Damit hier nicht alles wiederholt werden muss, möchten ich noch auf meine Beiträge zu diesem Thema ergänzend hinweisen:
http://www.khk-kleinheisterkamp.de/shownews_detail.php?news_id=47http://www.khk-kleinheisterkamp.de/shownews_detail.php?news_id=49@RR-E-ft
1. Zum Thema: Fälligkeit nach Unbilligkeitseinwand
Kurz: Ich bin anderer Auffassung als Sie, Herr Kollege Fricke.
Es steht nirgendwo im Gesetz, insbesondere nicht in § 315 BGB, daß der Einwand der Unbilligkeit zum Wegfall der Fälligkeit führt.
Des Weiteren ist auch nicht normiert, daß der Nachweis der Billigkeit bei einseitiger Leistungsbestimmung Fälligkeitsvoraussetzung sei. Im Gegenteil, in § 315 Abs. 2 BGB ist allein die Ausübung und Erklärung der Leistungsbestimmung als Voraussetzung genannt.
Der Wegfall der Fälligkeit ( Unverbindlichkeit ) ist nur für den Fall der tatsächlichen Unbilligkeit vorgesehen.
Anderes hat auch der BGH nicht entschieden. Im Urteil des BGH VIII ZR 279/02 vom 30. April 2003, welches sich der Entscheidungen des BGH vom 19.01.1983 (VIII ZR 81/82) ausdrücklich anschließt und diese auch wörtlich zitiert, wird hierzu ausgeführt (Hervorhebungen durch den Verfasser dieses Beitrags ):
\"... Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens....\"
Der BGH stellt also eindeutig bei seiner Entscheidung auf den Fall einer tatsächlich unbilligen Forderung ab und entscheidet über die Fälligkeit einer berechtigten, billigen Forderung hinsichtlich der Fälligkeit überhaupt nicht. Nur die wegen Unbilligkeit festgesetzte neue Forderung wird nach Rechtskraft des Festsetzungsurteils neu fällig. Eine von Anfang an billige Forderung ist auch von Anfang an fällig und nicht etwa erst nach einer etwaigen Bestätigung durch das Gericht.
2. Thema § 315 BGB vs. § 30 AVBV
Richtig ist, daß der VIII. Senat in den Urteilen vom 30.04.2003 entschied, daß § 30 AVBV den Einwand der Unbilligkeit nach § 315 BGB im Forderungsprozess des Versorgers nicht ausschließt.
Wir haben aber darauf hingewiesen, daß der X. Senat des BGH hierzu offenbar anderer Ansicht ist, denn er hat gerade mit der gegenteiligen Begründung eine in etwa gleichlautende AGB- Klausel aufgehoben.
Es ist also nicht richtig, wie Sie, Herr Kollege Fricke, behaupten, daß der X. Senat sich der Auffassung des VIII. Senats vollumfänglich anschließt. Gerade das Gegenteil ( jedenfalls im Hinblick auf § 30 AVBV ) ist der Fall. Der X. Senat des BGH bestätigt in seinem Urteil vom 05.07.05 ( ZR 60/04 ) nämlich keineswegs die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH, Urteil vom 30.04.2003 - VIII ZR 278/02 und VIII ZR 279/02 zum Verhältnis von § 315 BGB und § 30 AVBV. Vielmehr führt der X. Senat aus:
cc) Mit diesem Verständnis der Klausel begründet der erkennende Senat auch keine Divergenz zu früheren Urteilen des Bundesgerichtshofs, die sich mit dem Einwendungsausschluß in den Geschäftsbedingungen eines Versorgungsunternehmens befaßt haben. Denn die einschlägigen Urteile betrafen entweder nicht die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB (Urt. v. 24.03.1988 - III ZR 11/87, MDR 1988, 759) oder nicht die Leistungsbedingungen der Klägerin (Urt. v. 19.01.1983, aaO; BGHZ 115, 311 ff.; Urt. v. 30.4.2003, aaO).
Der X. Senat erläutert damit, daß er sehr wohl davon ausgeht, daß von § 30 AVBV, genau wie in der in diesem Verfahren zu prüfenden AGB- Klausel, der Einwand nach § 315 BGB erfaßt ist. Genau mit dieser Begründung hat er nämlich die Vertragsklausel verworfen.
Gerade weil nun aber der vom X. Senat vorgenommene Vergleich der streitigen AGB- Klausel mit § 30 AVBV und die damit einhergehende inzidente Unterwerfung des § 315 BGB unter den § 30 AVBV mit der Entscheidung des VIII. Senates im Widerspruch steht, weist der X. Senat darauf hin, daß sein Urteil keine formelle Divergenz zu früheren Entscheidungen hat, weil diese früheren Entscheidungen ( III. und VIII. Senat ) sich eben gerade nicht mit § 315 BGB oder auch nicht mit den beim X. Senat streitigen AGB Bedingungen des Berliner Entsorgungsbetriebs befassten.
Diese ausdrückliche Mitteilung des X. Senates des BGH, wäre überhaupt nicht notwendig gewesen, wenn er voll und ganz die Auffassung des VIII. Senates teilen würde. Warum hätte er sonst, mit ausdrücklicher Begründung, darauf hinweisen sollen, daß die seine Entscheidung ( x. Senat ZR 70/05 )) keine Divergenz erzeugt?
Wenn hier im Forum dann sogar teilweise argumentiert wird, daß der X. Senat mit der Entscheidung vom 05.07.05 den § 30 AVBV als \"unzulässig\" oder \"gegen § 315 BGB verstoßend\" bezeichnet habe, tut das schon weh, denn jeder, der die Entscheidung nur halbwegs liest und versteht, weiß, daß der BGH in der Hauptsache der Streitentscheidung gerade nicht über § 30 AVBV geurteilt hat, sondern über eine vertragliche AGB- Klausel. Der § 30 AVBV war überhaupt nicht Streitgegenstand und ist im Übrigen auch keine AGB- Klausel, sondern eine gesetzliche Norm ( Verordnung ), die der X. Senat nicht zu prüfen hatte.
Mag man sich auch streiten, ob diese Norm ( § 30 AVBV ) heute noch gerechtfertigt ist, jedenfalls ist sie voll wirksam und damit auch rechtlich verbindlich.
Zu Ihren weiteren Anmerkungen, Herr Kollege Fricke, :
Wir haben nie verheimlicht, wen wir vertreten. Im Gegenteil, es ist, wie sie richtig zeigten, auf unsere Homepage, auf der auch die o.g. Beiträge stehen, ausdrücklich vermerkt.
Gleichwohl gehen wir davon aus, daß auch Sie nicht lediglich diejenigen Auffassungen haben, äußern oder propagieren, die Ihrer aktuellen Mandantschaft nützlich oder angenehm sind. Natürlich wird man immer versuchen( vor allem im Prozess ), den eigenen Mandanten so gut wie möglich zu vertreten, daß ist unser gemeinsamer Job und Sie werden zugeben, daß es bei Ihnen nicht anders ist. Allerdings erlauben auch wir uns eine eigene Meinung und äußern diese auch.
Des Weitere sind wir sämtlich keineswegs Schüler von Herrn Prof. Büdenbender, wie Sie vermuteten. Gleichwohl schätzen wir ihn und arbeiten gelegentlich mit ihm zusammen.
Über die Darlegungs- und Beweislast ( ob nun im Aktivprozess des Versorgers oder ggf. in einem Rückforderungsprozess ) haben wir uns bei der Besprechung der vorgenannten Themen überhaupt nicht geäußert. Dies hat mit dem Einwand der Unbilligkeit, der Fälligkeit der Forderung oder dem Einwendungsausschluss nach § 30 AVBV auch nicht zwingend etwas zu tun.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen aus Dresden
R. Mielke