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Autor Thema: Mythos § 2 EnWG  (Gelesen 10394 mal)

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Offline Black

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Mythos § 2 EnWG
« am: 01. April 2011, 10:54:25 »
Hier im Forum wird gerne und hartnäckig die Rechtsauffassung vertreten, dass Energieversorger nach § 2 EnWG gesetzlich dazu verpflichtet seien, die Energie möglichst preisgünstig abzugeben. Gern wird dabei neuerdings auch von einer „gesetzlichen Preisbestimmungspflicht nach § 2 EnWG“ gesprochen.

Das ist ein Irrtum. Der § 2 EnWG begründet keine konkrete gerichtlich durchsetzbare Pflicht. Hierzu kann auf die umfassende Kommentierung zu § 2 EnWG verwiesen werden:


Prof. Dr. Johannes Hellermann in Britz-Hellermann-Hermes, Kommentar zum Energiewirtschaftsgesetz, 2008

Der Bestimmung kommt im wesentlichen deklaratorische und allenfalls klarstellende Funktion zu. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll namentlich in § 2 Abs. 1 die wirtschaftliche Eigenverantwortung der EVU besonders betont werden. (Rn. 2)

§ 2 Abs. 1 EnWG begründet keine eigenständige, rechtlich verbindlichen und durchsetzbaren Versorgungspflichten, weder grundsätzlich noch konkreter im Hinblick auf die Ziele des § 2 Abs. 1 EnWG. Dies folgt daraus, dass die Versorgungspflicht des § 2 I unter den ausdrücklichen Vorbehalt gestellt ist, dass sie nur im Rahmen weiterer Vorschriften des EnWG besteht. Rechtlich bindende, ggf. durchsetzbare Pflichten können sich daher allein aus einzelnen sonstigen Vorschriften des EnWG ergeben. (Rn. 8  )

Im Ergebnis erweist sich damit die Regelung des § 2 I als rechtlich ohne besondere Bedeutung. Sie erscheint als ein hilfloser Versuch des Gesetzgebers, den vermuteten Gefahren von Liberalisierung und Entflechtung zu wehren (Rn. 10)



Prof. Dr. Dr. Peter Salje in Energiewirtschaftsgesetz, 2006

Der „Systemschwäche“ versucht der Gesetzgeber mit Hilfe von § 2 Abs. 1 zu begegnen, wobei die Gesetzesbegründung bereits die Ohnmacht des Gesetzgebers deutlich hervortreten lässt. Denn immer wenn eine bloße „Erwartung“ zum Ausdruck gebracht wird, hat der Gesetzgeber seine beschränkten Mittel zutreffend eingeschätzt und quasi kapituliert. Aus dieser erkentnis folgt für die Auslegung des § 2 Abs. 1:

Weil die Vorschrift lediglich auf andere Normen des EnWG verweist, sind es nur diese Regelungsbereiche, die rechtlich bindend in der Lage sind die künftige Energieversorgung sicherzustellen.
(Rn. 9)

Dies gilt auch für die erneute Bindung an die Ziele des § 1. Während die Vorgängerregelung die Verpflichtung auf die Ziele des EnWG noch in vielen Einzelnormen aufführte hat der Gesetzgeber des EnWG 2005 diese Ziel- und Zweckbindung ergänzend in die Sammelnorm des § 2 Abs. 1 übernommen. Damit wird die rechtliche Beachtung der fünf Ziele des § 1 hervorgehoben; eine darüber hinausgehende rechtliche Bindung folgt daraus aber nicht. (Rn. 10)



Prof. Dr. Dr. Dr. Franz Jürgen Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 2010

Die dem Vorgänger EnWG unbekannte Vorschrift des § 2 verpflichtet die Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften eigenverantwortlich zu einer Energieversorgung beizutragen, die den Zielen des § 1 Rechnung trägt. § 2 scheint nach seinem Wortlaut eine eingenständige Verpflichtung der Energieversorgungsunternehmen zu statuieren, deren Nichteinhaltung zu einem hoheitlichen Einschreiten der BNetzA nach § 65 führen kann.

