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Autor Thema: Milliarden- Geschenk an Netzbetreiber  (Gelesen 53260 mal)

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Offline Lothar Gutsche

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Milliarden- Geschenk an Netzbetreiber
« Antwort #45 am: 18. Februar 2012, 19:59:37 »
Am 24.1.2012 habe ich zu § 19 Abs. 2 StromNEV folgende Verfassungsbeschwerde eingereicht:


An das
Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe


Verfassungsbeschwerde
des
Dr. Lothar Gutsche, Buschhütter Weg 4, 41189 Mönchengladbach
- Beschwerdeführer -

wegen der Verletzung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz durch die Änderung der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) vom 25. Juli 2005 über Artikel 7 des Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 26. Juli 2011 (veröffentlicht am 3. August 2011)

Es wird beantragt,

§ 19 Abs. 2 StromNEV - Artikel 7 in Bundesgesetzblatt 2011 Teil I Nr. 41 - insoweit für verfassungswidrig zu erklären, als es private Stromverbraucher mit Kosten belastet, die mit der Netzentgeltbefreiung bestimmter Großabnehmer verbunden sind,

hilfsweise,

den Gesetzgeber zu verpflichten, binnen angemessener, vom Bundesverfassungsgericht festzusetzender Frist, die entsprechenden Bestimmungen des § 19 Abs. 2 StromNEV verfassungskonform neu zu fassen.


Begründung
Die Begründung ist wie folgt gegliedert:
1. Sachverhalt
1.1 Neuregelung des § 19 Abs. 2 StromNEV
1.2 Betroffenheit als Stromverbraucher
2. Rechtslage
2.1 Zulässigkeit
2.2 Annahmefähigkeit
2.2.1 grundsätzliche Bedeutung
2.2.2 Durchsetzung der Grundrechte
2.3 Begründetheit
2.3.1 Schutzbereich
2.3.2 Eingriff
2.3.3 Rechtswidrigkeit
Verzeichnis der Anlagen


1. Sachverhalt
Kern der Verfassungsbeschwerde ist die Feststellung, dass der Gesetzgeber die Kosten, die mit der Entlastung stromintensiver Betriebe von Netzentgelten verbunden sind, nicht auf die privaten und kleineren gewerblichen Stromverbraucher umverteilen darf, sondern als industriepolitische Aufgabe aus dem Staatshaushalt finanzieren muss.

1.1 Neuregelung des § 19 Abs. 2 StromNEV
Das Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes vom 28. Juli 2011 (BGBL I S. 1690) fasste in Artikel 7 den § 19 Abs. 2 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) wie folgt neu:

1Ist auf Grund vorliegender oder prognostizierter Verbrauchsdaten oder auf Grund technischer oder vertraglicher Gegebenheiten offensichtlich, dass der Höchstlastbeitrag eines Letztverbrauchers vorhersehbar erheblich von der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dieser Netz- oder Umspannebene abweicht, so haben Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen diesem Letztverbraucher in Abweichung von § 16 ein individuelles Netzentgelt anzubieten, das dem besonderen Nutzungsverhalten des Netzkunden angemessen Rechnung zu tragen hat und nicht weniger als 20 Prozent des veröffentlichten Netzentgelts betragen darf. 2Erreicht die Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung für den eigenen Verbrauch an einer Abnahmestelle die Benutzungsstundenzahl von mindestens 7 000 Stunden und übersteigt der Stromverbrauch an dieser Abnahmestelle 10 Gigawattstunden, soll der Letztverbraucher insoweit grundsätzlich von den Netzentgelten befreit werden. 3Die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts nach Satz 1 wie auch die Befreiung nach Satz 2 bedürfen der Genehmigung der Regulierungsbehörde. 4Der Antrag kann auch durch den Letztverbraucher gestellt werden. 5Der Netzbetreiber hat der Regulierungsbehörde unverzüglich alle zur Beurteilung der Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 erforderlichen Unterlagen vorzulegen. 6Die Betreiber von Übertragungsnetzen sind verpflichtet, entgangene Erlöse, die aus individuellen Netzentgelten nach Satz 1 und Befreiungen von Netzentgelten nach Satz 2 resultieren, nachgelagerten Betreibern von Elektrizitätsverteilernetzen zu erstatten. 7Sie haben diese Zahlungen sowie eigene entgangene Erlöse durch individuelle Netzentgelte nach Satz 1 und Befreiungen von den Netzentgelten nach Satz 2 über eine finanzielle Verrechnung untereinander auszugleichen; § 9 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes findet entsprechende Anwendung. § 20 gilt entsprechend. 8Die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts wie auch die Befreiung von den Netzentgelten erfolgen unter dem Vorbehalt, dass die jeweiligen Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 tatsächlich eintreten. 9Ist dies nicht der Fall, erfolgt die Abrechnung der Netznutzung nach den allgemein gültigen Netzentgelten.

Nach dem neuen § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV werden Netzkunden auf Antrag von den Netzentgelten vollständig befreit, wenn der Stromverbrauch pro Jahr an einer Abnahmestelle mehr als 10 GWh beträgt und eine Vollbenutzungsstundenzahl von 7000 Stunden erreicht wird. § 19 Abs. 2 Sätze 6 und 7 StromNEV regeln, dass entgangene Erlöse durch individuelle Netzentgelte nach Satz 1 (atypische Netznutzer) oder durch Netzentgeltbefreiungen nach Satz 2 künftig im Rahmen eines bundesweiten Ausgleichs ausgeglichen werden. Das Finanz-volumen des Ausgleichs beträgt für das Jahr 2012 nach dem Beschlussentwurf BK8-11-024 der Bundesnetzagentur vom 17.11.2011 insgesamt 1,1 Milliarden Euro, vgl. Seite 2 unter Punkt 2 und Seite 6 unter Punkt II. 5.3 der Anlage 1.

