Nun ist die Frsietnlösung für Sondervertragskunden genauso auf dem Prüfstand wie die Sockelpreisrechtsprechung bei Tarifkunden.
Wo ist denn die umstrittene Fristenlösung auf dem Prüfstand (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.14 VIII ZR 80/13)?
Gab es etwa eine Vorlage an den EuGH, die umstrittene Fristenlösung auf ihre Vereinbarkeit mit EU- Recht zu kontrollieren?
Nicht nur Gerichte müssen sauber unterscheiden:Der Sondervertrag unterfällt der Vertragsfreiheit, welche etwa durch das AGB- Recht Einschränkungen erfährt.
In den Sondervertrag kann eine Preisänderungsklausel wirksam einbezogen sein.
Ist keine Preisänderungsklausel einbezogen, besteht von Anfang an kein Recht zu einseitigen Preisänderungen.
Der Versorger entscheidet, ob er in seine AGB eine Preisänderungsklausel aufnimmt und wie er diese ausgestaltet,
so dass sie ihm nicht zum Vorteil gereicht und nicht die Möglichkeit eröffnet, den Gewinnanteil am Preis durch eine
Preisänderung nachträglich zu erhöhen.
Wenn eine Preisänderungsklausel als AGB wirksam einbezogen wurde, ist ein Preisänderungsrecht nur dann wirksam eingeräumt,
wenn die Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhält.
Ist das nicht der Fall, hat man eine planwidrige Regelungslücke im Vertragsgefüge.
Ein Preisänderungsrecht kann allenfalls dann im Wege ergänzender Vertragsauslegung eingeräumt werden,
wenn dem Versorger durch die Regelungslücke eine unzumutbare Härte entsteht.
Dies ist regelmäßig dann nicht der Fall, wenn sich der Versorger binnen einer überschaubaren Frist bis zu zwei Jahren
durch ordnungsgemäße Kündigung aus dem Vertragsverhältnis lösen kann.
Einer Einräumung eines Preisänderungsrechts steht dabei jedoch auch das Verbot geltungserhaltender Reduktion entgegen.
Erst im Anschluss stellte sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Versorger erstmals mit lange zurückliegenden unwirksamen Preisänderungen konfrontiert wird,
denen der Kunde bis dahin nicht widersprochen hatte und wo der Versorger einen Widerspruch gegen die früheren Preisänderungen nicht mehr zur Veranlassung für eine ordentliche Kündigung nehmen kann. Für diese Situation wollte der VIII.ZS die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung aufzeigen.
Der Grundversorgungsvertrag unterfällt nicht der Vertragfreiheit, sondern von Anfang an dem Kontrahierungszwang des Versorgers, der mit einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht und einem Preisspaltungsverbot des Versorgers einhergeht, weshalb ein Preis nicht vertraglich vereinbart wird, sondern vom Versorger für alle vergleichbaren Kunden gem. § 315 BGB jeweils zu bestimmen ist (vgl. auch Markert, FS Säcker 2011 S. 848 ff.).
Der Kontrahierungszwang, das Preisspaltungsverbot und die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers entfallen gewiss nicht,
wenn sich die bisherigen Bestimmungen der § 4 AVBV/ § 5 GVV als gegen EU- Recht verstoßend und deshalb unwirksam erweisen.
Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers ergibt sich schließlich schon nicht aus diesen Normen.Selbst wenn man eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht nicht erkennen und diesen Normen ein Preisänderungsrecht entnehmen wollte,
so ließe sich eine ergänzende Vertragsauslegung, die gleichwohl zu einem Preisänderungsbefugnis führt, nicht wie bei Sonderverträgen mit dem Argument ausschließen,
eine unzumutbare Härte könne nicht angenommen werden, weil sich der Versorger im Falle eines Widerspruchs durch ordentliche Kündigung aus dem Vertragsverhältnis lösen kann.
Das kann er nämlich aufgrund des gesetzlichen Kontrahierungszwangs nicht, ausdrücklich § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV.
Ein Verbot geltungserhaltender Reduktion besteht bei Gesetzesnormen nicht.
Bereits hier sieht man wohl, dass eine ergänzende Vertragsauslegung in der Grundversorgung vollkommen anders ausfallen müsste, als bei einem Sondervertrag.
Die Problemlage ist eine vollkommen andere.
Man hätte wohl die Bestimmungen über die Durchführung einer Preisänderung gem. § 4 AVBV und des bisherigen § 5 GVV eruoparechtskonform auszulegen, wobei die Erwägungen des EuGH, Urt. v. 23.10.14 Rs. C- 359/11 und C-400/11 in Rn. 46 f. voll zum Tragen kommen müssen.
46 Den Kunden müsste neben ihrem in Anhang A Buchst. b beider Richtlinien verankerten Recht, sich vom Liefervertrag zu lösen, auch die Befugnis erteilt werden, gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen.
47 Unter den in den Rn. 43 und 44 des vorliegenden Urteils angeführten Bedingungen müssten die Kunden, um diese Rechte in vollem Umfang und tatsächlich nutzen und in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen zu können, rechtzeitig vor dem Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.
So hätte man wohl zu jeder betroffenen Preisänderung zu fragen, ob der Kunde jeweils mit angemessener Frist im Vornherein über die beabsichtigte Änderung des Lieferpreises, sein Sonderkündigungsrecht, daneben über sein Recht, gegen die Preisänderung vorzugehen informiert, und ihm
volle Sachkenntnis darüber verschafft wurde, warum der Lieferpreis
gerade zu diesem Zeitpunkt und in diese Richtung und gerade um diesen Betrag geändert werden soll, um seine Rechte in vollem Umfang und tatsächlich nutzen zu können.
Wenn Versorger bei den Preisänderungen diesen Erfordernissen nach EU- Recht voll Rechnung getragen hatten, kann man ihnen wohl eine Preisänderungsbefugnis dem Grunde nach nicht absprechen.
Für die stümperhafte Umsetzung der Richtlinien durch den Gesetzgeber kann man sie nicht verantwortlich machen.
Wenn sich Versorger also an die Vorgaben des EU- Rechts gehalten haben, ohne dass jenes Recht den deutschen Verordnungen klar zu entnehmen war,
dann sollte ihnen daraus kein Nachteil erwachsen.
Die einzelnen Preisneufestsetzungen unterliegen dabei - wie bei korrekter Umsetzung durch den Gesetzgeber und Befolgung durch die Versorger -
der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB.
Der Anspruch auf Billigkeitskontrolle des neu festgesetzten Preises, über welches der Versorger den Kunden bereits vor der Preisneufestsetzung informiert hatte,
unterliegt der Verwirkung, wobei eine solche vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist von Rückforderungsansprüchen nur noch unter besonderen Umständen angenommen werden kann.
BGH, Urt. v. 23.01.14 Az. VII ZR 177/13 = NJW 2014, 1230:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Recht verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, RdE 2013, 369 Rn. 13; Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn. 20 - Stromnetznutzungsentgelt IV, jew. m.w.N.). Allein der Ablauf einer gewissen Zeit nach Entstehung des Anspruchs vermag das notwendige Umstandsmoment nicht zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - VII ZR 213/07, BauR 2010, 618 Rn. 25 = NZBau 2010, 236 = ZfBR 2010, 353). Unterliegt ein Rückforderungsanspruch der (kurzen) regelmäßigen Verjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB), kann eine weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist durch Verwirkung nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, aaO Rn. 13; Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 10/11, BauR 2013, 117 Rn. 20 = NZBau 2012, 783 = ZfBR 2013, 39, jew. m.w.N.). Denn dem Gläubiger soll die Regelverjährung grundsätzlich ungekürzt erhalten bleiben, um ihm die Möglichkeit zur Prüfung und Überlegung zu geben, ob er einen Anspruch rechtlich geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, aaO Rn. 13).
Bleiben noch die (wenigen?) Fälle, wo die Versorger bei Preisänderungen die - europrechtskonform ausgelegten - Normen des § 4 AVBV bzw. § 5 GVV a.F. nicht beachtet haben.
Bei denen stellt sich die Frage, ob sich das Recht der Kunden, sich auf die Unwirksamkeit zurückliegender einseitigen Preisneufestsetzungen bis in das Jahr 2004 zurück zu berufen, im Wege ergänzender Vertragsauslegung zeitlich beschränken lässt, wenn hierfür eine Notwendigkeit besteht.
Aber auch dabei wäre m. E. Voraussetzung, dass der Versorger im Einzelfall darlegt und ggf. beweist, dass ihm ohne entsprechende zeitliche Befristung eine unzumutbare Härte erwächst.