Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit  (Gelesen 4759 mal)

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Offline DieAdmin

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« am: 29. September 2010, 18:42:11 »
so zu lesen in der Zeit:

http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-09/bundesregierung-kanzlei-beratung


Zitat
Die Regierung wurde bei den Atom-Verhandlungen von einer Großkanzlei beraten. Die Anwälte arbeiten nach Informationen von ZEIT ONLINE auch für den Energieversorger RWE.
...


Will jetzt dafür nicht extra Thread aufmachen:

Bundesfinanzministerium veröffentlicht:
FÖRDERFONDSVERTRAG zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Kernkraftwerksbetreibergesellschaften und deren Konzernobergesellschaften in Deutschland (paraphierte Fassung)
Stand: 27.09.2010, 11.00 Uhr
Finaler Entwurf

http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53848/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Aktuelle__Gesetze/Gesetzentwuerfe__Arbeitsfassungen/20100928-Vertrag-Energieunternehmen__anl,property=publicationFile.pdf (3 MB)

Offline Black

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #1 am: 30. September 2010, 12:25:33 »
Ja und?

Wird jetzt unterstellt, dass die beteiligte Großkanzlei einen Parteiverrat an ihrem Mandanten (Staat) begangen haben könnte, zugunsten eines anderen Mandanten (RWE)?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline tangocharly

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #2 am: 30. September 2010, 12:40:47 »
...... nö, nur dass der Herrenbekleider, welcher den Bräutigam ausgestattet hat, auch die Braut eingekleiden durfte....    :D
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #3 am: 30. September 2010, 13:07:52 »
Zitat
Original von Black
Ja und?

Wird jetzt unterstellt, dass die beteiligte Großkanzlei einen Parteiverrat an ihrem Mandanten (Staat) begangen haben könnte, zugunsten eines anderen Mandanten (RWE)?

Es kann ein Interessenkonflikt vorliegen, wenn die Kanzlei sowohl den Staat als auch regelmäßig einen Energiekonzern wie RWE vertritt.
Bei einem Interessenkonflikt sind die entsprechenden Mandate niederzulegen.


Wie soll denn eine Kanzlei, die aufgrund regelmäßiger Mandatierung die Interessen des RWE- Konzerns zu wahren hat, die Interessen des Staates gegenüber eben den RWE- Konzern bestmöglich vertreten, ohne dabei in einen Konflikt zu geraten?

Wes Brot ich ess, des Lied ich pfeiff.
Dann kann man eben nicht auf allen Hochzeiten aufspielen bzw. auftanzen, sondern muss sich auch mal enthalten.

Wir leisten uns hervorragende Juristen in den Ministerien.
Die sind verbeamtet und haben einen Treueeid geschworen.

Fraglich, warum dann Gesetzentwürfe überhaupt extern an Rechtsanwaltskanzleien vergeben werden müssen.

Da darf man auch die Frage stellen, ob nicht mit dieser Praxis knappe Haushaltsmittel verschleudert werden, in dem man die juristischen Fachbeamten außen vor lässt und sie nicht ihre eigentliche Aufgabe erfüllen lässt.

Offline jofri46

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #4 am: 30. September 2010, 15:51:23 »
Ich weiss nicht, ob man die juristischen Fachbeamten außen vor lässt oder sie es nicht selbst sind, die ihren Dienstherrn auf externe Beratung drängen. Auch juristische Fachbeamte können, ebenso wie Unternehmensjuristen, nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Ihnen sei daher zugestanden, dass sie zuweilen externe Hilfe benötigen, weil sie nicht für jede fachspezifische Aufgabe ausreichend qualifiziert sind.
Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass externe Aufgabenstellungen stetig ausgeweitet werden, weil der juristische Fachbeamte oder Unternehmensjurist erkennt, wie bequem das ja für seine eigene tägliche Arbeit ist. Er richtet sich darin ein und übernimmt bestenfalls noch die Rolle eines Moderators zwischen Dienstherrn und externem Berater... bis ihm der Dienstherr angesichts exorbitant gestiegener Beratungskosten (hoffentlich) auf die Finger klopft und seine eigene (des Fachbeamten bzw. Unternehmensjuristen) Daseinsberechtigung in Frage stellt.
Dass dabei Interessenkonflikte entstehen, verwundert angesichts bundesweit agierender Großkanzleien nicht. Die Kanzlei, die ständig die Interessen eines Konzerns vertritt, wird sich von dort wohl grünes Licht für ein ggf. den Konzerninteressen entgegenstehendes Mandat geben lassen.
Zugegeben, alles Spekulation und ein Schelm, der nun Böses dabei denkt.

Offline Black

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #5 am: 30. September 2010, 16:56:42 »
Wenn man den oben zitierten Artikel liest, kann man feststellen, dass die Energieversorger selbst mit eigenen Anwälten einer anderen Kanzlei in den Verhandlungen vertreten waren.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #6 am: 30. September 2010, 18:09:27 »
Kaum vorstellbar, dass die von den Konzernen beauftragte Kanzlei über mehr und besser qualifizierte Juristen verfügt als die auf Regierungsseite beteiligten Ministerien.

Mich würde persönlich mal interessieren, wie wohl die risikoabdeckende Berufshaftpflichtversicherung aussehen muss, wenn man als Anwalt für die eine oder die andere Seite an den Verhandlungen teilnimmt.

Offline Netznutzer

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #7 am: 30. September 2010, 19:33:39 »
Der Witz des Tages:

Zitat
Kaum vorstellbar, dass die von den Konzernen beauftragte Kanzlei über mehr und besser qualifizierte Juristen verfügt als die auf Regierungsseite beteiligten Ministerien.

Herr Fricke, Sie haben mich schon oft (auch ungewollt) amüsiert, das hier ist die Krönung.

Weiter so, so kommt endlich mal wieder Humor hier herein. Der war echt gut.

Gruß

NN

Offline jofri46

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #8 am: 30. September 2010, 20:45:09 »
Großunternehmen, wie hier die großen Energieversorger, beschäftigen nicht selten mehrere Großkanzleien. Da wird man das \"Gschmäckle\" auch dann nicht los, wenn die Versorger \"mit eigenen Anwälten einer anderen kanzlei\" in den Verhandlungen vertreten waren.

Offline RR-E-ft

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #9 am: 30. September 2010, 22:15:17 »
@NN

Der Briefbogen von Freshfields pp. unter Angabe deren Anwälte ist hinreichend bekannt.

Warum sollten denn in den auf Regierungsseite beteiligten Ministerien weniger und vor allem weniger juristisch qualifizierte Kollegen tätig sein, so dass diese nicht befähigt sein sollten, für ihren Dienstherrn mit den Verhandlungsführern auf der Gegenseite auf Augenhöhe zu verhandeln?

(In dem Verfaren um Gaspreise der Enso war es vor dem Landgericht Dresden - bestätigt durch BGH KZR 2/07- zum Beispiel ein als Einzelanwalt tätiger Kollege aus Leipzig, der sich gegen die Kollegen von Freshfields behauptete, die den Gasversorger vertraten).

Abgesehen davon ist es überhaupt bedenklich, dass es Verhandlungen zu einem Vertrag und mithin einer konsensualen Lösung gab. Es kommt nicht eben oft vor, dass die Regierung Betroffene wegen beabsichtigter Steuern und Abgaben mit ihren Anwälten zu Verhandlungen darüber einlädt. Immerhin haben die Energiekonzerne sich noch vorbehalten, gegen die Brennstoffsteuer zu klagen...

Zutreffend ist wohl, dass es bei den KKW-Betreibern etwas von Staats wegen abzuschöpfen gilt:

Der Staat hat die CO2- Emissionszertifikate eingeführt und diese den Konzernen zunächst unentgeltlich zugeteilt. Die Konzerne haben die - von ihnen zunächst gar nicht zu bezahlenden - Zertifikatepreise als Opportunitätskosten auf die Großhandespreise für Strom aufgeschlagen und so windfall profits in Milliardenhöhe realisiert. Am meisten profitierten von den durch diese Zertifikate- Einpreisung verteuerten Strom- Großhandelspreisen wohl die KKW- Betreiber, deren Stromerzeugungskosten durch den Zertifikatehandel nicht gestiegen waren, die jedoch ihren erzeugten Strom durch die so verteuerten Großhandelspreise um so gewinnbringender absetzen konnten. Siehe hier.

Gewinnmitnahmen deutscher Stromerzeuger in der zweiten Phase des EU- Emissionshandelssystems 2008 -2012

Offline jofri46

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #10 am: 01. Oktober 2010, 12:33:33 »
@RR-E-ft

Eben weil es diese (bedenkliche) vertragliche Lösung gab, ist es schon vorstellbar, dass (auch juristisch qualifizierte) Ministerialbeamte nicht auf Augenhöhe mit ihren Kollegen anwaltlicher Großkanzleien verhandeln konnten, weil diese in vertraglichen Lösungen, noch dazu in einer solch komplexen Angelegenheit, einfach versierter sind, in ihrem Kollegenkreis auf mehr Know-how zurückgreifen können, während Ministerialbeamte hingegen sicherlich überwiegend eine ganz andere Aufgabenstellung haben.  

Ein Verfahren über Gaspreise, bei dem sich erfreulicherweise ein Einzelanwalt gegenüber den Kollegen einer Großkanzlei behauptete, lässt sich damit sicher nicht vergleichen.

Zu dieser Einschätzung komme ich nach jahrzehntelanger Erfahrung im \"Spannungsfeld\" zwischen Unternehmensjuristen und Großkanzleien, wobei sich in komplexen außergerichtlichen Angelegenheiten (Unternehmensverkäufe etc.) durchaus die Vorteile des in Großkanzleien gebündelten Know-how\'s, andererseits aber auch deren \"Schwäche\" in gerichtlichen Einzelverfahren (s. Gaspreise) gezeigt haben.

Offline RR-E-ft

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #11 am: 01. Oktober 2010, 13:35:13 »
Kautelarjurisprudenz ist tatsächlich die höchste Schule, zumal wenn es so komplexe Materie betrifft.

Die Kollegen in den Ministerien werden jedoch wohl auch regelmäßig mit öffentlich-rechtlichen Verträgen zu komplexen Sachverhalten zu tun haben.
Und auch beim Entwerfen von Gesetzen ist wohl nicht minder Phantasie wie bei Vertragsgestaltungen erforderlich, was die Folgenabschätzung und mögliche Zukunftsszenarien betrifft.

Offline bolli

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #12 am: 01. Oktober 2010, 13:47:02 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Warum sollten denn in den auf Regierungsseite beteiligten Ministerien weniger und vor allem weniger juristisch qualifizierte Kollegen tätig sein, so dass diese nicht befähigt sein sollten, für ihren Dienstherrn mit den Verhandlungsführern auf der Gegenseite auf Augenhöhe zu verhandeln?
[/URL]
Ich will jetzt nicht für alle Ministerien und alle Ebenen sprechen, aber ich kann Ihnen als jemand der Einblick in Ministerien hat, versichern, dass dort inzwischen wesentlich mehr Generalisten statt Spezialisten sitzen. In Zeiten von Rotation und Korruptionsprävention ist das Stühlerücken dort gang und gäbe, zumindest bei den Personen, die die Arbeit machen (also bei den Juristen unterhalb des Referatsleiters).

Da ist bei komplexen Themen eine erfolgversprechende Themenbehandlung gar nicht möglich.

Und sollten Sie dann mal tatsächlich einen haben, der wirklich ein Spezialist ist, sollen Sie mal sehen, wie schnell der ein lukratives Angebot von den spezialiserten Kanzeilen hat. Die Finanzverwaltung weiss da ein Lied von zu singen.

Offline userD0010

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Großkanzleien schrieben am Atomvertrag mit
« Antwort #13 am: 04. Oktober 2010, 17:30:14 »
@bolli
Ist es nicht inzwischen Bequemlichkeit, ja viell. sogar Faulheit, wenn die Arbeit nicht mehr in den Ministerien, sondern durch \"aussenstehende\" Kanzleien erledigt wird?
Ist doch insgesamt einfacher, oder?

Und die Großkanzleien werden vermutlich mit solch geringen Honoraren \"entlohnt\", dass sie ihre qualifizierten Dienste analog den Energieversorgern andienen bzw. sogar mit ihnen abstimmen.

Wie sonst sind die bisherigen Ergebnisse zu erklären?

 

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