Dieser Ausgleichsbetrag hätte die Netzkosten für jeden üblichen Letztverbraucher mit bis zu 100.000 kWh Jahresverbrauch mit 0,467 Cent/kWh belastet. Das stellten die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber in einer Pressemitteilung vom 17.11.2011 fest, vgl. Anlage 2. Daraufhin gab es ein gewaltiges Medienecho, u. a. berichtete der Spiegel am 21.11.2011 über die § 19-Umlage unter dem Titel „Energiepreise – Regierung lädt Stromkunden Milliardenkosten auf“ und die Welt am 22.11.2011 in dem Beitrag „Energieversorgung - Wie teuer wird der neue Strombonus für die Bürger?“, vgl. Anlage 3. Mehrere Wirtschafts- und Sozial-verbände protestierten heftig gegen die gesetzliche Neuregelung, weil Privathaushalte und gewerblicher Mittelstand in ökonomisch und sozial unverträglicher Weise belastet werden. Mit dem endgültigen Beschluss BK8-11-024 setzte die Bundesnetzagentur ein Gesamtvolumen von 440 Millionen Euro für die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV fest, vgl. Seite 14 unter Punkt 2 und Seite 23 unter Punkt II. 5.3 der Anlage 4. Das Ausgleichsvolumen reduzierte sich in dem Beschluss um 660 Millionen Euro für unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen (Nachtspeicherheizungen und Wärmepumpen), weil deren Berücksichtigung nicht sachgerecht ist, so die Argumentation der Bundesnetzagentur auf Seite 19 unter Punkt II. 5.1 ihres Beschlusses vom 14.12.2011 in Anlage 4.

Die Umlage nach § 19 Abs. 2 Strom-NEV wird entsprechend § 9 Abs. 7 KWK-G in drei Kategorien A, B und C unterteilt. In Kategorie A fallen Letztverbraucher mit einem Jahres-verbrauch bis zu 100.000 kWh, ab dem 1.1.2012 zahlen sie 0,151 Cent/kWh als Netzkosten-Umlage. Dagegen zahlen Letztverbraucher der Kategorie B, die mehr als 100.000 kWh im Jahr verbrauchen und nicht zur Kategorie C gehören, nur 0,05 Cent/kWh als Umlage für die über 100.000 kWh hinausgehenden Strombezüge. Letztverbraucher, die im Sinne des § 9 Abs. 7 Satz 3 KWK-G als „stromintensiv“ gelten, bilden die Kategorie C und zahlen für die Strombezüge, die über 100.000 kWh im Jahr hinausgehen, sogar nur 0,025 Cent/kWh, vgl. Anlage 5.


1.2 Betroffenheit als Stromverbraucher
Mein privater Stromverbrauch beträgt mit durchschnittlich 4.600 kWh pro Jahr deutlich weniger als 100.000 kWh. Wegen meines geringen Verbrauchs habe ich weder Anspruch auf eine Netzentgeltbefreiung noch auf ein reduziertes, individuelles Netzentgelt im Sinne von § 19 Abs. 2 StromNEV. Die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV verteuert jede meiner Stromrechnungen ab 2012. Der derzeit noch überschaubare Betrag von 0,151 Cent/kWh könnte sich in den nächsten Jahren deutlich erhöhen, wenn der Gesetzgeber aus industriepolitischen Gründen in § 19 Abs. 2 StromNEV die Menge der Betriebe vergrößert, die eine Befreiung oder zumindest eine deutliche Reduzierung der Stromnetzentgelte beanspruchen können. In einem solchen Fall könnten die zu Lasten der privaten Stromverbraucher umzuverteilenden Netzkosten schnell die Milliardenbeträge pro Jahr erreichen, die in den Medien Ende November 2011 nach dem Beschlussentwurf BK8-11-024 der Bundesnetzagentur vom 17.11.2011 verbreitet wurden.


2. Rechtslage
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, annahmefähig und begründet.

2.1 Zulässigkeit
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, da die Voraussetzungen des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und der §§ 90 ff. BVerfGG vorliegen:

a)   Die gesetzliche Regelung § 19 Abs. 2 StromNEV ist ein Akt öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG bzw. des § 90 Abs. 1 BVerfGG.

b)   Als natürliche Person bin ich beschwerdefähig.

c)   Ich bin beschwerdebefugt, da mich § 19 Abs. 2 StromNEV in meinen folgenden Rechten selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt:
•   Recht auf freie Entfaltung meiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG)
•   Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
•   Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG)
Die Art der Rechtsverletzung wird im Detail in den Abschnitt 2.2.2 und 2.3.2 erläutert.

d)   Das Gebot der Rechtswegerschöpfung aus § 90 Abs. 2 BVerfGG findet unmittelbar bei Gesetzen keine Anwendung. Auch eine entsprechende Heranziehung scheidet hier aus, da es keiner fachgerichtlichen Klärung bedarf und mir auch nicht zugemutet werden kann, auf die Anrufung der Fachgerichte verwiesen zu werden.

e)   Die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG ist eingehalten. § 19 Abs. 2 StromNEV wurde durch Artikel 7 des Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 26.7.2011 geändert. Das Gesetz wurde am 3.8.2011 im Bundesgesetzblatt 2011 Teil 1 Nr. 41 veröffentlicht und ist nach Artikel 8 des Gesetzes am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten.


2.2 Annahmefähigkeit
Die Verfassungsbeschwerde ist sowohl nach § 93 Abs. 2 Nr. 1 BVerfGG als auch nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 BVerfGG annahmefähig.

2.2.1 grundsätzliche Bedeutung
Der Verfassungsbeschwerde gegen § 19 Abs. 2 StromNEV kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Denn sie wirft eine verfassungsrechtliche Frage auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lässt. Die Frage ist bisher auch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung. An der Klärung des Beschwerdegegenstands besteht ein gewichtiges objektives Interesse, das über meinen Einzelfall hinausgeht, vgl. Abschnitt 1.2. Der Gesetzgeber ist an die verfassungsrechtlichen Prinzipien des Steuerstaates und des Sozialstaates und an seine Bindung an die Grundsätze öffentlichen Finanzgebarens zu erinnern. Ebenso liegt die erforderliche Entscheidungserheblichkeit vor.

