblich.

Im Klartext:
§ 4 Abs 2 AVBGasV beinhaltet für sich allein genommen kein Recht des Versorgungsunternehmens, die Preise zu erhöhen.
Erhöht werden dürfen die Preise bei Fehlen einer wirksamen Preisänderungsklausel im Vertrag mit dem Kunden nur dann,  wenn (wirksame) Preisänderungsklauseln in gleichartigen Versorgungsverträgen des Energieversorgungsunternehmens festgestellt werden können und diese die Preisänderungen ermöglichen.

Das bedeutet für die Tarifkunden ohne wesentliche Vertragsinhalte und vor allem ohne wirksame Preisänderungsklauseln im Vertrag, dass eine Preisanpassung nach den oben dargelegten Grundsätzen durch das Energieversorgungsunternehmen nicht möglich ist, sondern (nur) der Preis geschuldet ist, der zu Beginn des Vertragsverhältnisses in gleichartigen Versorgungsverhältnissen bestanden hat, dessen Angemessenheit einmal vorausgesetzt.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #13 am: 18. Oktober 2006, 15:35:05 »
@uwes

Im Fernwärmebereich besteht die Besonderheit, dass es keine Tarifkunden gibt.

Es besteht, soweit nicht etwa ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, auch keine gesetzliche Versorgungspflicht des FVU, so dass es - von Ausnahmen abgesehen - auch keinem Kontrahierungszwang unterliegt.

Für Tarifkunden bleibe ich deshalb bei meiner Auffassung, dass es sich von Anfang an nur um einseitig bestimmte Preise im Sinne von § 315 BGB handeln kann, wobei der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist wie die Folgepreise (BGH NJW 2006, 684 und BGH NJW- RR 2006, 915).

Bei Sondervertragskunden mag anderes gelten.

Der Kontrahierungszwang des Versorgungsunternehmens und das daraus folgende Gleichbehandlungsgebot schafft m. E. immer eine besondere Situation, die zur direkten Anwendung von § 315 BGB führt.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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Offline uwes

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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!
« Antwort #14 am: 19. Oktober 2006, 10:45:40 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
Im Fernwärmebereich besteht die Besonderheit, dass es keine Tarifkunden gibt.


Richtig. Das löst aber nicht die aufgeworfene Frage, ob und unter welchen Bedingungen den Versorgern ein einseitiges Preisbestimmungsrecht in Verträge mit Tarifkunden während der Vertragslaufzeit zusteht.

Zitat von: \"RR-E-ft\"
Es besteht, soweit nicht etwa ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, auch keine gesetzliche Versorgungspflicht des FVU, so dass es - von Ausnahmen abgesehen - auch keinem Kontrahierungszwang unterliegt.


Auch - teilweise - richtig. Ein Versorgungszwang wird bei bestehenden Verträgen wohl über die kartellrechtliche Belieferungspflicht angenommen werden können. Schließlich können Fernwärmekunden nicht so einfach auf einen anderen Energieträger umsteigen.

Zitat von: \"RR-E-ft\"
Für Tarifkunden bleibe ich deshalb bei meiner Auffassung, dass es sich von Anfang an nur um einseitig bestimmte Preise im Sinne von § 315 BGB handeln kann, wobei der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist wie die Folgepreise (BGH NJW 2006, 684 und BGH NJW- RR 2006, 915).


Ja. Auch richtig- aber: Ich wiederhole meine Hinweise. Woraus ergibt sich ein Preisbestimmungsrecht im laufenden Vertragsverhältnis ohne Preisänderungsklauseln weder im streitgegenständlichen noch in gleichartigen Versorgungsverträgen?
§ 4 Abs. 1 AVBGasV und § 4 Abs. 1 FernwaermeV sind dort meines Erachtens inhaltsgleich.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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