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Autor Thema: Fernwärme: Welcher Preis gilt? Ungerechtfertigte Bereicherung des Versorgers?  (Gelesen 3279 mal)

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Offline Stadt/Versorger

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Mir liegt eine Beschlussfassung der Stadtverordneten versammlung Neubukow hinsichtlich der ABV der Stadtwerke Neubukow vom 27.6.2007 vor.
Aus der Begründung : (ist der Stadt auch so wörtlich v.d.Stadtwerken mitgeteilt worden)
In den "Allgemeinen AB für die Versorgung mit Fernwärme der Stadtwerke Neubukow ist in der bisher gültigen Fassung kein Passus zur Änderung der Wärmepreise und zur Abrechnung und Erhebung  von Abschlagszahlungen enthalten. Aus diesem Grund werden die Allgemeinen AB im Punkt 8 wie folgt geändert:Die Wärmelieferung erfolgt mit dem Abschluss d. Wärmeliefervertrages z.d. Bedingungen d. derzeit gültigen Preisblattes"

Die ursprünglichen AVB aus dem Jahre 1992 lauteten im Pkt. 8: Die Wärmelieferung erfolgt mit Abschluss d. Wärmeliefervertrages zum Preis von 9 Pf. /KWh.

Die Stadtwerke haben natürlich ab 1998 die Preise extrem erhöht.Mir ist natürlich klar,dass auch die Erdgas und Heizölpreise ab 1992 gestiegen sind und zumindest deren  Preiserhöhung weitergegeben werden könnte,wenn die Berechtigung hierzu vorhanden wäre.
Bis 27,6.2007 hatten die Stadtwerke ,nach eigenen Angaben ,offenbar aber keinerlei Befugnis hierzu.

Ich meine eigentlich, Vertrag ist Vertrag.Es ist nicht den Kunden das Versäumnis der Stadtwerke anzulasten. Immerhin haben die Stadtwerke und die Stadt Neubukow nachträglich einen A+B zwang eingeführt und nur so die gewollten Preise durchsetzen können.Wenn die Stadtwerke es dann versäumen,die AVB zu ändern ,kann eventuell dieser A+B zwang auch nach "hinten losgehen" !?
M.E. sind alle Preiserhöhungen bis 2007 unrechtmäßig . Sollte dies so sein ,dann dürfte dieses auch für die Preise ab 2007 zutreffen ,die ja auf den Preisen aufbauen,die ohne Berechtigung v.d Stadtwerken bis 2007 erhoben worden.
Hat sich nun der Versorger unrechtmäßig bereichert,weil er vertraglich garkein Recht hatte ,die Preise bis 2007 überhaupt zu ändern ?


(Edit Evitel2004: Thementitel geändert)
« Letzte Änderung: 11. April 2013, 10:41:09 von Evitel2004 »

Offline RR-E-ft

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Fernwärmelierungsvertrag ohne Preisänderungsklausel
« Antwort #1 am: 11. April 2013, 00:52:20 »
Die Verhältnisse in Neubukow mögen diejenigen interessieren, die dort leben und von einem Anschluss- und Benutzungszwang für die Fernwärme betroffen sind. Es besteht die Möglichkeit, sich unter Stadt/ Versorger zu den Be- und Absonderheiten in einem ganz konkreten Ort bzw. bei einem ganz konkreten Versorger auszutauschen.

Generell und somit verallgemeinerungsfähig und eher von grundsätzlichem Allgemeininteresse lässt sich auf Folgendes hinweisen:

Es besteht bereits ein Thread, in dem erst kürzlich versucht wurde, umfassend darzustellen, wie es sich verhält, wenn in einem Fernwärmelieferungsvertrag eine einbezogene Preisänderungsklausel unwirksam ist:

http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18150.msg99541.html#msg99541

Dort hätte man an die Diskussion vortefflich anknüpfen können mit dem Sonderfall, dass von Anfang an in die Wärmelieferungsverträge schon gar keine Preisänderungsklausel einbezogen wurde.

Der BGH hat entschieden, dass bei einem Fernwärmelieferungsvertrag mangels ausdrücklicher Vereinbarung als Anfangspreis  der veröffentlichte  Preis für vergleichbare Versorgungsverhältnisse als vereinbart gelten und deshalb keiner Billigkeitskontrolle unterliegen soll, jedenfalls soweit kein Anschluss- und Benutzungszwang besteht (vgl. Leitsatzentscheidung BGH, Urt. v. 17.10.12 Az. VIII ZR 292/11, juris).

Es recht gilt dies, wenn bei Vertragsabschluss ein Preis ausdrücklich vereinbart wurde.

Enthält ein Fernwärmelieferungsvertrag von Anfang an schon keine Preisänderungsklausel im Sinne des § 24 AVBFernwärmeV, so steht dem Versorger noch weniger eine Preisänderungsbefugnis zu als bei wirksamer Einbeziehung einer Preisänderungsklausel, die sich als unwirksam erweist (siehe dazu Leitsatzentscheidung  BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 273/09, juris).

Selbst eine ergänzende Vertragsauslegung, wonach sich der betroffene Kunde nach Ablauf einer gewissen Frist nicht mehr auf die Unwirksamkeit in der Vergangenheit vorgenommener einseitiger Preisänderungen berufen kann, hätte zur Voraussetzung, dass überhaupt eine Preisanpassungsbefugnis des Versorgers vereinbart wurde, die sich jedoch bei einer Inhaltskontrolle als unwirksam erweist (vgl. hierzu etwa BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 24 f. für einen Gaslieferungsvertrag).

Es wird deshalb bei Nichteinbeziehung einer Preisänderungsklausel auch in einen Fernwärmelieferungsvertrag wohl dabei verbleiben, dass der bei Vertragsabschluss im Sinne o. g. Rechtsprechung jeweils vereinbarte Preis weiter gilt, es am Energieversorgungsunternehmen ist, solche Verträge ggf. durch ordentliche Kündigung zu beenden und den betroffenen Kunden neue Verträge anzubieten.

Zur nachträglichen Einbeziehung einer Preisänderungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist es regelmäßig erforderlich, dass der Kunde einer solchen Änderung ausdrücklich zustimmt (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11, juris Rn. 23).

Selbst wenn es 2007 mit der Zustimmung des Kunden zu einer Änderung der für das Vertragsverhältnis geltenden Allgemeinen Bedingungen gekommen wäre und damit zudem überhaupt  erstmals eine Klausel, die sich zu nachträglichen Preisänderungen verhält, in den Vertrag einbezogen worden wäre, wäre eine solche wohl wegen Verstoß gegen § 24 AVBFernwärmeV nichtig (vgl.  BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 273/09, juris). Es ist indes jedoch bei Lichte betrachtet wohl schon  keine Klausel ersichtlich, die sich zu nachträglichen Preisänderungen durch das Energieversorgungsunternehmen verhält.

Eine Klausel des Inhalts "Die Wärmelieferung erfolgt mit dem Abschluss d. Wärmeliefervertrages z.d. Bedingungen d. derzeit gültigen Preisblattes." verhält sich wohl nur zu dem Preis, der mit Abschluss eines neuen Vertrages vereinbart wird, nicht jedoch zu dessen nachträglicher einseitigen Änderung durch das Energieversorgungsunternehmen.

Selbst wenn der Kunde 2007 einer solchen Änderung der Vertragsbedingungen eines bereits bestehenden Vertrages zugestimmt hätte, wäre dadurch kein neuer Preis vereinbart worden, sondern allenfalls erstmals  eine Preisänderungsklausel einbezogen worden, die der Inhaltskontrolle gem. § 24 AVBFernwärmeV unterliegt. 

Dass in dem Fall, dass einem Energieversorgungsunternehmen eine Preisanpassungsbefugnis nicht zusteht, einseitig erhöhte  Preise nicht vertraglich geschuldet waren und deshalb Rückforderungsansprüche der betroffenen Kunden gegen den Energieversorger aus ungerechtfertigter Bereicherung bestehen können, ist vom BGH ebenfalls bereits geklärt (vgl. Leitsatzentscheidungen  BGH, Urt. v.  26.09.12 Az. VIII ZR 249/11 - Gas- und Az. VIII ZR 279/11 - Strom-;  Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 - Gas).
« Letzte Änderung: 11. April 2013, 10:17:03 von RR-E-ft »

 

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