2.2.2 Durchsetzung der Grundrechte
Die Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung meiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt. Die Neuregelung von § 19 Abs. 2 StromNEV erhöht in verfassungswidriger Weise meine Stromrechnung als Privatverbraucher und droht in den nächsten Jahren zu einem wichtigen industriepolitischen Instrument in der Energiewirtschaft zu werden. Die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV verletzt in grober Weise den Schutz, den mir das Grundgesetz mir mit den Rechten auf freie Entfaltung, Gleichbehandlung und Eigentum gewährt. Der Gesetzgeber geht zu meinem Nachteil geradezu leichtfertig mit den Prinzipien der Finanzverfassung aus den Artikeln 104a – 109 des Grundgesetzes um.

2.3 Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Denn die angegriffenen Neuregelung des § 19 Abs. 2 StromNEV mit einer neuen Umlage von Netzkosten ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und nichtig. Ich werde durch die neue Umlage nach § 19 StromNEV in meinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.

2.3.1 Schutzbereich
Die angegriffene Regelung der Umlage von Netzkosten aus § 19 Abs. 2 StromNEV betrifft meine Grundrechte auf allgemeine Handlungsfreiheit, Gleichbehandlung und Eigentum.

2.3.2 Eingriff
Die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV erhöht direkt meine Kosten als Privatverbraucher beim Strombezug und greift damit in meine Grundrechte auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG und freie Entfaltung nach Art. 2 Abs. 1 GG ein. Dadurch, dass ich faktisch keine Möglichkeit habe, nach § 19 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 StromNEV einen Antrag auf Netzentgeltbefreiung oder reduzierte Netzentgelte zu stellen, werde ich gegenüber strom-intensiven Industriebetrieben entgegen Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt.

§ 19 Abs. 2 Satz 7 StromNEV regelt die Art und Weise, wie die durch Netzentgeltreduzierung und Netzentgeltbefreiung entgangenen Erlöse auf die allgemeinen Netznutzer umzulegen sind, vgl. oben Abschnitt 1.1. Bei der Verteilung der Umlage nach § 19 Abs. 2 Satz 7 StromNEV existieren drei Kategorien A, B und C, bei denen ich in die ungünstigste Kategorie A einsortiert und damit nochmals entgegen Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt werde.

Darüber hinaus werde ich durch die Neuregelung aus § 19 Abs. 2 StromNEV zur Finanzierung von industriepolitischen Zielen herangezogen, für die mich als Stromverbraucher keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit trifft. Nach den Grundsätzen des Leitsatzurteils 2 BvR 633/86 des Bundesverfassungsgerichts vom 11.10.1994 zum Steinkohlepfennig resultie-ren daraus Verstöße gegen meine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG.

2.3.3 Rechtswidrigkeit
Die angegriffene Regelung von § 19 Abs. 2 StromNEV ist weder durch hinreichende Gründe des allgemeinen Wohls gerechtfertigt noch ist das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Grundrechtsverletzung und dem Gewicht der diese rechtfertigenden Gründe ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht mehr gewahrt. Schließlich ist § 19 Abs. 2 StromNEV nicht mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Steinkohlepfennig-Urteils vereinbar.

a) Netzentgeltbefreiung unbegründet
Im Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften fand eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen statt. Dabei forderte die Wirtschaftsvereinigung Metalle eine „Befreiung von den Netznutzungsentgelten (§ 19 Absatz 2 NEV Strom)“, vgl. Seite 20 rechte Spalte in der Bundestags-Drucksache 17/6365 vom 29.6.2011, siehe online unter http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/362/36234.html. Tatsächlich folgte der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages in seiner Beschlussempfehlung vom 29.6.2011 dieser Forderung und begründete das auf Seite 34 in Bundestags-Drucksache 17/6365 wie folgt:

Stromintensive Unternehmen mit einer hohen Bandlast (über 7 000 Benutzungsstunden im Jahr sowie ein Jahresverbrauch größer 10 Gigawattstunden) sollen von den Netzentgelten befreit werden, da sie aufgrund ihrer Bandlast netzstabilisierend wirken. Örtliche Gegebenheiten sollen keine Rolle spielen für die Frage der Befreiung von den Netzentgelten nach § 19 Absatz 2 Satz 2 StromNEV. Zur Vermeidung überproportionaler regionaler Belastungen wird eine bundesweiter Ausgleich installiert.

Die Begründung einer angeblichen Netzstabilisierung aufgrund der hohen Bandlast ist nicht tragfähig. Die gesamte StromNEV ist von dem Grundsatz geprägt, die Netzkosten möglichst verursachungsgerecht zu verteilen, wie § 1 Abs. 4 Satz 1, § 12 Satz 2, § 13 Satz 1, § 14 Abs. 4 Satz 2, § 16 Abs. 1 Satz 1 und § 16 Abs. 2 der StromNEV belegen. Die hohe, gleichmäßige Bandlast rechtfertigt zunächst keine Reduktion der Netzkosten und widerspricht dem Prinzip der verursachungsgerechten Kostenverteilung. Deshalb betont die Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur in der Vorbemerkung zu ihrem „Leitfaden zur Genehmigung von individuellen Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV und von Befreiungen von den Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV“ vom September 2011, vgl. Seite 2 unter http://www.bundesnetzagentur.de/DE/DieBundesnetzagentur/Beschlusskammern/BK4/Individuelle_Netzentgelte%20Strom/Leitfaden_indiv_Netzentgelte_2011/Leitfaden_neu_2011_node.html:

Gemäß § 16 StromNEV werden die von Lieferanten und Letztverbrauchern zu zahlenden allgemeinen Netzentgelte ausgehend vom Prinzip der Verursachungsgerechtigkeit auf der Basis der sog. Gleichzeitigkeitsfunktion ermittelt. Abweichend hiervon eröffnete § 19 Abs. 2 StromNEV bislang die Möglichkeit, einem Letztverbraucher unter bestimmten Voraussetzungen ein individuelles Netzentgelt anzubieten. Neben dieser Möglichkeit wird es zukünftig für einige Letztverbraucher möglich sein, sich grundsätzlich von den Netzentgelten zu befreien zu lassen.

