Viele Mitarbeiter von Gasversorgungsunternehmen aus ganz Deutschland nahmen am 07.09.2006 an einer BGW- Tagung teil:
http://www.bgw-kongress.de/pdf_veranst/energiepreis_urteile.pdf Dabei wurden folgende Inhalte klar und unmissverständlich vermittelt:
Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen unterfallen der Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB.
Der Referent Herr
Prof. Dr. Graf von Westphalen wies darauf hin, dass eine wirksame Preisanpassungsklausel in den AGB in den letzten 20 Jahren von der Rechtsprechung nicht gesichtet worden sei und eine solche wegen der hohen Anforderungen der Rechtsprechung auch nicht unbedingt zu erwarten stünde.
So seien die Preisänderungsklauseln, die Gegenstand der Verfahren vor den Landgerichten Bremen, Berlin und Dresden waren,
zweifelsfrei wegen Intransparenz gem. § 307 BGB unwirksam.
Der Referent
Prof. Dr. Graf von Westphalen wies darauf hin, dass ein Kündigungsrecht die unangemessene Benachteiligung durch Intransparenz allenfalls dann kompensieren könnte, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der Preisänderungsklausel ein Sonderkündigungsrecht deutlich eingeräumt wird und zudem der Wechsel zu einem anderen Anbieter unmittelbar erfolgen kann und mit keinem zusätzlichen Aufwand verbunden wäre.
Davon könne bei einer Kündigung eines Erdgaslieferungsvertrages da keine Rede sein, wo kein anderer Erdgaslieferant zur Verfügung steht. Bei einem notwendigen Wechsel zu einem anderen Energieträger, der mit Kosten verbunden ist, sei dies eben nicht der Fall.
Über die Folgen wurde debattiert.
Ziel der eigenen Argumentation der Gasversorger müsse deshalb eine ergänzende Vertragsauslegung sein, die zur Anwendbarkeit des § 4 AVBGasV führe.
Das dafür notwendige Argumentationsmuster war indes sehr umständlich und kam nicht ohne erhebliche "
Griffe in die Trickkiste" aus. Teilweise musste es wohl selbst Nichtjuristen deshalb bereits suspekt erscheinen.
Ziel dieser Argumentation ist nichts weniger, als die Gerichte davon zu überzeugen, dass es bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel bei Abschluss des Vertrages bereits dem
hypothetischen Willen Vertragspartner entsprochen hätte, (exakt) den Wortlaut des § 4 AVBGasV im Vertrag zu vereinbaren.
Dafür bedarf indes schon viel Phantasie.
Dass eine solche Regelung zudem selbst
vollkommen unzweifelhaft nicht transparent sei, müsse man hinnehmen.
Schließlich hätten quasi von Staats wegen umhegte
Tarifkunden auch keinen größeren Schutz.....
Es steht angesichts der klaren Rechtsprechung des BGH nicht zu erwarten, dass die Berufungsgerichte dem folgen werden, zumal die Rechtsprechung zur AGB- rechtlichen Zulässigkeit einseitiger Preisänderungsvorbehalte umfangreich und gefestigt ist.
In Verträgen mit Haushaltskunden sei die Zulässigkeit von HEL- Preisgleitklauseln ebenfalls in Anbetracht von § 307 BGB sehr zweifelhaft.
Die Rechtsprechung der OLG Rostock ließe sich nicht ohne weiteres übertragen, da es dabei um einen Vertrag im kaufmännischen Bereich zwischen Energieversorgungunternehmen ging.
Die Rechtsprechung des OLG Brandenburg im Urteil vom 21.06.2006 gebe dafür nichts her, weil die
Preisgleitklausel in einem Fernwärmelieferungsvertrag als Individualvereinbarung gerade nicht am Maßstab des § 307 BGB gemessen wurde.
Weitere Rechtsprechung bestehe ersichtlich noch nicht.
Klarheit müssten hierzu Entscheidungen, etwa in einem vom Bund der Energieverbraucher betriebenen Verfahren gegen RheinEnergie vor dem LG Köln bringen.
Keiner der Experten unternahm auch nur den Versuch, eine Preisänderungsklausel vorzustellen, welche den Ansprüchen der Rechtsprechung überhaupt genügen könnte.
Man sei eben in einem Dilemma.
Preisänderungsvorbehalte gem. § 4 AVBGasV, welche grundsätzlich nur auf Tarifkunden (Grundversorgung) Anwendung finden, unterliegen der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle.
