Einerseits sieht das Bundeskartellamt keinen Handlungsbedarf, in die Gestaltung der Energiepreise für Endverbraucher einzugreifen, als das Kurzgutachten „
Gerechtfertigte Strompreiserhöhungen?“ von Gunnar Harms im Auftrag von Bündnis 90 /Die Grünen feststellt, dass im Zeitraum 2008 - 2010 speziell RWE deutlich zu hohe Strompreise verlangt und die Preiserhöhungen nicht nachvollziehbar seien. Andererseits besteht nach einer Meldung des Spiegel vom 16.8.2010 das Interesse, den Großhandelsmarkt für Energie zu kontrollieren, siehe
http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,712085,00.html. Unter der Überschrift \"
Zusätzliche Aufsicht - Kartellamt soll Großhandel von Strom und Gas überprüfen\" berichtet der Spiegel, dass beim Bundeskartellamt nach Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums eine sogenannte \"
Markttransparenzstelle\" eingerichtet werden soll, die Großhandelspreise überwacht. „
Die Markttransparenzstelle ermöglicht es, einen Marktmissbrauch frühzeitig zu erkennen und dagegen einzuschreiten“, wird Peter Klocker, der Vizepräsident des Bundeskartellamtes, zitiert. Welch eine gute Tat des Bundeskartellamtes und der Bundesregierung steht uns als ausgebeuteten Stromverbrauchern da tatsächlich bevor?
Das Desinteresse an den Endkundenpreisen einerseits und der angeblich große Bedarf zur besonderen Aufsicht über die Großhandelspreise von Energie passen nicht zusammen. Beide Märkte sind wichtig, sowohl die Vorleistungen im Großhandel als auch die Angebote für Endverbraucher. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sieht vor, dass die Kartellbehörden auch das Ausnutzen marktbeherrschender Stellungen und Preismissbrauch gegenüber Endkunden unterbinden müssen, vgl.
§ 1 GWB,
§ 19 GWB und
§ 29 GWB. So schreibt es auch das Bundeskartellamt in seiner Selbstdarstellung unter
http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/Missbrauchsaufsicht/missbrauchsaufsichtW3DnavidW2639.php.
Wer das Bundeskartellamt und das konzernfreundlich agierende Bundeswirtschaftsministerium längere Zeit beobachtet, sollte sich nicht zu viel von der neuen Markttransparenzstelle erhoffen. Ich spekuliere, dass es sich um eine der üblichen Mogelpackungen handelt, mit der den Verbrauchern ihr Recht auf Schadenersatz nach
§ 33 GWB vorenthalten und eine Vorteilsabschöpfung durch das Bundeskartellamt zu Gunsten der Staatskasse nach
§ 32 GWB verhindert werden soll. Denn die
Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes zur Stromerzeugung/Stromgroßhandel steht möglicherweise in rund einem halben Jahr vor dem Abschluß. Zumindest suchte das Bundeskartellamt mit Ausschreibung vom 30.7.2010 bis Bewerbungsfrist 13.8.2010 eine Aushilfe für 6 Monate:
Homepage des Bundeskartellamtes unter http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/.../2010_07_30_Aushilfskraft.php
Zum nächstmöglichen Zeitpunkt wird zur Unterstützung der 10. Beschlussabteilung (Gas, Strom, Fernwärme, Missbrauchsaufsicht und Verfolgung von Hard-Core-Kartellen) eine
studentische Aushilfskraft
mit maximal der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (z. Z. 19,5 Std.) zunächst befristet für die Dauer von 6 Monaten – gesucht.
Aufgabengebiet
- Mitarbeit bei der Sektoruntersuchung Gastransport: Vertragsanalyse und Auswertung;
- Mitarbeit bei der Sektoruntersuchung Stromgroßhandel: Datenaufarbeitung, -speicherung, Kontrolle, Analyse und Auswertung (Datenbank/Makros);
- Mitarbeit bei der Fernwärme und Heizstrom: Datenaufarbeitung, -speicherung, Kontrolle, Analyse und Auswertung (Datenbank/Makros).
Wenn die Ergebnisse der Sektoruntersuchung nicht so günstig für die Energiekonzerne ausfallen, dann muss die Politik dem Volk zur Ablenkung einen Knochen hinwerfen, die neue \"Markttransparenzstelle\". Eigentlich ist die Markttransparenzstelle überflüssig, denn durch fortlaufende Sektoruntersuchungen nach
§ 32e GWB und entsprechende Publikationen könnte das Amt schon heute für Markttransparenz sorgen.
Doch es ist eine erprobte Strategie des Bundeskartellamtes, sich entgegen seinem Auftrag davor zu drücken, bereits begangene Kartellverstöße zu ahnden. Das Amt vermeidet verbindliche Feststellungen von Kartellverstößen, auf die Verbraucher Schadenersatzansprüche gründen könnten. Den Beleg für meine Behauptung liefert die Sektoruntersuchung Gastransport, deren Ergebnis das Bundeskartellamt am 17.12.2009 veröffentlichte, siehe
http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Stellungnahmen/0912_Abschlussbericht_SU_Gasfernleitungsnetze.pdf. In der Pressemitteilung drückte es das Bundeskartellamt wie folgt aus:
[URL]http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/archiv/PressemeldArchiv/2009/2009_12_17.php [/URL]
Die Feststellungen des Bundeskartellamtes zu der Marktabschottungswirkung legen grundsätzlich die Einleitung von Missbrauchsverfahren nahe. Zunächst soll jedoch die gesetzliche Entwicklung abgewartet werden. In einem Eckpunktepapier der Bundesregierung ist geplant, die Laufzeiten der Kapazitätsbuchungen in der anstehenden Novelle der Gasnetzzugangsverordnung auch für bestehende Verträge gesetzlich zu begrenzen. Dieses Vorhaben befürwortet das Bundeskartellamt ausdrücklich. Die etwaige Einleitung von Missbrauchsverfahren würde sich damit erübrigen.
Statt die bereits begangenen Missbräuche der Vergangenheit zu ahnden und die Verursacher finanziell zur Verantwortung zu ziehen, wartet das Bundeskartellamt lieber ab. Die Behörde verfährt nach dem Motto: \"
Was in der Vergangenheit passierte, ist sowieso egal, uns interessiert nur die Zukunft.\" Nach dem Prinzip müsste jeder Bankräuber seine Beute Beute behalten dürfen und ohne Strafe bleiben. In schlimmen Fällen mit besonders großer Beute müßte der ertappte Bankräuber für die Zukunft geloben, keine Bank mehr auszurauben. Im Kartellrecht heißt das Versprechen \"Verpflichtungszusage\" und ist in
§ 32b GWB gesetzlich geregelt. Schauen wir einmal, was aus der \"Markttransparenzstelle\" wird und ob sie rein zufällig gleichzeitig mit den Ergebnissen der Sektoruntersuchung Stromgroßhandel der Öffentlichkeit vorgestellt wird!
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
Email:
Lothar.Gutsche@arcor.de