Die Begründung des Gesetzgebers für die Netzentgeltbefreiung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV ist demnach sachlich unzutreffend. Darüber hinaus ist dem Gesetzgebungsverfahren zu § 19 Abs. 2 StromNEV keine Begründung zu entnehmen. Insbesondere gibt es keine Gründe z. B. des Umweltschutzes oder des Gemeinwohls, die eine Befreiung von Netzentgelten rechtfertigen könnten. Im Gegenteil, sämtliche Privathaushalte und der gewerbliche Mittelstand werden in nicht verursachungsgerechter Weise mit zusätzlichen Kosten der stromintensiven Industrie belastet.


b) benachteiligende Kostenverteilung nach Kategorien
Die Verteilung der Netzentgelte, die den Netzbetreibern durch die Netzentgeltreduzierung und die Netzentgeltbefreiung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 StromNEV entgehen, wird vom Gesetzgeber nicht begründet. Die Verteilung der Kosten gemäß § 19 Abs. 2 Satz 7 StromNEV und damit gemäß § 9 Abs. 7 KWK-G führt zu drei Verbraucher-Kategorien A, B und C. Durch eine gleichmäßige Verteilung der Netzkosten auf alle drei Kategorien würden sich die Belastung gerechter verteilen.


c) Unvereinbarkeit mit Grundsätzen des Steinkohlepfennig-Urteils
Das Bundesverfassungsgericht hat sich 1994 mit dem sogenannten Kohlepfennig beschäftigt. Der Kohlepfennig war ein Preisaufschlag auf die Strompreise der Energieversorgungsunternehmen in Deutschland, den die Verbraucher der alten Bundesländer von 1974 bis 1995 zu entrichten hatten. Ziel war die Finanzierung des Steinkohlebergbaus in Deutschland, der ohne den Kohlepfennig gegenüber dem Ausland nicht konkurrenzfähig gewesen wäre. Die Subventionierung des deutschen Steinkohlebergbaus war nach Ansicht des Gesetzgebers aus energie-, sozial- und regionalpolitischen Gründen erforderlich. Am 11. Oktober 1994 entschied der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts jedoch, dass der Kohlepfennig verfassungswidrig ist. Das Verfassungsgerichtsurteil vom 11. Oktober 1994 unter Aktenzei-chen 2 BvR 633/86 findet sich z. B. unter http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv091186.html. Seit dem 1.1.1996 wird der Steinkohleabbau aus dem Staatshaushalt subventioniert.

Die beiden Leitsätze des Urteils vom 11.10.1994 lauten:

1.   Um die bundesstaatliche Finanzverfassung wie auch die Budgethoheit des Parlaments vor Störungen zu schützen und den Erfordernissen des Individualschutzes der Steuerpflichtigen im Blick auf die Belastungsgleichheit Rechnung zu tragen, ist eine Sonderabgabe nur in engen verfassungsrechtlichen Grenzen zulässig; sie muß deshalb eine seltene Ausnahme bleiben.
2.   Die Ausgleichsabgabe nach § 8 Drittes Verstromungsgesetz (sog. Kohlepfennig) ist nicht als Sonderabgabe zu rechtfertigen, weil sie eine Allgemeinheit von Stromverbrauchern belastet, die als solche keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Aufgabe trifft, den Steinkohleneinsatz bei der Stromerzeugung zu sichern.


In der Begründung des Urteils stellt das Bundesverfassungsgericht in Abschnitt C I 1 fest, dass Gemeinlasten aus Steuern zu finanzieren sind. Eine Belastung von Strompreisen mit einer Sonderabgabe wie durch § 19 Abs. 2 StromNEV widerspricht dem Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans und verstößt gegen den fundamentalen Grundsatz der Gleichheit der Bürger bei der Auferlegung öffentlicher Lasten. Mich als privaten Strom-verbraucher trifft keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Netzkosten Dritter, um damit industriepolitische Ziele des Gesetzgebers zu erreichen.



Verzeichnis der Anlagen

Anlage 1 – Beschlussentwurf BK8-11-024 der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur vom 17.11.2011 zu der Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV
Anlage 2 – Pressemitteilung der Übertragungsnetzbetreiber vom 17.11.2011 zur Umlage der Netzentgelte für stromintensive Betriebe
Anlage 3 – Spiegel-Bericht „Energiepreise – Regierung lädt Stromkunden Milliardenkosten auf“ vom 21.11.2011 und Welt-Bericht „Energieversorgung - Wie teuer wird der neue Strombonus für die Bürger?“ vom 22.11.2011
Anlage 4 – Beschluss BK8-11-024 der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur vom 14.12.2011 zu der Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV
Anlage 5 – Publikation der Übertragungsnetzbetreiber „Datenbasis zur §19 StromNEV Umlage 2012“ zum 1.1.2012



Am 14.2.2012 fasste die 2. Kammer des Ersten Senats des  Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Gaier, Paulus und die Richterin Britz unter Aktenzeichen 1 BvR 195/12 gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) einstimmig den Beschluss:

Zitat
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Eine Begründung gibt es nicht, warum meine Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Die ganze Entscheidung passt auf eine einzige Seite, inklusive Stempel und Unterschrift der Urkundsbeamtin.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline superhaase

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« Antwort #46 am: 18. Februar 2012, 20:42:29 »
Keine Begründung der Unzulässigkeit?

Das finde ich allerdings unangemessen.
8) solar power rules

Offline PLUS

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« Antwort #47 am: 18. Februar 2012, 21:34:12 »
Zitat
Original von Lothar Gutsche
Zitat
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Eine Begründung gibt es nicht, warum meine Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Die ganze Entscheidung passt auf eine einzige Seite, inklusive Stempel und Unterschrift der Urkundsbeamtin.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de
    Grüße von Niccolò Machiavelli. Zeigen sich hier auch Richter als transmoralische Wesen, die sich an jede (ihre) Situation anpassen und ihre Macht zum eigenen Wohl einsetzen? Es reicht doch schon der eine oder andere Politiker!

    Wo befinden wir uns denn?

    Ja, der Beschwerdebürger wird zum unerwünschten Querulanten. Die Ursachen sucht man nicht beim Gesetz- und Verordnungsgeber, der Bürger der sein Recht sucht ist das Problem. Bei der Masse an Beschwerden wird die Grenze zur Bagatelle zum Selbstschutz und nach oben verschoben.

    Die Entwicklung ist bedenklich! Vor allen Gerichten werden die unterschiedlichsten Hürden aufgebaut. Ob Amts-, Finanz- Verwaltungs-  oder Verfassungsgericht. Die Kostenrisiken steigen, Gebühren werden eingeführt usw.usf. Jetzt kommt wohl noch die Verfassungs-Querulantengebühr:
Beck:Querulantengebühr .. Grundrechtepartei: Querulantengebühr

Wohin geht die Reise?[/list]

Offline superhaase

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« Antwort #48 am: 19. Februar 2012, 08:45:42 »
Zitat
Original von PLUS
Ja, der Beschwerdebürger wird zum unerwünschten Querulanten.
Es ist nun mal nicht abzustreiten, dass der Begriff Querulant auf manche Zeitgenossen zutrifft. Gelle?

Und eben wegen jener Querulanten haben Richter vielleicht auch in weniger querulierenden Fällen dann nicht die Zeit oder den Nerv, die Ablehnung zu begründen.
Aber wenigstens ein zwei Sätze, woran sich die Unzulässigkeit festmacht, wären m.E. schon Pflicht.
So ganz ohne erscheint es zumindest etwas arrogant.
8) solar power rules

Offline RR-E-ft

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« Antwort #49 am: 20. Februar 2012, 16:53:31 »
Zitat
Original von Lothar Gutsche
Am 24.1.2012 habe ich zu § 19 Abs. 2 StromNEV folgende Verfassungsbeschwerde eingereicht:

Die Entscheidung, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, kam immerhin schnell.

Der betroffene Stromkunde ist von der gesetzlichen Regelung mittelbar betroffen, wie er an der entsprechenden Stromrechnung ersehen können wird.

Die eigene Betroffenheit des Stromkunden ergibt sich erst, wenn der Netzbetreiber deshalb die Netzentgelte erhöht und der Stromlieferant dies bei seiner Strompreiskalkualtion und Abrechnung gegenüber dem Kunden berücksichtigt.
Es sind also wohl mehrere Zwischenschritte erforderlich, bis sich eine eigene Betroffenheit einstellen kann.

Für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist jedoch erforderlich, dass der Beschwerdeführer geltend machen kann, durch einen Akt der hoheitlichen Gewalt selbst, unmittelbar und gegenwärtig in seinen Grundrechten betroffen zu sein.

Von gesetzlichen Regelungen sind die Normadressaten unmittelbar betroffen, vgl. hierzu die von der Rechtsprechung entwickelte Adressatentheorie.
Der einzelne Stromkunde ist jedenfalls nicht Normadressat der angefochtenen Norm. Er findet in dieser schon keinerlei Erwähnung, siehe § 19 Abs. 2 StromNEV, er wird über die Umlage wohl (nur) mittelbar betroffen.

Wenn jedoch eine mittelbare Betroffenheit für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde nicht ausreicht, so ist deren Annahme abzulehnen.
Einer Begründung für die Ablehnungsentscheidung bedarf es nicht.

Ein unnützer Mehraufwand an Papier wäre dem Steuerzahler zur Last gefallen.  

Zweifelhaft:

Zitat
Original von Lothar Gutsche
1.2 Betroffenheit als Stromverbraucher
Mein privater Stromverbrauch beträgt mit durchschnittlich 4.600 kWh pro Jahr deutlich weniger als 100.000 kWh. Wegen meines geringen Verbrauchs habe ich weder Anspruch auf eine Netzentgeltbefreiung noch auf ein reduziertes, individuelles Netzentgelt im Sinne von § 19 Abs. 2 StromNEV. Die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV verteuert jede meiner Stromrechnungen ab 2012.
2.3.2 Eingriff
Die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV erhöht direkt meine Kosten als Privatverbraucher beim Strombezug und greift damit in meine Grundrechte auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG und freie Entfaltung nach Art. 2 Abs. 1 GG ein. Dadurch, dass ich faktisch keine Möglichkeit habe, nach § 19 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 StromNEV einen Antrag auf Netzentgeltbefreiung oder reduzierte Netzentgelte zu stellen, werde ich gegenüber strom-intensiven Industriebetrieben entgegen Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt.

Wie, wenn der eigene Stromlieferant ein deshalb erhöhtes Netznutzungsentgelt nicht einpreist und nicht oder erst zeitlich verzögert über die Strompreise an seine Kunden weitergibt? Das ist schließlich nicht ausgeschlossen.

Man sollte vielleicht froh darüber sein, dass das Bundesverfassungsgericht nicht wegen einer offensichtlich unzulässigen Verfassungsbeschwerde eine Missbrauchsgebühr gegen den Beschwerdeführer verhängt hat.

Vielleicht hätte eine Verfassungsbeschwerde mit mehr Aussicht auf Erfolg auf die Verletzung des Art. 3 GG gestützt werden können, weil man selbst nicht zu den Privilegierten der gesetzlichen Regelung zählt und die Privilegierung der anderen sich nicht rechtfertigen lässt.

Eine Verletzung in Art. 3 GG wurde jedoch vom Beschwerdeführer schon weder gerügt, noch substantiiert begründet, so dass das Bundesverfassungsgericht auch darauf nicht eingehen durfte.

Offline Netznutzer

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« Antwort #50 am: 20. Februar 2012, 18:27:54 »
Einfach die Netznutzungentgelte sebst per Netznutzung gegenüber dem Netzbetreiber begleichen und nur den Strom von einem Lieferanten kaufen. Ob das ein Lieferant und ein NB im Rahmen der HH-Kunden Belieferung mitmachen, ist fraglich, aber man wäre dann direkt betroffen.