Die Verpflichtung besteht nach dem Wortlaut des § 2 aber nur „im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes“. Die Regierungsbegründung erläutert dies dahingehend, dass damit damit die nachfolgenden Vorschriften des Gesetzes gemeint sind, die den Programmsatz des § 1 ausführen. Da belastende Verwaltungsakte in einem Programmsatz keine ausreichende Rechtsgrundlage finden, ist der Hinweis in den Materialien zwingend und für die Auslegung des § 2 zu beachten. § 1 gehört nicht zu den Vorschriften, die eine unmittelbar verpflichtende wirkung für die Unternehmen haben.


Im Lichte dieser Interpretation hat § 2 nur klarstellende Bedeutung. Die vorstehende Interpretation gewährleistet, dass § 2 sich nicht zu einer das Gesetz überwuchernden Generalbemächtigung entwickelt, die neuen energiewirtschaftlichen Konzepten als legislativer Aufhänger dient. Andernfalls wäre die für die Unternehmen bei Zielekollision nicht konkretisierungsfähige Norm wegen inhaltlicher Unbestimmtheit verfassungswidrig. (Rn. 2)
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Mythos § 2 EnWG
« Antwort #1 am: 01. April 2011, 11:04:43 »
Bei Lichte betrachtet besteht ein Mythos allenfalls darin, dass sich die eindeutige  gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1  EnWG nicht auswirkt.

Wie es um reichlich Irrtümer bestellt ist, wollen wir uns ebenfalls bei Lichte betrachten.


Die gesetzliche Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung kommt immer bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle einseitiger Preisbestimmungen des Energieversorgungsunternehmens zum Tragen.


Zitat
BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43

bb) Das schließt allerdings nicht aus, dass jedenfalls die Weitergabe sol- cher Kostensteigerungen im Verhältnis zum Abnehmer als unbillig anzusehen ist, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden un- ternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiser- höhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte.

Das Recht zur Preiserhöhung nach § 4 AVBGasV kann, wie die Revisionserwiderung zutref- fend geltend macht, angesichts der sich aus § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 EnWG erge-benden Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltver- träglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas nicht dazu dienen, dass es zu beliebigen Preisen einkauft, ohne günstigere Beschaffungsalternativen zu prüfen (Markert, RdE 2007, 263, 265; Säcker, ZNER 2007, 114, 115), und im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und -steigerungen akzeptiert, die über das hinausgeen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich ist.

Das hat lange Tradition und daran sollte vom Gesetzgeber nichts geändert werden.

Zitat
BGH VIII ZR 240/90

III. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast nicht dadurch genügt, daß sie zur Begründung ihrer Preisbestimmung auf die in der Bundesrepublik Deutschland herrschende Bandbreite der Strompreise und auf diejenigen Entgelte verwiesen hat, die sie von anderen Stromabnehmern fordert.  

1.   Allerdings kann eine einseitige Preisbestimmung unter Umständen als billig im Sinne von § 315 BGB anzusehen sein, wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird.  

Grundsätzlich ist indessen eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks (Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Auf., § 315 Rdnr. 38]; Staudinger/Kaduk, BGB, 11. Aufl., § 315 Rdnr. 6; Esser/Schmidt, Schuldrecht I, 6. Aufl., S. 215; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 119 f) sowie der Interessenlage beider Parteien (BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 1. Juli 1971 aaO unter 12) erforderlich, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (vgl. die Über¬sichten bei v. Hoyningen-Huene, aaO; MünchKomm/Söllner, BGB, 2. Aufl., § 315 Rdnr. 16).  

2.   a) Für Verträge, die - wie hier - die Lieferung elektrischer Energie zum Gegenstand haben, muß der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden, daß die Energieversorgung - unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung - so preiswürdig wie möglich zu gestalten ist (dazu Büdenbender, Energierecht, 1982, Rdnr. 70, 72; Lukes, BB 1985, 2258, 2262). Abweichend von anderen Wirtschaftszweigen kommt hier dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung nur eingeschränkte Bedeutung zu (Büdenbender aa0, Rdnr. 73; Lukes aaO; Köhler ZHR 137 (1973) S. 237, 251, 253). Das Prinzip der Preiswürdigkeit der Energieversorgung hat seinen Niederschlag in den einschlägigen Gesetzen und Rechtsverordnungen gefunden..  Die möglichst sichere und preiswürdige Lieferung elektrischer Energie ist demnach Zweck auch des zwischen den Prozeßparteien herrschenden Interimsverhältnisses und entspricht dem rechtlich anerkannten Interesse der Beklagten. Dieser Gesichtspunkt muß in die Ermessensentscheidung der Klägerin eingehen. Er bedeutet in materiell-rechtlicher Hinsicht, daß sich. der von ihr geforderte Strompreis an den Kosten der Belieferung mit elektrischer Energie ausrichtet. Über die Deckung der Kosten für die Erzeugung und Leitung der elektrischen Energie sowie der Vorhaltung der dazu notwendigen Anlagen hinaus steht der Klägerin allerdings auch ein Gewinn zu, aus dem sie die erforderlichen Rücklagen bilden und Investitionen tätigen kann. Weiterhin ist ihr eine angemessene Verzinsung zuzugestehen, ohne die sie Fremdkapital nicht aufnehmen und Anlagekapital nicht gewinnen kann (Hüdenbender aa0 Rdnr. 72 ff; Lukes aaO; Köhler aaO). Auf diesem Weg wird auch den Belangen der Klägerin Rechnung getragen.


Ganz im Gegenteil hat der Gesetzgeber die gesetzliche Verpflichtung der EVU zur möglichst preisgünstigen Versorgung herausgestellt und ausdrücklich die Verpflichtung der Grundversorger zur Preisanpassung zugunsten der Kunden und die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung deren einseitiger Preisbestimmungen gem. § 315 BGB vorgesehen.


Die rote Farbe wurde von mir zu Hervorhebungszwecken benutzt.

Zitat
BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41 ff.

Daraus ergibt sich aber nicht, dass auch die gegenüber den Sonderkunden der Beklagten erfolgenden Preisänderungen wie bei dem gesetzlichen Preisänderungsrecht nach § 5 Abs. 2 GasGVV der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 20; BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26).

Bei kundenfeindlichster Auslegung kommt vielmehr auch ein Verständnis der Klausel in Betracht, nach dem der Beklagten wegen der festen Koppelung der Preisänderungen an die Änderungen der Grundversorgungspreise kein Ermessensspielraum zusteht und deshalb keine Billigkeitskontrolle stattfindet (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2006 - VIII ZR 270/05, WM 2007, 40, Tz. 19).  

(a) Mit diesem Inhalt hält die Klausel einer Prüfung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand, denn sie stellt keine unveränderte Übernahme des gesetzlichen Preisänderungsrechts gemäß § 5 Abs. 2 GasGVV dar, weil es an der Möglichkeit der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB fehlt.

(b) Selbst wenn man die Klausel dahin verstehen wollte, dass aus der Koppelung an die Preisänderungen der Beklagten gegenüber Grundversorgungskunden zugleich die Bindung auch der im Verhältnis zu Sonderkunden erfolgenden Preisänderungen an den Maßstab billigen Ermessens folgte, verstieße die Klausel gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB).

Denn ein solcher Verstoß liegt unter anderem auch dann vor, wenn eine Formularbestimmung die Rechtslage irreführend darstellt und es dem Verwender dadurch ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in ihr getroffene Regelung abzuwehren (Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567, unter II 2; Staudinger/Coester, BGB (2006), § 307 Rdnr. 192; jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall, weil sich - wie bereits dargelegt - aus der Klausel nicht hinreichend deutlich ergibt, dass die Preisänderungen der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliegen und dem Kunden damit eine gerichtliche Überprüfung möglich ist.

(2) Die Preisanpassungsregelung der Beklagten entspricht auch im Übrigen inhaltlich nicht in vollem Umfang der Regelung in § 5 Abs. 2 GasGVV. Danach werden Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss (Satz 1). Ferner ist der Grundversorger verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen (Satz 2).

Diese Vorschriften gewährleisten im Zusammenhang mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 1 GasGVV, nach der der Grundversorgungsvertrag mit einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Kalendermonats gekündigt werden kann, dass dem Grundversorgungskunden im Falle einer Preisänderung zwei Alternativen offen stehen. Er kann entweder am Vertrag festhalten und die Preisänderung gemäß § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen. Oder er kann sich spätestens gleichzeitig mit dem Wirksamwerden der Preisänderung vom Vertrag lösen und den Anbieter wechseln (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 35 f.).


Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.


Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29

Die Formulierung (\"darf\") lässt eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verweis auf § 5 Abs. 2 GasGVV und der anschließenden Formulierung: \"Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden.\" Daraus ergibt sich zwar, dass die Beklagte, wenn sie eine Preisänderung vornimmt, an die Regelung des § 5 Abs. 2 GasGVV und an den Maßstab billigen Ermessens gebunden sein soll. Der Formulierung ist aber nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass die Beklagte auch im Falle einer Absenkung der Gasbezugskosten verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung vorzunehmen. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Gasbezugskosten umgehend, niedrigeren Gasbezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.


Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 36

Im Gesamtzusammenhang gewährleisten die Vorschriften damit, dass dem Grundversorgungskunden im Falle einer Preisänderung zwei Alternativen offen stehen. Er kann entweder am Vertrag festhalten und die Preisänderung gemäß § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen. Oder er kann sich spätestens gleichzeitig mit dem Wirksamwerden der Preisänderung vom Vertrag lösen und den Anbieter wechseln.

Mit anderen Worten:

Fehlt es im konkreten Vertragsverhältnis an der Verpflichtung des Versorgers  zur Preisanpassung zugunsten des Kunden nach Vertragsabschluss und/ oder auch an  der Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung gem. § 315 BGB, so handelt es sich jedenfalls  um einen Sondervertrag (mit nicht wirksamer Preisänderungsklausel) [BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29].

Das folgt unmittelbar daraus, dass nach der gesetzlichen Regelung und auch jedem Grundversorgungsvertrag die Verpflichtung des Grundversorgers besteht, den Preis nachträglich zugunsten des Kunden anzupassen und dem Kunden dabei die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle offen steht und nach der gesetzlichen Regelung offen stehen muss.

Offline Black

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Mythos § 2 EnWG
« Antwort #2 am: 01. April 2011, 11:32:04 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Mit anderen Worten:

Fehlt es im konkreten Vertragsverhältnis an der Verpflichtung des Versorgers  zur Preisanpassung zugunsten des Kunden nach Vertragsabschluss und/ oder auch an  der Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung gem. § 315 BGB, so handelt es sich jedenfalls  um einen Sondervertrag (mit nicht  unwirksamer Preisänderungsklausel) [BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29]

Welchen Fall prüfen Sie denn hier? Es geht nicht um die Abgrenzung von Sonderverträgen zu Grundversorgungsverträgen, sondern um die Bedeutung von § 2 EnWG als Pflicht des EVU.
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Offline RR-E-ft

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Mythos § 2 EnWG
« Antwort #3 am: 01. April 2011, 11:34:38 »
@Black

Ich lese immer Beiträge vollständig von Anfang bis Ende durch, um mir zu erschließen, worum es geht.
Manchmal muss man mehrfach lesen.

Kleine Hilfestellung:

Es geht darum, wo und wie sich die klare gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG konkret auswirkt.

Offline Jagni

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« Antwort #4 am: 01. April 2011, 15:35:42 »
Zitat
von Black
Hier im Forum wird gerne und hartnäckig die Rechtsauffassung vertreten, dass Energieversorger nach § 2 EnWG gesetzlich dazu verpflichtet seien, die Energie möglichst preisgünstig abzugeben.

Welchen Energieversorger meint denn Black hier eigentlich, wenn er den § 2 EnWG bemüht, um eine gesetzliche Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Energieversorgung in Abrede zu stellen?
Meint er den Grundversorger, oder meint er den Versorger außerhalb der Grundversorgung, der selbst und eigenverantwortlich nicht in der Lage war, eine wirksame Preisklausel zu gestalten und sich deswegen eine solche spendieren ließ? Eine Klausel die zwar wirksam sein soll und dennoch die Billigkeitskontrolle auf den Plan ruft?!

@Black, mehr Aufhellungen!

Gruß
Jagni

Offline RR-E-ft

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Mythos § 2 EnWG
« Antwort #5 am: 01. April 2011, 15:42:11 »
Zitat
Original von Black
Hier im Forum wird gerne und hartnäckig die Rechtsauffassung vertreten, dass Energieversorger nach § 2 EnWG gesetzlich dazu verpflichtet seien, die Energie möglichst preisgünstig abzugeben. Gern wird dabei neuerdings auch von einer „gesetzlichen Preisbestimmungspflicht nach § 2 EnWG“ gesprochen.


Black hat ersichtlich die Rechtsprechung des BGH seit langem nicht auf seiner Seite (BGH VIII ZR 240/90 unter III 2 a), BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Woher er seine Erkenntnisse schöpft, bleibt vollkommen  im Trüben.

In Anbetracht der Tatsache, dass die richtungsweisende Entscheidung BGH VIII ZR 240/90 vom 02.10.1991 datiert, ist dies wenig nachvollziehbar.
Und auch die Entscheidung vom 19.11.08 VIII ZR 138/07 muss man schon hartnäckig ignorieren, um ihm folgen zu können.

Er ignoriert wohl zudem hartnäckig all jene jüngeren Entscheidungen des BGH, welche die Verpflichtung des Grundversorgers zu Preisanpassungen zugunsten der Kunden [die Preisbestimmungspflicht des Versorgers] wie auch die gerichtliche Überprüfung der Preisanpassungen nach § 315 BGB umfangreich bestätigen.

Der Gesetzgeber hat eine einfache Technik benutzt, um die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG vor die Klammer zu ziehen, insbesondere in Bezug auf die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers hinsichtlich der  jeweiligen Allgemeinen Preise gem. § 36 Abs. 1 EnWG.

Die gesetzliche Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung sollte eben nicht mehr so verstreut zu finden sein, wie sie sich die Rechtsprechung des BGH in VIII ZR 240/90 noch zusammentragen musste.
Sie befindet sich nun zuvörderst an exponierter Stelle, wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung vor allem anderen.

Der Gesetzgeber hat damit sehr klug agiert, auch wenn Black ihn für blöde halten mag.

Offline Black

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Mythos § 2 EnWG
« Antwort #6 am: 01. April 2011, 16:33:57 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Zitat
Original von Black
Hier im Forum wird gerne und hartnäckig die Rechtsauffassung vertreten, dass Energieversorger nach § 2 EnWG gesetzlich dazu verpflichtet seien, die Energie möglichst preisgünstig abzugeben. Gern wird dabei neuerdings auch von einer „gesetzlichen Preisbestimmungspflicht nach § 2 EnWG“ gesprochen.


Black hat ersichtlich die Rechtsprechung des BGH seit langem nicht auf seiner Seite (BGH VIII ZR 240/90 unter III 2 a), BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Woher er seine Erkenntnisse schöpft, bleibt vollkommen  im Trüben.

Trübe scheint Ihre Sehschärfe zu sein, denn in dem obigen Beitrag von mir, den Sie schön zitieren habe ich die Quellen meiner Rechtsauffassung deutlich angegeben (was heutzutage nicht jeder tut).

Aber es freut mich, dass Ihnen mittlerweile die Rechtsprechung des VIII. Senates als positiv erscheint. Andere Forenuser schimpfen nämlich sehr gerne darüber.
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #7 am: 01. April 2011, 16:55:30 »
@Black

Sie haben hier und heute (weil 1.April ist) behauptet, die gesetzliche Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung habe keine Auswirkungen, schon gar nicht auf eine Preisbestimmungspflicht des Versorgers.
Dazu sahen Sie sich durch Forumsbeiträge der letzten Zeit veranlasst.

Jene Auffassung wurde alsbald anhand der altbekannten und auch der jüngeren Rechtsprechung des BGH widerlegt, deren Kenntnis man vielleicht voraussetzen darf.

Dass die jüngere Rechtsprechung des BGH in der vorhandenen Kommentierung noch nicht berücksichtigt ist, liegt in der Natur der Sache.

Nicht nur deshalb darf man auch nicht allein auf solche Kommentierungen vertrauen, sondern muss von Zeit zu Zeit auch mal den eigenen Kopf anstrengen.

Der eigene Kopf sollte zu den eigenen Erkenntnissen führen.
Allein durch das Zusammenstückeln von Lesefrüchten schafft man schließlich auch keine Dissertation, weiß jetzt auch KTzG.

Bei Lichte betrachtet, ist die zitierte Kommentierung noch nicht einmal unzutreffend, wenn sie darauf verweist, dass sich aus § 2 Abs. 1 EnWG kein Direktanspruch ergibt.

Dass es keinen Direktanspruch aus § 2 Abs. 1 EnWG gibt, schließt aber nicht aus, dass es etwa aus § 36 Abs. 1 EnWG einen Direktanspruch geben kann und die bestehende gesetzliche Verpflichtung zudem mittelbar bei der gerichtlichen Überprüfung von einseitigen Preisbestimmungen des Versorgers eine Rolle spielt.

Hinter - Gründe

In Erinnerung an Fritz Schnabel

Wenn Sie jemanden in den April schicken wollten, hätten Sie früher aufstehen müssen. ;)

Offline Black

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« Antwort #8 am: 01. April 2011, 17:56:03 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Sie haben hier und heute (weil 1.April ist) behauptet, die gesetzliche Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung habe keine Auswirkungen,

Nein, ich habe nicht gesagt, dass § 2 \"keine Auswirkungen\" habe. Ich sagte:

Zitat
Original von Black
Der § 2 EnWG begründet keine konkrete gerichtlich durchsetzbare Pflicht. Hierzu kann auf die umfassende Kommentierung zu § 2 EnWG verwiesen werden:

Den Unterschied zwischen \"eine irgendwie geartete Auswirkung haben\" und \"eine gerichtlich durchsetzbare konkrete Pflicht begründen\" sollten Sie erkennen.
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #9 am: 01. April 2011, 18:07:33 »
@Black

Es wurde schon erkannt, dass Sie hier und heute (weil 1.April ist) nur Leser zum Narren darüber halten wollten, es gäbe einen Irrtum, wir hätten in diesem Punkte gar unterschiedliche Auffassungen. ;)

Vielleicht reden Sie noch mal mit PLUS darüber. :D


@all

Falls jemand bisher noch nicht in den April gekommen sein sollte:

Dass die Kontrolle der Einhaltung der gesetzliche Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung bei der gerichtlichen Überprüfung nach § 315 BGB zu erfolgen hat, ergibt sich bereits aus der Bezeichnung Billigkeitskontrolle.

Offline Black

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« Antwort #10 am: 01. April 2011, 18:39:56 »
Zitat
Original von Jagni
Zitat
von Black
Hier im Forum wird gerne und hartnäckig die Rechtsauffassung vertreten, dass Energieversorger nach § 2 EnWG gesetzlich dazu verpflichtet seien, die Energie möglichst preisgünstig abzugeben.