Der Referent Herr
Dr. Kunth legte dabei seine
Folie Nr. 13 auf, in der es unmissverständlich heißt:
"Die Preisänderung nach § 4 AVBGasV steht - selbstverständlich - unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Kontrolle ( § 19 Abs. 4 GWB, § 315 Abs. 3 BGB)" Der Referent Herr
Dr. Kunth wies darauf hin, dass die auf Grundlage einer Vorbehaltsklausel vorgenommene Leistungsbestimmung für den anderen Teil nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht. Dies ergebe sich
"bei Lichte besehen".
Vorgenannter Referent verwies innerhalb seines Vortrages auch auf Rechtsansichten in der
Energiedepesche Sonderheft, deren Lektüre wohlmöglich zu einer neuen Beurteilung der Rechtslage Veranlassung gab.
Demnach sollte den Unternehmen nach dieser Tagung des Branchenverbandes, bei welchem ausgewiesene Spezialisten auf dem Gebiet des AGB- Rechts und des Energiewirtschaftsrechts umfassend referierten, die Rechtslage ziemlich klar sein.
Zum Umfang des Billigkeitsnachweises wurde darauf verwiesen, dass am 20.12.2006 das Revisionsverfahren nach dem Heilbronner Urteil vor dem Bundesgerichtshof verhandelt werden soll, im Januar dann die Revision nach dem Urteil des LG Karlsruhe.
Klar wurde, dass herkömmliche Gasversorgungsunternehmen, die außerhalb der Grundversorgung tätig werden, und somit im Wettbewerb mit anderen Gaslieferanten - wie auch Flüsssiggas- Anbietern stehen, keinen Wettbewerbsvorteil daraus erlangen können, dass deren Preisänderungsklauseln von der Rechtsprechung in Anwendung des § 307 BGB anders beurteilt werden, als die der Konkurrenzunternehmen.
Es gibt keinen
sachlich gerechtfertigten Grund für eine Besserstellung gegenüber Flüssiggaslieferanten und neu am Markt auftretenden Erdgaslieferanten, welche eine Gasversorgung für Haushaltskunden anbieten.
Anders konnten die Stellungnahmen des Referenten Herrn
Prof. Dr. Graf von Westphalen nicht verstanden werden, der keinen Zweifel daran ließ, dass die Maßstäbe der AGB- Kontrolle bei
abstrakt- genereller Betrachtung keine Unterscheidung zulassen.
Insbesondere bei einer Klauselkontrolle nach § 1 UKlaG stelle sich nicht die Frage, ob der Vertrag etwa schon immer "geatmet" habe, also in der Vergangenheit Preisanpassungen nach oben oder nach unten erfolgt seien, die der Kunde bisher ohne sich zu beschweren mitgegangen sei.
Angestrengt wirkten die Versuche des Referenten Herrn
Dr. Kunth, für eine
Sonderrolle der Gasversorgungsunternehmen ins Feld zu führen, dass diese aber im
Bereich der Daseinsvorsorge (!) tätig seien, nach dem Energiewirtschaftsgesetz eine
ganz besondere Verantwortung trügen (!) und deshalb mit Flüssiggas- Lieferanten oder anderen nun überhaupt nicht zu vergleichen wären. Von einem einheitlichen Wärmemarkt (!) war auf einmal auch keine Rede mehr.....
Darauf kommt jedoch es bei
abstrakt-genereller Betrachtung gerade nicht an, worauf der Referent Herr
Prof. Dr. Graf von Westphalen noch hinwies, welcher der Diskussion an dieser Stelle nicht mehr folgen konnte und die Veranstaltung verließ...
Anmerkung:
In einem Wettbewerb treffen alle Anbieter auf einem Markt die gleichen Risiken. Zu den Risiken zählt auch, im Vertragsmanagement juristische Fehler zu begehen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen als Konsequenz unternehmerischen Handelns auf einem Wettbewerbsmarkt zu tragen.
Wie der Wettbewerb auf dem Strommarkt gezeigt hat, kann dieses unternehmerische Handeln auf einem liberalisierten Energiemarkt auch damit verbunden sein, dass Unternehmen im Extremfall infolge Insolvenz aus dem Markt ausscheiden müssen.
Auch das ist Wettbewerb, ebenso wie die Möglichkeit, alle Kunden an einen Wettbewerber zu verlieren.
Im Wettbewerb ist der wirtschaftliche Bestand eines Unternehmens gerade nicht geschützt.
In Monopolzeiten gab es einen solchen Schutz nach der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin in Sachen SpreeGas ebenfalls schon nicht.
Ein GVU musste demnach seine Preise auf das Niveau eines preisgünstigeren, vergleichbaren Versorgers absenken, selbst wenn es danach selbst nachhaltig keine Kostendeckung mehr erzielen konnte.
