Mit Beschluss vom 11.7.2012 hat das OLG Nürnberg meine Anhörungsrüge und Gegenvorstellung als unbegründet zurückgewiesen. Die Anhörungsrüge mit Gegenvorstellung vom 2.7.2012 ist unter
http://www.ra-bohl.de/Anhorungsruge_nach_P_321a_ZPO_an_OLG_Nurnberg_v._02.07.2012.pdf veröffentlicht, der fünfseitige Verwerfungsbeschluss des OLG Nürnberg leider noch nicht.
1. gesetzliche Grundlage für Preisfestsetzung1.1 Widerspruch bezüglich der gesetzlichen GrundlageIch hatte schon bei Verkündung des Urteils nicht verstanden, auf welcher Rechtsgrundlage das OLG Nürnberg die neuen Preise für Strom und Gas festsetzt. Jetzt würde ich sagen, dass die Richter Peter Küspert, Thomas Koch und Peter Hilzinger parteiisch zu meinem Nachteil entschieden haben. Denn im Verwerfungsbeschluss vom 11.7.2012 zur Anhörungsrüge äußert sich das OLG Nürnberg erstmalig zu der zentralen Frage, aus welchem Gesetz sich im konkreten Fall das Recht des Gerichts zur Festsetzung von Preisen ableitet. Unter Punkt II. 2. auf Seite 4 seines Beschlusses vom 11.7.2012 erweckt das OLG Nürnberg den Eindruck, als ob es durch Urteil ersatzweise die Leistung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB bestimmt:
„
Soweit es die Kürzung der Strom- und Gaspreise der Klägerin betrifft, legt der Beklagte keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, sondern wendet sich gegen die Rechtsansicht des Senats. Eine Festsetzung des zulässigen Entgelts auf Null wäre dabei – wie der Beklagte selbst ausführt – rechtsfehlerhaft, wenn geeignete Anhaltspunkte für die nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB vorgesehene ersatzweise Leistungsbestimmung durch Urteil vorliegen (BGH ZIP 2010, 1959; ZNER 2012, 1791).“
Im Zusammenhang mit dem Verzinsungsanspruch behauptet das Gericht auf Seite 5 seines Beschlusses vom 11.7.2012, dass in seinem Urteil vom 15.6.2012 weder bei den Strom- noch bei den Gaspreisen § 315 Abs. 3 S. 2 BGB angewendet wird:
„
Hinsichtlich der Strom- und Gaspreise liegt kein Fall einer ersatzweisen Festsetzung der billigen Leistung durch das Gericht nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB vor.“
Damit widerspricht das OLG Nürnberg sich selbst, auf welcher gesetzlichen Grundlage es die Preise für Strom und Gas festgesetzt hat, die ich nun laut Urteil an die Stadtwerke Würzburg zahlen soll. Die Zitate aus dem Verwerfungsbeschluss offenbaren den Widerspruch.
1.2 fehlender Antrag der Parteien nach § 315 Abs. 3 BGBNach den zitierten Äußerungen auf Seite 4 seines Verwerfungsbeschlusses vom 11.7.2012 stützt der Kartellsenat seine Preisfestsetzung auf § 315 Abs. 3 S. 2 BGB. Im gesamten Verfahren haben jedoch weder die Stadtwerke Würzburg noch ich einen Antrag gestellt, dass das Gericht ersatzweise die billige Leistung durch Urteil nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB festlegen soll. Denn die Stadtwerke als Klägerin haben stets vollständig ihre Forderung durchsetzen wollen, die auf unbilligen Leistungsbestimmungen beruht. Ein teilweiser Verzicht auf ihre Forderung kam für die Stadtwerke weder in den Güteverhandlungen noch in ihren Schriftsätzen in Frage. Nicht einmal hilfsweise beantragten die Stadtwerke eine gerichtliche Festsetzung der strittigen Preise nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, obwohl sie nach den Vorinstanzen am Amtsgericht Würzburg und am LG Nürnberg-Fürth damit rechnen mussten, dass sie die Billigkeit ihrer Preise nicht ausreichend nachweisen könnten. Vielmehr beharrten die Stadtwerke bis zum Schluss des mehrjährigen Verfahrens auf dem Standpunkt, all ihre Preise für Strom, Gas und Trinkwasser würden der Billigkeit entsprechen und ich als Beklagter hätte die in Rechnung gestellten Beträge vollständig zu begleichen.
