Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht  (Gelesen 4874 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« am: 01. Dezember 2007, 17:37:50 »
Das Gutachten von Professor Markert ist hier veröffentlicht.

Mit Hilfe kartellrechtlicher Vorschriften lässt sich - anders als bei § 315 BGB - ein geforderter Preis auch dann angreifen, wenn er vertraglich zwischen den Parteien vereinbart wurde. Rechtsfolge ist die Nichtigkeit der Preisvereinbarung gem. § 134 BGB.

Ich bin, anders als Prof. Markert, der Auffassung, dass § 134 BGB die Nichtigkeit der gesamten Preisforderung zur Folge hat. Nichtigkeit beduetet eben Nichtigkeit und nicht Teilnichtigkeit. Sonst wäre der zur Nichtigkeit führende Gesetzesverstoß schon relativ risikolos.

Bei Nichtigkeit der Preisforderung besteht deshalb kein vertraglicher Zahlungsanspruch, sondern hinsichtlich der vom Kunden zu erbrigenden Gegenleistung nur ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gem. § 812 BGB (vgl. Palandt, BGB, § 134 Rn. 13). Dieser kann womöglich dann gem. § 817 BGB ausgeschlossen sein, wenn das leitstende Unternehmen den Gesetzesverstoß kannte.

Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist eine unbillige Leistungsbestimmung für den anderen Teil unverbindlich und auf Antrag kann vom Gericht gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine der Billigkeit entsprechende Leistungsbestimmung getroffen werden.

Bei § 134 BGB geht es hingegen um den Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, so dass das Unwerturteil und die daran knüpfenden Rechtsfolgen schwerer wiegen (müssen).

Urteil OLG Frankfurt zu den Rechtsfolgen

vgl. auch

OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.10.2006 IV- U (Kart) 1/05
OLG Düssseldorf, Urt. v. 19.03.2003 U Kart 20/02

Offline userD0009

  • Gelöschte User
  • Forenmitglied
  • Beiträge: 186
  • Karma: +1/-0
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« Antwort #1 am: 01. Dezember 2007, 21:22:05 »
@RR-E-ft

Ich stimme Ihnen im Hinblick auf die Nichtigkeit der gesamten Preisforderung zu.

Sollte dieser Ansicht von den Gerichten richtigerweise gefolgt werden, dann bin ich auf die Kasuistik hinsichtlich §§ 817 S. 2, 818 I BGB gespannt. Wie heißt es so schön, \"Bereicherungsrecht ist Billigkeitsrecht\".

Die Rspr. zu Wucherdarlehen kann bei Gaslieferverträgen wohl nicht übernommen werden. Eine entsprechende Trennung zwischen zurückzuzahlendem Darlehensbetrag und zu zahlenden Zinsen ist leider bei Gas-/Stromlieferverträgen nicht möglich. Dennoch sollte der \"Leitsatz: Kein risikoloses Wuchern der Banken\" auch für Energieversorgungsunternehmen entsprechend gelten.

Grüße
belkin

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« Antwort #2 am: 01. Dezember 2007, 22:48:48 »
@belkin

Aus dem Urteil des OLG Düssseldorf vom 19.03.2003 Az. U Kart 20/02 (veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank NRW) geht klar hervor, dass infolge Nichtigkeit einer Entgeltbestimmung wegen § 134 BGB wegen kartellrechtswidrigem Preishöhenmissbrauch ein vertraglicher Zahlungsanspruch gem. § 433 Abs. 2 BGB überhaupt nicht besteht und der Lieferant dann im Rahmen des § 812 BGB nachzuweisen hat, dass und um welchen Betrag der andere Teil bereichert sein soll, wo dieser Nachweis nicht erfolgt, die Zahlungsklage insgesamt abzuweisen ist.

Bei einem kartellrechtswidrigem Preishöhenmissbrauch besteht also überhaupt kein vertraglicher Zahlungsanspruch des Anbieters. Zudem kann der Abnehmer bereits geleistete Zahlungen aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB zurückverlangen.
 
Ende der Durchsage.

Offline sweet sue

  • Wenigschreiber
  • Beiträge: 6
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Weiblich
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« Antwort #3 am: 14. Dezember 2007, 09:43:45 »
Dem Einwand, dass die gesamte Preisforderung nichtig ist, kann ich folgen. Die Frage ist nur, wie sich der Verbraucher im konkreten Fall mit Kürzungen wehren kann. Welcher Preis ist für seine Bereicherung zugrunde zu legen?
Oder sollte man vielleicht doch im Hinblick auf die auch von Markert zitierten Parallelen zu § 315 BGB eher nur (zähneknirschend) die Kürzung auf den einmal \"akzeptierten\" Preis empfehlen. Obwohl ich in diesem Zusammenhang die Ausführungen zur Verwirkung von Markert nicht verstehe, denn nur Ansprüche können verwirken und nicht vom Gesetz vorgeschriebene Rechtsfolgen nach §§ 19 GWB, 134 BGB.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« Antwort #4 am: 14. Dezember 2007, 15:52:40 »
@sweet sue

Derjenige, der sich auf die Kartellrechtswidrigkeit und Nichtigkeit des vertraglich vereinbarten Preises beruft, hat diese darzulegen und zu beweisen. Das ist das Problem. Erweist sich die Preisvereinbarung demnach als nichtig, so besteht - jedenfalls nach der genannten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf - kein vertraglicher Zahlungsanspruch, so dass man mit Zahlungen auf einen solchen vertraglichen Zahlungsanspruch auch nicht in Verzug geraten kann.

