Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: LG Erfurt, Urt. v. 31.08.10 Az. 10 O 217/09 Untersagung von Änderungsklauseln (Ohra Hörselgas GmbH)  (Gelesen 4872 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Moderator
  • Forenmitglied
  • *****
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
LG Erfurt, Urt. v. 31.08.10 Az. 10 O 217/09

Die Klage der Verbraucherzentrale Thüringen e.V. gegen die Ohra Hörselgas GmbH ist erfolgreich.

Die Beklagte wird verurteilt, die Verwendung zweier Klauseln betreffend die Ermittlung des Gaspreises in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen (\"Allgemeine Geschäftsbedingungen für Gaslieferverträge im OHG-Sonderabkommen, Stand 01.07.2007\") zu unterlassen.

a. \"Der Arbeitspreis (AP) wird in Abhängigkeit vom Heizölpreis wie folgt ermittelt:

AP (ct kWh Ho) = 0,092 HEL + 0,1534 zuzüglich der jeweils gültigen Verbrauchssteuer für Erdgas. Die Nutzenergie von 1 kWh Ho Erdgas entspricht der Nutzenergie von etwa 0,092 Liter Heizöl.

In dieser Formel bedeutet HEL das aus 6 Monatswerten gebildete arithmetische Mittel der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten monatlichen Preisnotierungen für leichtes Heizöl in EURO je 100 Liter für Lieferanten in TKW von 40 - 50 hl je Auftrag für Verbraucher im Bundesdurchschnitt. Maßgeblich ist der Mittelwert derjenigen sechs Monate, die dem Termin des Wirksamwerdens der Preisänderung mit einem Abstand von drei Monaten vorangehen.\"

b. \"Sollten nach Vertragsabschluss erlassene oder bei Vertragsschluss bestehende Gesetze, Verordnungen, behördliche oder sonstige hoheitliche Maßnahmen die unmittelbare oder mittelbare Wirkung haben, dass Erzeugung, Beschaffung, Bezug, Fortleitung, Übertragung, Verteilung oder Abgabe von Erdgas für das Versorgungsunternehmen verteuert oder verbilligt werden, so erhöhen oder ermäßigen sich zum Ausgleich dieser Mehr- oder Minderkosten die vereinbarten Preise entsprechend von dem Zeitpunkt an, zu dem die Mehr- oder Minderkosten für die OHG Wirkungen entfalten. Änderungen von Kosten - mit Ausnahme geänderter Steuersätze - werden mit einer entsprechenden Veröffentlichung in der örtlichen Presse und im Internet durch die OHG bekannt gegeben.\"


Beide Klauseln benachteiligen die Kunden unangemessen und halten der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht stand und sind somit unwirksam.

Der Beklagten Ohra- Hörselgas GmbH wurde die Verwendung der Klauseln unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt.

Die entscheidung stützt sich auf die Entscheidungen des BGH vom 24.03.2010 VIII ZR 178/08 und VIII ZR 304/08.

Verbraucher können sich unmittelbar auf dieses Urteil berufen, § 10 UKlaG.

Nachdem die Unwirksamkeit dieser Klauseln festgestellt wurde, können Preisänderungen nicht darauf gestützt werden. Diese waren unwirksam unabhängig davon, ob die Kunden den Preisänderungen widersprochen oder Verbrauchsabrechnungen nur unter Vorbehalt geleistet hatten (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 57 ff.).

Es können deshalb Rückforderungsansprüche der betroffenen Verbraucher gegen den Gasversorger bestehen. Diese Rückforderungsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährung und müssen deshalb ggf. vor dem 31.12.2010 gerichtlich geltend gemacht werden.

Im Rückforderungsprozess darf sich der Versorger wegen v. g. Urteils nicht auf ein Preisänderungsrecht aus den einbezogenen Klauseln berufen.
Wurde gegen entsprechende Preisänderungen gar Widerspruch eingelegt, steht Rückforderungsansprüchen wohl nichts im Weg.

Offline tangocharly

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.139
  • Karma: +5/-0
Aus den Urteilsgründen:
Zitat
Kommt es zum Beispiel hinsichtlich des preisbildenden Faktors a zu einer Verbilligung und damit zu sinkenden Gestehungskosten, in der weiteren Folge dann aber zu einer Erhöhung der Steuer auf Erdgas zu Heizzwecken und damit zu einer Verteuerung der Gestehungskosten, könnte die Beklagte die Veränderung beim preisbildenden Faktor a einfach unter den Tisch fallen lassen, die Veränderung wegen der Steuererhöhung dagegen unter Bezugnahme auf die streitgegenständliche AGB-Klausel an ihre Kunden weitergeben.