Als Beklagter habe ich dagegen immer die Unbilligkeit und sogar die Kartellrechtswidrigkeit der Preissetzung für Strom, Gas und Trinkwasser eingewendet. Ich verlangte stets einen Nachweis der Billigkeit durch Offenlegung der Preiskalkulationen und durch Nachweis, dass die geltend gemachten Kosten wirklich betriebsnotwendig waren. Keine der beiden Parteien hat eine gerichtliche Festsetzung beantragt. Selbst im Wege der Auslegung hätte sich kein entsprechender Antrag in verdeckter Form finden lassen. Im Kommentar von Volker Rieble in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 315 Rn. 415 heißt es dazu (Hervorhebungen schon im Original):
„
Das Gestaltungsrecht setzt auch in verdeckter Form einen entsprechenden ‚Antrag’, also eine hinreichend eindeutige Willensentschließung des Berechtigten voraus, mit der er nicht bloß Leistung sondern eine richterliche Gestaltung begehrt. Keinesfalls darf der Richter von Amts wegen die Ersatzleistungsbestimmung aussprechen. Klagt der Gläubiger auf Leistung gemäß der eigenen Leistungsbestimmung und kommt das Gericht zum Ergebnis, dass diese unbillig ist, so muß es die Klage abweisen, wenn weder der Gläubiger noch der Schuldner deutlich gemach haben, daß sie eine richterliche Gestaltung wünschen. Läßt sich ein entsprechender Parteiwille dem Vortrag selbst im Wege der Auslegung nicht entnehmen, verstößt eine gleichwohl ergangene Gestaltungsentscheidung gegen § 308 Abs 1 S 1 ZPO (MünchKommZPO/MUSIELAK³ § 308 Rn 9).“
Dieses Antragerfordernis ist auch gefestigte Rechtsprechung des BGH. So heißt es z. B. in dem BGH-Urteil unter Az. X ZR 60/04 vom 5.7.2005 in Abschnitt II 1. b) der Urteilsgründe (Hervorhebung durch mich):
„
Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.).“
Demnach hätte das OLG Nürnberg die Klage der Stadtwerke abweisen müssen, nachdem es die Kartellrechtswidrigkeit und damit auch die Unbilligkeit der Energiepreise festgestellt hatte. Auch der vom OLG Nürnberg festgestellte kartellrechtswidrige Preishöhenmissbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB hat gerade nicht automatisch die Rechtsfolge, dass ein Gericht gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine der Billigkeit entsprechende Bestimmung treffen könnte. Weder in seinem Urteil vom 15.6.2012 noch in seinem Verwerfungsbeschluss vom 11.7.2012 geht das OLG Nürnberg auf die zentrale Frage ein, auf welcher Rechtsgrundlage im konkreten Fall das Recht des Gerichts zur Festsetzung von Preisen beruht.
1.3 kein Antrag von mir nach § 33 GWBNach Seite 5 seines Beschlusses vom 11.7.2012 hat das OLG Nürnberg die Energiepreise gekürzt, weil mir als Beklagtem und Kartellgeschädigtem „
ein Unterlassungsanspruch nach § 33 Abs. 2 GWB zusteht.“ Erstmalig nennt das Gericht am 11.7.2012 mit § 33 GWB die gesetzliche Grundlage, auf die es seine Entscheidung stützt. Im Urteil vom 15.6.2012 hieß es im Zusammenhang mit den Konsequenzen aus dem Preismissbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB auf Seite 14 noch nebulös, dass der „
Schaden des Beklagten zu schätzen (§ 287 ZPO)“ sei.
Nun habe ich im gesamten Verfahren von September 2008 bis Juni 2012 nie einen Antrag auf Schadenersatz nach § 33 GWB gestellt. Vielmehr habe ich stets nur die Unbilligkeit und die Kartellrechtswidrigkeit der Preisgestaltung eingewendet. Aus der Kartellrechtswidrigkeit einer Preisforderung resultiert direkt deren Unbilligkeit im Sinne des § 315 BGB. Vor dem Hintergrund hätte das Gericht neue Preise nur nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB festsetzen können, d. h. ein Gestaltungsurteil fällen können, sofern überhaupt ein Antrag von einer der beiden streitenden Parteien vorliegt. Für eine gerichtliche Preisbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB liegen aber nach den Erläuterungen aus dem vorigen Abschnitt die Voraussetzungen überhaupt nicht vor.
1.4 kein VerzinsungsanspruchDas OLG Nürnberg bestreitet auf Seite 5 seines Verwerfungsbeschlusses vom 11.7.2012, ein Gestaltungsurteil getroffen zu haben. Vor dem Urteil vom 15.6.2012 war mir jedoch der zu zahlende, „billige“ Preis unbekannt. Damit handelt es sich in Bezug auf die Festsetzung von Strom- und Gaspreisen bei dem Urteil des OLG Nürnberg um ein sogenanntes Gestaltungsurteil. Hätte ich zu viel bezahlt, hätte ich in einem Rückforderungsprozess die Beweis- und Darlegungslast tragen müssen.
Es liegt genau die Situation vor, derentwegen die von mehreren BGH-Senaten geteilte und seit Jahren gefestigte Rechtsprechung einen Verzinsungsanspruch auf den billigen Teil der Forderung erst mit Rechtskraft des Urteils anerkennt. Details dazu sind sowohl in Vorinstanzen des Prozesses als auch in der Anhörungsrüge vom 2.7.2012 auf Seite 18 – 19 vorgetragen worden. Trotz dieses umfassenden Vortrags beharrt das OLG Nürnberg in seinem Verwerfungsbeschluss starr und ohne jede Einsichtsfähigkeit auf seiner völlig unhaltbaren Rechtsansicht.
2. Übergehen eindeutiger BeweismittelBei der Prüfung der Frage, ob die Trinkwasserpreise der Stadtwerke Würzburg der Billigkeit entsprechen oder ob sie sogar kartellrechtswidrig sind, hat das OLG Nürnberg eindeutige Beweismittel bewusst übergangen. In der Anhörungsrüge vom 2.7.2012 wurde nochmals dargelegt, wie sehr das Urteil des OLG Nürnberg von der Leitsatzentscheidung „Wasserpreise Wetzlar“ des BGH vom 2.2.2010 unter Aktenzeichen KVR 66/08 abweicht. Doch selbst danach überging das OLG Nürnberg zu meinem Nachteil in willkürlicher Form die vorgetragenen Preis- und Kostenbenchmarks.
2.1 Missachten eines Preis-BenchmarksBereits in der Berufungserwiderung vom 20.10.2009 am LG Würzburg hatte ich wie auch in der Anhörungsrüge vom 2.7.2012 folgenden Preis-Benchmark als Auszug der bayerischen Städte aus einem bundesweiten Vergleich vorgelegt, vgl. Seite 9 in
http://www.ra-bohl.de/Anhorungsruge_nach_P_321a_ZPO_an_OLG_Nurnberg_v._02.07.2012.pdf.
In dem Vergleich erweist sich Würzburg als teuerster Anbieter und selbst die nach Aussagen der Stadtwerke Würzburg so preiswerte Marktgemeinde Zell erreicht nur einen der hinteren Ränge als relativ teurer Anbieter. In keinem Fall ist das Trinkwasser in Zell bayernweit am günstigsten, wie die Stadtwerke Würzburg AG in ihrem Schriftsatz vom 2.4.2009 im erstinstanzlichen Verfahren glauben machen will.
Das OLG Nürnberg stellt unter Punkt (13) auf Seite 26 seiner Urteilsbegründung in Frage, „ob die Auswahl der genannten Städte repräsentativ ist.“ Einem bayerischen Gericht dürfte die Kenntnis zuzuschreiben sein, dass es sich bei den angegebenen Orten um alle bayerischen Großstädte handelt und die Auswahl selbstverständlich „repräsentativ“ ist. Im übrigen hält der BGH in seinem Leitsatzurteil „Wasserpreise Wetzlar“ vom 02.02.2010 unter Aktenzeichen KVR 66/08 in juris-Randnummer 68 fest, dass sogar
ein einziges Unternehmen zum Vergleich ausreicht, „
wobei dann die wegen der schmalen Vergleichsbasis bestehenden Unsicherheiten angemessen hätten berücksichtigt werden müssen (BGHZ 129, 37, 48 - Weiterverteiler; BGH, WuW/E 2309, 2311 - Glockenheide).“
Auch der 3. Abschlussbericht „
Effizienz- und Qualitätsuntersuchung der kommunalen Wasserversorgung in Bayern (EffWB) 2007“ bestätigt mit einer Tabelle auf Seite 55, dass die Stadtwerke Würzburg einen weit überdurchschnittlichen Endkundenpreis für ihr Trinkwasser fordert. Während in Bayern 2006 für den normierten Haushalt 1,42 €/m³ netto (ohne Umsatzsteuer) fällig werden, verlangt die Stadtwerke Würzburg AG in Zell 1,66 €/m³ und in Würzburg 1,99 €/m³. Die Preise der Stadtwerke Würzburg sind jeweils noch um einen Grundpreisanteil von 0,13 €/m³ (= 1,250.499,46 € Grundpreiserlöse / 9.306.924,00 m³ Gesamtverbrauch im Jahr 2006) zu erhöhen.
