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Autor Thema: Unwirksame Klauseln in Gasbezugsverträgen der Versorger  (Gelesen 4129 mal)

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Offline RR-E-ft

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Ich halte eine frei vertraglich vereinbarte  Ölpreisbindung in Gasbezugsverträgen etwa mit Ruhrgas u.a. wegen Verstoß gegen das Indexierungsverbot gem. § 2 Abs. 1 Preisangaben- und Preisklauselgesetz für unwirksam.

http://www.bafa.de/1/de/aufgaben/wirtschaft/indexierung.htm
http://www.bafa.de/1/de/service/vorschriften/vorschriften_wirtschaftsfoerderung.php

Erdgas und Mineralölprodukte sind im Verhältnis zwischen Vorlieferant und Gasversorger überhaupt keine vergleichbaren Waren/ Dienstleistungen, weil immer nur Erdgas vertragsgegenständlich ist, das gelieferte Erdgas  nicht wahlweise/ alternativ in solchen Vertragsverhältnissen durch Mineralöl ersetzt werden kann.

Zudem behindert eine solche Indexierung gerade den Wettbewerb zwischen Erdgas und Mineralöl zu Lasten der Verbraucher.

Was sollte ein Stadtwerk auch damit anfangen, wenn etwa Ruhrgas plötzlich statt Erdgas Mineralöl anliefert ?!!!

Ebenso verhält es sich m.E. mit Preisdifferenzierungen hinsichtlich der Marktsegmente auf der Absatzseite des belieferten Gasversorgers wegen Verstoßes gegen Art. 81, 82 EGV. Dadurch wird das belieferte Unternehmen zumindest  mittelbar in der geschützten Preisbildungsfreiheit gegenüber seinen Kunden eingeschränkt wird.

http://europa.eu/eur-lex/de/treaties/selected/livre218.html

Einzelne Vorlieferanten/ Importeure  wie etwa Gasunie haben wohl mit Rücksicht darauf  in schriftlichen Stellungnahmen, welche für die Vorlage bei Gericht vorgesehen sind,  bereits deutlich rausgekehrt, dass deren Abnehmer durch Vertragsbestimmungen gerade nicht in irgendeiner Art und Weise ihrer Preisbildungsfreiheit gegenüber deren Kunden eingeschränkt werden sollen.

Anderes müsste wohl immer sofort die EU- Kartellbehörden auf den Plan rufen. Vor diesen hat man offensichtlich noch Respekt.

Deshalb können sich auch deutsche Unternehmen, die von den Importeuren Erdgas beziehen überhaupt nicht darauf berufen, sie würden eine bestimmte Gasmenge zu besonderen Konditionen für die Versorgung von Haushaltskunden beziehen.

Es wird Erdgas importiert, ohne unzulässige Preisdifferenzierung.

In Bescheinigungen über Bezugskosten ist jedoch gerade eine solche europa- und kartellrechtswidrige Praxis oft verklausuliert, in denen es heißt, die Preise einer "relevanten Erdgasbezugsmenge" des Versorgers hätten sich so und so geändert.

Abzustellen ist immmer auf den gesamten Gasbezug eines Gasversorgungsunternehmens und der insgesamten Entwicklung der Beschaffungskosten mit Rücksicht auf diese.

Das ist wichtig.

Schließlich erfolgt bisher eine unzulässige Preisdifferenzierung 1.Grades für ein und das selbe Erdgas, welches an einem Ort an verschiedene Kunden zu vollkommen unterschiedlichen Preisen (einserseits gekoppelt an den Kohlepreis, anderserseits an schweres und/ oder leichtes Heizöl) abgesetzt wird.

An diesen Punkten muss unbedingt angesetzt werden, gern auch von Stadtwerken gegenüber Vorlieferanten.

Auf einem Erdgasmarkt kann es auch nur einen Preis für Erdgas geben. Dieser bildet sich ausschließlich durch ein Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bei Erdgas.

Gegenprobe:

Man stelle sich einen geschlossenen autarken Wärmemarkt (den es bekanntlich nicht gibt) vor, auf dem die Nachfrager zwischen Erdgas und Heizöl jederzeit frei wählen könnten. Im übrigen bleibt die Energienachfrage auf diesem Markt konstant. Alle anderen Bedingungen ändern sich nicht, nur die Präferenzen der Nachfrager (Heizöl ist schick).