Soweit allein ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Lieferanten besteht, ist es dessen Sache, diesen darzulegen und zu beweisen. Gelingt ihm  die entsprechende Darlegung nicht, so wird eine Zahlungsklage auch wegen des bereicherungsrechtlichen Anspruchs abgewiesen, so ebenfalls das OLG Düsseldorf.

Bereicherungsrechtliche Ansprüche lassen sich jedenfalls auch nicht mit dem Druckmittel der Versorgungseinstellung durchsetzen, sondern es muss geklagt werden. Denn nur die mit dem marktbeherrschenden Unternehmen getroffene Preisvereinbarung kann kartellrechtswidrig und nichtig sein. Im Übrigen besteht das Vertragsverhältnis und somit auch die vertragliche Lieferpflicht des Lieferanten uneingeschränkt fort. Möglicherweise bestehende Gegenrechte wären zu prüfen.

Nach alldem ist es wohl das Problem des Lieferanten, einen etwaigen bereicherungsrechtlichen Anspruch darzulegen und zu beweisen und nicht Sache des Kunden. Das Problem des Kunden ist es, die Kartellrechtswidrigkeit des vereinbarten Preises nachzuweisen, aus dem sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit der vertraglichen Preisvereinbarung ergeben soll.

Offline Bubi

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 27
  • Karma: +0/-0
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« Antwort #5 am: 15. Dezember 2007, 18:11:42 »
@RR-E-ft
Mich würde nun - wie auch sweet sue - interessieren, wie wir Verbraucher uns denn weiter zur Wehr setzen sollen. Meinen Fall habe ich schon im Forum \"Stadt/Versorger\" gepostet. Je mehr ich in diesen Foren lese, je verwirrter und unentschlossener werde ich. ?(
Welchen \"Musterbrief\" gilt es denn nun taktisch klug und sinnvoll zu verwenden - und welchen evtl. besser nicht?

1) http://www.energieverbraucher.de/de/Allgemein/energiepreise_runter/site__1703/
2) http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=955&file=dl_mg_1197034253.doc

Für Ihre fachmännische Unterstützung wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Offline nomos

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.448
  • Karma: +0/-0
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« Antwort #6 am: 15. Dezember 2007, 19:17:07 »
@Bubi, das ist doch eigentlich alles bei den Musterschreiben sehr gut beschrieben. Beide Musterschreiben machen Sinn und können parallel verwendet werden.

Beim ersten Schreiben handelt es sich quasi um ein Universalmusterschreiben, das von Verbrauchern in der Grundversorgung und mit Sondervertrag einsetzbar ist. Es berücksichtigt eine eventuell ungültige Preisanpassungsklausel beim Sondervertrag und enthält hilfsweise den Unbilligkeitseinwand nach §315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Also kann man das Schreiben in aller Regel nutzen. Exakt so wie es dort erklärt wird.

Das zweite Musterschreiben kann zusätzlich verwendet werden. Es macht Ansprüche aus einem möglichen wettbewerbswidrigen Missbrauch aufgrund überhöht geforderter Preise  des Versorgers geltend. Nach dem GWB in Verbindung mit § 134 BGB können die überhöhten Preisforderungen nichtig sein.

Also beide Schreiben sind nützlich.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« Antwort #7 am: 16. Dezember 2007, 23:03:24 »
@Bubi

Wer sich selbst überfordert wähnt, sollte gleich zum Anwalt und dem die gesamte Sache von der Prüfung im Einzelfall bis zur Korrespondenz mit dem Lieferanten und der Prozessvertretung im Falle einer Klage zu überlassen. Es kann schließlich nicht jeder erst eine juristische Ausbildung durchlaufen, für die Anwälte selbst Jahre brauchten.

Offline Bubi

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 27
  • Karma: +0/-0
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« Antwort #8 am: 17. Dezember 2007, 15:15:59 »
@RR-E-ft
Ihrem letzten Satz stimme ich voll und ganz zu.
Der Rest hilft mir aber nicht wirklich weiter. Können Sie mir denn einen im Energierecht qualifizierten RA-Kollegen im PLZ-Gebiet 67... nennen?
Auch die im Forum aufgeführten Links halfen nicht wirklich weiter.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Rechtsgutachten von Prof. Markert zum Kartellrecht
« Antwort #9 am: 17. Dezember 2007, 16:00:25 »
@Bubi

Ich bewerbe ganz gewiss keine Kollegen. Das mögen die mal selbst tun. Das ganze gehört auch sicher nicht in den Bereich \"Grundsatzfragen\" und bestimmt auch nicht in diesen Thread.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz