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Autor Thema: Hinweisbeschluss LG Frankfurt/ Oder v. 11.05.2010 zu Az. 14 O 162/09 [Zahlungsklage der EWE]  (Gelesen 2367 mal)

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Offline RR-E-ft

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Der Rechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt/ Oder zum dortigen Aktenzeichen 14 O 162/09 betrifft die Zahlungsklage der EWE gegen einen Nicht- Haushaltskunden.

Hierzu schreibt das Gericht den Prozessebteiligten in einem Hinweisbeschluss vom 11.05.2010 wie folgt:


in dem Rechtsstreit
EWE AG ./. .....


A. Es wird terminsvorbereitend auf Folgendes hingewiesen:

I. Antrag
Der Antrag dürfte nicht hinreichend bestimmt sein, da unklar ist, in welchem Verhältnis die Beklagten haften sollen.

II. Vertragspartner:

Vertragspartner dürfte die Beklagte zu 3.) bestehend aus B1 und B2 geworden sein.

III. Allgemeines

Auf die Beklagte zu 3.) dürfte die Vorschrift des § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB anzuwenden sein, da sie hei Abschluss des Vertrags als Unternehmerin im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB gehandelt haben dürfte.

IV. Verbrauch
Der Vortrag der Klägerin zu der geltend gemachten Forderung dürfte zum Teil unklar sein.
Aus dem vorgelegten Forderungssaldo ergibt sich nicht hinreichend deutlich, welcher Verbrauch jeweils geltend gemacht wird und welcher Teil der Forderung (Arbeits/Grundpreis) jeweils offen ist.

Auch haben die Beklagten den Verbrauch teilweise bestritten, wobei aber möglicherweise § 21 AVBGasV zu beachten sein könnte.

V. Vertragsverhältnis bis 31.3.2007

1. Vertragsinhalt
a) Auftrag

(1)   In dem von der Beklagten zu 3.) unterschriebenem Auftrag über die Herstellung eines Erdgas-Hausanschluss wird auf ein „Angebot\" Bezug genommen. Dieses liegt nicht vor. Soweit in diesem Auftrag auf die \"Verordnung über Allgemeine Versorgungsbedingungen\" und \"Ergänzenden Bestimmungen\" Bezug genommen wird, wird darauf hingewiesen. dass letztere nicht zur Gerichtsakte gelangt sind.

(2)   Aus dem Auftrag dürfte sich keine wirksame Bestätigung ergeben, dass die Unterlagen tatsächlich übersandt worden sind. Denn die unterschriebene Bestätigung dürfte gegen § 307 BGB verstoßen. Der Rechtsgedanke des § 309 Nr. 12 b BGB gilt grundsätzlich auch bei Unternehmern (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 309 Rn. 103).  (3)   Aus dem Auftrag ergibt sich ausdrücklich zudem nur ein Auftrag zur Herstellung eines Hausanschlusses. nicht aber über die Versorgung.

1)) Auftragsbestätigung vom 29.11.96

(1)   Die Auftragsbestätigung dürfte wohl kein kaufmännisches Bestätigungsschreiben darstellen; jedoch könnte sie als modifizierte Annahme gemäß § 150 BGB ein neues Angebot unter Abänderung sein (vgl. Schlosser, in: Staudinger (2006), § 305 Rn. 196). Mit diesem dürfte der Beklagten zu 3.) der Abschluss des Vertrags unter Einbeziehung der Allgemeinen Versorgungsbedingungen angeboten worden sein. Dieses Angebot dürfte die Beklagten zu 3.) durch konkludentes Verhalten, spätestens durch die erste vorbehaltlose Zahlung angenommen haben.

(2)   Die Allgemeinen Versorgungsbedingungen dürften Vertragsbestandteil geworden sein. Gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB war die Einhaltung der Einbeziehungsvoraussetzungen nicht notwendig. Einer Übersendung der Versorgungsbedingungen bedurfte es mithin nicht (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 309 Rn. 157).

(3)   Aus der Auslegung der Auftragsbestätigung dürfte sich ergehen, dass die Beklagte zu 3.) Sondervertragskundin geworden ist. In dieser wurde ausdrücklich das Wort „Gas- Sondervereinbarung\" benutzt und auf den zu erwartende Jahresverbrauch abgestellt. Der Tarif wurde als „Sonderv S1\" bezeichnet und ein Preis von 39,00 Pfg/cbm vereinbart. Auch die Klägerin selbst ist im Schreiben vom 8. Januar 2007 von einer bestehenden Sondervereinbarung ausgegangen.

Wie die Klägerin intern zu dem Entschluss gekommen ist, der Beklagten zu 3.) eine Sondervereinbarung anzubieten, dürfte unerheblich sein.

(4)   Ein Preisanpassungsrecht dürften die Parteien wohl nicht wirksam vereinbart haben. Aus der Auftragsbestätigung selbst ergibt sich dies nicht. Auch durch den Verweis auf die Allgemeinen Versorgungsbedingungen dürfte dies nicht erfolgt sein.

§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV sprechen von \"allgemeinen Tarife\" und gerade nicht von Sondertarifen. Insofern ist unklar, inwieweit durch den Verweis auf die AVBGasV auch auf die Preisänderungsmöglichkeit Bezug genommen werden sollte. Insofern ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB davon auszugehen, dass ein Preisanpassungsrecht nicht vereinbart werden sollte.

c)   Höhe des vereinbarten Preises
Da die Beklagte zu 3.) sich erst gegen Preisanpassung ab dem 1. August 2005 gewandt hat, ist aber wohl davon auszugehen, dass zwischen den Parteien ein neuer Preis von 4,31 Ct/kWh netto bzw. 5,13 Ct/kWh brutto vereinbart worden ist (BGH NJW 2540 [25431)

d)   Änderung der Vertragsbedingungen durch widerspruchsloses Zahlen?

Dagegen geht die Kammer derzeit nicht davon aus, dass in dem widerspruchslosen Zahlen der Beklagten zu 3.) gemäß §§ 133, 157 BGB über das Einverständnis zu der konkreten Erhöhung hinaus ein Einverständnis zur grundsätzlichen Berechtigung von Preiserhöhungen zu sehen ist.

e) Ergänzende Vertragsauslegung

Die Kammer vermag nach dem bisherigen Vortrag nicht davon auszugehen, dass ersichtlich ist, dass kein Festpreis gewollt sei.
 
Auch eine Unzumutbarkeit des Festhaltens an dem Vertrag für die Klägerin vermag die Kammer nicht anzunehmen. Gemäß § 32 Abs. 1 AVBGasV war die Kündigung erstmals nach einem Jahr, und dann jeweils einen Monat zum Ende eines Kalendermonats zulässig. Soweit die Klägerin vorträgt, dass es ihr aufgrund der besonderen Umstände des, Massengeschäfts unzumutbar war, vermag die Kammer derzeit nicht davon auszugehen, dass sich eine Verwenderin von AGB auf ein derartiges Argument berufen kann. Der BGH hat dies bisher, soweit ersichtlich, offen gelassen.

f) Anwendung des § 306 Abs. 3 BGB
Aus den oben genannten Gründen kommt wohl auch die Anwendung des § 306 Abs. 3 BGB nicht in Betracht.

2. Vorsorglich: Billigkeit
Das Berufen auf den Vergleichsmarkt dürfte hier schon deswegen nicht durchdringen, da nicht hinreichend vorgetragen ist, dass und warum eine Vergleichbarkeit der in Bezug genommenen Märkte vorliegt.

VI. Vertragsverhältnis ab 1.4.2007

1.   Von einer wirksamen Änderung des Vertragsverhältnisses zum 1. April 2007 geht die Kammer derzeit nicht aus.

Dass die Beklagten zu 3.) die Vertragsänderung vom 8. Januar 2007 angenommen hat, ist nicht ersichtlich. Allein das Verstreichenlassen der einseitig gesetzten Annahmefrist führt nicht zum Vertragsschluss. Auch der Weiterbezug des Erdgases dürfte im Hinblick auf die Widersprüche der Beklagten zu 3.) zu den Preiserhöhungen gemäß §§ 133, 157 BGB wohl nicht als konkludente Annahme ausgelegte werden.

2.   Selbst wenn man von einer wirksamen Änderung des Vertrags ausgehen würde, wäre aber das Preisanpassungsrecht gemäß den AGB wohl nicht wirksam. Denn die diesbezügliche Klausel nimmt auf den „Eintritt\" einer Änderung der Preise der EWE für    die Grundversorgung Bezug.

Was mit diesem „Eintritt\" gemeint ist, ist aber unklar. Es kann insofern auch die unzulässige Geltendmachung eines höheren Preises gemeint sein. Dies wäre aber eine unangemessene Benachteiligung.

VII. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

B.

Des weiteren dürfte eine Terminierung nach dem 16.06.2010 sinnvoll sein, da an diesem Tage die Entscheidung des BGH in der Sache VIII ZR 246/08 vorliegt.


========

Der Hinweis unter A. IV deckt sich mit der Rechtsprechung des LG Potsdam.

Zutreffend unterscheidet die Kammer zwischen dem Abschluss von Anschlussverträgen und dem Abschluss von Gaslieferungsverträgen.

Die Kammer würde wohl dafür halten, dass es für die Einbeziehung gegenüber Verbrauchern - anders als gegenüber Unternehmern- gem. § 305 Abs. 2 BGB der vorherigen Übersendung bedurfte.

Die Kammer erkennt, dass § 4 AVBGasV weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig eine Regelung zur Änderung von Sondertarifen bzw. vertraglich vereinbarten Sonderpreisen enthält.

Zu der Preisneuvereinbarung bei unwirksamer Einbeziehung einer Preisänderungsklausel bzw.deren Unwirksamkeit siehe aber LG Bonn, Urt. v. 29.04.10 Az. 7 O 20/10

 

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