Original von tangocharly
Ja, eine Verpflichtung des Versorgers gem. § 2 EnWG besteht. Doch diese Verpflichtung besteht nur darin, keinen Einkauf zu beliebigen Preisen zu tätigen (so, Tz. 43).
Diese Aussage hat der Senat nicht getroffen und sie kann ihm auch nicht unterstellt werden. Der Senat macht vielmehr in BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43 zutreffend deutlich, dass der Versorger bei einer einseitigen Preisbestimmung jedenfalls seine gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG berücksichtigen muss, er hängt aber in jener Entscheidung an dem von ihm erfundenen, kritikwürdigen \"(konkludent vereinbartem) Preissockel\" (VIII ZR 138/07 Rn. 24).
Dem Gesetzgeber kann kein Vorwurf gemacht werden.
Der Gesetzgeber hat nichts nebulös geregelt, sondern äußerst klug und umsichtig bereits eine klare gesetzliche Regelung getroffen.
Zum besonderen Schutz der Haushaltskunden hat er mit § 36 Abs. 1 EnWG nicht nur eine Grundversorgungspflicht statuiert, sondern auch eine permanente Preisbestimmungspflicht der Grundversorger.
Die Belieferung der grundversorgten Kunden soll gerade nicht zu vereinbarten Preisen erfolgen, sondern zu Allgemeinen Preisen, die der Grundversorger permanent zu bestimmen verpflichtet ist und die einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle zugänglich sind (§ 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV/ GasGVV) .
Bereits früher war das nur in der Präambel des EnWG verankerte Ziel einer möglichst preisgünstigen Versorgung bei einseitigen Preisbestimmungen des EVU zwingend zu beachten (BGH, Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183).
Der Gesetzgeber hat die EVU mit § 2 Abs. 1 EnWG nunmehr
klarstellend im Rahmen der Bestimmungen des Gesetzes zu einer Versorgung auch unter Beachtung des Ziels einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas zu verbraucherfreundlichen Bedingungen verpflichtet.
Diese Verpflichtung gilt - entsprechend der gesetzestechnisch verwendeten Klammertechnik - insbesondere auch für die permantente Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers gem. § 36 Abs. 1 EnWG.
Deshalb sind die Allgemeinen Preise gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden und besteht deshalb auch eine gesetzliche Verpflichtung zur Tarifanpassung zugunsten der Kunden (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 320/07 Rn. 29, VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Die Rechtsprechung des Senats zu angeblich (konkludenten) Preisvereinbarungen ist freilich mit diesem Willen des Gesetzgebers unvereinbar.
Das liegt jedoch nicht am Gesetzgeber, sondern an denen, die den klar formulierten Willen des Gesetzgbers zuweilen umdeuten.
Der Gesetzgeber spricht im Zusammenhang mit der Grundversorgung an keiner Stelle von Preisvereinbarungen.
Solche konkludente Preisvereinbarungen hat sich vielmehr dieser Senat des BGH
ausgedacht, erstmals mit Urt. v. 28.03.07 VIII ZR 144/06 Rn. 13, zumal wohl im Widerspruch zur sonstigen Rechtsprechung des BGH, siehe nur BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff..
Der Senat hatte schließlich noch mit einer Leitsatzentscheidung vom 30.04.03
VIII ZR 279/02 entschieden, dass die Preise eines Versorgungsunternehmesn bei einem
konkludenten Vertragsabschluss einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen, wohl gemerkt bei Annahme der Realofferte durch Entnahme der bereitgestellten Leistung aus dem Versorgungsnetz.
In dieser Leitsatzentscheidung hieß es immerhin noch vollkommen eindeutig:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft das Versorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Ermessensausübung bei Festsetzung des Leistungsentgelts (§ 315 Abs. 3 BGB) dann, wenn das Versorgungsunternehmen hieraus Ansprüche gegen die andere Vertragspartei erhebt (BGH, Urteil vom 30. Juni 1969 - VII ZR 170/67, NJW 1969, 1809 f.; BGH, Urteil vom 4. Dezember 1986 - VII ZR 77/86, WM 1987, 295 = NJW 1987, 1828 unter II 3 a; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I; zuletzt BGH, Urteil vom 5. Februar 2003 - VIII ZR 111/02, unter II 1 b, z.Veröff. in BGHZ best.; siehe auch OLG Celle, NJW-RR 1993, 630 f., jew.m.w.Nachw.). ...
Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 19. Januar 1983 (aaO unter II 2 b) sowohl für den Tarifkunden- wie für den Sonderkundenbereich (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. Oktober 1975 - KZR 2/75, RdE 1976, 25 unter I zu Abschn. VIII, 4 der \"Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz des Elektrizitätsversorgungsunternehmens\" vom 27. Januar 1942) ausgeführt hat, betrifft der vom Kunden eines Versorgungsunternehmens erhobene Einwand der Unbilligkeit der Preisbestimmung nach § 315 BGB nicht Rechen- und Ablesefehler oder andere Abrechnungsgrundlagen, sondern die Leistungspflicht des Kunden, der im Falle der Unangemessenheit des verlangten Preises von Anfang an nur den vom Gericht bestimmten Preis schuldet (§ 315 Abs. 3 BGB). Wenn die nach billigem Ermessen zu treffende Bestimmung der Gegenleistung einer Partei überlassen ist, entfällt die bei einem Vertrag normalerweise bestehende Gewißheit über Inhalt und Umfang der Leistung, welche aus der Einigung der Partei hierüber folgt. Den Belangen des Kunden, der die Preisbestimmung für unbillig hält und ein schutzwürdiges Interesse daran hat, lediglich den tatsächlich geschuldeten Preis zahlen zu müssen, kann nur dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, daß es ihm gestattet wird, sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Versorgungsunternehmens entsprechend dem in § 315 Abs. 3 BGB enthaltenen Schutzgedanken auf die Unangemessenheit und damit Unverbindlichkeit der Preisbestimmung zu berufen und diesen Einwand im Rahmen der Leistungsklage zur Entscheidung des Gerichts zu stellen. Hieran hat der erkennende Senat auch in nachfolgenden Entscheidungen festgehalten (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1989 - VIII ZR 8/89, WM 1990, 608 unter B I 3 a; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 aaO; a.A. Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke aaO, § 30 AVBEltEV Rdnr. 26; Morell aaO, E § 30 Anmerkung d); siehe auch KG in KGR Berlin 2001, 273).
Zutreffend geht der Senat dabei davon aus, dass es für den konkludenten Vertragsabschluss keiner Preisvereinbarung bedarf, wenn das Versorgungsunternehmen hinsichtlich seiner Allgemeinen Tarife das Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist.
Wie hätte der Gesetzgeber demnach bei Verabschiedung des EnWG im Juli 2005, insbesondere nach der Klarstellung der gesetzlichen Verpflichtung gem. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG, erahnen sollen, dass der Senat seinen Willen so mißdeuten könnte?
Im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht hatte der Gesetzgber den EVU gerade nicht freigestellt, ihre Allgemeinen Preise/ Tarife nach Belieben zu gestalten, nach Belieben darüber zu entscheiden, ob sie die Tarife zugunsten der Kunden anpassen, sondern vielmehr die Allgemeinen Tarife gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden und die EVU gesetzlich zu Preisanpassungen zugunsten aller grundversorgten Kunden (unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses) verpflichtet, was der Senat ja auch selbst erkennt (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43, VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Die demnach nach billigem Ermessen zu treffende Entscheidung über die Allgemeinen Preise/ Tarife hat der Gesetzgeber den gesetzlich versorgungspflichtigen EVU überlassen.
Hierzu passt die zutreffende Erkenntnis:
\"Wenn die nach billigem Ermessen zu treffende Bestimmung der Gegenleistung einer Partei überlassen ist, entfällt die bei einem Vertrag normalerweise bestehende Gewißheit über Inhalt und Umfang der Leistung, welche aus der Einigung der Partei hierüber folgt.\" (BGH VIII ZR 279/02).
Wohl deutlich erkennbar:
In seiner Leitsatzentscheidung vom 28.03.07 VIII ZR 144/06 Rn. 13 hatte der Senat ganz offensichtlich
vergessen, jedenfalls außer Acht gelassen, dass die Allgemeinen Tarife gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und den Versorger deshalb eine gesetzliche Verpflichtung zur Tarifanpassung zugunsten der Kunden trifft, die Bestimmung der Allgemeinen Tarife gegenüber den grundversorgten Tarifkunden nach billigem Ermessen gesetzlich dem Versorgungsunternehmen überlassen ist und wenn die nach billigem Ermessen zu treffende Bestimmung der Gegenleistung einer Partei überlassen ist, die bei einem Vertrag normalerweise bestehende Gewißheit über Inhalt und Umfang der Leistung entfällt, welche aus der Einigung der Partei hierüber folgt (BGH VIII ZR 279/02).
Nachdem der Senat späterhin die gesetzliche Bindung der Allgemeinen Tarife an den Maßstab der Billigkeit und die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers zur Tarifanpassung zugunsten der Kunden - also den Fakt, dass der Gesetzgebereindeutig den versorgungspflichtigen Versorgungsunternehmen die Bestimmung der Allgemeinen Preise/Tarife nach billigem Ermessen überlassen hat - aber später
wiederholt wieder
erkannt hatte (vgl. nur BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18] blendet der Senat diese jedenfalls
wiedergefundene Erkenntnis - nun aber wohl eher in fast hartnäckig schizophren erscheinender Weise - auch in seinem Beschluss vom 13.04.11 VIII ZR 127/10 wieder aus.
Gesetzeslage im Spiegel der Senatsrechtsprechung.
Zwischen Original und Spiegelbild gibt es erhebliche Unterschiede.
Nicht der Gesetzgeber hat die gesetzliche Regelung zu korrigieren, sondern der Senat seine Rechtsprechung, soweit diese im Widerspruch zur Gesetzeslage steht, wonach die Allgemeinen Tarife gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und den Versprger gegenüber den grundversorgten Tarifkunden die Preisbestimmungspflicht nach billigem Ermessen unter Beachtung der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG trifft, abweichende Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden im Bereich der Grundversorgung unzulässig sind, weil alle Haushaltskunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen beliefert werden müssen, die die Versorger der Billigkeit entsprechend festzusetzen haben.