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Autor Thema: Der neue § 41 Abs. 3 EnWG  (Gelesen 45909 mal)

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Offline Black

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #15 am: 27. Oktober 2011, 18:45:44 »
Zitat
Original von tangocharly
Zitat
Natürlich. Aber das speziellere EnWG geht dem allgemeinen BGB vor.

Schön, diesen Kommentar werde ich mir für die nächste Auseinandersetzung über den Wirkungsbereich des § 102 EnWG merken.

Gibt es diese Auseinandersetzung noch? Inzwischen hat doch fast jedes OLG schon seine eigene kleine Rechtsprechung zu § 102 EnWG.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #16 am: 27. Oktober 2011, 18:51:22 »
Zitat
Original von Black

RR-E-ft hat doch sehr schön erläutert, dass es nach dem AGB-Recht des BGB eigentlich nicht möglich ist, einseitig AGB zu ändern. Und doch hat der Gesetzgeber nun für Energielieferverträge genau diesen Fall geregelt.


@Black


Natürlich kann beim individuellen Abschluss eines Energielieferungsvertrages mit  Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung ein einseitiges Anpassungsrecht für den Lieferanten wirksam vereinbart werden. Auch dafür gilt das gesetzliche Sonderkündigungsrecht des § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG.

Unbestritten kann in einen Energielieferungsvertrag mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung auch ein sonstiges einseitiges Anpassungsrecht des Lieferanten wirksam einbezogen werden.

Unbestritten ist es dabei auch möglich, ein wirksames einseitiges Anpassungsrecht im Wege von AGB wirksam einzubeziehen.

Worauf indes zutreffend hingewiesen wurde, war der Umstand, dass unbeschränkte einseitige Anpassungsrechte, die keinerlei tatbestandliche Konkretisierung hinsichtlich Voraussetzung, Richtlinien und Umfang der einseitigen Anpassung enthalten, regelmäßig gegen § 307 BGB verstoßen und deshalb unwirksam sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.04 Az. KZR 10/03 unter II. 6).

Das bedeutet doch aber nicht, dass es gar keine wirksamen Anpassungsklauseln geben kann, auf welche das gesetzliche Sonderkündigungsrecht des § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG dann zur Anwendung kommt. Es sind einseitige Anpassungsklauseln denkbar, die den Erfordernissen nach inhaltlicher Konkretisierung gem. § 307 BGB entsprechen.

Zitat
BGH, Urt. v. 15.11.07 Az. III ZR 247/06 Rn. 10, juris:

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Die einseitige Anpassung auf der Grundlage einer wirksam einbezogenen Anpassungsklausel, die diesen Erfordernissen entspricht, hätte dann auch das gesetzliche Sonderkündigungsrecht gem. § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG zur Folge.  


Vollkommen unsinnig ist indes der Schluss, aus § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG ergäbe sich ein unbeschränktes Anpassungsrecht für die Lieferanten.

Diese Annahme findet nirgends eine Stütze, erst recht nicht in den Gesetzesmaterialien.

Offline Black

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #17 am: 27. Oktober 2011, 18:54:25 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Ein solches einseitiges Anpassungsrecht in einem Vertrag mit einem Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung ergibt sich nicht aus dem Gesetz, kann sich jedoch aus individueller Vereinbarung oder aber wirksamer Einbeziehung einer wirksamen Anpassungsklausel in den konkreten Vertrag ergeben (vgl. nur BGH, B. v. 07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2).

Sie wollen Ihre Behauptung, dass sich aus § 41 Abs. 3 EnWG kein einseitiges Änderungsrecht des EVU ergibt mit einer Rechtsprechung des BGH zum Fehlen eines solchen gesetzlichen Rechtes begründen, die älter ist als § 41 Abs. 3 EnWG?
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Offline tangocharly

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« Antwort #18 am: 27. Oktober 2011, 18:55:41 »
Zitat
Worauf indes zutreffend hingewiesen wurde, war der Umstand, dass unbeschränkte einseitige Anpassungsrechte, die keinerlei tatbestandliche Konkretisierung hinsichtlich Voraussetzung, Richtlinien und Umfang der einseitigen Anpassung enthalten, regelmäßig gegen § 307 BGB verstoßen und unwirksam sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.04 Az. KZR 10/03 unter II. 6).

..... und worauf jetzt auch die Vorlage an den EuGH ausgerichtet ist, nämlich die Feststellung, ob solches durch den Einbezug der GVV\'s sicher gestellt werden konnte bzw. kann.


@Black
Dass der Gesetzgeber bei einer Novelle seiner überarbeiteten Bestimmungen auf die bis dahin ergangene Rechtsprechung Rücksicht nimmt, dürfte Allgemeingut sein. Und die Beratungen über die Novelle wurden auch nicht erst nach dem 07.06.2011 begonnen.
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Offline RR-E-ft

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #19 am: 27. Oktober 2011, 19:05:20 »
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von RR-E-ft
Ein solches einseitiges Anpassungsrecht in einem Vertrag mit einem Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung ergibt sich nicht aus dem Gesetz, kann sich jedoch aus individueller Vereinbarung oder aber wirksamer Einbeziehung einer wirksamen Anpassungsklausel in den konkreten Vertrag ergeben (vgl. nur BGH, B. v. 07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2).

Sie wollen Ihre Behauptung, dass sich aus § 41 Abs. 3 EnWG kein einseitiges Änderungsrecht des EVU ergibt mit einer Rechtsprechung des BGH zum Fehlen eines solchen gesetzlichen Rechtes begründen, die älter ist als § 41 Abs. 3 EnWG?


@Black

Nach welcher anerkannten juristischen Methode soll man eigentlich zu dem von Ihnen behaupteten Auslegungsergebnis gelangen?

Es ergibt sich gerade nichts dafür, dass der Gesetzgeber mit § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG für die Lieferanten ein unbeschränktes Anpassungsrecht statuieren wollte.


Zitat
Original von RR-E-ft
Der Rechtskundige erkennt:

Begründung zu § 41 Abs. 3 EnWG

Zitat

Der neue Absatz 3 hat lediglich klarstellenden Charakter. Bereits nach geltendem Recht müssen die Kunden rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung derVertragsbedingungen und ihre Rücktrittsrechte unterrichtet werden. Auch müssen die Dienstleister ihre Kunden direkt und auf transparente und verständliche Weise jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mitteilen, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der Abrechnungsperiode. Mit Satz 2 wird klargestellt, dass es den Kunden frei steht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren
.


Es ging lediglich um eine Klarstellung der Verpflichtung der Lieferanten und der Rechte der Kunden. Ein bisher nicht bestehendes Preisanpassungsrecht sollte den Lieferanten  demnach nicht eingeräumt werden.

Aus der Begründung zu § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG ergibt sich jedenfalls nicht, dass durch die Norm ein einseitiges Anpassungsrecht für Lieferanten (neu) geschaffen werden soll.

Dass kein enstprechendes gesetzliches Anpassungsrecht für Lieferanten besteht, ergibt sich aus der st. Rechtsprechung des BGH (vgl. schon BGH, Urt. v. 29.04.08 Az. KZR 2/07, Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07, Urt. v. 13.01.10 Az. VIII ZR 81/08].

Zitat
Original von RR-E-ft

Als die Anhörung im Gesetzgebungsverfahren am 06.06.11 erfolgte, war die entsprechende bestehende Rechtsprechung des BGH zu einseitigen Preisanpassungen in Verträgen mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 57-59, 65; Urt. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 295/09 und B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 sowie Urt. v. 11.05.11 Az. VIII ZR 42/10 Rn. 33 f.) zudem auch schon bekannt. Der Gesetzgeber beabsichtigte gerade nicht, an der bestehenden Rechtslage, wie sie auch in den genannten Entscheidungen des BGH zum Ausdruck kam, etwas zu ändern.

Wenn es in der Gesetzesbegründung zu § 41 EnWG ausdrücklich heißt \"Der neue Absatz 3 hat lediglich klarstellenden Charakter....Mit Satz 2 wird klargestellt, dass es den Kunden frei steht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren.\", dann ist doch klar, dass damit an der bestehenden Rechtslage, wie sie in der st. Rspr. des BGH zum Ausdruck kommt,  gerade nichts geändert werden sollte.

Offline Black

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #20 am: 27. Oktober 2011, 19:13:15 »
Zitat
Original von tangocharly
@Black
Dass der Gesetzgeber bei einer Novelle seiner überarbeiteten Bestimmungen auf die bis dahin ergangene Rechtsprechung Rücksicht nimmt, dürfte Allgemeingut sein.

Aha. Wenn der BGH also mal feststellt, dass ein bestimmtes gesetzliches Recht zum Zeitpunkt des Urteils nicht existiert, dann ist es dem Gesetzgeber für die Zukunft verwehrt  ein solches Recht in einem neuen Gesetz zu konstituieren?
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Offline RR-E-ft

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #21 am: 27. Oktober 2011, 19:40:34 »
Der Gesetzgeber wollte kein Anpassungsrecht für die Lieferanten neu statuieren und der Gesetzgeber hat auch kein Anpassungsrecht für die Lieferanten neu statuiert. Das ist der einfache Fakt. Und dann gibt es da noch den einen Satz von Black, was sich angeblich aus § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG ergeben soll, den ersichtlich kein anderer Jurist hier in der Diskussion nachvollziehen oder teilen kann.

Wer behaupten wollte, der Gesetzgeber habe neu bestimmt, dass Lieferanten den Inhalt bestehender Verträge unbeschränkt einseitig umdichten dürfen, der kann in einer solchen Diskussion wohl nicht ernst genommen werden.

Wenn der Gesetzgeber an der bisher bestehenden Rechtslage etwas grundlegend ändern wollte, so müsste sich dies aus den Gesetzesmaterialien ergeben. Aus jenen ergibt sich jedoch gerade eindeutig  das Gegenteil.

Offline Black

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #22 am: 27. Oktober 2011, 19:54:32 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Der Gesetzgeber wollte kein Anpassungsrecht für die Lieferanten neu statuieren und der Gesetzgeber hat auch kein Anpassungsrecht für die Lieferanten neu statuiert. Das ist der einfache Fakt. Und dann gibt es da noch den einen Satz von Black, was sich angeblich aus § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG ergeben soll, den ersichtlich kein anderer Jurist hier in der Diskussion nachvollziehen oder teilen kann.

Fakt ist, dass § 41 Abs. 3 EnWG davon ausgeht, dass der Versorger einseitig die Vertragsbedingungen ändern kann und für diesen Fall eine Regelung trifft.

Fakt ist weiterhin, dass nach normalem AGB Recht nach BGB eine solche einseitige Änderung nicht zulässig wäre

Fakt ist zuletzt, dass § 41 EnWG eine Vorschrift ist, die auf ausdrücklich für alle Verträge mit Haushaltskunden ausserhalb der Grundversorgung gelten soll und nicht etwa, wie RR-E-ft meint, Regelungen für reine Individualverträge trifft (die praktisch nie abgeschlossen werden).

Der § 5 Strom/GasGVV normiert ja auch das Recht  des Grundversorgers Preise und ergänzende Bedingungen einseitig zu ändern, warum soll das über § 41 EnWG nicht auch für andere Haushaltskunden gelten.
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Offline RR-E-ft

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #23 am: 27. Oktober 2011, 20:02:44 »
Zitat
Original von Black
Fakt ist weiterhin, dass nach normalem AGB Recht nach BGB eine solche einseitige Änderung nicht zulässig wäre

Wieso das denn?

Natürlich gibt es auch einseitige Anpassungsrechte in AGB, die eine einseitige Anpassung zulassen, jedoch gerade nicht unbeschränkt, sondern mit Rücksicht auf § 307 BGB inhaltlich hinreichend konkretisiert (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.07.04 Az. KZR 10/03 unter II. 6., Urt. v. 15.11.07 Az. III ZR 247/06 Rn. 10).

Es sind einseitige Anpassungsklauseln denkbar, die den Erfordernissen nach inhaltlicher Konkretisierung gem. § 307 BGB entsprechen.

Zitat
BGH, Urt. v. 15.11.07 Az. III ZR 247/06 Rn. 10, juris:

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Die einseitige Anpassung auf der Grundlage einer wirksam einbezogenen Anpassungsklausel, die diesen Erfordernissen entspricht, hat das gesetzliche Sonderkündigungsrecht gem. § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG ebenso zur Folge wie die Ausübung eines individuell vereinbarten einseitigen Anpassungsrechts des Lieferanten in solchen Verträgen mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung.

§ 41 Abs. 2 Satz 3 EnWG regelt schon seinem Wortlaut nach ganz klar ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht des Kunden und eben kein unbeschränktes einseitiges Anpassungsrecht für den Lieferanten.

Zitat
Original von Black
Der § 5 Strom/GasGVV normiert ja auch das Recht  des Grundversorgers Preise und ergänzende Bedingungen einseitig zu ändern, warum soll das über § 41 EnWG nicht auch für andere Haushaltskunden gelten.

Ich teile die Auffassung des BGH nicht, dass § 5 GVV ein entsprechendes Recht einräumt, auch wenn  die Ausübung eines solchen (andernorts eingeräumten) Rechts normiert wird. Ich bin vielmehr nach wie vor der Auffassung, dass sich die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht und das sich daraus ergebende einseitige Leistungsbestimmungsrecht für Grundversorger unmittelbar aus § 36 Abs. 1 EnWG ergibt, dmnach § 5 GVV lediglich die Ausübung einer im EnWG normierten Bestimmungspflicht des Grundversorgers regelt (vgl. ZNER 15/2/2011, S. 130, 133), womit ich nicht ganz allein stehe (vgl. Markert, ZNER 15/4/2011, S. 437 Fn. 5).

Außerhalb der Grundversorgung besteht eine solche gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht für Lieferanten jedenfalls nicht.
Ohne einseitige Leistungsbestimmungspflicht jedoch kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Und deshalb sollte es anders sein.

Auch der BGH behauptet schon nicht, dass sich aus § 4 AVBV/ 5 GVV ein unbeschränktes Anpassungsrecht des Grundversorgers ergäbe (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.07.06 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 17, Urt. v. 29.04.08 Az. KZR 2/07 Rn. 26, Urt. v. 13.01.10 Az. VIII ZR 81/08 Rn. 18, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 9 f., B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10 Rn. 17).


Zitat
BGH, Urt. v. 13.07.06 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 17, juris

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber den Gasversorgungsunternehmen in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein an kein Ermessen gebundenes freies Preisbestimmungsrecht einräumen wollte. Dies kann insbesondere nicht daraus abgeleitet werden, dass Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben (so aber Morell, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung, Kommentar, Stand 2003, E § 4 Absatz 2 d).

Zitat
BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 11, juris

Aus dieser gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit folgt nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisänderung auch die Pflicht hierzu, wenn die Änderung für den Kunden günstig ist (BGH, Urteile vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18 mwN).

Irgendwo wabert auch noch die Feststellung, der Gesetzgeber wollte Sondervertragskunden jedenfalls nicht besser aber auch nicht schlechter stellen als grundversorgte (Tarif-) kunden, was sich aus der Begründung zu § 310 Abs. 2 BGB ergäbe (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.09 Az. VIII ZR 225/07, Az. VIII ZR 56/08, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09).  

Und nun sollen Sondervertragskunden aber jedenfalls schlechter stehen, weil diesen gegenüber sogar ein unbeschränktes einseitiges Anpassunsgrecht bestünde?

Diese grundsätzliche Neuerung der Rechtslage hätte der Gesetzgeber doch wohl umfassend begründet?

Aus der Gesetzesbegründung zu § 42 Abs. 3 Satz 2 EnWG ergibt sich jedoch eindeutig, dass es nicht um eine Neuregelung der Rechtslage, sondern lediglich  um eine Klarstellung der bereits bestehenden Rechtlage geht.

Und deshalb erscheint es nicht nachvollziehbar, wenn behauptet wird, mit § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG habe der Gesetzgeber ein einseitiges Anpassungsrecht der Lieferanten neu statuiert.

Offline uwes

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #24 am: 27. Oktober 2011, 20:43:31 »
Zitat
Original von Black
Sie wollen Ihre Behauptung, dass sich aus § 41 Abs. 3 EnWG kein einseitiges Änderungsrecht des EVU ergibt mit einer Rechtsprechung des BGH zum Fehlen eines solchen gesetzlichen Rechtes begründen, die älter ist als § 41 Abs. 3 EnWG?

@Black: Ich habe den Eindruck, dass Sie jetzt mit einer gewissen Halsstarrigkeit Ihre haltlose These auch noch verteidigen ohne dabei die Gesetzesbegründung gelesen zu haben. Das disqualifiziert Sie. In der Begründung des Gesetzgebers zum neuen § 41 Abs. 3 ENWG heißt es:

Zitat
Der neue Absatz 3 hat lediglich klarstellenden Charakter. Bereits nach geltendem Recht müssen die Kunden rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und ihre Rücktrittsrechte unterrichtet werden. Auch müssen die Dienstleister ihre Kunden direkt und auf transparente und verständliche Weise jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mitteilen, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der Abrechnungsperiode. Mit Satz 2 wird klargestellt, dass es den Kunden frei steht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren.

Da es weder nach bisher geltendem Recht noch nach dem neuen Recht der Energiewirtschaft automatisch ein einseitiges Recht zu Vertragsänderungen gibt, hat RR-E-FT richtigerweise auf die hierzu bereits ergangene Rechtsprechung hingewiesen. Es ist wohl auch mit der Vertragsautonomie und dem hohen Maß an Verbraucherschutz nicht vereinbar, wenn der Versorger ein solches von Ihnen beschriebenes Recht hätte.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
____________________________________________________
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Offline RR-E-ft

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« Antwort #25 am: 27. Oktober 2011, 22:12:14 »
Zitat
Original von Black
Fakt ist zuletzt, dass § 41 EnWG eine Vorschrift ist, die auf ausdrücklich für alle Verträge mit Haushaltskunden ausserhalb der Grundversorgung gelten soll

Das stimmt. Und anderes wurde von mir weder gemeint noch behauptet.

Daraus ergibt sich jedoch nicht der Schluss, dass den Lieferanten in allen Verträgen mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung jedenfalls ein einseitiges Änderungsrecht eingeräumt ist bzw. gesetzlich neu eingeräumt wurde.

Gesetzliche Normen knüpfen generell abstrakt an einen Tatbestand eine bestimmte Rechtsfolge (Wenn [Tatbestand], dann gilt [Rechtsfolge]).
Keinesfalls regelt eine Rechtsnorm, dass ihr Tatbestand jedenfalls immer erfüllt sei. Von eben dieser Fehlvorstellung wird wohl ausgegangen.

§ 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG knüpft lediglich  an die Tatbestandsvoraussetzung, dass der Lieferant die Bedingungen einseitig ändert, die Rechtsfolge, dass der Kunde dann ein Sonderkündigungsrecht hat. Die Norm bestimmt jedoch nicht, dass dem Lieferanten jedenfalls ein einseitiges Änderungsrecht eingeräumt ist.

Die Norm will ersichtlich nach ihrem logischen Programmsatz  [wenn Tatbestand erfüllt, dann Rechtsfolge] das Sonderkündigungsrecht des Kunden regeln, nicht jedoch das  Änderungsrecht des Lieferanten.

Die Behauptung im Eröffnungsbeitrag ist wohl ein juristischer Black out.

Offline luispold

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« Antwort #26 am: 28. Oktober 2011, 08:27:03 »
Zitat
Original von RR-E-ft


........................ ein juristischer Black out........




..............tritt bei mir beim Lesen in diesem Forum sehr häufig, ja fast jedes Mal ein ;(

Als ich dem BDEV beigetreten bin war ich von den Auftritten Herrn Peters und anderer Verbrauchschützer im TV und Radio begeistert. Also Musterbrief runtergeladen und ab ging die Post.

Jetzt bin ich ein wenig in der Zwickmühle, suche Rat und Motivation und was finde ich in diesem Forum..............sich mehr oder weniger für mich unverständlich äußernde Kontrahenten.


Wäre schön, wenn es in diesem Forum einen Bereich für Personen ohne juristische Ambitionen und Erfahrungen gäbe. Die Homepage des BDEV ist für mich einfacher zu verstehen. Aber nachdem ich im Forum herumgelesen habe, plagen mich Zweifel, ob da alles so richtig dargestellt wird X(
wenn wir Verbraucher uns nicht wehren, ziehen uns die Versorger das Fell über die Ohren

Offline tangocharly

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« Antwort #27 am: 28. Oktober 2011, 09:58:33 »
@luispold
Sicherlich verstehbar, was Sie hier einwerfen.

Aber derjenige, der...
Zitat
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

...müßte sich eigentlich Sandmännchen heißen. Denn er kam nicht mit dem Schwert, sondern mit einem ganzen Sack voll Sand. Letzteren will er Nichtjuristen in die Augen streuen, damit sie den richtigen Wert solcher Diskussionen nicht mehr durchschauen  -  Heißluft !
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Offline bolli

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #28 am: 28. Oktober 2011, 10:56:03 »
Zitat
Original von luispold
Als ich dem BDEV beigetreten bin war ich von den Auftritten Herrn Peters und anderer Verbrauchschützer im TV und Radio begeistert. Also Musterbrief runtergeladen und ab ging die Post.

Jetzt bin ich ein wenig in der Zwickmühle, suche Rat und Motivation und was finde ich in diesem Forum..............sich mehr oder weniger für mich unverständlich äußernde Kontrahenten.

Wäre schön, wenn es in diesem Forum einen Bereich für Personen ohne juristische Ambitionen und Erfahrungen gäbe. Die Homepage des BDEV ist für mich einfacher zu verstehen. Aber nachdem ich im Forum herumgelesen habe, plagen mich Zweifel, ob da alles so richtig dargestellt wird X(
Tja luispold,
das ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. In der Theorie hört sich manches ganz einfachund plausibel an, was sich in der (Rechts-)Praxis oft als deutlich komplizierter herausstellt.

Wenn man tatsächlich einen Überblick über das für und wider bestimmter Dinge im Energiebereich haben möchte führt an einer vertieften juristischen Betrachtung (leider) oft kein Weg vorbei. Da hilft es einem auch nicht, wenn in einem anderen Bereich für Nichtjuristen \"geschwafelt\" wird. Juristische Bedeutung hat möglicherweise noch nicht mal jedes Argument im ersteren Bereich, aber auf jeden Fall nicht im letzeren. Das wird Ihnen dann im Zweifelsfall nicht weiterhelfen.

Man darf auch nicht erwarten, dass man für jede Fallkonstellation in diesem Forum DIE Lösung findet, weil es diese oft gar nicht gibt. In vielen Fällen urteilen Untergerichte zum gleichen Sachverhalt unterschiedlich, manchmal sogar gegen die bestehende Rechtssprechung des BGH.

Es wird einem in diesem Fall der Unsicherheit wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich entweder individuelle Rechtsberatung zu holen (und zu bezahlen) oder dem Ansinnen des Versorgers auf Zahlung eventuell bestehender Außenstände nachzukommen. Für ersteres hilft es natürlich, wenn man eine Rechtsschutzversicherung hat. Im Klagefall des Versorgers, wenn man es denn darauf ankommen lässt, hilft es eventuell auch schon, wenn man dem Prozesskostenfond des BDEV beigetreten ist, der allerdings wohl auch nicht immer eintritt, aber doch sehr häufig.

Offline Black

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Der neue § 41 Abs. 3 EnWG
« Antwort #29 am: 28. Oktober 2011, 11:12:30 »
Zitat
Original von uwes
Da es weder nach bisher geltendem Recht noch nach dem neuen Recht der Energiewirtschaft automatisch ein einseitiges Recht zu Vertragsänderungen gibt, hat RR-E-FT richtigerweise auf die hierzu bereits ergangene Rechtsprechung hingewiesen.

Denken Sie an die Entscheidung des BGH, nach der ein Versorger einseitig dazu übergehen kann, einen bisherigen Kunden der Grundversorgung in einen Sonderkunden umzustufen, mit der Folge, dass die bisher geltenden Vertragsbedingungen der StromGVV/GasGVV keine Anwendung mehr finden.
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