2.2 Missachten eines Kosten-BenchmarksMit der Berufungsbegründung vom 20.04.2011 hatte ich am OLG Nürnberg wie in der Vorinstanz den 3. Abschlussbericht „Effizienz- und Qualitätsuntersuchung der kommunalen Wasserversorgung in Bayern (EffWB) 2007“ der Nürnberger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner GbR vorgelegt, vgl.
http://www.roedl-benchmarking.de/downloads/BerichtBY2007.pdf. Die Stadtwerke Würzburg AG bzw. ihrer Muttergesellschaft WVV hat laut Teilnehmerliste an diesem Benchmark für Wasserversorger freiwillig teilgenommen. Die Untersuchung EffWB betrifft das Kalenderjahr 2006. Darin findet sich auf Seite 63 in Abschnitt 5.1 eine Darstellung der Gesamtkosten.
Selbst wenn man zu Gunsten der Stadtwerke Würzburg annimmt, dass sie bayernweit die höchsten Trinkwasserkosten aufweist, so liegt der maximale Wert von 2,03 €/m³ deutlich unter dem Arbeitspreis von 2,22 €/m³, den die Stadtwerke über das von ihr eingebrachte PWC-Gutachten als Kosten geltend machen wollte. Auch nach der Korrektur der Abschreibungsmethode liegen die angeblichen Wasserkosten der Stadtwerke Würzburg im Jahr 2006 mit 2,07 €/m³ über dem Maximalwert von 2,03 €/m³ aus dem Rödl-Gutachten EffWB. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass in den Kostenwerten des Rödl-Gutachtens diejenigen Leistungen bereits enthalten sind, die mit den Grundpreisen bezahlt werden, während bei den Stadtwerken Würzburg diese Kosten noch hinzuzurechnen sind.
Auf Seite 22 des Berichtes EffWB werden die Gesamtkosten nach der Netzeinspeisung differenziert. Mit einem Gesamtverbrauch von 9,3 Mio. m³ Trinkwasser im Jahr 2006 gehört die Stadtwerke Würzburg AG in die Klasse der größten Unternehmen und muss als Benchmark die angegebenen 1,22 €/m³ akzeptieren. Die von den Stadtwerke Würzburg berechneten Gesamtkosten von 2,22 €/m³ vor Korrektur der Abschreibungsmethode überschreiten diesen Vergleichswert um 82%. Selbst nach Korrektur der Abschreibungsmethode übersteigen die angeblichen Kosten von 2,07 €/m³ den Benchmark um rund 70 %. Auch hier wären bei den Stadtwerken Würzburg noch die anteiligen Grundentgelte in Höhe von 0,13 €/m³ hinzuzurechnen.
Das OLG Nürnberg hat die Widersprüche zwischen dem PWC-Gutachten und dem Rödl-Gutachten nicht hinterfragt, sondern dem Parteigutachten von PWC volle Beweiskraft zugesprochen. Der Benchmark der Wasserkosten lässt zweifelsfrei darauf schließen, dass die Stadtwerke Würzburg AG Monopolvorteile ausnutzt oder höchst ineffizient wirtschaftet. Die Stadtwerke missbrauchen ihre Monopolstellung in der Wasserversorgung im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB, indem sie Entgelte fordern, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Bei wirksamem Wettbewerb könnte die Stadtwerke Würzburg AG ihre durch Ineffizienzen verursachten hohen Kosten nicht am Markt in den geforderten Wasserpreisen bei ihren Kunden durchsetzen.
2.3 kein Bestandsschutz für monopolbedingte IneffizienzenNach der Logik des OLG Nürnberg auf den Seiten 26 – 28 seines Urteils ist folgender Billigkeitsnachweis für Trinkwasserpreise zulässig: ein Wasserversorger wie die Stadtwerke Würzburg AG legt seine Kostenkalkulation dar, und wenn die geforderten Preise nicht wesentlich über den dargelegten Kosten liegen, dann ist der geforderte Preis billig. Damit öffnet das Gericht Ineffizienzen im Betrieb der Stadtwerke und total überhöhten Kosten Tür und Tor. Denn nur dann, wenn die geltend gemachten Kosten wirklich betriebsnotwendig sind und einem effizienten Betrieb entsprechen, kann im Sinne von § 315 BGB die Billigkeit des Preises als nachgewiesen gelten. Gerade in einer Monopolsituation, wie sie bei den Stadtwerken in der Wasserversorgung vorliegt, besteht die Gefahr, dass die Kosten unwirtschaftlichen Handelns einfach an die Endverbraucher weitergewälzt werden.
Der BGH hat dazu am 02.02.2010 in seinem Leitsatzurteil „Wasserpreise Wetzlar“ unter Aktenzeichen KVR 66/08 in juris-Randnummer 42 festgestellt:
„
Ein Bestandsschutz für monopolbedingte Ineffizienzen oder Preisüberhöhungstendenzen ist nicht anzuerkennen (BGHZ 59, 42, 47 f. - Strom-Tarif; BGHZ 129, 37, 49 f. - Weiterverteiler; s. auch BGHZ 163, 282, 292 f. - Stadtwerke Mainz; BGH, Beschl. v. 21.10.1986 - KVR 7/85, WuW/E 2309, 2311 f. - Glockenheide).“
In den juris-Randnummern 62 – 63 vertieft der BGH sogar diesen Aspekt:
„
An den Nachweis der Umstände, die einen ungünstigeren Preis rechtfertigen können, dürfen nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden. Nur so lässt sich der Gefahr begegnen, dass monopolistische Kostenüberhöhungstendenzen in die Beurteilung einfließen (BGHZ 142, 239, 249 - Flugpreisspaltung). Bereits in der Begründung des Regierungsentwurfs zur 4. GWB-Novelle 1978 wird darauf abgehoben, dass die Berücksichtigung der strukturellen Verhältnisse des Versorgungsgebiets nicht zu einer ungerechtfertigten Konservierung ungünstiger Gebiets- und Unternehmensstrukturen führen dürfe (BT-Drucks. 8/2136 S. 33 f.). Das gilt auch für Mehrkosten, die dem Unternehmen als Folge topografisch oder geologisch schwieriger Bedingungen seines Versorgungsgebiets erwachsen. Auch insoweit hat es konkret nachzuweisen, in welcher Höhe solche Mehrkosten anfallen, wie diese Mehrkosten in die verlangten Preise einfließen und dass insoweit keine Rationalisierungsreserven bestehen.
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Betroffenen nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht gerecht. Die bloße Behauptung, sämtliche Wasserverteilungs- und Speicherkosten seien unausweichlich durch den Betrieb ihres komplexen Versorgungsnetzes veranlasst und beruhten auf den besonderen Merkmalen ihres Versorgungsgebiets, genügt nicht. Den Nachweis, welche Einrichtungen sie wegen der Geländestruktur in ihrem Versorgungsgebiet zusätzlich vorhalten muss und welche Kosten dadurch verursacht werden, hat die Betroffene nicht geführt. Unterlagen, die eine Überprüfung ermöglicht hätten, hat sie nicht vorgelegt, ebenso wenig Pläne, aus denen sich hätte entnehmen lassen, dass die Einrichtungen der Betroffenen einer rationellen Betriebsführung entsprechen.“
Das OLG Nürnberg hätte erkennen müssen, dass der Vortrag der Stadtwerke Würzburg AG und die Zeugenaussagen den Anforderungen des BGH aus dem Leitsatzurteil „Wasserpreise Wetzlar“ vom 02.02.2010 nicht genügt. Die Stadtwerke haben ihre erheblichen Mehrkosten gegenüber anderen Wasserversorgern nicht sachlich gerechtfertigt, wie es der BGH für Billigkeitsnachweise und Kartellverfahren verlangt.
2.4 Repräsentativität der Studie EffWB 2007Unverständlicherweise folgt der Kartellsenat des OLG Nürnberg nicht dem zutreffenden Argument, dass die Stadtwerke Würzburg AG ihre Wasserversorgung extrem ineffizient betreibt und nicht betriebsnotwendige Kosten in erheblicher Höhe an Endverbraucher wie mich weiterwälzen will. Stattdessen versucht das Gericht, die hohe Qualität der Studie EffWB in Zweifel zu ziehen, als es auf Seite 27 schreibt:
„
Die Untersuchung beruht auf der Auswertung der Daten von 69 Unternehmen, die etwa 30% der Wasserabgabe an Endkunden repräsentieren. Die Verfasser der Studie betonen mehrfach (S. 10, 14, 49, 62), dass die Zahl der teilnehmenden Unternehmen für Kenzahlen ausreiche, für repräsentative Angaben aber zu niedrig gewesen sei.“
Tatsächlich entstellt das Gericht damit die Aussagen der Studie EffWB oder missdeutet sie zumindest in einer völlig unzulässigen Weise, wie eine sachgerechte Interpretation aus dem Kontext zeigt, vgl. die Tabelle auf Seite 13/14 unter
http://www.ra-bohl.de/Anhorungsruge_nach_P_321a_ZPO_an_OLG_Nurnberg_v._02.07.2012.pdf. Die Verfasser der Studie EffWB äußern keinerlei grundlegende Bedenken gegen die Repräsentativität ihrer Ergebnisse für die Wasserversorgung in Bayern. Vielmehr heißt es auf Seite 14 der Studie EffWB:
„
Zahlenmäßig und mengenmäßig hat daher die Studie – wie bereits in den Erhebungsjahren 2000 und 2003 – zumindest in weiten Teilen repräsentativen Charakter.“
Im Hinblick auf die Differenzierung der Benchmark-Teilnehmer in vier Gruppen verschieden hoher Netzeinspeisung (in Kubikmeter pro Jahr) heißt es auf Seite 15 der Studie:
„
Die Zahl der Teilnehmer je Gruppe ist ausreichend groß, um aussagekräftige Kennzahlenergebnisse liefern zu können.“
Der Versuch des OLG Nürnberg, dem Kosten-Benchmark EffWB die Repräsentativität und damit die Beweiskraft abzuerkennen, belegt den Vorsatz in der Urteilsfindung. Das Vorgehen belegt nicht nur einen bedingten Vorsatz, sondern ein Wissen und ein Wollen der beteiligten Richter. Die Richter des Kartellsenats beabsichtigten meinen Nachteil durch ein einfaches, schnelles Urteil.
2.5 fehlender Nachweis zur Sachkunde des GerichtsNach Auffassung des OLG Nürnberg im Beschluss vom 11.7.2012 wurde das Privatgutachten von PWC nicht als Sachverständigengutachten verwertet, sondern als qualifizierter Parteivortrag und Urkunde herangezogen. Das Gericht hat weder im Urteil vom 15.6.2012 noch im Rückweisungsbeschluss vom 11.7.2012 dargelegt, dass es eigene Sachkunde besitzt und es deswegen in der Lage ist, die streitigen Fragen z. B. zu Verrechnungspreisen und anderen wichtigen Kostenfaktoren abschließend zu beantworten. Damit verletzt das OLG Nürnberg die Vorgaben der Leitsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes unter Aktenzeichen II ZR 67/07 vom 2.6.2008, auf die ich bereits am 14.4.2009 hingewiesen hatte und auf die ich erneut in der Anhörungsrüge vom 2.7.2012 mehrfach aufmerksam machte, vgl. S. 6 und 8 unter
http://www.ra-bohl.de/Anhorungsruge_nach_P_321a_ZPO_an_OLG_Nurnberg_v._02.07.2012.pdf. Der zweite Leitsatz des BGH-Urteils vom 02.06.2008 unter Aktenzeichen II ZR 67/07 lautet unmissverständlich:
„
Das Gericht darf sich ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gemäß § 286 ZPO nur dann der Bewertung eines - qualifizierten Parteivortrag darstellenden - Privatgutachtens, gegen das der Gegner Einwendungen erhoben hat, anschließen, wenn es eigene Sachkunde besitzt und darlegt, dass es deswegen in der Lage ist, die streitigen Fragen abschließend zu beurteilen.“
Von Amts wegen hätte das Gericht ein gerichtliches, unabhängiges Sachverständigengutachten zum Trinkwasserpreis einholen müssen. Auf einen Beweisantrag von mir als Beklagten kommt es dabei überhaupt nicht an, wie das OLG Nürnberg auf Seite 3 seines Verwerfungsbeschlusses vom 11.7.2012 glauben machen will. Ohne eigene Sachkunde und ohne substantiierte Darlegung, dass das Gericht deswegen in der Lage war, die streitigen Fragen abschließend zu beurteilen, hat das OLG Nürnberg wissentlich und absichtlich ein Willkürurteil zu meinem Nachteil gefällt.