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Autor Thema: Billigkeitskontrolle als Einzelfallprüfung  (Gelesen 3792 mal)

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Offline RR-E-ft

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Billigkeitskontrolle als Einzelfallprüfung
« am: 09. April 2008, 21:59:38 »
Siehste hier.

Demgemäß werden Musterverfahren, in denen sich Energiepreise(rhöhungen) als unbillig herausstellen nicht automatisch dazu führen, dass nicht beteiligte Verbraucher, die wegen nicht verjährter Rückforderungsansprüche auf Rückzahlung klagen, Erfolg haben, nur weil sie auf den Ausgang des Verfahrens verweisen können.

Ebenso verhilft es einem Versorgungsunternehmen in einem Zahlungsprozess nicht unmittelbar zum Erfolg, wenn in einem anderen Verfahren die Billigkeit vor Gericht nachgewiesen wurde.

Denn die Billigkeitsentscheidung hängt immer auch vom Vortrag und vom Bestreiten im konkreten Einzelfall ab.

Anders verhält es sich mit Musterprozessen, in denen ein Landgericht feststellt, dass schon kein Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung bestand, wenn AGB- Klauseln sich als unwirksam erweisen und eine ergänzende Vertragsauslegung zudem ausscheidet.

Solche Entscheidungen über Rechtsfragen lassen sich auf andere Verfahren übertragen.

Weil es keine Bindungswirkung für andere Verfahren gibt, kommt es immer wieder auf die konkreten Darlegungen, das konkrete Bestreiten und die konkreten Beweisantritte an.

Das bedeutet, dass sich der Versorger jedes mal aufs neue mit einzelnen Verbrauchern über die gleichen Fragen streiten muss, mit jeweils ungewissem Ausgang.

Befriedigend ist dieser Zustand auch nicht. Es sollte durch den Gesetzgeber die Möglichkeit von Musterprozessen mit Bindungswirkung geschaffen werden.

Offline superhaase

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Billigkeitskontrolle als Einzelfallprüfung
« Antwort #1 am: 10. April 2008, 07:56:37 »
Problematisch wäre es dann allerdings, wenn man am Ende an einen ... Richter wie den Herrn Ball gerät .....  X(

EDIT: Posting von mir entschärft.
Ja Herr Fricke, Sie haben natürlich Recht, dumm von mir. Da sind mir die Gäule durchgegangen.

ciao,
sh
8) solar power rules

Offline RR-E-ft

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Billigkeitskontrolle als Einzelfallprüfung
« Antwort #2 am: 10. April 2008, 13:37:46 »
@superhaase

Es handelt sich nicht um eine nicht gern gesehene Richterschelte, sondern um eine strafrechtlich relevante Beleidigung bzw. üble Nachrede, wenn öffentlich eine hrabwürdigende Tatsachenbehauptung über eine Person (als Bundesrichter zugleich Amtsträger) aufgestellt wird, deren Wahrheitsgehalt nicht bewiesen ist.

Ich lege Ihnen deshalb dringend nahe, den Beitrag zurückzunehmen.

Die Billigkeitskontrolle hat im Übrigen durch den Tatrichter zu erfolgen und ist in der Revision durch den BGH nur sehr eingeschränkt überprüfbar.

Generell gilt:

Wenn man meint, Beweise wegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens zu haben, so kann man sich damit selbst an die zuständige Staatsanwaltschaft wenden, damit diese einem begründeten Verdacht nachgehen und diesen durch eigene Ermittlungen ausräumen oder aber erhärten kann.

Demgegenüber stumpf ehrabschneidende Behauptungen aufzustellen und solche öffentlich zu verbreiten, weil man meint, solche nicht für sich behalten zu können, ist nicht tolerabel.

Offline tangocharly

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Billigkeitskontrolle als Einzelfallprüfung
« Antwort #3 am: 17. April 2008, 16:10:25 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Siehste hier.

Befriedigend ist dieser Zustand auch nicht. Es sollte durch den Gesetzgeber die Möglichkeit von Musterprozessen mit Bindungswirkung geschaffen werden.

Diesen Ausführungen kann man sich nur anschließen, wobei dann allerdings (und nur so läßt sich die derzeitige Logik des VIII. Senats wirksam bekämpfen) die Kampfrichtung eher gegen die Vorlieferanten der Versorger gerichtet werden müßte.

Wenn schon kein Versorger in der Lage ist, wirksam und effektiv gegen seinen Vorlieferanten  mit § 307 oder § 315 BGB vorzugehen, dann stellte sich die Frage: \"Wer ?\"

Mangels Vertragsbeziehungen zwischen dem Endkunden und dem Vorlieferanten, kommt Ersterer aber nicht an die \"Phänomenalen Drei oder Vier\" ran (und natürlich auch nicht an die von selbigen beherrschten \"Äste\").

Für Musterklagen haben wir in D ja das UKlG; nur stehen sich da dann ja auch zwei echte Kontrahenden gegenüber (Bspl.: Anleger bzw. Aktionäre und Telecom).

Bei Musterklagen gegen  Versorger, bliebe immer noch das Problem, dass der Versorger X damit zwar abgehandelt werden könnte. Aber der Versorger Y wäre vom Ergebnis des Verfahrens gegen X nicht tangiert. Zwar auch nicht schlecht, weil wenigstens ein Teilschritt. Aber effektiv würde das Spiel erst, wenn die \"Phänomenalen Drei oder Vier\" mit ins Boot geholt werden können.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline enerveto

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Billigkeitskontrolle als Einzelfallprüfung
« Antwort #4 am: 18. April 2008, 22:08:28 »
Musterprozess mit Bindungswirkung

Ein Slogan im Forum:
„Nach der Offenlegung ist vor der Offenlegung.“

Zitat
RR-E-ft
 „…Befriedigend ist dieser Zustand auch nicht. Es sollte durch den Gesetzgeber die Möglichkeit von Musterprozessen mit Bindungswirkung geschaffen werden.“

Was und wie soll denn da „bemustert und befriedet“ werden?
Ein Versorger hat möglicherweise sowohl Tarifkunden als auch Sondervertragskunden.
Der eine Kunde rügt die Preiserhöhung, der andere Kunde den Gesamtpreis.
Dem einen Kunden gefällt die Preisänderung zum Termin A nicht, ein anderer Kunde wählt den Termine B. Zu einem Änderungszeitpunkt spielt das geänderte Netzentgelt eine Rolle, zu einem anderen Zeitpunkt nicht und so weiter …

Musterprozesse: z.B. „Contergan“, „Holzschutzmittel“, demnächst auch „Volksaktie Telekom“.
Es sind volkswirtschaftlich bedeutende Wirtschaftszweige beteiligt: Pharmazie, Chemie, Telekommunikation – und hier Energie.
Die Musterprozesse sollten wohl zum „Rechtsfrieden“ beitragen:
Die Spätfolgen der Contergangeschädigten werden durch höhere Renten vom Staat (Steuerzahler) gemildert. Die Holzschutzmittelgeschädigten sind leer ausgegangen.
Was haben denn die Energieverbraucher von Musterprozessen zu erwarten?
„Rechtsfrieden“?!
Wie heißt es dann doch so tröstlich: „Das Geld ist ja nicht weg, das haben nur die Anderen!“

Da wird doch schon das Gaspreisurteil des BGH vom 13.06.2007 wie ein „Musterprozess“ verwendet. Zumal auch der vorsitzende Richter damit auf „Vortragsreise“ war.
Hinterlässt aber bei den Energie-Verbrauchern wohl doch noch keinen „Rechtsfrieden“?!

Offline RR-E-ft

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Billigkeitskontrolle als Einzelfallprüfung
« Antwort #5 am: 18. April 2008, 22:25:19 »
@enerveto

Da haben Sie wohl etwas deutlich missverstanden.

Ich meinte, dass es möglich sein sollte, dass etwa Verbraucherverbände klagebefugt werden, um einseitige Entgeltbestimmungen auf ihre Billigkeit, einseitige Erhöhungen auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen oder aber in einer Art class act, zB. veröffentlicht wird, dass eine Klage zu der und der Frage gegen einen bestimmten Versorger erhoben wird und sich alle Interessierten und selbst Betroffenen dieser Klage innerhalb einer bestimmten Frist anschließen können und diese Entscheidung dann einheitlich bindend ist....

Wenn 300 Kunden des selben Versorgers einzeln zu ein und der selben Frage (Zulässigkeit/ Wirksamkeit einer einzelnen Erhöhung) klagen und hiernach die Richter in eben einer solchen Anzahl von Verfahren, mal so und mal so entscheiden, dann hat jeder Kläger/ Beklagter den hohen Aufwand der Prozesskosten, ohne dass der Ausgang für andere Kontrahenten Bedeutung erlangen könnte, weil jedes Verfahren sein spezifisches (prozessuales) Eigenleben führt.

Wenn ein Kunde obsiegt, entbindet der Verweis auf ein solches Urteil einen anderen (verklagten) Kunden nicht, den gesamten Aufwand des Bestreitens zu führen,....

Es gibt eben keine Bindungswirkung. Weder zu Lasten noch zugunsten der  Verbraucher, so dass grundsätzlich jeder einzeln und allein kämpfen muss, wenn nicht gerade eine gemeinsame Sammelklage organisiert wird, die nur denen helfen kann, die sich an dieser selbst aktiv beteiligen.

Musterprozesse hätten also zur Folge, dass sich Verbraucher auf dessen Ergebnis berufen könnten, wenn er nach aufwendiger Prozessführung, ggf. nach Instanzenzug einmal rechtskräftig zu Gunsten der Verbraucher entschieden ist. Umgekehrt kann nichts anderes gelten.

 

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