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Autor Thema: Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB schließt Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB regelmäßig aus  (Gelesen 92453 mal)

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Offline reblaus

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@Ronny
Es sprechen zwar gewichtige Argumente dafür, dass der BGH das eben so sehen wird, wie Sie. Aber es könnte auch anders kommen.

Solange der Versorger mit neuen Tarifen und Bedingungen zum Vorteil der bestehenden Kunden von den Alttarifen abweicht, sehe ich kein Problem mit dem Sockelpreis. Das gleiche gilt, wenn der Versorger Grundversorgungstarife für Kundengruppen erstmalig anbietet, die zuvor ausschließlich mit Sonderverträgen beliefert wurden.

Ich wüsste aber nicht, wie die Änderung von Grundversorgungstarifen zum Nachteil der Kunden mit dem Sockelpreisprinzip, dem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht, dem fehlenden Kündigungsrecht und kartellrechtlichen Belangen zu vereinbaren wäre. Irgendwas steht da immer im Weg, meine ich.

Offline Ronny

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@ reblaus

Wir hier ja nicht im Bereich der AGB, in dem die verbraucherfeindlichste Auslegung gilt mit der Folge, dass jede Änderung, die im entferntesten zu einem Nachteil gereichen könnte, die Unwirkdamkeit der einzelnen Regelung bewirkt.

Wir befinden uns im Bereich der GasGVV, die eine relativ genaues Regelwerk vorgibt, darin aber durchaus Freiheiten zulässt. Hinzu kommt - da haben Sie völlig recht - nach BGH das Äquivalenzprinzip, d.h. - vielleicht etwas pauschaliert ausgedrückt - die Verpflichtung, die Lieferkonditionen in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung für die Gesamtheit der Kunden aufrechtzuerhalten.

Da sehe ich kein großes Problem, z.B. die Verbrauchsstufen etwas zu verschieben oder einen neuen Verbrauchsstufe einzuführen.

Offline reblaus

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@Ronny
Der Versorger kann Verbrauchsgrenzen für einen ungünstigeren Tarif nach unten verschieben, da dann die Kunden mit dem Grenzverbrauch in die günstigere Tarifstufe wechseln. Er darf die Verbrauchsgrenze aber nicht nach oben anpassen da ansonsten Kunden mit Grenzverbrauch in einen ungünstigeren Tarif eigeordnet werden.

Der Versorger darf keinen völlig neues Tarifgefüge schaffen, und seine Bestandskunden in neue Verträge zwingen. Da steht das Kündigungsverbot entgegen.

Es kann für den marktbeherrschenden Versorger auch problematisch sein, seine Altkunden im alten Tarifgefüge zu belassen, und nur den Neukunden ein neues, ungünstigeres Tarifgefüge anbieten.

Insoweit ist das bestehende Tarifgefüge für den Versorger immer die Basis, auf der zukünftige Veränderungen aufbauen müssen. \"Wir machen jetzt etwas ganz Neues\" geht nach meiner Ansicht nicht.

Offline Black

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Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Auf abweichende Ansichten weise ich selbst hin.

Schön wäre es.




Zitat
Original von RR-E-ft
Wie ist nun Ihre Meinunbg zur nachträglichen Änderung der Tarifstruktur, zB bei der Oldenburger EWE zum 01.10.2004 ff.?

Der Fall ist mir inhaltlich nicht bekannt. Ich hatte aber bereits an anderer Stelle dargestellt, dass ich eine Durchbrechung des Äquivalenzprinzipes für zulässig halte, sofern die bestehende Struktur nachweislich nicht mehr wirtschaftlich ist.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

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@Black
Zitat
Original von Black Ich hatte aber bereits an anderer Stelle dargestellt, dass ich eine Durchbrechung des Äquivalenzprinzipes für zulässig halte, sofern die bestehende Struktur nachweislich nicht mehr wirtschaftlich ist.

Diese Durchbrechung des Äquivalenzverhältnisses soll nach Ihrer Ansicht nur zulässig sein, wenn es dem Versorger nützt?

Offline Black

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Es ist ihm jedenfalls nicht zumutbar, einen Tarif aufrecht zu erhalten, der Verluste erwirtschaftet.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

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Da stimme ich Ihnen zu. Aber Sie beantworten meine Frage nicht. Sind dem Kunden Verluste durch fehlerhafte Preiskalkulationen des Versorgers zumutbar?

Offline Black

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Ja, denn im Gegensatz zum Grundversorger kann der Kunde die Verluste abwenden, indem er sich einem anderen Lieferanten zuwendet. Der Versorger besitzt jedoch kein ordentliches Kündigungsrecht.

Etwas anders wäre nur möglich, wenn man in dieser Situation ein Kündigungsrecht des Versorgers gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 Strom/GasGVV annimmt, da die Versorgung zu Verlustbedingungen ihm wirtschaftlich nicht zumutbar i.S.d. § 36 EnWG ist.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

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@Black
Halten Sie eine Durchbrechung des Äquivalenzprinzips zur Vermeidung von Verlusten bei Kunden wegen überhöhter Preiskalkulation wenigstens dann für zulässig, wenn dem Kunden mangels Wettbewerb keine Kündigungsmöglichkeit zusteht?

Dem Versorger steht doch die Möglichkeit offen, sich von seinem Verlustgeschäft durch Verkauf des Geschäftsfeldes der Grundversorgung zu lösen. Ein größerer oder fähigerer Versorger könnte wirtschaftlicher arbeiten und ein Interesse am Erwerb dieses Geschäftes haben.

Offline Black

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Zitat
Original von reblaus
Dem Versorger steht doch die Möglichkeit offen, sich von seinem Verlustgeschäft durch Verkauf des Geschäftsfeldes der Grundversorgung zu lösen. Ein größerer oder fähigerer Versorger könnte wirtschaftlicher arbeiten und ein Interesse am Erwerb dieses Geschäftes haben.

Sehr lustig. Dem Kunden steht doch bei fehlendem Wettbewerb auch die Möglichkeit offen seinen Wohnsitz aufzugeben und in ein anderes Netzgebiet umzuziehen.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline bolli

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Zitat
Original von Black
Zitat
Original von reblaus
Dem Versorger steht doch die Möglichkeit offen, sich von seinem Verlustgeschäft durch Verkauf des Geschäftsfeldes der Grundversorgung zu lösen. Ein größerer oder fähigerer Versorger könnte wirtschaftlicher arbeiten und ein Interesse am Erwerb dieses Geschäftes haben.

Sehr lustig. Dem Kunden steht doch bei fehlendem Wettbewerb auch die Möglichkeit offen seinen Wohnsitz aufzugeben und in ein anderes Netzgebiet umzuziehen.
Na, ja wird\'s aber sehr abstrus.
Da sind wir ja voll auf der Linie der Versorger, die argumentieren, sie befänden sich in einem Substitutionsmarkt, da der Verbraucher sich ja statt für Gas oder Strom auch für eine andere Heizenergie wie Holz entscheiden kann.
Jetzt weiss ich auch, wär die berät  ;)

Also dann, Häuschen verkaufen und teures neues in billigem anderen Gebiet kaufen, bis auch hier die Preise steigen und dann auf, auf, wieder zurück.
Da sollten wir wieder unter die Nomaden gehen.

Zitat
Original von Black
@ Bolli
Wenn Sie \"später dazukommen\" haben Sie sich bewusst für den Grundversorgungstarif entschieden. Der Tarif kann also nicht Ihnen gegenüber von Anfang an unbillig sein.
Nein !!! Ich meine, ich bin weiterhin im Sondertarif und erfahre erst später, dass dem leider nicht so ist. Leider sind in meinem Gebiet aber nur 2 Versorger, einer mit der Grundversorgung. Da ist nicht viel mit \"bewusst\" und \"freiwillig\". Aber wie oben von Ihnen erläutert, könnte ich ja das Haus verkaufen und umziehen  :evil:

Zitat
Original von Black
So sieht es jedenfalls der BGH.
Da können Sie derzeit aber  froh sein. Aber ich sehe, wie Herr Fricke, da durchaus eine gewisse Unlogik in dieser Rechtssprechung des VIII. Senats und hab die Hoffnung auf einsichtige andere Köpfe in diesem Haus noch nicht aufgegeben.  :D

Offline RR-E-ft

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Ich halte mal fest, dass Black und Ronny wohl davon ausgehen, die Tarifstruktur könne geändert werden, was ein Preisbestimmungsrecht gegenüber den Kunden voraussetzt, weil ein (äquivalenzwahrendes) Preisänderungsrecht dafür gerade nicht genügt.

Die zentrale Frage war, ob der Gesetzgeber den versorgungspflichtigen Unternehmen ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht eingeräumt hat (so der Kartellsenat des BGH)  oder nur ein gesetzliches (äquivalenzwahrendes) Preisänderungsrecht (so der VIII.Zivilsenat des BGH).

Wurde vom Gesetzgeber ein Preisbestimmungsrecht eingeräumt, so ist der Versorger gesetzlich verpflichtet, jeweils eine der Billigkeit enstprechende Tarifstruktur mit der Billigkeit entsprechenden Tarifen aufzustellen, wobei Dreh- und Angelpunkt die Kosten des Versorgers bei effizienter Betriebsführung sind. Preisvereinbarungen mit Kunden können diesem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht, aus dem eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht folgt, nicht entgegenstehen.

Offline Black

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@ bolli

Genauso wenig, wie der Versorger darauf verwiesen werden kann, er könne doch einfach sein Geschäft aufgeben statt die Tarife anzupassen, ist es dem Kunden zumutbar umzuziehen.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline bolli

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Original von Black
@ bolli

Genauso wenig, wie der Versorger darauf verwiesen werden kann, er könne doch einfach sein Geschäft aufgeben statt die Tarife anzupassen, ist es dem Kunden zumutbar umzuziehen.

Womit wir wieder beim Anfang wären. Ich habe nichts gegen Tarifänderungen, egal in welche Richtung, wenn man dann den gesamten Tarif auf Billigkeit prüfen kann (im Sinne von Preisbestimmungsrecht). Dann sehen wir ja, was wirtschaftlich und was nicht ist.

Offline reblaus

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@Black
Jetzt haben Sie meine Bemerkung am Rande dazu genutzt, sich um die eigentliche Frage zu drücken.

Darf Ihrer Meinung nach ein überhöhter Preis mit Durchbrechung des Äquivalenzverhältnisses nach unten korrigiert werden, wenn der Kunde mangels Wettbewerb keine Möglichkeit hat, diesen Verlusten auszuweichen?

 

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