Erfreulich und Hoffnung machend:
Das Landgericht Gera, Kammer für Handelssachen, Az. 3 HK O 81/05 hat heute in einem Zahlungsprozess eines EVU wegen Strompreisforderungen eine interessante vorläufige rechtliche Stellungnahme abgegeben:
Ein gewerblicher Stromkunde hatte nach mehrjährigen Strombezug aufgrund eines \"Sondervertrages\" keine Deckung auf dem Konto vorgehalten, weshalb das EVU die die Einzugsermächtigung löschte und den Kunden hiernach zum \"Allgemeinen Tarif\" gem. § 12 BTOElt abrechnete.
Hiergegen wurde bereits vorprozessual die Unbilligkeit eingewandt.
Das Gericht kam zu der vorläufigen Überzeugung, dass es sich bei den Allgemeinen Tarifen um durch die Veröffentlichung gem. § 4 Abs. 2 AVBEltV einseitig bestimmte Leistungsentgelte handelt, die der direkten Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterfallen, ohne dass es erst auf die Vorausetzungen einer Analogie ankommt.
Diese Rechtsauffassung deckt sich mit der herrschenden Kommentierung von Franke in Schneider/ Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, § 16 Rn. 52 mit Verweis auf BVerwG, RdE 1994, 230.
Bleibt es bei dieser Einschätzung, unterfallen Allgemeine Tarife eines Grundversorgers in einer solchen Konstellation einer zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB.
Dabei kommt es überhaupt nicht darauf an, ob der Kunde etwa auf diese Stromlieferungen angewiesen ist.
Hiernach ist zu prüfen, ob die veröffentlichten Preise des Grundversorgers im konkreten Abnahmefall den Kriterien einer preisgünstigen Versorgung gem. §§ 1, 2 Abs. 1 EnWG, 1, 12 BTOElt entsprechen (BGH NJW-RR 1992, 183,186), wofür die Preiskalkulation offen zu legen wäre.
Diese Rechtsprechung ließe sich auf die Erdgasversorgung ohne weiteres übertragen.
Diese Rechtsauffassung wird auch gestützt durch Held, NZM 2004, 169, 171 ff..
Sollte das Gericht bei dieser Auffassung bleiben, hilft es den Versorgern rein gar nichts, die Kunden etwa in die Allgemeinen Tarife abzuschieben, wenn diese sich auf Unbilligkeit berufen und die Einzugsermächtigung entziehen.
Ganz im Gegenteil:
Es steht zu erwarten, dass die Allgemeinen Tarife vielmehr ganz kurzfristig auf das richtige Maß zurechtgestutzt werden.
Am Ende könnten diese günstiger sein, als die heutigen Norm- Sondertarife der örtlichen Versorger.
Nun bleibt zunächst abzuwarten, wie die durch einen hoch spezialisierten Kollegen vertretene und hiernach vollkomen verblüffte Klägerin die \"Billigkeit\" der von ihr geforderten extrem hohen Preise nachweisen will.
Hierzu wurde ihr Schriftsatznachlass gewährt.
Das Gericht sah es als vollkommen unnötig an, dass die Beklagte überhaupt etwas zur Unbilligkeit vorträgt.
Es genügte dem Gericht vollkommen, dass die Unbilligkeit gerügt wurde und sich die Beklagte auf die Unverbindlichkeit der Preise gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB berief (LG Köln, RdE 2004, 306).
Auf die Rechnungen der Klägerin hatte die Beklagte keinerlei Zahlungen geleistet.
Sie wird auch weiterhin ohne jedwede Zahlung zu den \"Allgemeinen Tarifen\" von der Klägerin versorgt. Zudem befindet sie sich in einem stromsperrefreiem Netz- Gebiet.
Nicht zur Nachahmung empfohlen, bis eine abschließende Gerichtsentscheidung getroffen ist, jedoch interessant zu wissen- vor allem für Versorgungsunternehmen, die ihre Kunden gern mit Allgemeinen Tarifen einzuschüchtern suchen.
Ein solcher Schuss kann ersichtlich auch nach hinten losgehen.
Zwar wirbt der neue Thüringer Energiedienstleister mit weiterhin günstigen Preisen, aber so günstig dürfte er sich diese nicht gleich vorgestellt haben....
Man tat ganz überrascht und war es wohl auch, obschon jeder ordentliche Energierechtskommentar und eine juristisch saubere Methodik zu eben diesem Ergebnis führt.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt