Hier im Forum wird gerne und hartnäckig die Rechtsauffassung vertreten, dass Energieversorger nach § 2 EnWG gesetzlich dazu verpflichtet seien, die Energie möglichst preisgünstig abzugeben. Gern wird dabei neuerdings auch von einer „gesetzlichen Preisbestimmungspflicht nach § 2 EnWG“ gesprochen.
Das ist ein Irrtum. Der § 2 EnWG begründet keine konkrete gerichtlich durchsetzbare Pflicht. Hierzu kann auf die umfassende Kommentierung zu § 2 EnWG verwiesen werden:
Prof. Dr. Johannes Hellermann in Britz-Hellermann-Hermes, Kommentar zum Energiewirtschaftsgesetz, 2008
„Der Bestimmung kommt im wesentlichen deklaratorische und allenfalls klarstellende Funktion zu. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll namentlich in § 2 Abs. 1 die wirtschaftliche Eigenverantwortung der EVU besonders betont werden. (Rn. 2)
§ 2 Abs. 1 EnWG begründet keine eigenständige, rechtlich verbindlichen und durchsetzbaren Versorgungspflichten, weder grundsätzlich noch konkreter im Hinblick auf die Ziele des § 2 Abs. 1 EnWG. Dies folgt daraus, dass die Versorgungspflicht des § 2 I unter den ausdrücklichen Vorbehalt gestellt ist, dass sie nur im Rahmen weiterer Vorschriften des EnWG besteht. Rechtlich bindende, ggf. durchsetzbare Pflichten können sich daher allein aus einzelnen sonstigen Vorschriften des EnWG ergeben. (Rn. 8 )
Im Ergebnis erweist sich damit die Regelung des § 2 I als rechtlich ohne besondere Bedeutung. Sie erscheint als ein hilfloser Versuch des Gesetzgebers, den vermuteten Gefahren von Liberalisierung und Entflechtung zu wehren (Rn. 10)
Prof. Dr. Dr. Peter Salje in Energiewirtschaftsgesetz, 2006
Der „Systemschwäche“ versucht der Gesetzgeber mit Hilfe von § 2 Abs. 1 zu begegnen, wobei die Gesetzesbegründung bereits die Ohnmacht des Gesetzgebers deutlich hervortreten lässt. Denn immer wenn eine bloße „Erwartung“ zum Ausdruck gebracht wird, hat der Gesetzgeber seine beschränkten Mittel zutreffend eingeschätzt und quasi kapituliert. Aus dieser erkentnis folgt für die Auslegung des § 2 Abs. 1:
Weil die Vorschrift lediglich auf andere Normen des EnWG verweist, sind es nur diese Regelungsbereiche, die rechtlich bindend in der Lage sind die künftige Energieversorgung sicherzustellen. (Rn. 9)
Dies gilt auch für die erneute Bindung an die Ziele des § 1. Während die Vorgängerregelung die Verpflichtung auf die Ziele des EnWG noch in vielen Einzelnormen aufführte hat der Gesetzgeber des EnWG 2005 diese Ziel- und Zweckbindung ergänzend in die Sammelnorm des § 2 Abs. 1 übernommen. Damit wird die rechtliche Beachtung der fünf Ziele des § 1 hervorgehoben; eine darüber hinausgehende rechtliche Bindung folgt daraus aber nicht. (Rn. 10)
Prof. Dr. Dr. Dr. Franz Jürgen Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 2010
Die dem Vorgänger EnWG unbekannte Vorschrift des § 2 verpflichtet die Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften eigenverantwortlich zu einer Energieversorgung beizutragen, die den Zielen des § 1 Rechnung trägt. § 2 scheint nach seinem Wortlaut eine eingenständige Verpflichtung der Energieversorgungsunternehmen zu statuieren, deren Nichteinhaltung zu einem hoheitlichen Einschreiten der BNetzA nach § 65 führen kann.
Die Verpflichtung besteht nach dem Wortlaut des § 2 aber nur „im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes“. Die Regierungsbegründung erläutert dies dahingehend, dass damit damit die nachfolgenden Vorschriften des Gesetzes gemeint sind, die den Programmsatz des § 1 ausführen. Da belastende Verwaltungsakte in einem Programmsatz keine ausreichende Rechtsgrundlage finden, ist der Hinweis in den Materialien zwingend und für die Auslegung des § 2 zu beachten. § 1 gehört nicht zu den Vorschriften, die eine unmittelbar verpflichtende wirkung für die Unternehmen haben.
Im Lichte dieser Interpretation hat § 2 nur klarstellende Bedeutung. Die vorstehende Interpretation gewährleistet, dass § 2 sich nicht zu einer das Gesetz überwuchernden Generalbemächtigung entwickelt, die neuen energiewirtschaftlichen Konzepten als legislativer Aufhänger dient. Andernfalls wäre die für die Unternehmen bei Zielekollision nicht konkretisierungsfähige Norm wegen inhaltlicher Unbestimmtheit verfassungswidrig. (Rn. 2)