Original von Black
Der Rechtskundige wird es vermurlich schon bemerkt haben, in der aktuellen Fassung des EnWG gab es eine Änderung am § 41 EnWG.
Dort heißt es nun in Absatz 3:
Ändert der Lieferant die Vertragsbedingungen einseitig, kann der Letztverbraucher den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.
Das bedeutet, der Gesetzgeber normiert darin ein Recht des Lieferanten einseitig die Vertragsbedingungen zu ändern und ein Recht des Kunden zur fristlosen Kündigung.
Ja, ja, die Juristerei.
Es kann
nicht davon ausgegangen werden, dass den Lieferanten damit ein uneingeschränktes einseitiges Änderungsrecht hinsichtlich aller Vertragsbedingungen einschließlich der Preise eingeräumt wird:
Denn dann könnte von einer vertraglichen Bindung des Lieferanten im eigentlichen Sinne keine Rede mehr sein, da er nach Vertragsabschluss sämtliche Vertragsbedingungen einschließlich des Preises einseitig abändern könnte. Es widerspricht elementarem Vertragsrecht, wenn der Lieferant nicht an den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis gebunden ist, sondern diesen unter nicht genannten Voraussetzungen und Richtlinien einseitig abändern kann. Man hätte dann die Frage zu stellen, ob von einem wirksamen Vertragsabschluss überhaupt noch die Rede sein kann. Wer meint, der Gesetzgeber hätte mit § 41 Abs. 3 EnWG die Lieferanten zu Lasten der - grundgesetzlich geschützten - Privatautonomie der Kunden
jedweder Vertragsbindung enthoben, weil ein
vertraglich vereinbartes Äquivalenzverhältnis nichts mehr gilt, wird deshalb mit dieser Meinung wohl nicht richtig liegen können. Schließlich wäre eine so verstande Regelung auch schwer mit den EU- Richtlinien vereinbar, die ein hohes Maß an Verbraucherschutz im Energiebereich gebieten.
Gesetzlich normiert wird m. E. vielmehr, dass dem betroffenen Kunden für den Fall, dass dem Lieferanten im konkreten Vertragsverhältnis wirksam ein einseitiges Änderungsrecht eingeräumt wurde und ein solches wirksam ausgeübt wird, vom Gesetz jedenfalls ein - möglicherweise vertraglich unabdingbares- Sonderkündigungsrecht eingeräumt wird.
Damit räumt das Gesetz bei Lichte betrachtet nur dem betroffenen Kunden ein Sonderkündigungsrecht ein, nicht jedoch dem Lieferanten ein einseitiges Änderungsrecht.
Dabei verhält es sich nicht anders als bei einer wirksamen vertraglichen Einbeziehung des Sonderkündigungsrechts gem. § 32 AVBGasV für den Fall von Preis- und Bedingungsänderungen in einen Sondervertrag. Aus dieser konnte sich ja schließlich selbst auch schon kein uneingeschränktes Preisanpassungsrecht für den Lieferanten ergeben (vgl. nur BGH, Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07 Rn. 35).
Ob überhaupt ein einseitiges Änderungsrecht besteht oder nicht, muss sich demnach aus dem konkreten Vertrag selbst ergeben.AGB- rechtlich sind uneingeschränkte einseitige Bedingungs- und Preisänderungsvorbehalte jedenfalls regelmäßig unwirksam.
BGH, Urt. v. 13.07.04 Az. KZR 10/03 unter II. 6., juris
Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarungbereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeitder Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich derin § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraumder Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einerFormularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).
Erst recht kann dem § 41 Abs. 3 EnWG kein
uneingeschränktes Preisanpassungsrecht des Lieferanten entnommen werden.
Das Sonderkündigungsrecht des § 41 Abs. 3 EnWG erweist sich zudem als sinnlos, wenn der Kunde nicht zugleich die Möglichkeit hat, sich sofort von einem anderen Lieferanten beliefern zu lassen, oder jedenfalls erst einmal in die teure Grund- bzw. Ersatzvbersorgung zurück fällt.
BGH, Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07 Rn. 35, juris:
Ein angemessener Ausgleich dieser Benachteiligung durch Einräumung eines Sonderkündigungsrechts scheitert hier außerdem daran, dass die Beklagte nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts als einziges regionales Energieversorgungsunternehmen, das leitungsgebunden an B. Haushalte Erdgas vertrieb, im streitgegenständlichen Zeitraum eine Monopolstellung innehatte, weil weitere Gasversorgungsunternehmen nicht vorhanden waren. Das Kündigungsrecht stellt deshalb für die Mehrzahl der Kunden der Beklagten, die entweder an die Entscheidung des Vermieters für den Heizenergieträger Gas gebunden sind oder selbst die Entscheidung dafür getroffen und entsprechende Investitionen getätigt haben, keine echte Alternative dar, weil sie dann nur die Möglichkeit hätten, sich von der Beklagten zu dem (regelmäßig teureren) Allgemeinen Tarif mit Gas beliefern zu lassen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 34)..
Ein Sonderkündigungsrecht kann bei Lichte betrachtet auch sonst regelmäßig die unangemessene Benachteiligung durch einen unangemessenen einseitigen Preis- und Bedingungsänderungsvborbehalt nicht ausgleichen.
BGH, Urt. v. 21.04.09 Az. XI ZR 55/08 Rn. 37, juris:
Stellt eine Preis- und Zinsänderungsklausel nicht die Wahrung des Äquivalenzverhältnisses sicher und ist deswegen nicht ausgeschlossen, dass der Verwender unangemessene Erhöhungen zur Steigerung seines Gewinns vornehmen kann, wirkt sich eine Kündigung seitens des Kunden nur zu Gunsten des Verwenders und nicht zum Vorteil des Kunden aus.
Der Verwender erhält damit die Möglichkeit, durch unangemessene Preis- oder Zinsänderungen und anschließende Kündigung des Kunden von einem zuvor für ihn ungünstigen, für den Kunden jedoch vorteilhaften Vertrag frei zu werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2007 - III ZR 247/06, WM 2008, 308, Tz. 34; Borges, DB 2006, 1199,1204; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Recht, 4. Aufl., § 11 Nr. 1 Rn. 49).
Der Gesetzgeber hätte für die Rechtsanwender wie
Black durchaus besser verständlich formulieren können:
\"Ändert der Lieferant aufgrund eines vertraglichen Anpassungsrechts die Vertragsbedingungen einseitig, so kann der Letztverbraucher den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.\"Er hat dieses Verständnis wohl als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt.
Der Rechtskundige erkennt:
Begründung zu § 41 Abs. 3 EnWGLieferanten haben Letztverbraucher rechtzeitig, in jedem Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode und auf transparente und verständliche Weise über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungenund über ihre Rücktrittsrechte zu unterrichten. Ändert der Lieferant die Vertragsbedingungen einseitig, kann der Letztverbraucher den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.
Der neue Absatz 3 hat lediglich klarstellenden Charakter. Bereits nach geltendem Recht müssen die Kunden rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung derVertragsbedingungen und ihre Rücktrittsrechte unterrichtet werden. Auch müssen die Dienstleister ihre Kunden direkt und auf transparente und verständliche Weise jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mitteilen, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der Abrechnungsperiode. Mit Satz 2 wird klargestellt, dass es den Kunden frei steht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren.
Es ging lediglich um eine Klarstellung der
Verpflichtung der Lieferanten und der
Rechte der Kunden. Ein bisher nicht bestehendes Preisanpassungsrecht sollte den Lieferanten demnach nicht eingeräumt werden.