Wie man sieht, gut und richtig argumentiert.
Auch hier wiederum deutlich: ohne das Prinzip \"Hosen-runter\" ist dem Problem der einseitigen Preisanpassungsrechte nicht beizukommen.
Bei Stadtwerken sind auch nicht nur reine \"Gut-Menschen\" beschäftigt , die aber eben nur \"Dein Bestes\" wollen. Dass dabei Zügel anzulegen sind, liegt auf der Hand.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

  • Moderator
  • Forenmitglied
  • *****
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Im Grundsatz gilt BGH III ZR 247/06 Rn. 10

Zitat
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene sogenannte Kostenelementeklauseln, die wie die hier in Rede stehende Bestimmung eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten vorsehen, sind insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden.

Sie sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 - III ZR 63/07 - Rn. 19; BGH, Urteile vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05 - NJW-RR 2005, 1717 unter II. 2.; vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06 - NJW 2007, 1054, 1055 Rn. 20; jeweils m.w.N.).

Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst verein-barten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; BGH, Urteile vom 21. September 2005 aaO und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 21; jeweils m.w.N.).

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Offline RR-E-ft

  • Moderator
  • Forenmitglied
  • *****
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Entgegen der Auffassung der Kl. bedurfte es für die wirksame Einbeziehung der Bestimmungen der AVBGasV als AGB in den Gasliefervertrag deren Aushändigung vor Vertragsabschluss.

Dies ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 3 AVBGasV, wonach selbst bei Neuabschluss eines Tarifkundenvertrages dem Kunden ein Exemplar bei Vertragsabschluss unaufgefordert unentgeltlich auszuhändigen war.

Da bei Vertragsabschluss ein feststehender Erdgas- Sonderpreis vereinbart wurde, kann auch schon nicht die Regelung des § 4 Abs. 1 AVBGasV vertragsgegenständlich sein, wonach die Belieferung nach den jeweiligen Allgemeinen Tarifen erfolgen soll.
 
§ 4 Abs. 2 AVBGasV wiederum verhält sich tatbestandlich und rechtsfolgenseitig nur zur Änderung der - nicht vertragsgegenständlichen - Allgemeinen Tarife im Sinne von Absatz 1, verhält sich indes überhaupt nicht zur Änderung eines vereinbarten Erdgas- Sonderpreises (vgl. auch BGH KZR 2/07 Rn. 29, juris).  

Eine entsprechende Klausel entspricht zudem auch nicht den Anforderungen, welche die Rechtsprechung des BGH sonst an Preisänderungsklauseln zurecht nach dem Transparenzgebot gem. § 307 BGB stellt.

BGH, Urt. v. 21.04.2009 XI ZR 78/08 Rn. 38, juris:

 Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).

BGH, Urt. v. 21.04.2009 XI ZR 55/08 Rn. 32, juris:

Danach benachteiligt die angegriffene Klausel die Kunden auch insoweit unangemessen, als sie ein Zinsanpassungsrecht der Beklagten vorsieht. Auch ein solches benachteiligt die Kunden nur dann nicht unangemessen, wenn das Äquivalenzverhältnis gesichert ist, die Klausel mithin eine Bindung der Bank an den Umfang des Kostenanstiegs vorsieht und eine Verpflichtung der Bank enthält, Kostenminderungen an die Kunden weiter zu geben, ohne dass die Bank insoweit ein Ermessen hat (siehe schon BGHZ 97, 212, 217 f.; vgl. auch Staudinger/Kessal-Wulf, BGB (2004), § 492 Rn. 30 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird Nr. 17 Abs. 2 Satz 1 AGB nicht gerecht (siehe schon unter II 3 b cc).

Der achte Zivilsenat des BGH  begründet seine Rechtsauffassung damit, dass sich entsprechendes aus § 310 Abs. 2 BGB ergäbe. Dem ist nicht zu folgen.

Bei genauer Betrachtung räumt nämlich § 310 Abs. 2 BGB den Versorgungsunternehmen gar keine Privilegierung bei der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB und somit bei der Beachtung des Transparenzgebotes ein, wie sich aus der Rechtsprechung des Senats selbst ergibt:

 
BGH, Urt. v. 15.07.2009 VIII ZR 56/08 Rn. 17, juris:

Bei (Sonder-)Verträgen der Gasversorgung findet zwar gemäß § 310 Abs. 2 BGB eine Inhaltskontrolle nach §§ 308 und 309 BGB nicht statt, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (AVBGasV) abweichen, an deren Stelle die Gasgrundversorgungsverordnung getreten ist.   Die beanstandete Preisanpassungsklausel unterliegt aber als Preisnebenabrede (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, unter II 1 m.w.N.) in jedem Fall der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (BGHZ 138, 118, 123 zu den Vorgängerregelungen in § 23 Abs. 2 Nr. 2 und § 9 AGBG).

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz