Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Die andere Meinung aus Dresden (RA Mielke)  (Gelesen 5818 mal)

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Offline RR-E-ft

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Die andere Meinung aus Dresden (RA Mielke)
« am: 23. September 2005, 18:01:48 »
Weil ich von den Dresdner Kollegen zitiert werde, nehme ich die Herausforderung gern an:


Wie man die Rechtsprechung des BGH einfach mal \"auf den Kopf\" stellt.


http://www.khk-kleinheisterkamp.de/shownews_detail.php?news_id=49

Diese Stellungnahme ist unhaltbar, weil der X. Zivilsenat des BGH in dem Urteil die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH, Urteil vom 30.04.2003 - VIII ZR 278/02 und VIII ZR 279/02 ausdrücklich bestätigt hat, wonach § 30 AVBV den Einwand der Unbilligkeit nicht ausschließt, der Kunde nicht erst auf einen Rückerstattungsprozess verwiesen werden darf.

Vgl. unter II. 1 a der Entscheidungsgründe.

Das Urteil setzt sich nicht mit § 30 AVBV , sondern  mit einer Klausel auseinander, bei welcher der Verwender demgegenüber den Einwendungsausschluss auch auf den Unbilligkeitseinwand erstrecken wollte und erstreckt hat, um den Kunden auch insoweit auf einen Rückerstattungsprozess zu verweisen.

Der BGH hat jedoch eindeutig festgestellt, dass dies mit dem Rechtsgedanken des § 315 BGB und dessen Schutzzweck unvereinbar ist und deshalb eine solche Klausel, bei der auch der Unbilligkeitseinwand vom Einwendungsausschluss mitumfasst wird, deshalb unwirksam ist.

Vgl. unter II. 2 b cc) und II 2 c der Entscheidungsgründe.



Die Vernebelung der Rechtslage geht noch weiter:

http://www.khk-kleinheisterkamp.de/shownews_detail.php?news_id=47

Auch die dort getroffenen Aussagen sind wohl offensichtlich unhaltbar, wie sich aus dem Urteil des BGH vom 05.07.2005 - X ZR 60/05 eindeutig ergibt.

Vgl. unter II 1 b der Entscheidungsgründe.


Fazit:

Man muss immer die gesamte Entscheidung lesen und darf sich nicht mit aus dem Zusammenhang gerissenen Versatzstücken täuschen lassen.

Allein insoweit stimme ich mit Herrn Kollegen Mielke vollständig überein.




Und hier wohl die einfache  Erklärung für die offensichtlichen \"Kunststücke\" des Kollegen Mielke:


http://www.khk-kleinheisterkamp.de/listfachgebiete.php?id=1
http://www.khk-kleinheisterkamp.de/profil.php

Hoffentlich führen entsprechende Schulungen bei Versorgungsunternehmen nicht zu falschen Vorstellungen dort über die Rechtslage.

Sonst träten dem Kunden tatsächlich Versorger gegenüber, die es trotz umfangreicher und ggf. nicht ganz billiger Mitarbeiterschulungen gar nicht besser wissen können....



Die Kollegen haben ihre Ausbildung an der TU Dresden absolviert und werden deshalb wohl Schüler des langjährigen RWE- Vorstandes Prof. Büdenbender sein:

http://www.tu-dresden.de/jfzivil8/new/Seiten/Lebenslauf.htm

Dieser machte sich im Auftrag der VDEW- Untergliederung AGFW auch gerade an eine \"Problemlösung\" und erstellte ein Gutachten zur Billigkeitskontrolle von Fernwärmepreisen gem. § 315 BGB, auszugsweise veröffentlicht in EUROHEAT & POWER (EHP) 2005, S. 22 ff.


Indes kommt Prof. Büdenbender in seinem o. g. Gutachten unter E. II auf Seite 82 f.  wohl auch zu dem Ergebnis, dass § 30 AVBV den Unbilligkeitseinwand nicht ausschließe. Zutreffend wird dort darauf verwiesen, dass die nach der Rechtsprechung nach § 315 Abs. 3 BGB bestehende Preiskontrolle sonst zu einem stumpfen Schwert würde.

Und wer will als Verbraucher schon ein stumpfes Schwert in die Hand gedrückt bekommen...


Ich halte § 315 BGB für ein ganz scharfes Schwert.

Folgende Entscheidungen und Aufsätze scheinen den Kollegen wohl aus dem Blick geraten:

OLG München, NJW-RR 1999, 421
LG Berlin, NJW-RR 2002, 992
LG Köln, RdE 2004, 306
LG Mannheim, Urt. v. 16.08.2004 - 24 O 41/04
KG Berlin, Urt. v. 15.02.2005 - 7 U 140/04
AG Karlsruhe, Urt. v. 27.05.2005 - 1 C 262/04
Salje, et 2005, 278, (279).


Wenn nach der langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung den Bestimmungsberechtigten die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit trifft, das \"Bestimmungsofer\" schon regelmäßig keinerlei Einblick in die konkrete Kostensituation eines Versorgungsunternehmens hat, bleibt im Dunkeln, weshalb und wie das \"Bestimmungsopfer\" die Unbilligkeit darlegen sollte.

Hierfür reicht jedoch zumeist ein Blick auf den EU- Vergleichsmarkt.

So sind gerade in Sachsen die Erdgaspreise, aber auch die Strompreise schon im deutschlandweiten Vergleich besonders hoch.

Man vergleiche etwa nur die Erdgaspreise der Dresdner DREWAG mit denen der Stadtwerke Achim oder Stade. Möglicherweise hat dies dami zu tun, dass auch Heizöl in Sachsen besonders teuer ist (?!)


Aber vielleicht melden sich die Kollegen ja zum Aufsatz in der WM 2005, 547 ff. zu Wort.

Denn sie scheinen ja hier fleißig mitzulesen, wie allein das Zitat aus dem Forum zeigt.

Dann aber bitte an das Urheberrecht denken und die Quelle ganz genau bezeichnen, damit die kritischen Leser hierher ins Forum finden können.

Und vor allem:

Gern mitdiskutieren und sich den Argumenten stellen !

In diesem Sinne lade ich die Kollegen aus Dresden ganz herzlich ein, hier offiziell an unserer für Verbraucher interessanten Diskussion teilzunehmen.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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Offline Graf Koks

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Die andere Meinung aus Dresden (RA Mielke)
« Antwort #1 am: 25. September 2005, 14:17:25 »
@RR-E-ft:

Der Vortrag des Verbrauchers zur Unbilligkeit der Preisgestaltung würde zwangsläufig im Ausforschungsbeweis münden. Die Darlegungs- und Beweislastverteilung ist aus gutem Grund so, wie sie ist.

Richtig interessant ist, dass zu § 30 AVBGasV auch noch die Entscheidung des LG Berlin 9 O 253/03 - Vorinstanz zur kammergerichtlichen Entscheidung 7 U 140/04 - nach wie vor unter \"News\" als \"bahnbrechende Entscheidung\" verkauft wird, bei der \"abzuwarten bleibe, ob sich DIE BISHER GEGENTEILIGE (!) RECHTSPRECHUNG DES BGH ÄNDERT\" ...

*dingdong*

Es scheint also bei den Coll. Kleinheisterkamp pp. unterschiedliche Sichtweisen zu § 30 AVBGasV zu geben. Nun, wie gesagt, in der o.g., ebenfalls sehr ausführlich begründeten Entscheidung des Kammergerichts wird das Urteil des LG mit der auch von mir vertretenen Argumentation aufgehoben.  

Dabei könnte man ja auch gleich darauf hinweisen, dass die im konkreten Fall streitgegenständlichen Tarife der Berliner Wasserbetriebe gemäß § 4 des Berliner TeilPrivG einem recht strengen Genehmigungsverfahren unterliegen, damit kein falscher Eindruck entsteht.  


M.f.c.G. aus Berlin
Graf Koks

Offline RR-E-ft

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Die andere Meinung aus Dresden (RA Mielke)
« Antwort #2 am: 26. September 2005, 12:10:00 »
@Graf Koks

Ich finde es nicht gut, wenn man ggf. auf alte Entscheidungen abstellt und diese in Schulungsveranstaltungen für Versorger als den \"letzten Schrei\" verkauft.

Das BGH- Urteil zum Einwendungsausschluss der Berliner Versorgungsbetriebe in der NJW 40/2005.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Urteil des BGH vom 10.10.1991 - III ZR 100/90 = NJW 1992, 171, (174)

Alles ganz lange bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung.


Professor Büdenbender führt aaO aus:

Zitat:

\"Unabhängig vom Ausgang des oben dargestellten Rechtsstreits ist anzumerken, dass die vom BGH vertrene Auffassung dann konsequent ist, wenn zu Gunsten der Verbraucher überhaupt § 315 Abs. 3 BGB eingreift. Denn die Rechtsprechung würde sonst die durch die (analoge) Anwendung dieser Vorschrift mögliche Preiskontrolle zu einem stumpfen Schwert werden lassen. Die Konsequenz wäre, dass nur in Ausnahmefällen ein solcher Fall die Gerichte beschäftigen würde. Die Energieverbraucher müssten zunächst in Vorleistung treten und sodann noch einen Prozess anstrengen, bei dem sie wiederum in Vorleistung träten. Vor diesem pragmatischen Hintergrund würde der Einwand der Unbilligkeit in seiner Schutzfunktion für den Kunden zumindest geschwächt.

In systematischer  Hinsicht scheint die Argumentation des BGH gleichfalls überzeugend.

Ist schon die Gegenleistung nach § 315 Abs. 3 BGB nicht geschuldet und wird sie daher auch nicht fällig, so ist eine Rechnungsstellung nicht mehr von Belang. Was nicht geschuldet wird, kann auch nicht abgerechnet werden. Auch wenn diese Folge erst nachträglich im Prozess festgestellt wird, so entspricht dies dem Schutzgedanken des § 315 BGB. Hätte § 30 AVBV die Funktion, § 315 BGB einzuschränken, bedürfte dies einer Klarstellung in der Norm, an der es fehlt. Diese Aspekte sprechen dagegen, Verstöße gegen § 315 Abs. 1 BGB erst im Rahmen des fehlenden Rechtsgrundes für den vollständigen Rechnungsbetrag zu prüfen.\"


Ach würden die Schüler sich immer ihrer Lehrer erinnern.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline khk

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Die andere Meinung aus Dresden (RA Mielke)
« Antwort #3 am: 25. Oktober 2005, 12:19:23 »
Damit hier nicht alles wiederholt werden muss,  möchten ich noch auf meine Beiträge zu diesem Thema ergänzend hinweisen:
http://www.khk-kleinheisterkamp.de/shownews_detail.php?news_id=47
http://www.khk-kleinheisterkamp.de/shownews_detail.php?news_id=49

@RR-E-ft

1. Zum Thema: Fälligkeit nach Unbilligkeitseinwand

Kurz: Ich bin anderer Auffassung als Sie, Herr Kollege Fricke.

Es steht nirgendwo im Gesetz, insbesondere nicht in § 315 BGB, daß der Einwand der Unbilligkeit zum Wegfall der Fälligkeit führt.

Des Weiteren ist auch nicht normiert, daß der Nachweis der Billigkeit bei einseitiger Leistungsbestimmung Fälligkeitsvoraussetzung sei. Im Gegenteil, in § 315 Abs. 2 BGB ist allein die Ausübung und Erklärung der Leistungsbestimmung als Voraussetzung genannt.

Der Wegfall der Fälligkeit ( Unverbindlichkeit ) ist nur für den Fall der tatsächlichen Unbilligkeit vorgesehen.

Anderes hat auch der BGH nicht entschieden. Im Urteil des BGH VIII ZR 279/02 vom 30. April 2003, welches sich der Entscheidungen des BGH vom 19.01.1983 (VIII ZR 81/82) ausdrücklich anschließt und diese auch wörtlich zitiert, wird hierzu ausgeführt (Hervorhebungen durch den Verfasser dieses Beitrags ):

\"... Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens....\"

Der BGH stellt also eindeutig bei seiner Entscheidung auf den Fall einer tatsächlich unbilligen Forderung ab und entscheidet über die Fälligkeit einer berechtigten, billigen Forderung hinsichtlich der Fälligkeit überhaupt nicht. Nur die wegen Unbilligkeit festgesetzte neue Forderung wird nach Rechtskraft des Festsetzungsurteils neu fällig. Eine von Anfang an billige Forderung ist auch von Anfang an fällig und nicht etwa erst nach einer etwaigen Bestätigung durch das Gericht.

2.  Thema § 315 BGB vs. § 30 AVBV

Richtig ist, daß der VIII. Senat in den Urteilen vom 30.04.2003 entschied, daß § 30 AVBV den Einwand der Unbilligkeit nach § 315 BGB im Forderungsprozess des Versorgers nicht ausschließt.

Wir haben aber darauf hingewiesen, daß der X. Senat des BGH hierzu offenbar anderer Ansicht ist, denn er hat gerade mit der gegenteiligen Begründung eine in etwa gleichlautende AGB- Klausel aufgehoben.

Es ist also nicht richtig, wie Sie, Herr Kollege Fricke, behaupten, daß der X. Senat sich der Auffassung des VIII. Senats vollumfänglich anschließt. Gerade das Gegenteil ( jedenfalls im Hinblick auf § 30 AVBV ) ist der Fall. Der X. Senat des BGH bestätigt in seinem Urteil vom 05.07.05 ( ZR 60/04 ) nämlich keineswegs die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH, Urteil vom 30.04.2003 - VIII ZR 278/02 und VIII ZR 279/02 zum Verhältnis von § 315 BGB und § 30 AVBV. Vielmehr führt der X. Senat aus:

cc) Mit diesem Verständnis der Klausel begründet der erkennende Senat auch keine Divergenz zu früheren Urteilen des Bundesgerichtshofs, die sich mit dem Einwendungsausschluß in den Geschäftsbedingungen eines Versorgungsunternehmens befaßt haben. Denn die einschlägigen Urteile betrafen entweder nicht die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB (Urt. v. 24.03.1988 - III ZR 11/87, MDR 1988, 759) oder nicht die Leistungsbedingungen der Klägerin (Urt. v. 19.01.1983, aaO; BGHZ 115, 311 ff.; Urt. v. 30.4.2003, aaO).

Der X. Senat erläutert damit, daß er sehr wohl davon ausgeht, daß von § 30 AVBV, genau wie in der in diesem Verfahren zu prüfenden AGB- Klausel, der Einwand nach § 315 BGB erfaßt ist. Genau mit dieser Begründung hat er nämlich die Vertragsklausel verworfen.

Gerade weil nun aber der vom X. Senat vorgenommene Vergleich der streitigen AGB- Klausel mit § 30 AVBV und die damit einhergehende inzidente Unterwerfung des § 315 BGB unter den § 30 AVBV mit der Entscheidung des VIII. Senates im Widerspruch steht, weist der X. Senat darauf hin, daß sein Urteil keine formelle Divergenz zu früheren Entscheidungen hat, weil diese früheren Entscheidungen ( III. und VIII. Senat ) sich eben gerade nicht mit § 315 BGB oder auch nicht mit den beim X. Senat streitigen AGB Bedingungen des Berliner Entsorgungsbetriebs  befassten.

Diese ausdrückliche Mitteilung des X. Senates des BGH, wäre überhaupt nicht notwendig gewesen, wenn er voll und ganz die Auffassung des VIII. Senates teilen würde. Warum hätte er sonst, mit ausdrücklicher Begründung, darauf hinweisen sollen, daß die seine Entscheidung ( x. Senat ZR 70/05 )) keine Divergenz erzeugt?

Wenn hier im Forum dann sogar teilweise argumentiert wird, daß der X. Senat mit der Entscheidung vom 05.07.05 den § 30 AVBV als \"unzulässig\" oder \"gegen § 315 BGB verstoßend\" bezeichnet habe, tut das schon weh, denn jeder, der die Entscheidung nur halbwegs liest und versteht, weiß, daß der BGH in der Hauptsache der Streitentscheidung gerade nicht über § 30 AVBV geurteilt hat, sondern über eine vertragliche AGB- Klausel. Der § 30 AVBV war überhaupt nicht Streitgegenstand und ist im Übrigen auch keine AGB- Klausel, sondern eine gesetzliche Norm ( Verordnung ), die der X. Senat nicht zu prüfen hatte.

Mag man sich auch streiten, ob diese Norm ( § 30 AVBV ) heute noch gerechtfertigt ist,  jedenfalls ist sie voll wirksam und damit auch rechtlich verbindlich.

Zu Ihren weiteren Anmerkungen, Herr Kollege Fricke, :

Wir haben nie verheimlicht, wen wir vertreten. Im Gegenteil, es ist, wie sie richtig zeigten, auf unsere Homepage, auf der auch die o.g. Beiträge stehen, ausdrücklich vermerkt.

Gleichwohl gehen wir davon aus, daß auch Sie nicht lediglich diejenigen Auffassungen haben, äußern oder propagieren, die Ihrer aktuellen Mandantschaft nützlich oder angenehm sind. Natürlich wird man immer versuchen( vor allem im Prozess ), den eigenen Mandanten so gut wie möglich zu vertreten, daß ist unser gemeinsamer Job und Sie werden zugeben, daß es bei Ihnen nicht anders ist. Allerdings erlauben auch wir uns eine eigene Meinung und äußern diese auch.

Des Weitere sind wir sämtlich keineswegs Schüler von Herrn Prof. Büdenbender, wie Sie vermuteten. Gleichwohl schätzen wir ihn und arbeiten gelegentlich mit ihm zusammen.

Über die Darlegungs- und Beweislast ( ob nun im Aktivprozess des Versorgers oder ggf. in einem Rückforderungsprozess  ) haben wir uns bei der Besprechung der vorgenannten Themen überhaupt nicht  geäußert. Dies hat mit dem Einwand der Unbilligkeit, der Fälligkeit der Forderung oder dem Einwendungsausschluss nach § 30 AVBV auch nicht zwingend etwas zu tun.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen aus Dresden

R. Mielke

Offline RR-E-ft

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Die andere Meinung aus Dresden (RA Mielke)
« Antwort #4 am: 25. Oktober 2005, 14:07:03 »
Sehr geehrter Herr Kollege Mielke,

herzlichen Dank für Ihre Beteiligung an der hiesigen Diskussion.

Das BGH- Urteil vom 07.05.2005 - X ZR 60/04 kann man nicht nur auf den hiesigen Seiten nachlesen. Selbstredend können Sie eine andere Lesart haben. Sie überzeugt aus den genannten Gründen nur nicht.

Unverbindlichkeit schließt Fälligkeit aus.
Hierzu allein die Urteile des BGH zum frühestmöglichen Zeitpunkts des Fälligwerdens.

Zum Verhältnis von § 30 AVBV und § 315 BGB gibt es die jüngeren Urteile des KG Berlin u.a., welche die hiesige Auffassung stützen.

Zur Konsequenz des Unbilligkeitseinwandes hinsichtlich der Fälligkeit sei auf das Urteil des LG Köln, RdE 2004, 306 verwiesen.

Prof. Salje kommt in seinem Aufsatz in der et 2005, 278 ff. zu keinem anderen Ergebnis.

Er verweist in Fn. 13 auf die in BGHZ hierzu veröffentlichten Entscheidungen und kommt zu dem Ergebnis, dass deshalb allen endverteilenden GVU nach einem massenhaften Einwand der Unbilligkeit deshalb zwangsläufig die Insolvenz droht.

Soweit ist es ersichtlich noch nicht. Immerhin kann man sich noch so manches leisten, wie die Beiträge hier im Forum anschaulich belegen.

Auch war noch nirgends von Gewinnwarnungen zu hören.

Und auch Prof. Büdenbender findet in seinem Gutachten die o. g. deutlichen Worte.

Wollte man es anders sehen, wären die genannten  Gaspreisurteile des LG Mannheim, AG Karlsruhe, aber auch die genannten Urteile zu Strompreisen, zB. des OLG München nur schwer verständlich.

Wenn das EVU im Aktivprozess nach der BGH- Rechtsprechung die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit trägt, der Kunde zudem keinerlei Einblick in die tatsächliche Kostensituation eines EVU haben kann, ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kunde nun die Unbilligkeit erst weiter darlegen sollte. Dafür ist schlicht kein Grund ersichtlich.

Die Gerichte haben immer wieder ausgeführt, dass das EVU darlegen und beweisen  muss, dass es seine Ermessensentscheidung im Rahmen der Billigkeit getroffen hat. Legt es hierzu nichts dar, fehlt es an der Substantiierung und eine Zahlungsklage ist abzuweisen.

Allenfalls im Passivprozess könnte dem Kunden eine Darlegung zur Unbilligkeit abverlangt werden, so der VIII. Zivilsenat des BGH im Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02. In einem obiter dictum führt hingegen der X. Zivilsenat des BGH im Urteil vom 05.07.2005 - X ZR 60/04 aus, dass er dieser Auffassung des VIII. Zivilsenats nicht folgt, mithin auch im Rückerstattungsprozess des Kunden die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Tarife beim EVU sehen würde.

\"Wes Brot ich ess(en möchte), des Lied ich pfeif.\" trifft gerade auf Jusristen zu. Das bringt allein deren Not mit sich, sich von jemandes Brot ernähren zu müssen.

Zu diesem Umstand haben Sie die richtigen Worte gefunden.

Deshalb ist es nicht schädlich, wenn es verschiedene Auffassungen gibt. Diese tragen am Ende wohl alle zur Rechtsfindung bei.

Die besseren Argumente werden sich durchsetzen.

Wenn auch nicht immer gleich, so doch ganz bestimmt auf Dauer, wie allein die jüngsten BGH- Entscheidungen Bundeskartellamt gegen Stadtwerke Mainz und Lichtblick gegen MVV hinlänglich belegen.

Diese halten viel Stoff parat, sich selbst mit seinem Standpunkt neu \"zu verorten\".


Freundliche kollegiale Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline khk

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Die andere Meinung aus Dresden (RA Mielke)
« Antwort #5 am: 25. Oktober 2005, 15:30:03 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"

Unverbindlichkeit schließt Fälligkeit aus.


Richtig ! Eine billige Leistungsbestimmung ist aber nicht unverbindlich und wird es auch nicht durch den Einwand des Schuldners !

Zitat von: \"RR-E-ft\"

Die Gerichte haben immer wieder ausgeführt, dass das EVU darlegen und beweisen  muss, dass es seine Ermessensentscheidung im Rahmen der Billigkeit getroffen hat. Legt es hierzu nichts dar, fehlt es an der Substantiierung und eine Zahlungsklage ist abzuweisen.


Vertretbar ! Aber die Pflicht zum Nachweis eines Anspruches hat mit dessen Fälligkeit nichts zu tun. Jeder muss im Prozess notfalls beweisen, dass er eine Forderung hat. Der möglicherweise fehlende oder nicht ausreichende Beweis ändert aber am materiellen Bestand der Forderung und insbesondere an deren Fälligkeit nichts.

Die Beweislast vor oder im Prozess hat also mit der Fälligkeit nichts zu tun. Daher kann auch das vorgerichtliche Bestreiten nicht zum Wegfall der Fälligkeit einer berechtigten Forderung führen.

Ihre Ansicht trifft nur dann zu, wenn die einseitige Preisbestimmung unbillig ist. Dann ist aber nicht der Unbilligkeitseinwand derjenige, der zum Wegfall der Fälligkeit führt, sonder sie ist bereits wegen § 315 BGB suspendiert.

Freundliche Grüße aus Dresden

R. Mielke

Offline RR-E-ft

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« Antwort #6 am: 25. Oktober 2005, 16:34:50 »
Sehr geehrter Herr Kollege Mielke,

die feine Nuance der verschiedenen Auffassungen, die in Ihrem letzten Satz deutlich zum Ausdruck kommt, stellt einen eher akademischen Streit dar:

Mag die Forderung auch objektiv \"unbillig\" sein, wird sie doch erst unverbindlich durch die Berufung des Schuldners auf die Unbilligkeit und Unverbindlichkeit. Sonst bleibt sie fällig.

Solange nicht klar ist, ob die Forderung nun \"unbillig\" ist oder nicht, kann nichts anderes gelten:

Alles andere hieße, dem Streit über genau diese Frage der \"Billigkeit\" der Preisbestimmung vorzugreifen.

Dieser Streit muss jedoch erst im Zahlungsprozess unter Beachtung der dort geltenden Darlegungs- und Beweislast entschieden werden.

Denn auch erst noch dort, kann sich das Bestimmungsopfer auf die Unbilligkit der Tariffestsetzung berufen.

Alles andere hieße, die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bestimmungsopfers zu verkürzen.

Wie sollte der Kunde eines EVU auch erkennen können, ob die vom EVU geforderten Tarife nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH NJW-RR 1992, 183 ff.) der Billigkeit entsprechen oder nicht.

Das ist ohne vertiefte Kenntnisse der Kostenstruktur des EVU und seiner Gewinnsituation schlicht objektiv nicht erkennbar.


Der Bestimmungsberechtigte hingegen kann immer sogleich auf Zahlung klagen und incident die Frage der Billigkeit zügig gerichtlich klären lassen.

Er allein hat es in der Hand, dass es zeitnah zu einer gerichtlichen Klärung kommt und dass nicht erst immer größere Beträge auflaufen.



Freundliche kollegiale Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Die andere Meinung aus Dresden (RA Mielke)
« Antwort #7 am: 25. Oktober 2005, 22:43:00 »
@khk:

Lieber Kollege,

Die von mir und Coll. Fricke vertretene Auffassung findet ihre Stütze an durchaus berufener Stelle, nämlich in den Motiven zum BGB.  

Durch die Regelung soll dem Betroffenen nicht nur ein einfacher Weg eröffnet werden, um zur gerichtlichen Bestimmung der Leistung zu kommen (Mot. II, 192), sondern man war sich schon bei der Formulierung des Gesetzestextes darin einig, dass die richterliche Entscheidung über die Frage, welche Leistung billig sei, regelmäßig in dem Rechtsstreit über die Leistungsfrage zu treffen sei (Prot. I, 465).  Bei der gerichtlichen Entscheidung handelt es sich um ein verdecktes Gestaltungsurteil. Ihre Auffassung, wonach die Fälligkeit offen ist, verträgt sich m.E. nicht mit dem Wortlaut von § 315 Abs. 3 S. 1 BGB \"nicht verbindlich ...\" .

Was soll den anderes unter Verbindlichkeit zu verstehen sein als die Fälligkeit der aus der Leistungsbestimmung resultierenden Forderung ?

Will man mit der h.M. in § 315 BGB das Korrelat zur einseitgien Bestimmungsmacht einer Vertragspartei sehen, so kann man diese wirkungsvoll und ökonomisch nur damit umsetzen, dass bis zur Darlegung der Billigkeit keine Fälligkeit eintritt.  Es geht nicht allein darum, eine unbillige Leistungsbestimmung abzuwehren, sondern viel früher darum, einen Nachweis der Billigkeit fordern zu können, ohne in Verzug zu geraten. Das eine geht nicht ohne das andere. Es ist ja dann dem Bestimmenden i.S.v. § 315 BGB unbenommen, zügig den Nachweis zu erbringen und die Fälligkeit seiner Forderung herbeizuführen.

Zitat:  Jeder muss im Prozess notfalls beweisen, dass er eine Forderung hat.   Der möglicherweise fehlende oder nicht ausreichende Beweis ändert aber am materiellen Bestand der Forderung und insbesondere an deren Fälligkeit nichts.

Richtig. Aber in den meisten anderen Fällen besteht über die Höhe der Forderung keine rechtliche oder tatsächliche Unsicherheit. Dies ist aber bei einer im Streit stehenden Neubestimmung der Leistung i.S.d. § 315 BGB gerade der Fall, und dies ist die Besonderheit. Bei anderen vertraglichen Leistungen steht die Gegenleistung z. Zt. des Vertragsschlusses fest. Die Fälligkeit i.S.d. § 270 BGB setzt Bestimmtheit der Forderung voraus (vgl. statt vieler BGHZ 122, 32, 46; Held NZM 2004 S. 174).
 

Jede andere Auffassung führt in den Rückforderungsprozess, der sich für Versorgungsunternehmen schnell als teure Falle erweisen kann, vgl. das hier bereits besprochene Urteil des LG Mühlhausen.



M.f.c.G. aus Berlin
Graf Koks

 

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