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Autor Thema: Anwendung § 315 BGB bei überhöhten Abschlagszahlungen  (Gelesen 5991 mal)

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Offline komputer

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Anwendung § 315 BGB bei überhöhten Abschlagszahlungen
« am: 12. September 2005, 16:53:42 »
Hallo,

wir hätten da mal zwei Fragen zur Anwendung des § 315 BGB und zur Thematik allgemein:

Nach Erstbezug unseres EFH Ende letzten Jahres haben wir das ganze Jahr über höhere Abschläge gezahlt, als dies für die Begleichung der Kosten nötig gewesen wäre. Dieser überhöhte Betrag wurde allerdings nicht von meinem Versorger (EWE Ems Weser Elbe) gefordert, sondern von uns so vorgeschlagen weil die genauen tatsächlichen Kosten ja unbekannt waren und wir größere Nachzahlungen auf jeden Fall vermeiden wollten. Selbst wenn wir für Oktober 2005 keinen Abschlag mehr zahlen würden, liegen wir nach derzeitigem Stand mit unseren bisherigen Abschlagszahlungen schon über der Gesamtforderung der im Oktober fälligen Endabrechnung. Haben wir zum jetzigen Zeitpunkt noch eine Chance, mit dem Musterschreiben des Bundes der Energieverbraucher bei unserem Versorger etwas zu erreichen, oder müssten wir dann den zuviel bezahlten Betrag zurückklagen (was ja wohl nicht so sinnvoll wäre). Bisher haben wir in allen Beiträgen zu diesem Thema immer nur gelesen, dass der Versorger sich den \"zuwenig\" bezahlten Betrag einklagen müsste, dies aber in letzter Instanz aus verschiedenen Gründen nicht macht. Wie sieht es im umgekehrten Fall aus? In dem Musterbrief vermissen wir überdies eine Passage, dass wir dem Versorger z.B. die mehrfach zitierte Anpassung von 2 Prozent zugestehen.

Zur zweiten Frage: Nachdem wir nach Ablauf eines Jahres ungefähr wissen, welchen Verbrauch wir haben, werden wir den Abschlag natürlich für das nächste Jahr herabsetzten lassen wollen. Darf der Versorger den zuviel bezahlten Betrag mit den Folgemonaten verrechnen, oder muss er in jedem Fall den Betrag zurück überweisen?

Gruß
komputer

Offline Harry01

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Anwendung § 315 BGB bei überhöhten Abschlagszahlungen
« Antwort #1 am: 12. September 2005, 17:55:19 »
Zitat
Haben wir zum jetzigen Zeitpunkt noch eine Chance, mit dem Musterschreiben des Bundes der Energieverbraucher bei unserem Versorger etwas zu erreichen,

Ja. Sie können den Unbilligkeitseinwand jederzeit geltend machen, auch noch nach Erhalt der Jahresverbrauchsabrechnung.
 
Zitat
oder müssten wir dann den zuviel bezahlten Betrag zurückklagen (was ja wohl nicht so sinnvoll wäre).

Der Versorger wird zuviel bezahlte Beträge, die sich aus den unbilligen Preiserhöhungen ergeben, ganz sicher nicht erstatten. Einkalgen wird schwierig, weil sich die Beweislast umkehrt, d.h. Sie müßten dann die Unbilligkeit der Gaspreise beweisen.
Zitat
Bisher haben wir in allen Beiträgen zu diesem Thema immer nur gelesen, dass der Versorger sich den \"zuwenig\" bezahlten Betrag einklagen müsste, dies aber in letzter Instanz aus verschiedenen Gründen nicht macht. Wie sieht es im umgekehrten Fall aus?

Es gibt noch keinen bekannten Fall, daß ein Kunde auf Rückzahlung des Guthabens geklagt hat und damit auch Erfolg hatte.

Sie könnten aber dem Versorger ankündigen, daß Sie die letzte Abschlagzahlung zurückbuchen lassen. Dann wird der Versorger Ihnen zwar Rücklastschriftgebühren in Rechnung stellen (ca. €5,00), aber wenn Sie damit erreichen, daß es kein Guthaben mehr gibt, würde sich das vielleicht sogar rechnen.

Zitat
In dem Musterbrief vermissen wir überdies eine Passage, dass wir dem Versorger z.B. die mehrfach zitierte Anpassung von 2 Prozent zugestehen.

Sie brauchen dem Versorger nichts zugestehen, auch keine 2prozentige Erhöhung. Der Versorger muß die Angemessenheit der einseitigen Erhöhung nachweisen.

Zitat
Zur zweiten Frage: Nachdem wir nach Ablauf eines Jahres ungefähr wissen, welchen Verbrauch wir haben, werden wir den Abschlag natürlich für das nächste Jahr herabsetzten lassen wollen. Darf der Versorger den zuviel bezahlten Betrag mit den Folgemonaten verrechnen, oder muss er in jedem Fall den Betrag zurück überweisen?

Sie und auch der Versorger dürfen/darf Forderungen aus dem Vorjahreszeitraum nach § 367 BGB nicht verrechnen. Das müssen Sie dem Versorger aber mitteilen. Dieser Passus ist aber in dem Musterschreiben enthalten.

Offline RR-E-ft

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Anwendung § 315 BGB bei überhöhten Abschlagszahlungen
« Antwort #2 am: 12. September 2005, 18:01:29 »
@Harry01

Ich hätte die Antworten nicht besser geben können.

Insoweit scheint sich doch etwas geändert zu haben.

Meinen Respekt!


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Harry01

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Anwendung § 315 BGB bei überhöhten Abschlagszahlungen
« Antwort #3 am: 12. September 2005, 18:15:06 »
Danke Herr Fricke.

Vieles ändert sich. Und das ist manchmal ansteckend.


Grüße,

Harry01

Offline komputer

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Anwendung § 315 BGB bei überhöhten Abschlagszahlungen
« Antwort #4 am: 12. September 2005, 22:37:46 »
Hallo,

zuerst einmal vielen Dank für die Antwort an Harry01 und Hr. Fricke. Ganz schlau sind wir aber immer noch nicht. Auch bei Einbehaltung des letzten Abschlags hätten wir noch einiges zuviel bezahlt. Das Geld wäre dann vermutlich futsch, oder? Dabei ist uns noch eine Frage eingefallen: Darf der Versorger die Abschläge für Gas und Strom gegeneinander verrechnen? Der größte Teil der überhöhten Abschläge rührt nämlich vom Abschlag für den Strom und nicht fürs Gas.

Können wir auch in unserem Fall das Musterschreiben unverändert an den Versorger schicken und müssen dann nur die Einzugsermächtigung für den Gasanteil für den Monat Oktober entziehen? Oder wie ist der Ablauf ganz genau?

Gruß
komputer

Offline Cremer

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Anwendung § 315 BGB bei überhöhten Abschlagszahlungen
« Antwort #5 am: 12. September 2005, 23:34:19 »
@komputer,

richtig, Geld wäre futsch.

Getrennte Abschläge leisten für Strom und Gas, nicht zusammen auf einer Überweisung, keine Summenbildung (Strom 10€, Gas 20€ Abschlagsumme 30€)

Versorger darf, sofern die Abschläge aus mehreren Teilen (Strom, Gas, Wasser) bestehen, aufrechnen.

Einzugermächtigung wird nicht entzogen, sondern begrenzt

Sie sollten Widerspruch gegen Strom und Gas einlegen/eingelegt haben, dann können Sie den letzten Abschlag aussetzen.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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gerd@cremer-kreuznach.de

Offline Harry01

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Anwendung § 315 BGB bei überhöhten Abschlagszahlungen
« Antwort #6 am: 12. September 2005, 23:35:48 »
@komputer

Zitat
Das Geld wäre dann vermutlich futsch, oder?

Das Geld ist dann erstmal weg. Sie können aber auch zwei gezahlte Abschläge rückgängig machen. Ich bin mir nicht sicher, aber sowas geht auch über die viel zitierte 6-Wochen-Frist hinaus. Sie sollten den Versorger auffordern, die Beträge innerhalb einer angemessenen Frist zurückzuzahalen. Verstreicht die Frist ohne Reaktion, lassen Sie die Beträge zurückbuchen. Dann brauchen Sie auch nicht die Rücklastschriftgebühr begleichen.
Zitat
Dabei ist uns noch eine Frage eingefallen: Darf der Versorger die Abschläge für Gas und Strom gegeneinander verrechnen?

Das ist eine gute Frage. Ich kenne aber das Problem. Ich beziehe auch Strom und Gas von demselben Versorger, und deren Abschlagsplan sieht auch nur einen Gesamtbetrag vor, der sich aus Strom- und Gasabschlagsanteil zusammensetzt, aber nur als Gesamtbetrag gelistet wird. Ich habe jedoch darauf geachtet, das Vertragskonto nicht zu überzahlen, deshalb ist das Problem nicht aufgetreten. Wenn Sie nur die Gasabschläge rechnen würden, hätten Sie dann auch schon zuviel gezahlt?
Zitat
Können wir auch in unserem Fall das Musterschreiben unverändert an den Versorger schicken und müssen dann nur die Einzugsermächtigung für den Gasanteil für den Monat Oktober entziehen?

Sie sollten die Einzugsermächtigung komplett zurückziehen und die Abschläge selbst überweisen. Im Verwendungszweck machen Sie einen kurzen Vermerk über die Höhe der Einzelbeträge.

 

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