LG Frankenthal, Urt. v. 10.09.09, Az. 2 HK O 90/09Der beklagte Gaskunde der Pfalzgas hatte den einseitigen Preiserhöhungen in 2008 widersprochen und die Verbrauchsabrechnung auf die bisher geltenden Preise gekürzt. Der Versorger klagte die Differenz aus der Verbrauchsabrechnung (147,26 EUR) ein. Das Landgericht gab der Klage mit nicht überzeugender Begründung statt.
Das Gericht ist unzutreffend der Auffassung, es könne dahinstehen, ob der Beklagte grundversorgter Kunde oder Sondervertragskunde sei, weil in beiden Fällen
mangels anderweitiger Vertragsabrede die Bestimmungen der GasGVV gelten würden.
Der BGH hat wiederholt klargestellt, dass die Bestimmungen der AVBGasV und der GasGVV für Sondervertragskunden nicht unmittelbar gelten (vgl. BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07). Dies ergibt sich bereits aus den gesetzlichen Regelungen selbst, vgl. § 1 AVBGasV/ GasGVV.
Die Bestimmungen der GasGVV können folglich in einem Sondervertrag
allenfalls dann Geltung beanspruchen, wenn sie als AGB gem. § 305 II BGB wirksam in den Vertrag einbezogen wurden.
Das Gericht ist weiter der Auffassung, eine Billigkeitskontrolle sei nicht gegeben, wenn der Kunde die Möglichkeit habe, den Vertrag vor Wirksamwerden der Preisänderung durch Kündigung zu beenden und den Lieferanten zu wechseln. Eine Unbilligkeitseinrede gegenüber einer einseitigen Leistungsbestimmung des Versorgers sei dann rechtsmissbräuchlich.
Diese Auffassung ist rechtsfehlerhaft.
Der BGH hat in seinen Entscheidungen vom 15.07.09 (VIII ZR 225/07 und VIII ZR 56/08] indes festgestellt, dass es ein grundversorgter Kunde im Falle einer einseitigen Preisänderung in Ausübung des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 5 GasGVV entweder den Grundversorgungsvertrag durch Kündigung beenden oder sich gem. § 315 BGB, § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV auf die Unbilligkeit berufen und es auf eine gerichtliche Billigkeitskontrolle ankommen lassen kann. Eine solche Möglichkeit (
Alternative) solle auch für einen Sondervertragskunden bestehen, wenn in den Vertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen einbezogen seien, die das für grundversorgte Kunden geltende gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht unverändert übernehmen. Auch dann solle dem Kunden die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB eröffnet sein. Wenn dies aber der Fall sei, so stünde der Sondevertragskunde nach Auffassung des VIII. Zivilsenats des BGH nicht schlechter als ein grundversorgter Kunde.
Die Entscheidung des Landgerichts verkennt, dass das Gasversorgungsunternehmen überhaupt nur dann zur einseitigen Preisänderung im laufenden Vertragsverhältnis berechtigt ist, wenn diesem - entweder gesetzlich oder vertraglich - ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt ist, in diesem Fall auch eine gesetzliche Verpflichtung zu einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung gegenüber dem Kunden besteht (vgl. BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08].
§ 315 BGB findet dann unmittelbare Anwendung. Die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle ist die unmittelbare Folge der unmittelbaren Geltung des
§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Ob die einseitige Leistungsbestimmungen der Pfalzgas in Form der widersprochenen Preisänderungen gegenüber dem beklagten Gaskunden verbindlich waren, bedurfte deshalb der Feststellungen, ob der Pfalzgas im konkreten Vertragsverhältnis überhaupt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt war und
ob ggf. die einseitigen Leistungsbestimmungen gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB jeweils der Billigkeit entsprachen.
Waren die einseitigen Leistungsbestimmungen dem Grunde nach unzulässig oder entsprachen sie nicht der Billigkeit, können sie keine verbindlichen Kaufpreisforderungen begründen.
Die Möglichkeit der Unbilligkeitseinrede folgt bei grundversorgten Kunden aus der gesetzlichen Regelung § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Ist in Sonderverträgen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers gem. § 315 BGB vertraglich vereinbart, ist § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB darauf unmittelbar anwendbar.
Die Ausübung vertraglicher/ gesetzlicher Rechte durch den Kunden kann selbst nicht rechtsmissbräuchlich sein.
Gegenüber Tarifkunden besteht eine gesetzliche Versorgungspflicht und sind die Allgemeinen Tarife gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden (vgl. BGH KZR 2/07).