Amtsgericht Jever macht es spannend
Dennoch am 24.3. keine anderen Urteile zu erwarten60 EWE-Rückzahlungsklagen liegen dem Amtsgericht Jever laut Jeverschem Wochenblatt inzwischen vor. Die Entscheidung über die ersten 5 Klagen hat sich, wie zuvor schon in Aurich, Oldenburg und Varel, der Amtsgerichtsdirektor, hier Günter Jackisch, selbst vorbehalten. Am 17.2. war dazu Anhörungstermin. Mündliche Ausführungen über die Schriftsätze hinaus gab es weder von der EWE- noch von der Klägerseite und der Richter wollte auch nichts wissen.
EWE hatte, wie schon in Oldenburg, einen Tag vorher ein Fax mit angeblich „neuen“ Erkenntnissen aus einem „aktuellen“ Urteil, diesmal vom OLG Nürnberg, nachgereicht. Diese nachgereichten Urteile betreffen Gasversorger, denen vom Gericht für länger zurückliegende Zeiträume Preiserhöhungen wegen Kostensteigerungen zugebilligt werden. Bei den vor unseren Amtsgerichten verhandelten EWE-Rückzahlungsklagen geht es aber gerade nicht um länger zurückliegende Zeiträume, sondern um Preiserhöhungen aus 2008/2009. Für diesen kurzen und kurz zurückliegenden Zeitraum hat der BGH der EWE ein Erhöhungsrecht wegen rechtsunwirksamer Preisänderungsklauseln ausdrücklich abgesprochen.
Schon um den Klägern Gelegenheit zu geben, zu den EWE-Nachreichungen Stellung zu nehmen, konnte Richter Jackisch am 17.2. nicht entscheiden. Das wollte er allerdings sowieso nicht. Er wollte es im Gegenteil besonders spannend machen und verlegte den Termin für die Urteilsverkündung gleich fünf Wochen weiter auf den 24. März 9:00 Uhr. „Bis dahin“, so Jackisch zum zahlreich erschienenen Publikum aus den Gaspreisinitiativen, „werden Sie von mir nichts erfahren“.
Um die Spannung weiter zu erhöhen, stellte Jackisch den Sachverhalt komplizierter dar, als er ist. So warf er die Frage auf, ob eine GmbH, die wie zwei weitere Kläger vom Rechtsanwaltsbüro Willms & Jacobs aus Wittmund vertreten wurde, den gleichen Vertrauensschutz- und Rückzahlungsanspruch habe wie Privatkunden. Vermutlich dann, so meinen wir, wenn EWE mit den Firmen keine anderen Verträge geschlossen hat als mit Privatkunden. Das Landgericht Oldenburg hat deshalb auch gerade erst signalisiert, dass es am 10. März vermutlich genauso zu Gunsten eines Unternehmers entscheiden werde wie die Amtsgerichte zuvor für Privatkunden. Dieses Landgerichtsurteil kann sich Richter Jackisch, falls er tatsächliche und nicht nur gespielte Zweifel hat, vor dem 24. März ja noch zu Gemüte führen und sich ausmalen, wie die Berufung vor dem Landgericht ausgehen wird, wenn er den Rückzahlungsanspruch der GmbH verneint. Weiter, so deutete Jackisch an, könnte man eigentlich auch die Mehrwertsteuer aus dem Rückforderungsanspruch der GmbH rausrechnen, weil sie ja ein durchlaufender Posten sei. Aus dem gleichen Grund kann man sie aber auch drin lassen. Sie rauszurechnen, wäre ein bloßes Spielchen des Gerichts.
Auch bei den Privatklägern - darunter Jevers Ex-Bürgermeister Siegfried Harms und eine weitere Klägerin, die sich vor Gericht ohne Anwalt selbst vertraten -, so bekam das Publikum im jovialen Dialog mit Richter Jackisch zu hören, könne sich dieser noch Entscheidungsspielraum vorstellen. Der BGH habe die Preisänderungsklauseln der EWE zwar als unwirksam verworfen, man könne aber ja der Meinung sein, dass der EWE noch aus anderen Gründen ein Preisänderungsrecht zustehe. Aus dem sachverständigen Publikum kam dazu jedoch gleich der Hinweis, diese Möglichkeit habe der BGH ausdrücklich nur für länger zurückliegende Zeiträume eingeräumt, für die kurz zurückliegende Zeit April 2008 – Juni 2009 aber klar verneint.
Zum Schluss suchte Jackisch das Publikum noch einzuladen, sich vom BGH-Urteil abzusetzen - mit der Bemerkung, der BGH habe ja „nur“ die Preisänderungsklausel, nicht aber die Höhe der EWE-Preise bemängelt und dem Publikum gehe es doch „mehr“ um die Angemessenheit der Preise. Das „nur“ fehlende Änderungsrecht war für den BGH aber hinreichend, die Preiserhöhungen der EWE für unwirksam zu erklären, an dieser Tatsache kann niemand vorbeisehen. Vom Publikum musste sich Jackisch außerdem sagen lassen, dass es den Kunden nicht nur auf die Preishöhe, sondern auch auf angemessene Bedingungen und faire Behandlung ankomme.
Auch wenn Amtsgerichtsdirektor Jackisch am 17.2. alles tat, um es spannend zu machen: Zumindest für die Klagen der Privatkunden ist kein anderer Ausgang zu erwarten als vor den Amtsgerichten Aurich, Oldenburg, Leer, Brake und bis dahin vermutlich auch noch Varel. Wenn Jackisch wirklich auf eine bestimmte von den Klägern zu akzeptierende Preiserhöhung aus wäre, hätte er seine Überlegungen zu den Gründen und vor allem zu der beiderseits zu akzeptierenden Höhe in der mündlichen Verhandlung dargestellt, um den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das hat er nicht gemacht und das wird er deshalb nicht gemacht haben, weil er in Wirklichkeit gar nicht vorhat, entgegen dem BGH-Urteil eine bestimmte Preiserhöhung für zulässig zu erklären, sondern weil er einfach nur ein wenig Spielraum für sich reklamieren und sein Publikum damit auf die Folter spannen wollte. Das soll uns, wenn er wie die anderen Amtsrichter urteilt, am Ende egal sein. Bei der Klage über den GmbH-Anspruch wird sich Jackisch vermutlich am Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. März orientieren, weil ein abweichendes Urteil von demselben Landgericht in der Berufung ja sonst wieder gekippt würde.
Janto Just
Verein „Bezahlbare Energie“
http://www.janto-just.dehttp://www.bezahlbare-energie.deP.S. Die Musterklage der IG Energie (jetzt Verein \"Bezahlbare Energie\"), die Siegfried Harms und eine weitere Klägerin in Jever eingereicht haben und die auch von Rechtsanwälten verwandt wird, finden Sie auf den genannten Homepages.