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Autor Thema: Sperrandrohungen bei chronischer Erkrankung  (Gelesen 7461 mal)

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Offline scooter44

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Sperrandrohungen bei chronischer Erkrankung
« am: 05. Juni 2014, 11:32:36 »
Wie verhält es sich bei Sperrandrohungen bei einer chronischen Erkrankung?

Zitat
Mit der Unterbrechung der Stromversorgung wird in die Grundversorgung des betroffenen nachhaltig eingegriffen. Daher kann diese nicht stets und automatisch mit einem Zahlungsverzug und der Androhung der Versorgungssperre vorgenommen werden. Vielmehr ist eine Stromsperre gem. § 19 Abs. 2 S. 2 StromGVV untersagt, wenn die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen oder der Kunde darlegt, dass hinreichende Aussicht besteht, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt.


Quelle: http://www.rechtsanwaltskanzlei-warai.de/vertragsrecht/strom-abgestellt-stromsperre-stromanbieter/


Als Beispiel: Patient ist aufgrund eines chronischen Schlafapnoesyndroms auf nächtliche CPAP-Therapie angewiesen und hat als Kunde außerordentliche Kündigung des Stromliefervertrages vorgenommen, diese wurde nicht anerkannt, sondern es wird weiterhin Forderungseintreibung mit eventueller Sperrandrohung betrieben.

Zitat
Die Sperre kann unverhältnismäßig sein, wenn der Betroffene krank ist oder in der Wohnung Kinder leben. Schließlich regelt § 19 III StromGVV auch, daß eine Versorgungssperre unverhältnismäßig ist, wenn die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen oder der Kunde darlegt, dass hinreichende Aussicht besteht, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt.

Eine solche Unverhältnismäßigkeit wegen zu schwerer Folgen durch die Sperre ist zum Beispiel gegeben, wenn Medikamente gekühlt werden müssen.

Zitat
Widerspricht ein Kunde der Rechnung seines Stromversorgers, und verweigert für diese Rechnung deshalb auch die Zahlung, darf ihm der Lieferant nicht einfach den Strom abstellen. Solche Unstimmigkeiten müssen an anderer Stelle geklärt werden.

Eine Versorgungseinstellung darf nur der örtliche Grundversorger vornehmen. Andere freigewählte Vertragspartner dürfen dies nicht. Doch auch die Einstellung der Versorgung durch den Grundversorger kann rechtswidrig sein. Grundversorger und Netzbetreiber sind am Ort des Beispielfalles gleich. Ein Stromdiscounter könnte also in diesem Fall erhebliche Schwierigkeiten haben, eine Stromsperre durchzusetzen.

Der Rechtsweg mittels Einstweiliger Verfügung beim zuständigen Amtsgericht ist klar. Klar ist allerdings nicht, wie Gerichte in solch einem Fall mit chronischen Erkrankungen im Zuge einer Einstweiligen Verfügung umgehen.

Offline RR-E-ft

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Re: Sperrandrohungen bei chronischer Erkrankung
« Antwort #1 am: 05. Juni 2014, 12:14:37 »

Eine Versorgungseinstellung darf nur der örtliche Grundversorger vornehmen. Andere freigewählte Vertragspartner dürfen dies nicht. Doch auch die Einstellung der Versorgung durch den Grundversorger kann rechtswidrig sein. Grundversorger und Netzbetreiber sind am Ort des Beispielfalles gleich. Ein Stromdiscounter könnte also in diesem Fall erhebliche Schwierigkeiten haben, eine Stromsperre durchzusetzen.

Eine Versorgungsunterbrechung erfolgt durch Unterbrechung des Netzanschluses/ der Netznutzung gem. § 24 Abs. 3 NAV durch den Netzbetreiber auf Betreiben des Stromlieferanten.

Grundsätzlich jedem Stromlieferanten kann gegenüber dem Kunden ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht gem. §§ 320, 273 BGB zustehen, welches ihn berechtigen kann, den Netzbetreiber gem. § 24 Abs. 3 NAV anzuweisen, die Verorgung zu unterbrechen.

Die Ausübung eines gesetzlichen Zurückbehaltungsrechts durch den Grundversorger ist gem. § 19 StromGVV an besondere Voraussetzungen geknüpft.

Für andere Stromlieferanten als den Grundversorger gilt die gesetzliche Regelung des § 19 StromGVV jedoch nicht.
Sie könnte allenfalls kraft vertraglicher Abrede in das Vetragsverhältnis eines Sondervertrages einbezogen werden (etwa durch Einbeziehung einer entsprechenden ABG).

Andere Stromlieferanten als der Grundversorger, welche nicht an die Bestimmung des § 19 Abs. 2 StromGVV gebunden und denen für die Versorgungsunterbrechung keine entsprechenden besonderen Vorauzssetzungen auferlegt wurden, können deshalb die Versorgung durch den Netzbetreiber gem. § 24 Abs. 3 NAV wohl einfacher unterbechen lassen. 
« Letzte Änderung: 05. Juni 2014, 12:33:27 von RR-E-ft »

Offline scooter44

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Re: Sperrandrohungen bei chronischer Erkrankung
« Antwort #2 am: 05. Juni 2014, 20:59:07 »
Gut. Danke. Aber man immer noch den Weg der Einstweiligen Verfügung, wenn die Stromsperre außer Verhältnis steht.

Beim bekanntlich  unseriösen Geschäftsgebahren vieler Stromdiscounter (insbesondere 365 AG etc.) sollte man mit allem rechnen.

 

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