Zu Lasten der Erdgasnachfrage würden sich mehr für Mineralöl entscheiden.

Die Nachfrage nach Mineralöl steigt auf diesem Markt, somit auch der Preis für Mineralöl.

Weil die steigende Nachfrage nach Mineralöl die Nachfrage nach Erdgas verdrängt, hätte dies zur Folge, dass die Nachfrage nach Erdgas entsprechend sinkt, mithin auch der Erdgaspreis sinkt.

Auf diesem geschlossenen Markt würde mithin ein und die selbe Ursache (Wechsel der Nachfragepräferenz)  steigende Heizölpreise und zugleich ebenso sinkende Erdgaspreise bewirken.

Was ist demgegenüber jedoch tatsächlich zu beobachten?

Aufgrund der steigenden Heizölpreise steigen alein aufgrund einer künstlichen Kopplung auch die Erdgaspreise. Dies könnte bewirken, dass noch mehr Kunden zum Heizöl wechseln. Die nicht mehr endende Preisspirale ist in Gang gesetzt.

Obschon es am Ende fast keine Nachfrage nach Erdgas mehr gäbe, gäbe es dieses nicht etwa geschenkt, sondern der Preis wäre weit nach oben getrieben.

Allein darin sieht man wohl, dass die Theorie vom einheitlichen Wärmemarkt ganz  eine tolle Erfindung ist, die sämtliche wirtschaftliche Erkenntnis in ihr Gegenteil verkehrt. Fraglich, wer das Patent darauf angemeldet hat.

Das ist womöglich die Gelddruckmaschine überhaupt.  


Sind jedoch entsprechende Klauseln nichtig und unwirksam, so lehrt uns das LG Bremen, dass Preiserhöhungen gar nicht auf diese gestützt werden können:

http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=657&file=dl_mg_1148491390.pdf

Es stellt sich jetzt wohl nur noch die Frage, warum die Beschaffungskosten der Gasversorger und deshalb die Gaspreise für Verbraucher überhaupt noch steigen sollten.

Nach dem Urteil des LG Bremen gilt das auch zeitlich rückwirkend.


Mögen doch die Stadtwerke unter Berufung darauf vom Vorlieferanten Geld zurückfordern und es fair an die Kunden auskehren.


Allenfalls ergänzende Vertragsauslegung in Bezugsverträgen der Stadtwerke:

Additive, betragsmäßige Kopplung an den durchschnittlichen Erdgasimportpreis, wie er vom BAFA ständig ermittelt und veröffentlicht wird.  

Womöglich wissen die Stadtwerke nur nichts davon und Verbraucher müssen diese erst über deren Möglichkeiten informieren.

Das währungsrechtliche Indexierungsverbot im Zusammenhang mit Gaslieferverträgen ist auch Gegenstand einer neuen EUROFORUM- Veranstaltung "1x1 der Gaswirtschaft":

http://www.euroforum.de/DATA/pdf/P1100663.pdf

Nach der Preisklauselverordnung können unter bestimmten Voraussetzungen  Freistellungen vom Indexierungsverbot genehmigt werden. Fraglich nur, ob es dort, wo es solcher Genehmigungen bedarf, solche denn auch tatsächlich gibt:

http://www.gesetze-im-internet.de/preisangg/BJNR114290984.html
http://www.gesetze-im-internet.de/prkv/BJNR304300998.html




Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Cremer

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Unwirksame Klauseln in Gasbezugsverträgen der Versorger
« Antwort #1 am: 26. Mai 2006, 10:59:50 »
@Fricke,

nach "Studium" kann ich mich Ihrer Argumentation anschließen.

Diese ist schlüßig

Es hat was für sich, dieses Indexierungsverbot, wenn man das so betrachtet.
MFG
Gerd Cremer
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Offline FM

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Unwirksame Klauseln in Gasbezugsverträgen der Versorger
« Antwort #2 am: 27. Mai 2006, 00:09:14 »
Hallo,

schließe mich auch an, wundere mich schon seit Jahren, mit welchem Klausel-Todschlagargument hier die Verbraucher schon immer eingeölt wurden/werden.

Gruß
MF

 

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