Gruß

NN

Offline RR-E-ft

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« Antwort #51 am: 20. Februar 2012, 19:04:43 »
Wenn man die Großkunden vollständig von der Zahlung der Netznutzungsentgelte befreit, stellt sich die Frage, warum man die nicht gleich vollständig von der Zahlung der Stromlieferungen befreit.
Vielleicht hat der Gesetzgeber da ja zukünftig noch etwas in Petto.
Schließlich geht es um die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und auch um den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Ironie aus.

Offline Lothar Gutsche

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« Antwort #52 am: 20. Februar 2012, 21:49:09 »
@RR-E-ft

Vielen Dank für Ihre Hinweise. Möglicherweise verneint das Bundesverfassungsgericht tatsächlich meine unmittelbare Betroffenheit. Mir das mitzuteilen, wäre kein großer Aufwand gewesen und hätte auf die DIN A4-Seite auch noch drauf gepasst, die mir als Ablehnungsbeschluss zugeschickt wurde. So aber bleiben bei mir Zweifel und Misstrauen in die Neutralität des Gerichts und die Korrektheit der Entscheidung.

Was Ihren Einwand angeht, ich hätte mich nicht oder nicht konkret genug auf eine Verletzung von Art. 3 GG berufen, so möchte ich auf Abschnitt 2.3.2 meiner Begründung hinweisen.

Zitat
Die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV erhöht direkt meine Kosten als Privatverbraucher beim Strombezug und greift damit in meine Grundrechte auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG und freie Entfaltung nach Art. 2 Abs. 1 GG ein. Dadurch, dass ich faktisch keine Möglichkeit habe, nach § 19 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 StromNEV einen Antrag auf Netzentgeltbefreiung oder reduzierte Netzentgelte zu stellen, werde ich gegenüber strom-intensiven Industriebetrieben entgegen Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt.

§ 19 Abs. 2 Satz 7 StromNEV regelt die Art und Weise, wie die durch Netzentgeltreduzierung und Netzentgeltbefreiung entgangenen Erlöse auf die allgemeinen Netznutzer umzulegen sind, vgl. oben Abschnitt 1.1. Bei der Verteilung der Umlage nach § 19 Abs. 2 Satz 7 StromNEV existieren drei Kategorien A, B und C, bei denen ich in die ungünstigste Kategorie A einsortiert und damit nochmals entgegen Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt werde.

Darüber hinaus werde ich durch die Neuregelung aus § 19 Abs. 2 StromNEV zur Finanzierung von industriepolitischen Zielen herangezogen, für die mich als Stromverbraucher keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit trifft. Nach den Grundsätzen des Leitsatzurteils 2 BvR 633/86 des Bundesverfassungsgerichts vom 11.10.1994 zum Steinkohlepfennig resultie-ren daraus Verstöße gegen meine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG.

Damit habe ich genau die Ungleichbehandlung in der Bevorzugung gerügt, die Sie mit dem Satz \"Vielleicht hätte eine Verfassungsbeschwerde mit mehr Aussicht auf Erfolg auf die Verletzung des Art. 3 GG gestützt werden können, weil man selbst nicht zu den Privilegierten der gesetzlichen Regelung zählt und die Privilegierung der anderen sich nicht rechtfertigen lässt. \" empfohlen haben.

Aber letztlich bleibt das Argument bestehen, dass ich rein formal gar nicht unmittelbar betroffen bin, weil nur mein Netzbetreiber das erhöhte Entgelt zahlen muss. Hier scheint eine Lücke zu bestehen, wie der Staat an bestimmte Großindustrielle auf meine Kosten entgegen den Grundprinzipien der Finanzverfassung aus Art. 104 ff GG Subventionen vergeben kann, ohne dass ich dagegen vorgehen kann. Das passt nicht zur Pflicht der Justizgewähr aus Art. 19 Abs. 4 GG, siehe z. B. http://www.dissertation.de/index.php3?active_document=buch.php3&buch=4423.  Die Wehrlosigkeit des mittelbar Geschädigten eröffnet ganz neue Wege zur Aushöhlung unseres Sozialstaates und meiner Eigentumsrechte. Danke an das Bundesverfassungsgericht für diesen hervorragenden Schutz des Unrechts!

Viele Grüße
Lothar Gutsche
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« Antwort #53 am: 20. Februar 2012, 23:39:42 »
@Lothar Gutsche

Ihre Zweifel am Bundesverfassungsgericht könnten dann berechtigt sein, wenn die Zulässigkeit Ihrer Verfassungsbeschwerde vollkommen außer Zweifel stünde. Davon kann jedoch wohl keine Rede sein, da es wohl ersichtlich schon an der unmittelbaren und gegenwärtigen Selbstbetroffenheit fehlen wird.

Fehlt es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung, so kann es für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auf deren Begründetheit nicht mehr ankommen. Über eine unzulässige Beschwerde darf das Gericht nicht entscheiden.
Es hat deren Annahme - wie geschehen-  abzulehnen.

Das BVerfG ist an das BVerfGG gebunden.
Das BVerfGG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig ist.

Offline Lothar Gutsche

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« Antwort #54 am: 21. Februar 2012, 09:14:06 »
@RR-E-ft

Zitat
Das BVerfG ist an das BVerfGG gebunden.
Das BVerfGG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig ist.
Noch mehr ist ist das Bundesverfassungsgericht an das Grundgesetz als das höherrangige Gesetz gebunden. Eine solche Rechtsweg-Lücke, wie sie für mittelbar Geschädigte wie im Fall von § 19 Abs. 2 StromNEV besteht, verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip und speziell gegen § 19 Abs. 4 GG.

Zitat
Hier scheint eine Lücke zu bestehen, wie der Staat an bestimmte Großindustrielle auf meine Kosten entgegen den Grundprinzipien der Finanzverfassung aus Art. 104 ff GG Subventionen vergeben kann, ohne dass ich dagegen vorgehen kann. Das passt nicht zur Pflicht der Justizgewähr aus Art. 19 Abs. 4 GG, siehe z. B. http://www.dissertation.de/index.php3?ac...php3&buch=4423. Die Wehrlosigkeit des mittelbar Geschädigten eröffnet ganz neue Wege zur Aushöhlung unseres Sozialstaates und meiner Eigentumsrechte.