Im Wettbewerb kann ein Erdgasversorgungsunternehmen selbstredend insoweit keinen größeren Schutz erfahren als zuvor zu Monopolzeiten.
Die Beurteilung hinsichtlich einer Selbstverständlichkeit einer gerichtlichen Kontrolle von Preisanpassungen nach § 4 AVBGasV könnte so manchen überrascht haben, der von den selben Referenten wohlmöglich vor nicht allzulanger Zeit noch eine andere Beurteilung der Rechtslage vorfand.
Möglicherweise soll dadurch ein Bedürfnis begründet werden, ständig weitere solcher Veranstaltungen zu besuchen.
Über die Rechtslage kann man sich indes z.B. auf
www.energienetz.de auch deutlich preiswerter, gleichwohl qualitativ hochwertig informieren.
Die Veranstaltung war in jedem Falle interessant und aufschlussreich.
Im Auditorium war zu vernehmen, dass man sich noch als Monopolist sieht und auch große Skepsis herrscht, ob zum 01.10.2006 überhaupt neue Erdgasanbieter zur Verfügung stehen werden, so dass alles beim alten bleiben könnte.
Man sehe sich nun weiter
zwischen Pest und Cholera und habe angesichts der Rechtsprechung "
Erhängen oder Erschießen" zur Wahl (§§ 307/ 315 BGB).
Den von den Referenten angestellten Versuchen des Aufzeigens von Auswegen begegnete man teilweise mit Skepsis.
Auf den Punkt brachte es wohl der Referent der Gasag mit der Formulierung "
Wir müssen gewinnen.".
Folge eines Urteils nach Anwendung des § 307 BGB sei ein "
Flächenbrand":
Alle Kunden, auch diejenigen, welche vorbehaltlos gezahlt hätten, hätten mehr gezahlt, als vertraglich geschuldet war und hätten deshalb Rückzahlungsansprüche (§ 812 BGB).
Wenn das Unternehmen dies schon nicht gewusst habe, hätten es die Kunden erst recht nicht wissen können, so dass § 814 BGB ausscheide. Die Kunden konnten dann nicht wissen, dass sie teilweise auf eine Nichtschuld zahlten.
Gewiss prekär.
Da sei man schon eher bereit, die Karten offen zu legen.
Nur leider interessieren die Gerichte sich nun gar nicht mehr dafür, so wird nun beklagt.
Kunststück:Hatte man den Gerichten doch zuvor lang und breit ohn Unterlass erklärt, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gar nicht vertraglich vereinbart sei und deshalb § 315 BGB gar nicht zur Anwendung käme.
Nun wundert man sich wohl selbst, dass man mit diesem Vortrag von den Gerichten ernst genommen wurde.
Mehr noch will man nun den Gerichten wohl Glauben machen, es sei der hypothetische Parteiwille beider Parteien schon bei Vertragsschluss gewesen, dass der Versorger den Preis
jederzeit einseitig neu bestimmen können soll, allein durch eine öffentliche Bekanntmachung, ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB.
Dem Kunden hätte bestimmt bei Vertragsabschluss kein Gedanke näher gelegen, als ggf. schon am Tag nach Vertragsabschluss in der Zeitung zu lesen, dass die Preise einseitig neu bestimmt und dabei erheblich erhöht werden.
Wie sollte es auch anders sein. Alles andere wäre kaum vorstellbar, rein hypothetisch. Ebenso vorstellbar wäre ggf., dass der Kunde davon ausgeht, dass der Preis nur einmal jährlich zu einem bestimmten Termin allenfalls um einen bestimmten Prozentsatz angepasst wird, er darüber in einem Schreiben lange genug vorher informiert wird, um sich ggf. umorientieren zu können.
Volle Fahrt zurück?!Und obschon alles so schlimm und bedrohlich sei, könne man auch nicht wie in Bremen alle von der Unsicherheit betroffenen Verträge kurzerhand kündigen:
Schließlich könnte man damit auch die vielen Kunden, die immer brav alles ohne Murren gezahlt haben vor den Kopf stoßen, so dass diese etwa in Berlin sofort zur schon in vorhandenen Konkurrenz wechseln....
Hinter vorgehaltener Hand war noch zu erfahren, dass das Angebot der Thüga- Tochter
Klickgas für Berlin nur Show sei. Dies verwundert insoweit nicht, als Thüga an der Gasag beteiligt ist und ihr Angebot derzeit auf die Hauptstadt beschränkt. Bei einer solchen Konstellation bedarf es keiner großen Phantasie.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt