Hallo liebe Mitstreiter in Sachen Gelsenwasser,
wir hier von der Regionalvertretung für das Münsterland haben mal ein Schreiben verfasst, welches die Argumente von Gelsenwasser aufgreift und entsprechend widerlegt.
Wer möchte, kann dieses Schreiben auch als Antwort auf das letzte Gelsenwasserschreiben verwenden.
Das Schreiben lautet wie folgt:
\" Sehr geehrte Damen und Herren,
im Juni bzw. Juli 2008 haben die Gaspreisrebellen der Firma Gelsenwasser erneut unverständliche Post von Ihnen bekommen.
Darin weisen Sie zum wiederholten Male darauf hin, dass Sie die Preiserhöhungen für Gas nicht willkürlich, sondern wegen der angeblich gestiegenen Bezugskosten vornehmen würden. Dies wäre auch schon bei den früheren Preiserhöhungen der Grund für die Anpassungen gewesen. Außerdem belegten dies die Gutachten Ihrer Wirtschaftsprüfer ( Infoplan).
Auch im Vergleich mit den Preisen anderer Gasversorgungsunternehmen zählten Sie zu den günstigsten Anbietern.
Ihre jüngste Preisanpassung sei daher angemessen bzw. billig im Sinne des § 315 BGB und damit wirksam. Ihre Gaspreise und die Ihrer Tochter und Beteiligungsunternehmen würden jeweils nach denselben Kriterien bestimmt. Ihrem Tochterunternehmen Niederrheinische Gas - und Was-serwerke GmbH (NGW) sei erst kürzlich gerichtlich bestätigt worden, dass Ihre Gaspreise angemessen seien.
Mit Urteil vom 4. Juni 2008 (4. Juli 2008 ist falsch) hätte das Landgericht Düsseldorf festgestellt, dass die Preiserhöhungen zum 1. Oktober 2004, 1. Januar 2005, 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 billig im Sinne von § 315 BGB und damit wirksam seien. Dieses Urteil bestätige auch die Angemessenheit und Wirksamkeit ihrer Preise, da innerhalb der Gelsenwasser-Gruppe die Preisgestaltung identisch sei.
Dazu stellen wir nochmals Folgendes fest:
Aus einem Wirtschaftsprüfergutachten, dass nur das Verhältnis von Bezugskosten zu Preisneubestimmungen zum Gegenstand hat, kann nicht auf die Billigkeit der Preisneubestimmung geschlossen werden.
Entscheidungserheblich für die Frage, ob die Preisneubestimmung billig i.S.d. § 315 BGB ist, sind neben den Bezugskosten vielmehr auch die anderen Kostenelemente. Das ist auch in der Rechtsprechung allgemein anerkannt.
Darüber hinaus kann ein privates Gutachten die freie Meinungsbildung des Gerichts nicht ersetzen. An Unabhängigkeit und Aussagekraft des Gutachtens bestehen hier berechtigte Zweifel. So werden vielfach mehrere Tarife zusammen untersucht und als Ergebnis nur Durchschnittswerte abgebildet. Das Resultat hängt zudem von der Definition des Untersuchungsgegenstands ab. Deshalb kann einem Gutachten kein Hinweis auf die Billigkeit im Sinne von § 315 BGB entnommen werden.
Der Verbraucher muss selbst Gelegenheit bekommen, relevante Unterlagen einzusehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits mit Beschluss vom 28.12.1999 (Az.: 1 BvR 2203) entschieden: „Für bürgerlich- rechtliche Streitigkeiten ist aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten. Dieser muss grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes ermöglichen.
Die Beteiligten müssen die Möglichkeit haben, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Zu einem wirkungsvollen Rechtsschutz gehört auch, dass der Richter die Richtigkeit bestrittener Tatsachen nicht ohne hinreichende Prüfung bejaht. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage. Eine Beweisführung durch einen neutralen, zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen (Wirtschaftsprüfer) als Beweismittler scheidet daher explizit aus.
Denn auch ein gerichtliches Sachverständigengutachten ist als Beweismittel unverwertbar, wenn es auf Geschäftsunterlagen beruht, die eine der Parteien nur dem Sachverständigen, nicht dem Gericht und der Gegenpartei zur Verfügung gestellt hat und die im Verfahren auch nicht offen gelegt werden (BVerwG Beschl. v. 15.08.03 - 20 F 08.03 unter Verweis auf BGHZ 116, 47). Die gerichtliche Verwertung eines solchen Sachverständigengutachtens versagt nicht nur den Beteiligten, welche die geheim gehaltenen Tatsachen nicht kennen, das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Gericht verletzt auch seine Pflicht, ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten sorgfältig und kritisch zu würdigen, insbesondere auch, ob es von zutreffenden und tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht.
Dieser Pflicht und dem Gebot der Gewährung des rechtlichen Gehörs kann das Gericht nur entsprechen, wenn der Sachverständige die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen seines Gutachtens offen legt.\" Wenn dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits für ein gerichtliches Sachverständigengutachten gilt, dann muss es erst recht für eine gekaufte Bescheinigung gelten, bei der es sich allenfalls um ein Parteigutachten handeln kann.
Sie behaupten, im Vergleich mit den Preisen anderer Gasver-sorgungsunternehmen zählten Sie zu den günstigsten Anbietern. Die Marktüblichkeit von Gaspreisen lässt keinen Rückschluss auf ihre Billigkeit im Sinne von § 315 BGB zu. Die Preisgestaltung eines Unternehmens entspricht nicht dadurch der Billigkeit, dass sie sich mit Preisen anderer Unternehmen messen kann, die ihrerseits ggf. unbillig sind. Bei Preisvergleichen besteht zudem die Gefahr, dass durch Auswahl von Zeitpunkt des Vergleichs und Vergleichsunternehmen das Ergebnis beeinflusst wird.
Entscheidungserheblich für die Frage, ob die Preisneubestimmung des jeweiligen Versorgers billig i. S.d. § 315 BGB ist, ist nämlich dessen Kostenstruktur. Sie behaupten, Ihre jüngste Preisanpassung sei daher angemessen bzw. billig im Sinn des § 315 BGB und damit wirksam. Ihre Gaspreise und die Ihrer Tochter- und Beteiligungsunternehmen würden jeweils nach denselben Kriterien bestimmt. Ihrem Tochterunternehmen Nieder-rheinische Gas- und Wasserwerke GmbH (NGW) sei erst kürzlich gerichtlich bestätigt worden, dass Ihre Gaspreise angemessen seien.
Diese Auffassungen sind schlicht unzutreffend bzw. irreführend. Wenn die Verbraucher die Billigkeit des geforderten Preises bestreiten und die Zahlungen an den Versorger nur entsprechend der akzeptierten Preise leisten, muss der Versorger auf Zahlung des vollen Preises klagen und vor Gericht die Billigkeit seiner Preisneubestimmung beweisen.
Zu dem von Ihnen angeführten Urteil des Landgerichtes Düsseldorf vom 4. Juni 2008 in Sachen NGW ist auszuführen, dass das Urteil eines Gerichts rechtliche Bedeutung zunächst nur für die am Gerichtsverfahren beteiligten Parteien hat. Aus einem „fremden\" Gerichtsverfahren lassen sich dementsprechend allenfalls Argumente auf andere Fälle übertragen, nicht aber das Urteil selbst.
Es ist zudem zu beachten, dass eine Vergleichbarkeit zu dem Sachverhalt des entschiedenen Prozesses nicht besteht: Urteile auf Feststellungsklagen eines Kunden lassen sich nicht auf Fälle beziehen, in denen der Verbraucher Rechnungsbeträge einbehält. Hier müsste das Versorgungsunternehmen klagen.
Aus dem Urteil eines Gerichts in einem fremden Prozess lässt sich für die Billigkeit der Preisgestaltung im eigenen Vertragsverhältnis grundsätzlich nichts ableiten. Außerdem gründet das Urteil des Landgerichtes Düsseldorf auf der unzutreffenden Annahme, dass ein einheitlicher - wohl bundesweiter - Markt für Wärmeenergie und auf einem solchen wiederum ein wirksamer Substitutionswettweberb bestehe, der geeignet sei, die Höhe der Gastarife wirksam zu beschränken.
Dem stehen die Feststellungen im Urteil des 2. Kartellsenats des Oberlandesgerichtes Düsseldorf in der Entscheidung vom 16.04.2008 entgegen, wonach ein einheitlicher Wärmemarkt nicht besteht, Gasversorger in ihren Verteilnetzen eine marktbeherrschende Stellung einnehmen (ebenso BGH Urt. v. 29.04.08 - KZR 2/07), und somit ein nennenswerter Substitutionswettbewerb überhaupt nicht besteht.
Zusätzlich steht diesem die Gesetzesbegründung der Bundesregierung zur Verschärfung der kartellrechtlichen Preismissbrauchsaufsicht im Energiebereich gem. § 29 GWB entgegen.
Die vorgelegten Wirtschaftsprüferbescheinigungen sind, wie schon oben ausgeführt, keine zulässigen Beweismittel. Gegen das Urteil wurde im Übrigen Berufung eingelegt, es ist damit also nicht rechtskräftig und insofern völlig unverbindlich für die von Ihnen angesprochenen Gaskunden.
Sollten Sie in Anbetracht dieser Umstände trotzdem an einer Klage festhalten wollen, sehen wir dieser wegen der Vielzahl der jüngsten positiven gerichtlichen Entscheidungen für die Verbraucher sehr gelassen entgegen.\"
Dies ist zumindestens ein fachlich fundierte, und adäquate Antwort auf das eher unqaulifizierte Schreiben der Firma Gelsenwasser.
Wer möchte, kann es gerne verwenden.
Mit freundlichen Grüßen
B. Ahlers
Regionalvertretung des Bundes der Energieverbraucher
für das Münsterland