Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Hemmung der Verjährung durch Gesprächsteilnahme  (Gelesen 3161 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline DocTom

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 44
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Männlich
Hemmung der Verjährung durch Gesprächsteilnahme
« am: 15. August 2011, 21:19:14 »
Ich bin seit vielen Jahren Protestkunde, habe gebetsmühlenartig sämtlichen Preisänderungen und Jahresabrechungen widersprochen und konsequent die Abschläge gekürzt.

Nachdem mir nun innerhalb eines 3/4 Jahres eine 1.Mahnung sowie dann 2.Mahnung mit Androhung einer Versorgungseinstellung ins Haus flatterten, habe ich neben eigener schriftlicher Zurückweisung unter Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage Beschwerde beim Kartellamt eingelegt und vorsorglich eine Schutzschrift beim zuständigen Gericht hinterlegt.

Über geraume Zeit keine Reaktion seitens des EVU.
Vor einigen Wochen jetzt Einladung zu einem persönlichen Gespräch über offene Positionen. Keine weiteren Informationen, nur wo und wann dieses stattfindet, auch keine Angaben zu den Teilnehmern, etc.

Ich habe im Forum von Herrn RA Fricke jedoch gelesen, man solle \" mit dem Versorger und dessen Anwälten nicht in Verhandlungen eintreten, sonst kommt es zur Hemmung der Verjährung gem. § 203 BGB\"

Kann bereits die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Gespräch als Verhandlung eingestuft werden und eine derartige Hemmung nach § 203 BGB bewirken?
Ich habe wirklich keinerlei Ahnung, was bei diesem Gespräch konkret thematisiert werden soll. Vielleicht erklärt man auch den Verzicht auf offene Positionen oder legt mir einen Versorgerwechsel nahe?

Kann ich bzw. darf ich den Termin wahrnehmen oder soll ich vorsichtshalber nicht reagieren, was nach m.E. sehr unfreundlich ist?

mfg

DocTom

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
Hemmung der Verjährung durch Gesprächsteilnahme
« Antwort #1 am: 16. August 2011, 09:39:15 »
Neben der Tatsache, dass ich mich auf einen solchen Termin ohne Benennung von Thema und Teilnehmern gar nicht einlassen würde, da ich mich nicht vernünftig vorbereiten könnte, ist auch die Frage, inwieweit eine eventuelle Hemmung Sie denn in der Sache zurückwerfen würde.
Da Sie doch Ihre Abschläge schon gekürzt haben, dürften Sie ja keine hohen Rückforderungen gegen den Versorger haben. Wenn doch, würde Ihnen die Hemmung der Verjährung helfen.
Der Versorger seinerseits möchte zwar sicher sein ihm aus seiner Sicht zustehendes Geld haben, muss aber auch die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in einem eventuellen Prozess zur Eintreibung der Forderung im Auge behalten. Im Sondervertrag sehen dabei die Chancen von sehr vielen Versorgern nicht besonders gut aus, weshalb die Zahl der eingereichten Klagen in diesem bereich derzeit meines (subjektiven) Erachtens eher gering ist. Aber klar ist, falls die Verhandlung die Verjährung hemmen würde, hätte der Versorger etwas mehr Zeit, Sie zu verklagen.

Ich würde im Falle, dass die Gegenseite Thema und Teilnehmer nennt, teilnehmen, sonst aber eben auch nicht. Das würde ich denen mitteilen und abwarten.

Offline PLUS

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 3.319
  • Karma: +6/-6
Hemmung der Verjährung durch Gesprächsteilnahme
« Antwort #2 am: 16. August 2011, 11:19:49 »
Zur Hemmung der Verjährung durch Verhandlung im Sinne von § 203 BGB reicht jeder Meinungsaustausch über den Anspruch und seiner tatsächlichen Grundlagen aus, wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlung abgelehnt wird. OLG Oldenburg, Urteil vom 24.11.2005, Aktenzeichen 8 U 129/05

Hier der interessante Teil zur Verjährung:
    Die Restwerklohnforderung der Klägerin ist nicht verjährt.

    Der Werklohnanspruch der Klägerin ist nach Abschluss der Arbeiten und Abnahme im Jahr 2001 fällig geworden. Aufgrund des bis Ende des Jahres 2001 geltenden Rechts begann die Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2001 zu laufen (§§ 196 Abs.1 Nr.1, 201 BGB aF; Artikel 229 § 6 Abs . 1 Satz 2 EGBGB). Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Verjährungsrechts (1. Januar 2002) war mithin die Forderung der Klägerin noch nicht verjährt; Hemmung und Neubeginn richten sich nunmehr jedoch nach neuem Verjährungsrecht. Gemäß Artikel 229 § 6 Abs . 3 EGBGB bleibt es für den Ablauf der Verjährung allerdings bei der zweijährigen Frist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB aF.

    Diese zweijährige Verjährungsfrist begann mit dem 1 . Januar 2002 zu laufen. Die von der Beklagten am 1 . März 2002 geleistete Abschlagszahlung von 6.000 Euro führte gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Neubeginn der Verjährung; eine Abschlagszahlung ist schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift eine
typische Anerkennungshandlung. Das bedeutet, dass die Verjährungsfrist nunmehr am 28. Februar 2004 geendet hätte.

Im Zeitraum von Ende Juni 2002 bis zum 25. November 2002 war die Verjährung durch Verhandlungen der Parteien gehemmt, § 203 BGB. Die entgegenstehende Auffassung des Landgerichts (sub 2 . b der Entscheidungsgründe) beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 513 Abs. 1 ZPO . Unstreitig hat sich der für die Beklagte tätige Architekt A ... zwecks Rechnungsprüfung und Verständigung über die Abrechnung und die Anspruchshöhe an die Klägerin gewandt. Weiter ging es darum, die von der Beklagten – rechtlich unbegründet – gerügte fehlende Prüfbarkeit der Rechnung herzustellen. Die Beklagte hat dabei durch ihren Architekten selber Vorschläge zur Abrechnung gemacht; dieser hat die Leistungen der Klägerin überprüft und einen ihr möglicherweise noch zustehenden Restbetrag ermittelt (vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom 3. März 2005). Die Erörterungen sind erst mit Schreiben des Architekten vom 25.11.2002 ergebnislos beendet worden.

Der eben geschilderte Sachverhalt erfüllt die Voraussetzungen für Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB. Der Begriff der Verhandlungen ist nach einhelliger Auffassung weit auszulegen; es genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen , wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlung abgelehnt wird. Es genügen Erklärungen , die den Gläubiger zu der Annahme berechtigen, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein. Das kann hier nicht zweifelhaft sein. Die Verjährung war deshalb für den Zeitraum von Ende Juni bis Ende November 2002 (überschlägig gerechnet fünf Monate) gehemmt.


Ob sich aus dem Schriftwechsel im Zeitraum zwischen dem 28 . März und dem 29. Juli 2003 ( vier Monate ) ein weiterer Hemmungstatbestand ergibt, kann für die Entscheidung dahinstehen  Im Rahmen dieses Schriftwechsels sind , nachdem die Klägerin nunmehr anwaltlich vertreten war, letztlich nur die bestehenden Standpunkte noch einmal ausgetauscht worden , so dass es nicht ohne weiteres nahe liegt, diesen Schriftwechsel als Verhandlungen zu werten.

Die Verjährung ist sodann durch Rechtsverfolgung ( Beantragung und Erlass eines Mahnbescheids Anfang Dezember 2003 ) erneut gehemmt worden (§ 204 Abs . 1 Nr. 3 BGB ). Von der zweijährigen Verjährungsfrist waren zu diesem Zeitpunkt überschlägig gerechnet sechzehn Monate verbraucht, es verblieben weitere acht Monate.

Die Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung endet,  wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät , dass die Parteien es nicht betreiben, sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien oder des Gerichts, § 204 Abs . 2 Satz 2 BGB. Die ( vorläufig ) letzte Verfahrenshandlung war die gerichtliche Verfügung, mit der die Klägerin zur Anspruchsbegründung aufgefordert wurde. Bei gerichtlichen Verfügungen kommt es auf deren Zugang an ( vgl. Palandt / Heinrichs , BGB , 64 . Aufl ., § 204 Rdnr . 49 ). Das war hier der 28. Januar 2004; die Hemmung dauerte mithin bis zum 28 . Juli 2004 an. Nach Ablauf dieses Hemmungstatbestandes begann der noch nicht verbrauchte Teil der Verjährungsfrist ( acht Monate ) abzulaufen, § 209 BGB. Innerhalb dieser Frist, nämlich mit am 30. Dezember 2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, hat die Klägerin den Anspruch begründet. Eine Verjährung der Klageforderung ist danach nicht eingetreten.[/list]

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz