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Autor Thema: OLG Celle, Urt. v. 19.08.10 Az. 13 U 82/07 Unbillige Gastarife (Stadtwerke Hannover)  (Gelesen 4916 mal)

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Offline RR-E-ft

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OLG Celle: Belastung nur der Haushaltskunden unzulässig

Die Hannover Zeitung berichtet:

Zitat
Das Oberlandesgericht Celle hat mit Urteil vom 19.08.2010, Az. 13 U 82/07, festgestellt, dass die Stadtwerke Hannover etwaige Kostensteigerungen bei der Gasversorgung nicht lediglich auf die (Tarif-)Haushaltskunden abwälzen darf. Vielmehr müssen auch die Industriekunden zur Kompensation der Steigerung der sonstigen Kosten des Gasversorgers herangezogen werden.  


Das Oberlandesgericht hat dabei zunächst festgestellt, dass die Preiserhöhungen des Gasversorgers nur dann wirksam sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen. Dieses tun sie aber nur dann, wenn die Erhöhungen durch Kostensteigerungen gerechtfertigt werden, die bereits zum Zeitpunkt der Preisanpassung eingetreten sind, nicht jedoch durch prognostizierte Kostenerhöhungen, die erst ein halbes Jahr später virulent werden.

Den Stadtwerken ist es in dem Prozess nicht gelungen, für alle betroffenen Zeiträume den Nachweis zu erbringen, dass eine entsprechende Kostenbelastung vorgelegen hat. Das Gericht hat daher die Preissteigerungen für einen Zeitraum von ca. 1 ½ Jahren als unwirksam angesehen und den Gaspreis selbst festgesetzt. Dabei sind die Preise aus Billigkeitsgesichtspunkten erheblich nach unten korrigiert worden.


Logisch dürfen gestiegene (Bezugs-) Kosten nicht nur bei einem Teil der Kunden abgeladen werden.

Offline tangocharly

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Zitat
Das Oberlandesgericht Celle hat mit Urteil vom 19.08.2010, Az. 13 U 82/07, festgestellt, dass die Stadtwerke Hannover etwaige Kostensteigerungen bei der Gasversorgung nicht lediglich auf die (Tarif-)Haushaltskunden abwälzen darf. Vielmehr müssen auch die Industriekunden zur Kompensation der Steigerung der sonstigen Kosten des Gasversorgers herangezogen werden.

Auf die Begründung, wie das OLG die Industriekunden zur Kompensation der Steigerung der sonstigen Kosten des Gasversorgers herangezogen sehen will, bin ich schon mal gespannt.

Insbesondere, wenn dort die Kosten des Regelmeßleistungsprofils und ggf. die Insolvenzausfälle hierbei mit in die Waagschale geworfen werden ....

Das Ungleichgewicht ergibt sich ja schon dadurch, dass die Bezugskostensteigerungen bei den Haushaltskunden anders ausfallen, als diejenigen der Industriekundschaft.

Dass Industriekunden andere \"sonstige Kosten\" verursachen, als Haushaltskunden, liegt doch auf der Hand.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline uwes

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Kennt jemand jemanden, der das Urteil hat? Hier haben sich interssierte Richter gemeldet, die dieser Ansicht eine gewisse Rechtfertigung nicht absprechen wollen.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Offline tangocharly

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Das Aktenzeichen und das Entscheidungsdatum sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch. Nach meinen Recherchen hat das OLG Celle mit dem Aktenzeichen : 13 U 82/* bislang nur einmal und zwar 2001 entschieden.

Haben Sie schon einmal bei dem verlautbarenden Mieterschutzbund nachgehakt ?
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Zitat
Original von tangocharly
Das Aktenzeichen und das Entscheidungsdatum sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch. Nach meinen Recherchen hat das OLG Celle mit dem Aktenzeichen : 13 U 82/* bislang nur einmal und zwar 2001 entschieden.

Haben Sie schon einmal bei dem verlautbarenden Mieterschutzbund nachgehakt ?

Das Aktenzeichen stimmt. Es gab zB. eine Pressemitteilung des OLG Celle zu Beweisbeschlüssen vom 21.02.2008.

Pressemitteilung OLG Celle zu Beweisbeschlüssen

Zitat
Die 13 Verbraucher im Verfahren 13 U 82/07 haben in erster Instanz vor dem LG Hannover (dort Az.: 21 O 88/06) dagegen obsiegt. Das LG hat eine Preisüberhöhung von 30 % angenommen, weil der Gasversorger keine Angaben zur Kalkulationsgrundlage machen wollte. Ein weiterer Kläger in diesem Verfahren und die Klägerin in dem Parallelverfahren 13 U 86/07 haben ihre Klage mittlerweile zurückgenommen.

LG Hannover, Urt.  v. 19.02.07 Az. 21 O 88/06

Offline RR-E-ft

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OLG Celle hat die Entscheidung nunmehr veröffentlicht

Zitat
Zur Billigkeitsprüfung von Preiserhöhungen der Gasversorgungsunternehmen gegenüber Tarifkunden:

1. Tarifpreiserhöhungen können nur durch Kostensteigerungen gerechtfertigt werden, die bereits zum Zeitpunkt der Preisanpassung eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt eintreten werden, nicht jedoch durch prognostizierte Kostenerhöhungen, die erst in einem halben Jahr virulent werden.

2. Die von dem Gasversorgungsunternehmen vorgenommenen Preiserhöhungen sind nicht bereits dann als billig anzusehen, wenn bei einer Gesamtbetrachtung der angegriffenen Tariferhöhungen der insgesamt dadurch erfolgte Preisanstieg durch einen gleich hohen Anstieg der Bezugskosten während desselben Zeitraums kompensiert wird. Jede Tarifpreiserhöhung ist grundsätzlich für sich an § 315 BGB zu messen und kann nur mit einer seit der letzten Tarifpreiserhöhung angefallenen Steigerung der Gasbezugskosten und gegebenenfalls ergänzend mit einem etwaigen bei der letzten Preiserhöhung nicht ausgeschöpften Anteil der damaligen Bezugskostensteigerung gerechtfertigt werden.

3. Beinhaltet ein allgemeiner Haushaltstarif neben dem Arbeitspreis, durch den lediglich die Bezugkosten abgebildet werden, auch einen verbrauchsunabhängigen Grundpreis, kann eine Steigerung der sonstigen Kosten durch eine Erhöhung des Grundpreises ausgeglichen werden.

Anmerkung:

Auch die Entscheidung des OLG Celle vom 19.08.10 in Sachen enercity stellt auf angebliche individuelle Preisvereinbarungen ab, welche die Billigkeitskontrolle ausschließen würden.

Ich meine, bereits aus der gesetzlichen Regelung des EnWG ergäbe sich zum einen das einseitige Leistungsbestimmungsrecht und zum anderen, dass Preisvereinbarungen in diesem Bereich unzulässig sind. Die öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Preise sind von Anfang an an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden. Es besteht - soweit möglich - eine Rechtspflicht zur Preisanpassung zugunsten der Kunden (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Die Frage, ob diese öffentlich bekannt gegebenen jeweiligen Allgemeinen Tarife unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG der Billigkeit entsprechen oder nicht, kann sich nur für alle betroffenen grundversorgten Kunden gleichermaßen beurteilen, ohne dass es dabei auf Preisvereinbarungen mit Einzelkunden ankommen kann und darf.  

Bitte hier lesen:

Preisvereinbarungen mit Tarifkunden gesetzlich unzulässig

Was sollte der Ausschluss auch bewirken?
Der gesetzlich versorgungspflichtige Versorger hat kein anzuerkennendes Interesse daran, entgegen §§ 1, 2 EnWG gebildete Allgemeine Preise in die Zukunft fortzuführen.

 

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