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Autor Thema: Der Sockelpreis - wohin soll er gehen ...  (Gelesen 36141 mal)

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Offline Black

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Der Sockelpreis - wohin soll er gehen ...
« Antwort #90 am: 11. März 2011, 10:29:33 »
Der Versorger hat nachträglich erkannt, dass der damals kalkulierte Preis überhöht war. Mit dieser Erkenntnis senkt er den gegenwärtigen Preis ab und kommt seiner Verpflichtung nach. Und zwar auch \"so früh als möglich\", denn die GVV sieht für Preisanpassungen eine 6 Wochenfrist vor.

Im Zeitraum zwischen Neuvereinbarung des Preises und nun anstehender Absenkung kann er weiterhin den vereinbarten Preis fordern. Er könnte ihn sogar erfolgreich einklagen , da das Gericht den neu vereinbarten Preissockel gar nicht überprüfen darf.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

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Der Sockelpreis - wohin soll er gehen ...
« Antwort #91 am: 11. März 2011, 10:45:59 »
Der Grundversorger hat allein deshalb, dass er den Tarif entgegen gesetzlicher Verpflichtung nicht früher abgesenkt hatte, bereits seine bestehende gesetzliche Verpflichtung zumindest fahrlässig verletzt.  

Die gesetzliche Verpflichtung zur Tarifaanpassung zugunsten der Kunden und der Zeitpunkt der Anpassung steht doch nicht im Belieben des Versorgers.
Der Grundversorger muss durch strikte interne Kontrollen sicherstellen, dass er seiner gesetzlichen Verpflichtung genügt.  

Fakt ist, dass der Tarif schon bisher in gesetzwidriger Weise zu hoch kalkuliert wurde und der Versorger dies auch weiß.

Und in einem solchen Fall darf der in gesetzwidriger Weise zu hoch kalkulierte Tarif nicht mehr zur Abrechnung gestellt werden [BGH 5 StR 394/08].

Auch bei der BSR wurde der Tarif nachträglich abgesenkt. Die Geschädigten konnten hierdurch jedoch nicht in jedem Fall eine Kompensation erlangen.

\"Neu vereinbarter Preissockel\" klingt gut, nachdem man gerade den Presslufthammer an das alte Fundament gelegt hatte.

Tatsächlich setzt der Grundversorger seine gesetzliche Tarifbestimmungs- und -anpassungspflicht durch eine einseitige Preis(neu)bestimmung gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG um, die ihrerseits der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt. Selbstredend besteht die gesetzliche Bindung des Tarifs an den Maßstab der Billigkeit weiter fort. Und selbstredend bleibt eine Unterscheidung zwischen Bestands- und Neukunden weiter gesetzlich unzulässig.

Wohl nur ein krankes Hirn könnte zu dem Ergebnis gelangen, dass durch die vorbehaltslose Zahlung auf die nunmehr betrügerische Abrechnung, mit welcher der gesetzwidrig zu hoch kalkulierte Tarif für die Abrechnungsperiode weiter zur Abrechnung gestellt wird, dieser gesetzwidrige Tarif (nochmals?) neu vereinbart würde...

Offline Black

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Der Sockelpreis - wohin soll er gehen ...
« Antwort #92 am: 11. März 2011, 11:03:43 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Der Grundversorger hat allein deshalb, dass er den Tarif entgegen gesetzlicher Verpflichtung nicht früher abgesenkt hatte, bereits seine bestehende gesetzliche Verpflichtung zumindest fahrlässig verletzt.

Immer langsam. Nicht immer wenn  Vorsatz ausgeschlossen wird, ist automatisch von Fahrlässigkeit auszugehen. Da ist eine Einzelfallprüfung notwendig und fahrlässige Vermögensdelikte gibt es ohnehin nicht.

Zitat
Original von RR-E-ft
Die gesetzliche Verpflichtung zur Tarifaanpassung zugunsten der Kunden und der Zeitpunkt der Anpassung steht doch nicht im Belieben des Versorgers.

Eben. Deshalb kann er auch nur für die Zukunft (unter Beachtung der Frist nach GVV) den abzurechnenden Preis ändern, aber nicht für die Vergangenheit, denn dort ist die Preisfestsetzung verbindlich geworden.