Eine solche Wehrlosigkeit auch bei mittelbaren Angriff auf Grundrechte dürfte das Bundesverfassungsgericht nicht hinnehmen.

Nach der gerade hier im Forum viel diskutierten Preisgünstigkeitsforderung aus § 1, § 2 EnWG belegt eine nicht weitergegebene Erhöhung von Netzkosten auf unterlassene Preissenkungen unmittelbar vor der Umsetzung von § 19 Abs. 2 StromNEV. Indem die Stromnetzentgeltbefreiung von § 19 Abs. 2 StromNEV die Kosten meines Energieversorgers erhöht, verringert sie die die Spielräume zur Preissenkung.

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« Antwort #55 am: 21. Februar 2012, 12:20:02 »
@Lothar Gutsche

Eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4  GG wurde doch mit der Verfassungsbeschwerde schon gar  nicht geltend gemacht!

Insbesondere ergibt sich eine solche Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG auch nicht aus § 19 Abs. 2 StromNEV.

Wenn überhaupt, so hätte man mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 GG wohl das betagte BVerfGG anzufechten, welches für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde die unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers verlangt.

Die Anfechtung der entsprechenden Norm des BVerfGG dürfte verfristet sein,
weil Sie dagegen nicht rechtzeitig vor das Bundesverfassungsgericht gezogen waren.

Schließlich auch  gegen die Norm des BVerfGG, welche die Anfechtung gesetzlicher Bestimmungen vor dem Bundesverfassungsgericht zeitlich befristet, war von Ihnen wegen einer möglichen Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG wohl nicht rechtzeitig angefochten worden.

Nach dem Willen des Gesetzgebers, sollen Sie nun Ruhe geben, nachdem Sie es bisher verschlafen hatten.

Offline Lothar Gutsche

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« Antwort #56 am: 21. Februar 2012, 21:26:22 »
@RR-E-ft

In meinem Beitrag sind zwei Beschwerde-Ebenen zu unterscheiden:

Beschwerde-Ebene 1 mit Gegner Gesetzgeber
Meine Verfassungsbeschwerde vom 24.1.2012 gegen die § 19 Abs. 2 StromNEV zur Umverteilung von Stromnetzentgelten basierte auf Verstößen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG.

Beschwerde-Ebene 2 mit Gegner Bundesverfassungsgericht
Scheinbar formal korrekt hat das Bundesverfassungsverfassungsgericht meine Beschwerde vom 24.2.2012 wegen Unzulässigkeit nicht angenommen. Die Unzulässigkeit stützt sich mutmaßlich – mangels Begründung des Beschlusses sind nur Spekulationen möglich – auf meine fehlende unmittelbare persönliche Betroffenheit. Denn ich bin nur mittelbar betroffen über die Preispolitik meines Stromnetzbetreibers.
Wie die Diskussion mit Ihnen zeigt, ist mir aber gar kein ordentlicher Rechtsweg eröffnet, um den mittelbaren Angriff durch § 19 Abs. 2 StromNEV auf meine Grundrechte abzuwehren. Genau das hätte das Bundesverfassungsgericht an Hand meiner Beschwerde erkennen müssen und nach § 19 Abs. 4 GG meinen Justizgewähranspruch erfüllen müssen. Die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung das BVerfGG höher wertet als § 19 Abs. 4 GG, ist Gegenstand meiner Kritik.

Zitat
Original von RR-E-ft, 21.2.2012, 11:20
Nach dem Willen des Gesetzgebers, sollen Sie nun Ruhe geben, nachdem Sie es bisher verschlafen hatten
Ich kann nicht erkennen, als Mitglied des Geburtsjahrgangs 1964 in Bezug auf ein 1951 verabschiedetes Gesetz wie das BVerfGG etwas „verschlafen“ zu haben. Vielmehr müsste das Bundesverfassungsgericht in solchen Fällen wie meiner Verfassungsbeschwerde die Rechtslücke schließen, die der Gesetzgeber durch Verstöße gegen Grundprinzipien der Finanzverfassung immer wieder dadurch aufreisst, dass er bestimmte Großverbraucher auf meine Stromkosten subventioniert. Es passt nicht zum Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, mittelbar Geschädigte wie mich wehrlos dem verfassungsuntreuen Gesetzgeber auszuliefern und dadurch unseren Sozialstaat und meine Eigentumsrechte anzugreifen. Vor dem Hintergrund lässt sich Ihre Aussage wie folgt erwidern:

Nach dem Willen des Verfassungsgebers sind alle Staatsgewalten dazu verpflichtet, mich vor Verletzungen meiner Grundrechte zu schützen.

karnevalistische Randnotiz zum Ausklang vom Mönchengladbacher Veilchendienstag: Der Schutz erstreckt sich sogar auf Nichtjuristen und Mathematiker und betrifft u. a. eben auch Verletzungen durch neue energiewirtschaftsrechtliche Gesetze.

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« Antwort #57 am: 22. Februar 2012, 16:41:40 »
@Lothar Gutsche

Ihr Beitrag gründet wohl auf mehreren Missverständnissen.

Bis auf Bayern sind Popularklagen - auch gegen Gesetze - bewusst gesetzlich  ausgeschlossen.

Zudem wird mit gesetzlichen Fristenregelungen bewusst in Kauf genmommen, dass auch Hoheitsakte, die den Betroffenen selbst, unmittelbar und gegenwärtig in seinen Grundrechten verletzen, bestandskräftig werden und auch mit einer Verfassungsbeschwerde nicht mehr angefochten werden können.

Dies alles hat der demokratisch legitimierte Gesetzgeber nicht ohne Grund bewusst so bestimmt.

Möglicherweise ist der Verfassungsgeber mit dem Gesetzgeber identisch - und nicht schizophren.

Offline Lothar Gutsche

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« Antwort #58 am: 22. Februar 2012, 21:33:51 »
@ RR-E-ft

Zitat
Original von RR-E-ft, 22.2.2012, 16:45
Zudem wird mit gesetzlichen Fristenregelungen bewusst in Kauf genmommen, dass auch Hoheitsakte, die den Betroffenen selbst, unmittelbar und gegenwärtig in seinen Grundrechten verletzen, bestandskräftig werden und auch mit einer Verfassungsbeschwerde nicht mehr angefochten werden können.

