Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Welche Folgen hat die Aussetzung der Rechtsverfolgung bei ausstehender EuGH-Entscheidung?  (Gelesen 5184 mal)

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BEZUG:

BGH, B. v. 18.05.11 VIII ZR 71/10 EuGH- Vorlage: § 4 AVBGasV wirksam?


Zitat
Im Übrigen wäre bei einem für die Verbraucher positiven EuGH-Urteil auch noch die dreijährige Verjährung von Rückforderungsansprüchen von Verbrauchern zu beachten.
....
Solange der EuGH die Vereinbarkeit des Preisbestimmungsrechts für die Versorgung sowohl von Tarif- bzw. Grundversorgungskunden als auch von Sonderkunden nicht festgestellt hat, dürfen die auf dieses Recht gestützten einseitigen Preiserhöhungen gerichtlich nicht mehr durchgesetzt werden. Die Gerichte müssen vielmehr bei Zahlungsklagen der Versorger ihr Verfahren ebenso wie der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung des EuGH aussetzen.
    Wenn hier die Verjährung angesprochen wird, und die gerichtliche Durchsetzung ausgesetzt ist, wie wirkt sich das dann generell auf die Verjährung aus. Nicht nur bei möglichen Rückforderungen, sondern auf die bestrittene Forderung des Versorgers.

    Hemmung? Wenn ja, auf Grund welcher Rechtsnorm?

Offline RR-E-ft

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Es wirkt sich nur auf bereits anhängige Tarifkunden - Verfahren dergestalt aus, dass ein deutsches Gericht, welches diese Vorfrage vorfindet und letztinstanzlich über den Klageanspruch entscheiden will, sein Verfahren - wie der BGH - aussetzen und dem EuGH die vorab zu entscheidende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen hat.

Da der Rechtsstreit bereits anhängig ist, ist die Verjährung gehemmt, wohl auch in der Zeit der Aussetzung des Verfahrens.

Für die Verjährung von Forderungen, die bisher nicht rechtshängig sind, hat es keinerlei Auswirkungen.  

Betroffen sind überhaupt nur bereits anhängige Verfahren, die wie aufgezeigt wegen der vorgreiflichen Rechtsfrage selbst  auszusetzen sind, um darüber eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

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Zitat
Original von RR-E-ft
....
Für die Verjährung von Forderungen, die bisher nichts rechtshängig sind, hat es keinerlei Auswirkungen.  

Betroffen sind überhaupt nur bereits anhängige Verfahren, die wie aufgezeigt wegen der vorgreiflichen Rechtsfrage selbst  auszusetzen sind, um darüber eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.
    Danke! Die Verjährungsfrist läuft also weiter und auch ab.

    Nicht ganz folgen kann ich dann hier:

Zitat
Wenn der EuGH das vom BGH aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und § 5 Abs. 2 GasGVV gefolgerte gesetzliche Preisanpassungsrecht der Tarifkunden- bzw, Grundversorger für EU-rechtswidrig hält, gilt das selbstverständlich auch für die Vergangenheit. Bei schon jetzt darauf gestützten Rückforderungsklagen von Verbrauchern wäre allerdings das Verfahren ebenso bis zur Entscheidung des EuGH auszusetzen wie bei Zahlungsklagen von Versorgern. Also vorerst keine „unabsehbaren Konsequenzen“. Im Übrigen wäre bei einem für die Verbraucher positiven EuGH-Urteil auch noch die dreijährige Verjährung von Rückforderungsansprüchen von Verbrauchern zu beachten.
Sollten Rückforderungsansprüche die Folge sein, dann wäre es ja geradezu geboten, vorsorglich einen Mahnbescheid gegen den Grundversorger zu beantragen oder zu klagen, um die Verjährungshemmung zu erreichen.[/list]PS: Was ist im Rechtsbereich schon klar?! Vielleicht läuft die Verjährung auch noch nicht - siehe hier:

Anders gelte es aber bei einer besonders unübersichtlichen und verwickelten Rechtslage, die selbst ein rechtkundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. Hier können ausnahmsweise auch erhebliche rechtliche Zweifel den Verjährungsbeginn bis zur Klärung ausschließen. Der Gläubiger müsse auf Grund der ihm bekannten Tatsachen in der Lage sein, eine Klage zu erheben, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht habe, dass sie ihm zuzumuten sei.

Noch nicht überall erkannt? Die Dimension der möglichen Rückforderungen ist gewaltig. Es geht da ja um einige Milliarden Euro

Offline RR-E-ft

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Minus zum Quadrat.

Es ist doch klar, dass den Grundversorgern jedenfalls eine Vertragssituation unzumutbar wäre, wo sie auch unvermeidliche, erforderliche und angemessene Kostensteigerungen nicht an die grundversorgten Tarifkunden weitergeben könnten, und deshalb im Falle der Unwirksamkeit der gesetzlichen Regelung wohl zwingend eine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen müsste, insbesondere da das Recht zur ordentlichen Kündigung durch den Versorger bei bestehehendem gesetzlichem Kontrahierungszwang als ausgeschlossen angeshen werden kann (vgl. auch § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV).

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Zitat
Original von RR-E-ft
Minus zum Quadrat.

Es ist doch klar, dass den Grundversorgern jedenfalls eine Vertragssituation unzumutbar wäre, wo sie auch unvermeidliche, erforderliche und angemessene Kostensteigerungen nicht an die grundversorgten Tarifkunden weitergeben könnten, und deshalb im Falle der Unwirksamkeit der gesetzlichen Regelung wohl zwingend eine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen müsste, insbesondere da das Recht zur ordentlichen Kündigung durch den Versorger bei bestehehendem gesetzlichem Kontrahierungszwang als ausgeschlossen angeshen werden kann (vgl. auch § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV).
    \"Minus zum Quadrat\" - Jetzt gibt es hier im Forum auch noch einen juristischen Grundkurs in Mathematik mit Repetitorium. :D

    Zur Sache: Was sollen dann die ganzen \"Übungen\"? Wer stellt dann die \"unvermeidlichen, erforderlichen und angemessenen Kostensteigerungen bei der ergänzenden Vertragsauslegung\" fest?  Wenn, dann doch wohl ein Gericht und wir sind wieder bei der Billigkeitsprüfung die bei den gegebenen Grundlagen das eine oder andere Gericht überfordert hat. Ich dachte, die hier vertretenen Verbraucher und der Verein sind überwiegend der Meinung, dass deutlich überhöhte Energiepreise abgerechnet wurden und immer noch werden. Gibt es dann im Falle des Falles (ergänzende Vertragsauslegung) keine Rückforderungsansprüche? [/list]

    Offline RR-E-ft

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    Rückforderungen fallen dann deutlich geringer aus als bei einer unwirksamen Vertragsklausel ohne ergänzende Vertragsauslegung, zudem ist die gerichtliche Durchsetzung aufwendiger. Soll ein Gericht die unvermeidlichen, erforderlichen und angemessenen Kostensteigerungen ermitteln, kann es sich hierfür ggf. eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens bedienen. Ein solches Gutachten hat nach Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 20.000 EUR das Landgericht Frankfurt/ Oder in einem Verfahren gegen EWE einholen lassen.

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    Zitat
    Original von RR-E-ft
    Rückforderungen fallen dann deutlich geringer aus als bei einer unwirksamen Vertragsklausel ohne ergänzende Vertragsauslegung, zudem ist die gerichtliche Durchsetzung aufwendiger. Soll ein Gericht die unvermeidlichen, erforderlichen und angemessenen Kostensteigerungen ermitteln, kann es sich hierfür ggf. eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens bedienen. Ein solches Gutachten hat nach Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 20.000 EUR das Landgericht Frankfurt/ Oder in einem Verfahren gegen EWE einholen lassen.
      Wenn der EuGH deutsche Rechtsnormen gegebenenfalls für ungültig erklärt ist die Frage, welche Folgen das dann hat und wer auf das Gutachten angewiesen ist. Ich gehe mal davon aus, dass ein betroffener Verbraucher sich bei einer Rückforderung dann einfach auf die Unwirksamkeit berufen kann.

    Offline RR-E-ft

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    Wenn ein solches Gutachten eingeholt wird, gehören dessen Kosten zu den Kosten des Rechtsstreits, die am Ende entsprechend des Umfanges des Obsiegens/ Unterliegens zwischen den Parteien verteilt werden.

    Wer mehr einklagt, als ihm vom Gericht zugesprochen wird, der wird im Umfange seines Unterliegens an den Kosten des Rechtsstreits beteiligt.

    Klagt ein Kochgaskunde deshalb 100 EUR ein, wovon ihm das Gericht [nach Einholung eins SV- Gutachtens mit Kosten von 20 TEUR] gerade 50 EUR zuspricht, dann kann sich dieser Kläger über die erfolgreich  erstrittenen 50 EUR freuen.
    Weniger erfreulich sind die von ihm zu tragenden Kosten des Rechtsstreits in Höhe von mindestens 10 TEUR.

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    Zitat
    Original von RR-E-ft
    Minus im Quadrat.

    Wenn ein solches Gutachten eingeholt wird, gehören dessen Kosten zu den Kosten des Rechtsstreits, die am Ende entsprechend des Umfanges des Obsiegens/ Unterliegens zwischen den Parteien verteilt werden.
    Wer mehr einklagt, als ihm vom Gericht zugesprochen wird, der wird im Umfange seines Unterliegens an den Kosten des Rechtsstreits beteiligt.

    Klagt ein Kochgaskunde deshalb 100 EUR ein, wovon ihm das Gericht [nach Einholung eins SV- Gutachtens mit Kosten von 20 TEUR] gerade 50 EUR zuspricht, dann kann sich dieser Kläger über die erfolgreich  erstrittenen 50 EUR freuen. Weniger erfreulich sind die von ihm zu tragenden Kosten des Rechtsstreits in Höhe von mindestens 10 TEUR.
      Logik im Quadrat

      Ja dann! So gesehen ist die Übung ein ständiger Kreislauf und wir sind mal wieder am Anfang. Diese Situation haben wir doch jetzt schon.  :evil:

      Also \"Kochgaskunde\" laß die Finger davon! Chance und Risiko stehen in keinem Verhältnis. Jeder einzelne Kochgaskunde steht allein und hat das Risiko. Ein EuGH-Urteil ist für die Verbraucher so gesehen nur eine Übung wie das Hornberger Schießen?!  :rolleyes:

    Offline RR-E-ft

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    Wenn der EuGH die Unwirksamkeit feststellt, dann muss der deutsche Gesetzgeber eine europarechtskonforme Regelung treffen.

    Zudem kommt es für die Streitentscheidung in dem Verfahren BGH VIII ZR 71/10 und für alle weiteren ähnlich gelagerten Verfahren, die deshalb derzeit bundesweit von Gerichten ausgesetzt werden, auf die Entscheidung des EuGH an.

    Wie es sich mit Rückforderungen verhält, steht auf einem ganz anderen Blatt.
    Noch nicht überall erkannt?

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    Original von RR-E-ft
    Minus zum Quadrat.
    ..
    Wie es sich mit Rückforderungen verhält, steht auf einem ganz anderen Blatt.
      Logik im Quadrat

      Vemutlich steht das aber auf der Rückseite. :evil:  Wenn es um das Kostenrisiko (Gutachten) gehen sollte, hat der grundversorgte \"Kochgasverbraucher\", wenn der Versorger klagt, wohl dasselbe Problem.

      Also wer der Preiserhöhung widerspricht und die Rechnung kürzt ..... wird ebenso wenig erfreut sein, wenn er 50 EUR nachzahlen darf und  dazu die oben schon genannten 10 TEUR Gutachterkosten tragen muß. Dann bleibt doch die wirtschaftliche Empfehlung, der Rechtsweg ist kein Weg - gleich lassen, den Rechtsstreit meiden bzw. wenn die Übung schon begonnen wurde, rechtzeitig abbrechen und den geordneten Rückzug antreten?!

      So ist das mit der sogenannten Grundversorgung. Verbraucher abgezockt und ohne Schutz!
    Grundversorgung, ein sozialer Begriff? Daseinsvorsorge, Sozialstaat, Sozialpolitik .... aber manche meinen ja, das sind keine Rechtsfragen, das ist nur Palaver.   ;)[/list]

    Offline RR-E-ft

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    Minus zum Quadrat. Ja, es ist Palaver.

    Nach der bisherigen Rechtsprechung ist die Preisänderung nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht (BGH VIII ZR 71/10 Rn. 10) oder aber unverbindlich.

    Nach anderer Auffassung ist der [geänderte] Preis wegen der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Versorgers (BGH VIII ZR 71/10 Rn.11) insgesamt nur verbindlich, wenn er der Billigkeit entpricht (BGH X ZR 60/04 unter II 1.) oder aber unverbindlich. Eine gerichtliche Ersatzbestimmung, ab deren Rechtskraft im letzteren Fall  überhaupt erst eine verbindliche, fällige  Forderung des Versorgers besteht (BGH X ZR 60/04 unter II. 1) kommt nur auf Antrag und unter erschwerten Voraussetzungen in Betracht, zu denen unter anderem die gerichtliche Feststellung der Unbilligkeit gehört, an der es mangelt, wenn das Gericht nur die Billigkeit nicht feststellen konnnte (BGH VIII ZR 240/90 am Ende).

    Bei einer Zahlungsklage des Versorgers besteht zudem die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses, wenn der Versorger trotz vorprozessualen Verlangen des Kunden  erstmals im Rahmen der Klageschrift die Billigkeit nachvollziehbar und prüffähig darlegt. Im Falle eines solchen sofortigen Anerkenntnisses trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits. Klagt hingegen der Kunde, besteht eine solche Möglichkeit jedenfalls nicht.

    Offline RR-E-ft

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    Original von RR-E-ft
    Minus zum Quadrat. Ja, es ist Palaver.
    .....
    Bei einer Zahlungsklage des Versorgers besteht zudem die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses, wenn der Versorger trotz vorprozessualen Verlangen des Kunden  erstmals im Rahmen der Klageschrift die Billigkeit nachvollziehbar und prüffähig darlegt. Im Falle eines solchen sofortigen Anerkenntnisses trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits. Klagt hingegen der Kunde, besteht eine solche Möglichkeit jedenfalls nicht.
      Sorry, ist das wirklich der springende Punkt oder Palaver im Quadrat?  Geht es um 50 €, um einen einzelnen gewonnen Rechtsstreit oder um nachgewiesen billige Preise für die Verbraucher (alle)?

    Offline RR-E-ft

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    Worum es geht, ergibt sich immer aus dem konkreten Antrag der konkreten Klageschrift.
    Um mehr als um den Klageantrag geht es in einem Zivilprozess  nie  (§ 308 ZPO).

    Entschieden wird nur im Verhältnis der konkreten Parteien (Kläger/ Beklagter) undzwar auch nur im Umfange des konkreten Klageantrages.
    Um alle könnte es allenfalls dann gehen, wenn alle als Partei am konkreten Rechtsstreit beteiligt sind.  
    Noch nicht überall erkannt?

     

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