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Autor Thema: Tätigkeitsbericht BKartA 2007/2008: Wettbewerbsdefizite wie eh und je  (Gelesen 2666 mal)

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Tätigkeitsbericht BKart 2007/2008

Zitat
Im Vergleich zum vorangegangenen Berichtszeitraum (Tätigkeitsbericht 2005/2006, S. 29 f., 121 ff.) ist aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive auch für die letzten zwei Jahre keine wesentliche Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse im Strom- und Gasbereich zu vermelden.

Prägend für den Strombereich ist nach wie vor das vom Bundeskartellamt festgestellte marktbeherrschende Duopol von RWE und E.ON auf den bundesweit abzugrenzenden Märkten für den Erstabsatz von Strom und für die Belieferung von sog. RLM-Kunden, also Kunden mit registrierender Leistungsmessung, wobei es sich im Wesentlichen um Industriekunden handelt (Tätigkeitsbericht 2005/2006, S. 124 ff.). Sowohl Oberlandesgericht Düsseldorf als auch Bundesgerichtshof haben das Duopol insbesondere auf dem Erstabsatzmarkt im Fall des untersagten Zusammenschlusses „E.ON Mitte/Stadtwerke Eschwege“ bestätigt (S. 18, 108].

Ob Vattenfall und EnBW in das Oligopol einzubeziehen sind, wurde dabei nicht geprüft, weil diese Frage für die Zulässigkeit des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens ohne Belang war. Die Europäische Kommission ist im Rahmen ihrer vorläufigen Beurteilung nach Artikel 9
Absatz 1 der VO (EG) Nummer 1/2003, die ihrer Verpflichtungszusagenentscheidung gegen E.ON im Missbrauchsverfahren zum deutschen Stromgroßhandelsmarkt (COMP/39.388, S. 56) vorausging, von einem Oligopol aus RWE, E.ON und Vattenfall auf dem deutschen Stromgroßhandelsmarkt ausgegangen (Bekanntmachung der
Europäischen Kommission gemäß Artikel 27 Absatz 4 VO (EG) Nummer 1/2003 in den Sachen COMP/39.388 und COMP/39.389, ABl. EG Nummer C 146 vom 12. Juni 2008, S. 34 f.). In der endgültigen Zusagenentscheidung hat die Europäische Kommission offengelassen, ob RWE, E.ON und Vattenfall oder nur RWE und E.ON gemeinsam marktbeherrschend sind (Entscheidung vom 26. November 2008, Rn. 24). Inwieweit sich die Einschätzung der Europäischen Kommission auf die Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes auswirkt, stand zum Abschluss des Berichtszeitraums noch nicht fest.

Bei der Belieferung von sog. SLP-Kunden, also mittels Standardlastprofil belieferten Kunden, die im Wesentlichen den Haushaltskunden entsprechen, sieht das Bundeskartellamt keinen Anlass für eine Änderung seiner bisherigen engen räumlichen Marktabgrenzung. Der relevante Markt für die Belieferung von SLP-Kunden mit Strom ist somit anhand der jeweils zur Versorgung dieser Kundengruppe örtlich verfügbaren Netzgebiete abzugrenzen. Dies führt in aller Regel dazu, dass nach wie vor die etablierten ortsansässigen Lieferanten (Stadtwerke) eine marktbeherrschende Stellung innehaben. Der im Strombereich funktionierende Wechselmechanismus, der SLP-Kunden grundsätzlich einen unkomplizierten Wechsel des Stromlieferanten ermöglicht, hat an dieser Marktabgrenzung nichts geändert. Der wesentliche Grund dafür ist die stark regionale Ausprägung des Wettbewerbs um SLP-Kunden, was sich insbesondere an den regional ausgerichteten Preisstrategien der Stromlieferanten für diese Verbrauchergruppe zeigt (S. 104 ff.). Die durchschnittliche Wechselrate im Bereich der Versorgung von SLP-Kunden mit Strom ist mit 3,79 %, bezogen auf die gesamte Entnahmemenge von 177,72 TWh durch nichtleistungsgemessene Letztverbraucher, nach wie vor sehr niedrig (Bundesnetzagentur (BNetzA), Monitoringbericht 2008, S. 85).

Im Bereich der Belieferung von Haushaltskunden mit Strom für Heizwärmespeicherheizungen oder Wärmepumpen fand im Berichtszeitraum faktisch überhaupt keine Wechselaktivität statt. Mangels wettbewerblicher Aktivitäten findet diese Verbrauchergruppe in aller Regel
keine Alternative zum etablierten Lieferanten. Die BNetzA vermutet den Grund für den ausbleibenden Wettbewerb in diesem Segment in den verwendeten komplexen temperaturabhängigen Lastprofilen, die einen hohen Aufwand für die Belieferung bedeuten. Sie hat zu der Thematik im Berichtszeitraum ein Gutachten in Auftrag gegeben, um das verwendete Standardlastprofilverfahren angemessen zu vereinfachen (BNetzA, Bericht 2007 zum deutschen Elektrizitäts- und Gasmarkt der BNetzA für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn an die Europäische Kommission gemäß § 63 Absatz 5 EnWG, S. 23). Das Bundeskartellamt hat sich der Problematik aufgrund zahlreicher Verbraucherbeschwerden im Hinblick auf die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht angenommen.

Die Entwicklung der Strompreise v. a. bei der Belieferung von SLP-Kunden war im Berichtszeitraum verstärkt öffentlicher Kritik ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund haben intensive Bemühungen stattgefunden, um die für die
Strompreisbildung relevanten Mechanismen transparenter zu machen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie hat zu diesem Zweck die sog. Transparenzinitiative mit der Stromwirtschaft gestartet, die sich mit
transparenteren Stromrechnungen für die Endverbraucher und der Veröffentlichung bestimmter Kraftwerksdaten befasst, und ein entsprechendes Informationsportal im Internet eingerichtet (http://www.energie-verstehen.de).

Auch auf den Internetseiten der European Energy Exchange (EEX) wird eine Reihe von Daten für die Marktteilnehmer zur Verfügung gestellt. Eine Bund-Länder- Arbeitsgruppe hat sich im Auftrag der Wirtschaftsministerkonferenz mit der Verbesserung der Transparenz im
Stromgroßhandel beschäftigt. Das Bundeskartellamt hat in diesem Rahmen darauf hingewiesen, dass Transparenzbemühungen nicht zu weit gehen und in faktische Marktinformationssysteme münden dürfen. Eine Veröffentlichung kraftwerks- und netzbezogener Daten muss daher
in aggregierter und standardisierter Form und gleichzeitig an alle Marktteilnehmer erfolgen. Transparenz führt zwar nicht automatisch zu niedrigen Preisen, kann so aber eine wichtige Funktion erfüllen, um Vertrauen in preisbildende Mechanismen zu fördern.

Für den Gasbereich waren zwei Entwicklungen prägend.
Zum einen wurde zum Herbst 2007 die Kooperationsvereinbarung Gas wirksam, die gemäß den Vorgaben des EnWG ein massengeschäftstaugliches Netzzugangsregime etabliert hat (BNetzA, Monitoringbericht 2007, S. 99 ff.; Monitoringbericht 2008, S. 19, 134 ff.). Zum anderen wurden die vom Bundeskartellamt bereits im vorangegangenen Berichtszeitraum eingeleiteten Verfahren zum Aufbrechen der langfristigen Gesamtbedarfsdeckungsverträge zwischen den Ferngasgesellschaften und den Weiterverteilern abgeschlossen (Tätigkeitsbericht 2005/2006, S. 30, 131; Tätigkeitsbericht 2003/2004, S. 137 f.). Gleichwohl war diese erst allmählich einsetzende Entwicklung aus verschiedenen Gründen nicht geeignet, die bisherige räumliche Marktabgrenzung des Bundeskartellamtes im Großhandelsbereich abzuändern.

Die Märkte für die Belieferung von Weiterverteilerkunden, also Stadtwerken und Regionalversorgern, sowie den RLM-Kunden mit Gas ist daher weiterhin bezogen auf das für diese Kundengruppe verfügbare Versorgungsnetz abzugrenzen. Auf diesen Märkten haben die jeweiligen
Vorlieferanten in aller Regel eine marktbeherrschende Stellung inne. Auch im Bereich der Belieferung von SLP- Kunden mit Gas ist es im Hinblick auf die hier schwer prognostizierbare wettbewerbliche Entwicklung bei der
bisherigen engen räumlichen, netzbezogenen Marktabgrenzung geblieben. Die Wechselrate lag 2007 in diesem Bereich bei lediglich einem Prozent, bezogen auf die Ausspeisemenge von 221,53 TWh (BNetzA, Monitoringbericht 2008, S. 185). Marktbeherrschend sind auf diesen
Märkten nach wie vor die etablierten Gaslieferanten (Stadtwerke und Regionalversorger) (S. 104 ff.).

Anlass zur Änderung der herkömmlichen sachlichen Marktabgrenzung im Gasbereich sah das Bundeskartellamt, höchstrichterlich bestätigt durch den Bundesgerichtshof, nicht. Der Annahme eines einheitlichen Wärmemarktes steht entgegen, dass der Anschluss an ein Gasversorgungsnetz einen spezifischen Bedarf der Versorgung der einzelnen Verbrauchsgruppen mit dem relevanten Betriebsmittel Gas nach sich zieht. Ein Austausch
zwischen verschiedenen Arten der Wärmeversorgung bzw. der Wechsel zwischen verschiedenen Versorgungssystemen ist den an ein Gasversorgungsnetz angeschlossenen Verbrauchern nicht in zumutbarer Weise möglich (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Dezember 2008,
KVR 2/08 – Stadtwerke Uelzen; Urteil vom 29. April 2008, WuW/E DE-R 2295 – Erdgassondervertrag; allgemein: Beschluss vom 4. März 2008, KVR 21/07 – Soda Club II).

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« Antwort #1 am: 07. Juli 2009, 17:09:14 »
Stellungnahme des BDEW dazu

DEr BDEW hat womöglich alle Kunden mitgezählt, denen die Versorger ihre bisherigen Tarife gekündigt und die Kunden  ungefragt in neue Tarife eingeordnet/ eingestuft haben. Machen das alle vormaligen Monopolisten, dann würde der BDEW wohl meinen, der Wettbewerb sei hundertprozentig.  

Nach dieser Zählung hätten wohl 250.000 (RWE) EnviaM- Kunden am angeblichen Wettbewerb teilgenommen. , was natürlich grober Unfug ist.

 

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