Stellen Sie sich vor, ein Mitarbeiter des Versorger hätte den Tarif vorsätzlich oder fahrlässig zu niedrig kalkuliert. Soll er dann für die vergangene noch nicht abgerechnete Zeit den Preis auch nachträglich erhöhen dürfen?
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« Antwort #93 am: 11. März 2011, 11:06:36 »
Ein gesetzwidrig zu hoch kalkulierter Tarif kann nie verbindlich werden, wenn den Versorger gesetzlich [und vertraglich implementiert] eine Preisbestimmungs- und -anpassungspflicht trifft, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Den Grundversorger trifft gesetzlich [und vertraglich implementiert] eine solche Preisbestimmungs- und -anpassungspflicht zum Schutz der Vermögensinteressen der betroffenen Kunden.

Offline Black

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« Antwort #94 am: 11. März 2011, 11:08:33 »
Stellen Sie sich vor, ein Mitarbeiter des Versorger hätte den Tarif vorsätzlich oder fahrlässig zu niedrig kalkuliert. Soll er dann für die vergangene noch nicht abgerechnete Zeit den Preis auch nachträglich erhöhen dürfen?
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« Antwort #95 am: 11. März 2011, 11:12:06 »
Zitat
Original von Black
Stellen Sie sich vor, ein Mitarbeiter des Versorger hätte den Tarif vorsätzlich oder fahrlässig zu niedrig kalkuliert. Soll er dann für die vergangene noch nicht abgerechnete Zeit den Preis auch nachträglich erhöhen dürfen?

Auch so etwas ist vorstellbar. Das Leben ist voller Tücken.

Merken Sie was:

Nach Ihrer Auffassung dürfte der Grundversorger diesen angeblich vereinbarten Preis jedenfalls nachträglich nicht anheben, da es ja keine entsprechende nachträgliche Kostenerhöhung gab.
Nach Ihrer Auffassung wäre deshalb der vorsätzlich oder fahrlässig fehlerhaft zu niedrig kalkulierte Tarif für den Grundversorger jedenfalls auch kraft Preisvereinbarungen für die Zukunft verbindlich.

Sie legen sich bzw. den betroffenen Grundversorger mit der konstruierten verbindlichen vertraglichen Preisvereinbarung ohne Weiteres selbst aufs Kreuz.
Auch der dem kleinen Napoleon zu klein geratene Sockel wäre unantastbar.

Meine Auffassung:

Entpuppt sich die einseitig getroffene Preisbestimmung als unbillig, ist sie jedenfalls für den anderen Vertragsteil nicht verbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Wenn der zu niedrig kalkulierte Tarif also nicht der Billigkeit entsprechen sollte, kann er für die betroffenen Kunden auch nicht verbindlich sein, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Dann bedarf es ggf. einer Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Die Ersatzbestimmung kann dann erst zu einer für den Kunden verbindlichen Preisbestimmung führen.

Offline Black

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Der Sockelpreis - wohin soll er gehen ...
« Antwort #96 am: 11. März 2011, 11:32:40 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Meine Auffassung:

Entpuppt sich die einseitig getroffene Preisbestimmung als unbillig, ist sie jedenfalls für den anderen Vertragsteil nicht verbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Wenn der zu niedrig kalkulierte Tarif also nicht der Billigkeit entsprechen sollte, kann er für die betroffenen Kunden auch nicht verbindlich sein, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Dann bedarf es ggf. einer Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Die Ersatzbestimmung kann dann erst zu einer für den Kunden verbindlichen Preisbestimmung führen.

Das bedeutet, nach Ihrer Auffassung kann ein Versorger, der in der Vergangenheit seine Preise unbillig zu niedrig kalkuliert hat seine Kunden nachträglich verklagen und eine Nachzahlung fordern.

Klingt nach einem lukrativen Betätigungsfeld.
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« Antwort #97 am: 11. März 2011, 11:41:02 »
@Black

Wenn der Versorger weiß, dass seine getroffene einseitige Preisbestimmung unbillig ist, weiß er zunächst, dass diese für die betroffenen Kunden gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bisher jedenfalls nicht verbindlich sein kann, es deshalb bisher an einem gerichtlich durchsetzbaren Zahlungsanspruch fehlt. Es kann eine gerichtliche Ersatzbestimmung beantragt werden, § 315 Abs. 3 Satz 2, wofür der Versorger die Unbilligkeit seiner bisherigen einseitigen Tarifbestimmung darlegen und ggf. beweisen muss. Mit der Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsurteils kann dann erst eine gerichtlich durchsetzbare Forderung des Versorgers entstehen. Der BGH geht ja ohne weiteres davon aus, dass der Versorger den Antrag auf gerichtliche Ersatzbestimmung zu stellen hat bzw. stellen kann (BGH VIII ZR 240/90, X ZR 60/04).

Das ist die logische Konsequenz daraus, dass die Allgemeinen Tarife aufgrund der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und deshalb § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet. Ich habe nie in Abrede gestellt, dass grundversorgte Kunden, die sich nie selbst auf Unbilligkeit berufen hatten, unter Umständen selbst damit rechnen müssen, mit einer Klage gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB von ihrem Versorger überzogen zu werden und dass ihnen aber auch dabei die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO eröffnet ist. Ich habe sogar mehrfach darauf hingewiesen, dass dem Antrag des Versorgers auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB der größere Erfolg beschieden sein kann. Nicht etwa, weil die Tarife bisher zumeist zu niedrig kalkuliert sind, sondern weil nur der Grundversorger die maßgeblichen preisbildenden Kostenfaktoren und deren Entwicklung kennt, vortragen und unter Beweis stellen kann.

Offline Black

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« Antwort #98 am: 11. März 2011, 12:06:46 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Ich habe nie in Abrede gestellt, dass grundversorgte Kunden, die sich nie selbst auf Unbilligkeit berufen hatten, unter Umständen selbst damit rechnen müssen, mit einer Klage gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB von ihrem Versorger überzogen zu werden und dass ihnen aber auch dabei die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO eröffnet ist. Ich habe sogar mehrfach darauf hingewiesen, dass dem Antrag des Versorgers auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB der größere Erfolg beschieden sein kann. Nicht etwa, weil die Tarife bisher zumeist zu niedrig kalkuliert sind, sondern weil nur der Grundversorger die maßgeblichen preisbildenden Kostenfaktoren und deren Entwicklung kennt, vortragen und unter Beweis stellen kann.

Das wird viele Versorger freuen. Sie könnten dann nämlich um Kunden zu gewinnen den Preis absichtlich unbillig kalkulieren und dann nachträglich Erhöhungen kassieren.
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« Antwort #99 am: 11. März 2011, 12:08:32 »
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von RR-E-ft
Ich habe nie in Abrede gestellt, dass grundversorgte Kunden, die sich nie selbst auf Unbilligkeit berufen hatten, unter Umständen selbst damit rechnen müssen, mit einer Klage gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB von ihrem Versorger überzogen zu werden und dass ihnen aber auch dabei die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO eröffnet ist. Ich habe sogar mehrfach darauf hingewiesen, dass dem Antrag des Versorgers auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB der größere Erfolg beschieden sein kann. Nicht etwa, weil die Tarife bisher zumeist zu niedrig kalkuliert sind, sondern weil nur der Grundversorger die maßgeblichen preisbildenden Kostenfaktoren und deren Entwicklung kennt, vortragen und unter Beweis stellen kann.

Das wird viele Versorger freuen. Sie könnten dann nämlich um Kunden zu gewinnen den Preis absichtlich unbillig kalkulieren und dann nachträglich Erhöhungen kassieren.

@Black

Das wird wohl nicht funktionieren, § 242 BGB.
Dass Preise bisher schon absichtlich unbillig kalkuliert werden, möchte  ich gar nicht ausschließen. Es deutet sogar einiges darauf hin.
Sie werden jedoch gewiss nicht absichtlich zu niedrig kalkuliert. ;)

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« Antwort #100 am: 11. März 2011, 12:23:43 »
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von RR-E-ft
Der Grundversorger hat allein deshalb, dass er den Tarif entgegen gesetzlicher Verpflichtung nicht früher abgesenkt hatte, bereits seine bestehende gesetzliche Verpflichtung zumindest fahrlässig verletzt.

Immer langsam. Nicht immer wenn  Vorsatz ausgeschlossen wird, ist automatisch von Fahrlässigkeit auszugehen. Da ist eine Einzelfallprüfung notwendig und fahrlässige Vermögensdelikte gibt es ohnehin nicht.

Es ist zu unterscheiden zwischen einer fahrlässig gesetzwidrig fehlerhaften Tarifbestimmung (die dem besten Rechenkünstler passieren kann) und dem unverändert weiter Zur-Abrechnung-Stellen eines als gesetzwidrig zu hoch kalkuliert erkannten Tarifs. Letzteres ist als Betrug strafbar [BGH 5 StR 394/08]. Die Strafbarkeit gründet darin, dass das unveränderte zur-Abrechnung-Stellen der fehlerhaft kalkulierten Tarife, nachdem der Fehler erkannt worden war, nicht sicher unterbunden wurde.

Offline Black

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« Antwort #101 am: 11. März 2011, 12:30:40 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Das wird wohl nicht funktionieren, § 242 BGB.
Dass Preise bisher schon absichtlich unbillig kalkuliert werden, möchte  ich gar nicht ausschließen. Es deutet sogar einiges darauf hin.
Sie werden jedoch gewiss nicht absichtlich zu niedrig kalkuliert. ;)

Auch absichtlich unbillig kalkuliert ist unbillig nicht wahr? Und das führt nun einmal zur Ersatzbestimmung durch das Gericht. Da führt dann kein Weg daran vorbei.

Zitat
Original von RR-E-ft
Es ist zu unterscheiden zwischen einer fahrlässig gesetzwidrig fehlerhaften Tarifbestimmung (die dem besten Rechenkünstler passieren kann) und dem unverändert weiter Zur-Abrechnung-Stellen eines als gesetzwdrig zu hoch kalkuliert erkannten Tarifs.

Leider nein, denn eine Veränderung des abzurechnenden Preises ist gesetzlich nach GVV nur für die Zukunft nach erneuter öffentlicher Bekanntgabe möglich.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

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« Antwort #102 am: 11. März 2011, 12:45:08 »
@Black

Zitat
Original von Black

Auch absichtlich unbillig kalkuliert ist unbillig nicht wahr? Und das führt nun einmal zur Ersatzbestimmung durch das Gericht. Da führt dann kein Weg daran vorbei.

Bei Lichte betrachtet verhält es sich Folgendermaßen:


Die Grundsätze über eine als rechtsmissbräuchlich unzulässige Rechtsausübung gem. § 242 BGB setze ich einfach mal als bekannt voraus. Ich muss sie als bekannt voraussetzen.
Diese finden auch auf Anträge des Versorgers auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB uneingeschränkt Anwendung. Und daran führt kein Weg vorbei.

Der Grundversorger muss zu dem gerichtlichen Antrag auf Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB jedenfalls entsprechend prozessualer Wahrheitspflicht gem. § 138 ZPO darlegen, wie es zur fehlerhaften Tarifkalkulation kam.
Ausführungen zum Prozessbetrug erspare ich an dieser Stelle.

Wurde der Tarif auf Anweisung oder mit Duldung der Unternehmensleitung absichtlich zu niedrig kalkuliert, ist ein auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB gerichteter Antrag des Versorgers jedenfalls rechtsmissbräuchlich.
Der Versorger wird deshalb so behandelt, als würden seine - auf Veranlassung und Duldung der Unternehmensführung - absichtlich zu niedrig kalkulierten Tarife tatsächlich der Billigkeit entsprechen.
Eine reine Fiktion. In diesem Sinne nicht wahr, jedoch der billige und gerechte Lohn der bösen Absicht.

Wurde der Tarif jedoch absichtlich zu hoch kalkuliert, ist ein auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB gerichteter Antrag des Versorgers hingegen nicht rechtsmissbräuchlich.  
Denn der Versorger hat auch dabei ein rechtlich anerkanntes Interesse, überhaupt zu gerichtlich durchsetzbaren Forderungen gegenüber den betroffenen Kunden zu gelangen, die bisher nicht bestehen (BGH X ZR 60/04 unter II.1).


Zitat
Original von Black

Leider nein, denn eine Veränderung des abzurechnenden Preises ist gesetzlich nach GVV nur für die Zukunft nach erneuter öffentlicher Bekanntgabe möglich.

Eine einseitige Preis(neu)bestimmung aufgrund gesetzlicher Preisbestimmungs- und -anpassungspflicht gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG unterliegt wegen der gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit der unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB.

Sie  kann folglich für die betroffenen Kunden gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich sein, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Tarif gesetzwidrig fehlerhaft zu hoch kalkuliert wurde.

Die Veröffentlichung des einseitig bestimmten Preises gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG besagt deshalb allein noch nichts darüber, welcher Preis für die betroffenen Kunden tatsächlich verbindlich und von diesen vertraglich geschuldet ist.

Sie besagt nämlich nur, welche Bestimmung aufgrund der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht vom Grundversorger getroffen wurde und deshalb im Falle ihrer Billigkeit im Sinne von § 315 BGB für die betroffenen Kunden verbindlich ist (BGH X ZR 60/04).

Wurden Tarifbestimmungen und -anpassungen zu Gunsten der Kunden unterlassen, zu denen der Grundversorger gesetzlich [und vertraglich implementiert] gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG  verpflichtet war, so kann der veröffentlichte Tarif jedenfalls nicht mehr der Billigkeit entsprochen haben. Unerheblich ist dabei, ob die unterlassene Tarifanpassung zugunsten der Kunden, zu welcher der Grundversorger gesetzlich verpflichtet war, nur auf einem Versehen oder aber auf Vorsatz beruhte.

Gerade deshalb besteht ja die Möglichkeit des Abrechnungsbetruges, wenn bewusst ein gesetzwidrig zu hoch kalkulierter Tarif unverändert weiter zur Abrechnung gestellt wird, auch wenn die Fehlerhaftigkeit der getroffenen [und öffentlich bekannt gemachten] Tarifbestimmung zunächst auf einem Versehen beruhte [BGH 5 StR 394/08].

Offline Black

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« Antwort #103 am: 11. März 2011, 14:06:29 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Grundsätze über eine als rechtsmissbräuchlich unzulässige Rechtsausübung gem. § 242 BGB setze ich einfach mal als bekannt voraus. Ich muss sie als bekannt voraussetzen.
Diese finden auch auf Anträge des Versorgers auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB uneingeschränkt Anwendung. Und daran führt kein Weg vorbei.

Es besteht aber nach Ihrer Auffassung doch eine Tarifbestimmungspflicht. Die unbillig zu preiswerte Tariffestsetzung ist unwirksam. Die Pflicht kann nur erfüllt werden, indem das Gericht die Festsetzung trifft.Wie kann eine Pflichterfüllung jetzt missbräuchlich sein? Wenn der § 242 BGB die Ersatzfestsetzung unmöglich machen würde, dann gäbe es keinen festgesetzten Tarif.

Mal angenommen, Sie hätten Recht und § 242 würde tatsächlich dazu führen, dass der Versorger einen unbilligen Preis nicht mehr gerichtlich überprüfen kann, weil er ihn selbst so zuvor so festgesetzt hat. Dann würde umgekehrt auch der Kunde nach § 242 einen Preis nicht als unbillig gerichtlich überprüfen lassen können, wenn er ihn zuvor noch selber akzeptiert hat. Und - oh Wunder - damit hätten wir eine Begründung für die Preissockeltheorie des BGH.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #104 am: 11. März 2011, 14:25:30 »
@Black

Bei vielem Unfug, den man schon zu lesen bekam, gelingt es Ihnen, immer noch einen oben drauf zu setzen.  :rolleyes:

§ 242 BGB knüpft daran an, dass der Grundversorger den Tarif absichtlich in gesetzwidriger Weise fehlerhaft zu niedrig kalkukluliert hatte, und greift deshalb nur bei einem Antrag des Versorgers auf gerichtliche Ersatzbestimmung in diesem Falle.

Der betroffene Kunde selbst kennt weder die maßgeblichen preisbildenden Kostenfaktoren noch deren Entwicklung und kann deshalb selbst nicht beurteilen, ob die aufgrund der gesetzlichen Preisbestimmungs- und anpassungspflicht gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG vom Grundversorger getroffene Preisbestimmung gerade der Billigkeit entspricht oder nicht.

Der grundversorgte Kunde ist darauf angewiesen, dass der Grundversorger die gesetzliche [und vertraglich implemantierte] Tarifbestimmungs- und -anpassungspflicht gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG erfüllt, die zum Schutz der Vermögensintsressen der betroffenen Kunden besteht.
Er muss deshalb auf die Ordnungsgemäßeit der getroffenen Tarifbestimmung wie auch der Abrechnung des Grundversorgers grundsätzlich vertrauen können.

Nur wenn der grundversorgte Kunde eben darauf vertraut, zahlt er auf die Abrechnungen des Grundversorgers widerspruchs- und vorbehaltlos vollständig.  

Nur deshalb kommt es zu der bekannten Darlegungs- und Beweislast des Versorgers im Prozess einerseits, aber andererseits auch dazu, dass die betroffenen Kunden über die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung und die Ordnungsgemäßheit der zu Grunde liegenden Tarifbestimmung des Versorgers in betrugsrelevanter Weise konkludent getäuscht werden können [BGH 5 StR 394/08].

Wurde der Preis vom Versorger absichtlich zu hoch kalkuliert oder stellt der Grundversorger einen als gesetzwidrig fehlerhaft zu hoch kalkuliert erkannten Tarif unverändert weiter zur Abrechnung, kann der betroffene Kunde hierdurch nur betrogen werden [BGH 5 StR 394/08].

 

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