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Autor Thema: Stromrechnung nach über 3 Jahren  (Gelesen 15446 mal)

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Offline Löffje

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Stromrechnung nach über 3 Jahren
« am: 25. Juni 2014, 12:05:22 »
Moin moin,

ich habe mich hier angemeldet, weil ich gestern eine Stromrechnung bekommen habe, die mich förmlich aus den Socken gehauen hat.

Kurz die Vorgeschichte: Am 01.05.2010 bin ich in meine erste eigene Wohnung gezogen. Ich bekam von Vattenfall einen "Willkommensbrief", in dem sie sich als Netzbertreiber vorstellten. Habe dann sofort zu einem anderen Anbieter gewechselt. Aufgrund einer Umzugsmeldung (die sich allerdings auf meinen Einzug bezog!!) kündigte dieser meinen Vertrag zum 15.11.2010. Ich wurde darüber nie informiert, bekam lediglich eine Endabrechnung. Habe wohl das "End" dabei übersehen und dachte mir nix Böses, gut, das war schusselig von mir. Seitdem versorgte Vattenfall mich wieder mit Strom, ohne daß ich jemals einen Vertrag dort unterschrieben habe oder sonstwie über den Wechsel benachrichtigt wurde.

Gestern bekam ich nun von Vattenfall eine Rechnung über knapp 3000 - ja, dreiTAUSEND!! - Euro, die im Zeitraum vom 16.11.2010 bis zum 04.07.2013 angefallen sein sollen. Alles basierend auf Schätzwerten, in der Abrechnung steht jeweils, daß der Zählerstand maschinell errechnet wurde. Ebenfalls schickte Vattenfall mir eine Vertragsbestätigung - über einen Vertrag, den ich nie abgeschlossen habe. Und auf der Rechnung stand drauf, daß bis zur nächsten Rechnung keine Abschläge erhoben werden.

Ich würde gerne wissen:

1. Kann Vattenfall als "städtischer Grundversorger" mich ohne Vertrag beliefern, habe ich durch die Umzugsmeldung automatisch einem Vertrag zugestimmt?

2. Ist es rechtens, daß ich erst nach über 3 Jahren eine Rechnung bekomme?

3. Warum können keine Abschläge erhoben werden, was ist die Grundlage dafür?

4. Sind Teile der Rechnung eventuell verjährt, läßt sich rechtlich irgendeine Minderung erwirken? Ich kann nicht mal eben 3000 Lappen zahlen und finde es reichlich dreist, diese nach 3 Jahren Stille nun so einfach einzufordern.

5. Warum bekomme ich nicht eine Rechnung bis 2014?? Dann fängt ja der Mist in einem Jahr wieder an!

Es wäre super, wenn mir hier jemand weiterhelfen könnte!

Vielen Dank sagt
Löffje

Offline Didakt

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Re: Stromrechnung nach über 3 Jahren
« Antwort #1 am: 25. Juni 2014, 13:00:31 »
Beitrag im Hinblick auf Antwort # 8 gelöscht!
« Letzte Änderung: 25. Juni 2014, 20:34:25 von Didakt »

Offline Löffje

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Re: Stromrechnung nach über 3 Jahren
« Antwort #2 am: 25. Juni 2014, 13:15:13 »
Danke für den dezenten Hinweis, daß mein Handeln in der Tat reichlich bekloppt war. Soviel  Unsinn übersteigt fast mein eigenes Vorstellungsvermögen.

Ich weiß selbst, daß ich den Strom verbraucht habe und daß ich dafür zahlen werde, ist für mich selbstverständlich. Mich wunderte nur der Zeitraum, eben wegen § 40 (3) EnWG. Ebenfalls waren mir die Rahmenbedingungen nicht klar, daß z.B. ein Vertrag auch ohne schriftlichen Abschluß zustande kommen kann.

Sie schreiben:
Zitat
Für die Rechnungsstellung gilt im Prinzip § 40 (3) EnWG. Wo aber kein Kläger, da kein Richter.
Was soll ich dem entnehmen? Macht es Sinn, bei Vattenfall Einspruch mit dieser Begründung einzulegen?

Offline bolli

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Re: Stromrechnung nach über 3 Jahren
« Antwort #3 am: 25. Juni 2014, 15:24:35 »
Die Forderung für 2010 ist verjährt. Sie kann natürlich in Rechnung gestellt werden. Sie können ihr aber mit der Einrede der Verjährung begegnen.
Diese Aussage ist falsch, denn die Verjährungsfrist beginnt erst mit Forderungsstellung zu laufen. Maßgeblich ist aber hierbei nicht der Abnahmezeitpunkt sondern der Zeitpunkt der Rechnungsstellung. Insofern ist von den Forderungen noch nichts verjährt. Insofern kommt man auf diesem Weg nicht aus dem Schlamassel raus. Eine weitere Möglichkeit wäre noch die sogenannte Verwirkung. Diese ist aber recht schwer zu beurteilen, da sie keine klaren Tatbestandsmerkmale hat. Da wird man dann wohl einen Anwalt brauchen.

Wenn Sie eh grundsätzlich bereit sind, die gesamte Summe zu zahlen, würde ggf. ein Gespräch mit Vattenfall über eine regelmäßige Ratenzahlung Sinn machen, vor allem wenn ggf. Ihr Einkommen nicht so hoch ist.

Offline EviSell

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Re: Stromrechnung nach über 3 Jahren
« Antwort #4 am: 25. Juni 2014, 16:50:36 »
In dem Zusammenhang möchte ich mal auf dieses Urteil verweisen, in dem ausgeführt ist, dass sich auch für Grundversorger Verpflichtungen aus der GVV ergeben.

Urteil des Landgerichts Koblenz vom 10. März 2014 - Az: 15 O 536/12
http://www.energieverbraucher.de/de/site__3076/

So 100%ig steht es nicht fest, ob die Summe tatsächlich zu zahlen ist bzw. ob überhaupt.

Nachtrag:
Solche bzw ähnliche Fälle sind früher hier im Forum oft vorgekommen, dass entweder jahrelang der Grundversorger auf geschätzte Verbräuche Abschläge einkassierte und irgendwann diesen mal einfiel abzulesen (da identisch mit dem NB)  und dann kam natürlich der Knall mit horrenden Nachforderungen oder eben jahrelang gar keine forderte. Dazu dürfte viel unter "Ich brauche dringend Hilfe" zu finden sein.
« Letzte Änderung: 25. Juni 2014, 17:30:51 von EviSell »
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Offline Netznutzer

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Re: Stromrechnung nach über 3 Jahren
« Antwort #5 am: 25. Juni 2014, 20:11:34 »
Der Verjährungsbeginn kann erst mit der Erstellung einer Rechnung überhaupt festgelegt werden, da vorher keine Forderung entstanden ist. Abschläge begründen keine rechtsfeste Forderung, da sie nur eine Schätzung dessen sind, was kommen könnte.

Gruß

NN

Offline RR-E-ft

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Re: Stromrechnung nach über 3 Jahren
« Antwort #6 am: 25. Juni 2014, 20:23:32 »
Ein Grundversorgungsvertrag kann mit einem Haushaltskunden allein durch Energieentnahme aus dem Netz zustande kommen, § 2 Abs. 2 StromGVV.

§ 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV bestimmt, dass Rechnungen und Abschläge  zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig werden. Somit können (Forderungen aus) Verbrauchsabrechnungen frühestens zwei Wochen nach deren Zugang zur Zahlung fällig werden. Vor der Fälligkeit beginnt jedoch keine Verjährung zu laufen, so dass Forderungen aus entsprechend spät abgerechneten Verbräuchen in der Grundversorgung noch nicht verjährt sein können. Die späte Abrechnung beruht oft darauf, dass sich Kunden, deren Vertrag allein durch Energieentnahme zustande kommt, es verabsäumt haben, sich entsprechend eigener Verpflichtung aus § 2 Abs. 2 StromGVV unverzüglich beim Grundversorger anzumelden.

vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.09 Az. I-3 U 28/08 = ZNER 2009, 158 f.

Zitat
Denn maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist der Zeitpunkt, zu welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann, d. h. derZeitpunkt, in dem die Forderung fällig wird (BGH, NJW 1982, 930,931). Dabei steht der Verjährung nicht entgegen, dass die Klägerin objektiv die Möglichkeit gehabt hätte, die der Nachzahlungsforderung zugrunde liegenden Stromlieferungen schon früher zu berücksichtigen. Denn maßgebend für den Verjährungsbeginn ist nicht der Zeitpunkt, zu dem die Klägerin die Fälligkeit durch Vorlage einer Abrechnung hätte herbeiführen können, sondern der Zeitpunkt, an dem die Nachforderungsansprüche fällig werden (BGH a.a.O.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 945). Dieser Zeitpunkt liegt hier nicht vor der Erteilung der Rechnungen über die Nachforderung (Zugang der Rechnungen vom 13. Juli 2005). Hieraus folgt, dass das neue, ab 01. Januar 2002 geltende, Recht anzuwenden ist, wonach die dreijährige Verjährung (§ 195 BGB) Ende 2005 begonnen hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 1/2 BGB), diese durch Zustellung des Mahnbescheids am 08. Juli 2006 gehemmt wurde, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB und die Nachforderung demnach nicht verjährt ist.

http://dejure.org/dienste/internet2?www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2009/I_3_U_28_08urteil20090121.html

Fraglich kann sein, ob die Voraussetzungen einer zulässigen Verbrauchsschätzung gem. § 21 Abs. 3 StromGVV vorlagen.

Zitat
Wenn der Netzbetreiber oder der Grundversorger das Grundstück und die Räume des Kunden nicht zum Zwecke der Ablesung betreten kann, darf der Grundversorger den Verbrauch auf der Grundlage der letzten Ablesung oder bei einem Neukunden nach dem Verbrauch vergleichbarer Kunden unter angemessener Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse schätzen. Dasselbe gilt, wenn der Kunde eine vereinbarte Selbstablesung nicht oder verspätet vornimmt.

Diesbezüglich kann es hilfreich sein, den aktuellen Zählerstand abzulesen und anhand des Zählerstandes aus der Endabrechnung des Vorlieferanten zu ermitteln, welcher Verbrauch in der Grundversorgung bisher angefallen ist. Noch besser wäre es, wenn man den Zählerstand zum Ende der Belieferung durch den Vorlieferanten und  per 04.07.13 abgelesen und aufgezeichnet hätte, so dass eine Abrechnung des tatsächlichen Verbrauchs in der Grundversorgung erfolgen könnte.
« Letzte Änderung: 25. Juni 2014, 20:43:32 von RR-E-ft »

 

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