Welchen Energieversorger meint denn Black hier eigentlich, wenn er den § 2 EnWG bemüht, um eine gesetzliche Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Energieversorgung in Abrede zu stellen?
Meint er den Grundversorger, oder meint er den Versorger außerhalb der Grundversorgung, der selbst und eigenverantwortlich nicht in der Lage war, eine wirksame Preisklausel zu gestalten und sich deswegen eine solche spendieren ließ? Eine Klausel die zwar wirksam sein soll und dennoch die Billigkeitskontrolle auf den Plan ruft?!

@Black, mehr Aufhellungen!

Gruß
Jagni

@Jagni, Die Frage sollte eher lauten, welchen Energieversorger denn der Gesetzgeber meinte, als er den § 2 verfasst hat.
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #11 am: 01. April 2011, 18:44:36 »
Zitat
Original von Black


@Jagni, Die Frage sollte eher lauten, welchen Energieversorger denn der Gesetzgeber meinte, als er den § 2 verfasst hat.


@Black

Soll das ein Quiz für Hochbegabte werden?

Der Gesetzgeber meint mit § 2 Abs. 1 EnWG [ausnahmslos alle] Energieversorgungsunternehmen, Legaldefinition siehe in  § 3 Nr. 18 EnWG.
An bestimmte einzelne Konzerntöchter und Stadtwerke dachte er dabei nicht.
Das ergibt sich bereits aus dem Gesetzestext.  

Vereinbart ein Energieversorgungsunternehmen, dass es den Preis bestimmen soll oder unterliegt es einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht, kommt die gesetzliche Verpflichtung zum Tragen.

Offline Black

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Mythos § 2 EnWG
« Antwort #12 am: 01. April 2011, 18:56:18 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@all

Falls jemand bisher noch nicht in den April gekommen sein sollte:

Dass die Kontrolle der Einhaltung der gesetzliche Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung bei der gerichtlichen Überprüfung nach § 315 BGB zu erfolgen hat, ergibt sich bereits aus der Bezeichnung Billigkeitskontrolle.

Falls jemand mitliest, der juristische Argumente einigermaßen nachvollziehen kann, dann sollte auffallen, dass es den Umweg über § 315 BGB nicht bräuchte, wenn § 2 EnWG eine konkrete rechtliche Verpflichtung enthalten würde. Da § 2 EnWG eine solche konkrete Verpflichtung gerade nicht enthält beruft man sich stattdessen auf § 315 BGB (eine Norm die sogar ausserhalb des EnWG steht).

Zudem bindet § 2 EnWG ja dem Wortlaut nach alle Energieversorger (und nicht nur den Grundversorger). Dann müßte diese angebliche konkrete Verpflichtung aber auch gegenüber allen Versorgern durchsetzbar sein -also auch gegenüber den Versorgern von Sonderkunden wo eine Billigkeitskontrolle nicht stattfindet.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline PLUS

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« Antwort #13 am: 01. April 2011, 18:57:02 »
Mit Ausnahme der reinen Energieselbstversorgungsunternehmen dann wohl der ganze Rest,
    die Großen, die Kleinen, die Schlanken, die Dicken, die Fossilen, die Atomaren, die Erneuerbaren ..... :P

    Mit Gebäude meint der Gesetzgeber:

    Gebäude sind selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und vorrangig dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.  

    Auch dafür gab es schon tolle Interpretationen als Beispiele. Echt ohne April April :tongue:

Offline Black

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« Antwort #14 am: 01. April 2011, 19:06:13 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Zitat
Original von Black


@Jagni, Die Frage sollte eher lauten, welchen Energieversorger denn der Gesetzgeber meinte, als er den § 2 verfasst hat.


@Black

Soll das ein Quiz für Hochbegabte werden?

Probieren Sie doch wenigstens mal. Vielleicht erraten Sie ja zumindest die Lösung.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

 

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