Dies alles hat der demokratisch legitimierte Gesetzgeber nicht ohne Grund bewusst so bestimmt.
In welchem Gesetz des \"demokratisch legitimierten Gesetzgebers\" steht eigentlich geschrieben, dass ich (z. B. durch § 19 Abs. 2 StromNEV oder durch das EEG oder durch den Steinkohlepfennig) in meinen Grundrechten unmittelbar verletzt sein muss? Gewähren mir die Grundrechte keine Abwehrmöglichkeit gegen den Staat, wenn dieser als Gesetzgeber auch nur mittelbar in meine Grundrechte wie z. B. das Eigentumsrecht oder das Gleichheitsrecht eingreift?

Weder im Grundgesetzartikel 93 Abs. 1 Nr. 4a  noch im Bundesverfassungsgerichtsgesetz § 90 BVerfGG lässt sich die Anforderung der \"Unmittelbarkeit\" finden. Nach den Gesetzestexten genügt die Verletzung von Grundrechten für eine Verfassungsbeschwerde.  Woher nehmen Sie die sogar fett gedruckte Voraussetzung, der Betroffene müsse unmittelbar in seinen Grundrechten verletzt sein?

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« Antwort #59 am: 23. Februar 2012, 00:53:02 »
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist, dass der Beschwerdeführer eine mögliche Verletzung in einem Grundrecht/ grundrechtsgleichem Recht durch einen Hoheitsakt geltend macht, die ihn selbst, unmittelbar und gegenwärtig betrifft. Ob tatsächlich eine solche Grundrechtsverletzung vorliegt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern eine Frage der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde.

Erstsemesterwissen

Unser Recht besteht nicht nur aus dem kodifizierten Recht, sondern auch aus den von der Rechtsprechung entwickelten Rechtssätzen.

Das Bundesverfassungsgericht mag keine Verfassungsbeschwerden annehmen, welche die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden unbeachtet lassen.

http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs19980114_1bvr199594.html

Zitat
I.

1. Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, daß der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffene Rechtsnorm in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 1, 97 <101 ff.>). Eine Selbstbetroffenheit liegt jedenfalls dann vor, wenn der Beschwerdeführer Adressat der angegriffenen Norm ist (vgl. BVerfGE 74, 297 <318>). Gegenwärtig ist der Beschwerdeführer von einer Norm betroffen, wenn diese ihre Wirkung auf ihn aktuell und nicht nur virtuell entfaltet (vgl. BVerfGE 1, 97 <102>). Von einer gegenwärtigen Betroffenheit geht das Bundesverfassungsgericht aber auch dann aus, wenn das Gesetz die Normadressaten mit Blick auf seine künftig eintretende Wirkung zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt (vgl. BVerfGE 43, 291 <387>) oder wenn klar abzusehen ist, daß und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein wird (vgl. BVerfGE 74, 297 <320>). Eine unmittelbare Betroffenheit liegt vor, wenn die angegriffene Vorschrift, ohne eines weiteren Vollzugsaktes zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändert. Der Beschwerdeführer muß also geltend machen können, daß er gerade durch die Norm und nicht erst durch ihren Vollzug in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 1, 97 <102 f.>). Eine unmittelbare Betroffenheit wird aber auch dann bejaht, wenn die Norm ihren Adressaten bereits vor konkreten Vollzugsakten zu später nicht mehr korrigierbaren Dispositionen veranlaßt (vgl. BVerfGE 43, 291 <386>). Bei Rechtsbeziehungen, die nicht das Verhältnis des Einzelnen zum Staat, sondern die Beziehungen von Privatrechtssubjekten untereinander regeln und also nicht auf Vollzug im engeren Sinn angelegt sind, folgt die unmittelbare Betroffenheit aus einer sich im Verhältnis der Beteiligten unmittelbar auswirkenden Änderung der Rechtslage oder aus der Notwendigkeit von Dispositionen zur Einstellung auf die neue Rechtslage (vgl. BVerfGE 88, 384 <399 f.>; 91, 294 <305>).

2. Auch für Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze gilt aber der Grundsatz der Subsidiarität. Danach ist die Verfassungsbeschwerde eines von der angegriffenen Rechtsnorm selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffenen Grundrechtsträgers dann unzulässig, wenn er in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Gerichte erlangen kann (vgl. BVerfGE 68, 319 <325 f.>; 74, 69 <74>). Damit soll erreicht werden, daß das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft (vgl. BVerfGE 79, 1 <20>). Ein Verweis auf den Rechtsweg ist danach besonders dann geboten, wenn das angegriffene Gesetz den Gerichten Entscheidungsspielräume beläßt, die für die Frage seiner Verfassungsmäßigkeit Gewicht erlangen können (vgl. BVerfGE 71, 25 <34 f.>). Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt allerdings nicht, daß ein Betroffener vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm verstößt und dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend macht (vgl. BVerfGE 81, 70 <82 f.>).

Der Netzbetreiber kann seine Netznutzungsentgelte wegen § 19 Abs. 2 StromNEV nur dann erhöhen, wenn die zuständige Regulierungsbehörde ihm deshalb erhöhte Netznutzungsentgelte bewilligt.

Solche erhöhten Netznutzungsentgelte erreichen den Stromkunden auch nicht unmittelbar, sondern nur, soweit der betreffende Stromlieferant diese überhaupt in seine Strompreise einpreist.

Nur wenn sich eine VB bei dieser Prüfung als zulässig erweist, kommt es auf eine Prüfung der Begründetheit der VB an.

Eine Grundrechtsverletzung liegt nicht schon dann vor, wenn in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen wird.
Die Grundrechte sebst gelten nämlich  nicht unbeschränkt, sondern es gelten zumindest die sog. verfassungsimmanenten Schranken, die ihererseits durch die sog. Schranken-Schranken begrenzt werden.

 

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