Stellungnahme von Prof. Kurt Markert zu dem Urteil:
Aus der strikten Kostenanbindung des durch eine so gestaltete Klausel dem Versorger eingeräumten Preisanpassungsrechts in beide Richtungen und mit gleichen Maßstäben folgt, dass Preiserhöhungen, soweit sie danach per saldo die Grenze eingetretener Kostensteigerungen überschreiten (1), von diesem Recht nicht mehr gedeckt und damit unwirksam sind. Sie sind deshalb für den Kunden nicht bindend und berechtigen ihn zur Zahlungsverweigerung und bei bereits erfolgter Zahlung zur Rückforderung nach § 812 BGB (2). Gleiches gilt, wenn der Versorger per saldo eingetretene Kostensenkungen nicht in gleicher Weise wie Kostensteigerungen im Preis an den Kunden weitergibt. Um im Weigerungsfall die Rückzahlung der danach ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlungen zu erlangen, muss der Kunde daher nicht erst nach § 315 Abs. 3 BGB auf Feststellung ihrer Unbilligkeit klagen, sondern kann sofort Leistungsklage erheben. Dabei kann er gegen die Preisforderung des Versorgers auch deren Unbilligkeit i. S. von § 315 Abs. 1 BGB geltend machen mit dem Vorteil, dass der Versorger für die Berechtigung seiner Forderung beweispflichtig ist. (3)
Ob im Einzelfall per saldo Kostensenkungen eingetreten sind, die nach der Preisanpassungsklausel vom Versorger durch entsprechende Preissenkungen an den Kunden weitergegeben werden müssen, ist – anders als bei veröffentlichten Kostenfaktoren wie Steuern, Abgaben und Umlagen – insbesondere bei den Energiebezugskosten des Versorgers für den Kunden in aller Regel nicht transparent. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB geht aber nicht so weit, dass in einer damit vereinbaren Preisanpassungsklausel auch die Verpflichtung des Versorgers enthalten sein muss, dem Kunden nicht saldierte Kostensenkungen unverzüglich mitzuteilen. Versorger, die das genannte Informationsdefizit ihrer Kunden dazu ausnutzen, solche Kostensenkungen nicht in gleicher Weise wie Kostensteigerungen im Preis an ihre Kunden weiterzugeben, riskieren allerdings insoweit die Unwirksamkeit ihrer Preisforderungen. Wenn wie derzeit bei den Gaspreisen vieler Haushaltskundenversorger der Eindruck besteht, dass günstigere Einkaufspreise unter Berücksichtigung etwaiger gleichzeitig eingetretener Kostensteigerungen entgegen den Preisanpassungsregelungen in den Versorgungsverträgen nicht entsprechend an die Kunden weitergegeben wurden (4), ist es Aufgabe betroffener Kunden und der Verbraucherverbände, durch geeignete Schritte und erforderlichenfalls auch durch Musterprozesse dafür zu sorgen, dass die Versorger ihre Anpassungsverpflichtungen auch einhalten.(5)
(1) Nach BGH vom 19.11.2008, -VIII ZR 138/07-, RdE 2009, 54 m. Anm. Markert, Rn. 43, ist allerdings die Weitergabe vermeidbarer („unnötiger“) Kosten unbillig, z. B. wenn der Versorger zu beliebigen Preisen einkauft, ohne günstigere Beschaffungsalternativen zu prüfen und im Verhältnis zu seinen Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und Preissteigerungen akzeptiert, die über das hinausgehen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich ist.
(2) In diesem Fall gelten für Rückzahlungsklagen von Strom- und Gassonderkunden die bereits entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze auch hier, z. B. BGH vom 23.1.2013, -VIII ZR 80/12-, ZNER 2013, 152 m. Anm. Markert.
(3) BGH vom 20.5.2015, -VIII ZR 138/14-, juris, Rn. 38; BGH vom 25.11.2015 , Rn. 43. Der Beweislastvorteil für den Kunden geht allerdings verlustig, wenn er die Forderung ohne Widerspruch oder Vorbehalt bezahlt hat. BGH vom 5.2.2003, -VIII ZR 111/02-, NJW 2003, 1449.
(4) So die Studie „Gaspreise 2015/2016,“ GEB Nr. 126, des Hamburger Energieberatungsunternehmens Energy Comment/Dr. Steffen Bukold, im Internet dort abrufbar. Dazu BdEW Presseinformation vom 28.12.2015.
(5) Der Versorger darf sich dabei nicht auf die pauschale Behauptung zurückziehen, seine Bezugspreise seien zu schützende Geschäftsgeheimnisse. Vgl. dazu BGH (Anmerkung 1), Rn. 46 f.