Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Zahlungspflichtig auch nach Widerspruch auf §315-Grundlage?  (Gelesen 18533 mal)

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Offline RR-E-ft

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Zahlungspflichtig auch nach Widerspruch auf §315-Grundlage?
« Antwort #15 am: 13. Dezember 2005, 16:12:35 »
@Eva Sassen

Durch einen Zeitungsartikel kann man grundsätzlich nicht genötigt werden.

Dazu muss man vorsätzlich durch die Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einem Tun gezwungen werden, das man selbst gar nicht will.

Das schafft kein Zeitungsartikel und das schafft auch kein offener Brief.

Sie kennen sicher meine Meinung zu einer Strafanzeige.

Die Darlegung einer anderen Rechtsauffassung - in welcher Form auch immer - kann keine Nötigung sein.

Anders könnte es sich bei konkreten Sperrandrohungen verhalten. Aber auch dort sollte man Vorsicht walten lassen. Das ist aber längstens unter Fragen und Antworten erläutert.

Es hindert Sie sicher niemand, in einem eigenen offenen Brief Ihren gegenteiligen Standpunkt darzustellen.

So etwas bringt immer Spannung ins Blatt und wird deshalb oft sogar von der Presse erwünscht.

Audiatur est altera pars - auch der andere Teil ist zu hören.


@Graf Koks

Einer der Co- Autoren des Beitrages in der et zur Billigkeitskontrolle von Fernwärmepreisen, Herr Kollege Adolf Topp von der  AGFW  ( www.agfw.de ), war am letzten Freitag in Berlin und hat  an Energierechtsymposium am Institut der Freien Universität teilgenommen, so dass er vielleicht neue Erkenntnisse und Einsichten gewinnen konnte:

http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1382&subsubid=1400&content_news_detail=4686&back_cont_id=4043




Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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Offline RR-E-ft

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Zahlungspflichtig auch nach Widerspruch auf §315-Grundlage?
« Antwort #16 am: 13. Dezember 2005, 17:54:30 »
@Forum


Wer die obige Diskussion zwischen Graf Koks und mir deshalb schwer verfolgen konnte, weil er die entsprechenden Aufsätze/ Gutachten zur Billigkeitskontrolle von Fernwärmepreisen nicht kennt, der kann sich diese hier herunterladen:

http://www.agfw.de/813.0.html

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/Gemeinschaftsaufsatz_Par315_et_0512.pdf

Nur bitte nicht vergessen, dass diese interessengeleitet sind.

Hier nochmal das oben besprochene BGH- Urteil vom 05.07.2005:

http://www.rws-verlag.de/bgh-free/volltext6/vo112086.htm

Hier nochmal das BGH- Urteil vom 30.04.2003 zu § 30 AVBV:

http://www.recht.com/documents/BGH-DAT%20Zivilsachen/VIII%20ZR%20279_2F02.asp




Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Offline uwes

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Zahlungspflichtig auch nach Widerspruch auf §315-Grundlage?
« Antwort #17 am: 14. Dezember 2005, 00:51:24 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
@uwes

Unter II 2 c) bb) (3) (b) ergibt sich, dass die AGB-Klausel gerade deshalb unwirksam ist, weil sie auch den Einwand der Unbilligkeit gem. § 315 BGB mitumfasst.

Nach den Urteilen BGH NJW 2003, 3131, die auch zitiert wird, und zu der der erkennende Senat auch keine Divergenz schaffen wollte, ist § 30 AVBV nicht unwirksam.

Er umfasst jedoch nach st. Rspr. nur nicht den Unbilligkeitseinwand gem. § 315 III BGB. Dieser wird durch § 30 AVBV nach st. Rechtsprechung gerade nicht ausgeschlossen.


Ich hoffe, ich habe jetzt verstanden!?
1. § 30 AVBGas schließt den Unbilligkeitseinwand mit ein.
2. Die insoweit ähnliche Klausel, die der BGH zu beurteilen hatte, ist aber unwirksam, gerade weil der Kunde auf den Rückforderungsprozess - unzulässigerweise - verwiesen werden könnte.
3. § 30 AVBGas enthält eine insoweit deckungsgleiche Regelung, ist aber nicht unwirksam.
4. Daraus folgt aber nicht, dass  ich trotz § 30 AVBGas bei Preiserhöhungen des Versorgers (dogmatisch richtig) den Unbilligkeitseinwand auch gegen die - erhöhten - Abschlagsforderungen des EVU nicht erheben könnte! Insoweit steht § 315 BGB als höherrrangiges Recht vor einer entgegenstehenden Regelung des § 30 AVBGas.

Hab ich\'s??

Uwes
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Offline Graf Koks

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Zahlungspflichtig auch nach Widerspruch auf §315-Grundlage?
« Antwort #18 am: 14. Dezember 2005, 01:35:46 »
@uwes:

Ich hatte weiter oben versucht, es zu erklären.  
Konkret ging es in BGH X ZR 60/04 um eine AGB- Klausel, zu deren Auslegung sich der 10. Senat der gängigen Meinungen zu § 30 AVBGasV etc. bediente.  Sind AGB- Klauseln unwirksam, so werden sie für unwirksam erklärt; bei einer Rechtsvorschrift korrigiert man es eher dadurch, dass man sie einfach einschränkend anwendet. Damit ist § 30 AVBGasV also nicht unwirksam, kann aber § 315 BGB nicht ausschließen.  
 

Ergebnis: Ja, sie dürfen Ihre Rechnungsbeträge bis zum Nachweis der Billigkeit kürzen.


@RR-E-ft:

Neben der von Ihnen bereits genannten Entscheidung KZR 37/99 hat der BGH seinen auch nach der GWB- Novelle ausdrücklich fortbestehenden Standpunkt hinsichtlich der Anwendung von § 315 und §§ 19,20 GWB nebeneinander auch noch einmal in der Entscheidung VIII ZR 111/02 bekräftig. Dort heisst es wörtlich:

2. Soweit die Revision unter Hinweis auf wesentlich niedrigere Vergleichspreise anderer Anbieter in der Tarifgestaltung der Beklagten einen Verstoß gegen Kartellrecht, hier gegen die auf den fraglichen Zeitraum noch anwendbaren §§ 22, 26 GWB in der Fassung vom 20. Februar 1990 (BGBl. I 235), sieht, bedarf es eines Eingehens hierauf nicht; denn die Grenzen des allgemeinen kartellrechtlichen Mißbrauchs- und Diskriminierungsverbotes fallen nicht mit den Grenzen der Billigkeitsentscheidung nach § 315 BGB zusammen (Senat, Urteil vom 2. Oktober 1991 aaO unter III 2 d).


Ich stelle also fest, dass der Bär, den man dem Kunden hier aufbinden will, immer dicker wird ...

M.f.G.
Graf Koks

Offline RR-E-ft

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« Antwort #19 am: 14. Dezember 2005, 12:16:48 »
@Graf Koks

Hinsichtlich des genannten BGH- Urteils VIII ZR 111/02 vom 05.02.2003 (NJW 2003, 1449) ziehen sich die Vertreter der Energiewirtschaft darauf zurück, der BGH habe auf seine frühere Rechtsprechung Bezug genommen, ohne sich jedoch mit den Veränderungen durch die 6. GWB- Novelle auseinanderzusetzen (Einführung des Verbotstatbestandes mit der Rechtsfolge Unwirksamkeit gem. § 134 BGB sowie Einführung einer gesetzlichen Schadensersatzpflicht gegenüber Kunden  in Fällen kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauchs).

Wenn man diese Einschätzung evtl. noch für dieses Urteil vom 05.02.2003 gelten lassen wollte, wenn man das Urteil vollkommen eigenständig betrachtet, so wird jedoch negiert, dass der BGH sich ja bereits mit der Entscheidung aus 2001 zu den Kabel- Hausverteilern (BGH NJW 2001, 2541, 2544) explizit auch mit dem Nebeneinander von zivilrechtlicher Billigkeitskontrolle und kartellerechtlichen Bestimmungen, nämlich den neu eingeführten Schadensersatzansprüchen der vom Preishöhenmissbrauch betroffenen Kunden befasste.

Diese Entscheidung lässt man deshalb immer unter den Tisch fallen, um weiter am Standpunkt festzuhalten, der BGH habe sich nach der 6. GWB- Novelle gar nicht noch einmal explizit dazu geäußert, habe sich nur auf die alte Rechtsprechung bezogen und die durch die Gesetzesänderungen mit der 6.GWB- Novelle nicht in seine Erwägungen einbezogen....

Das ist die Kernaussage dazu sowohl in den Aufsätzen von Berkner pp., aber auch Ehricke JZ 2005, 499 und wohl auch Kunth/ Tüngler NJW 2005, 1313 sowie Salje, et 2005, 278, 280.

Es wird dabei immer von einer \"alten höchstrichterlichen Rechtsprechung\" gesprochen. Diese Aussagen sind von Anfang an falsch, wie sich aus der Entscheidung BGH NJW 2001, 2541, (2544) eindeutig ergibt. Diese muss man also schlichtweg leugnen, um daran festhalten zu können.

Nun mag es bisher so gewesen sein, dass man dieses Urteil aus 2001 vielleicht wirklich nicht kannte, weil es nicht unmittelbar mit energiwirtschaftlichen Fragestellungen zu tun hatte.

Aber sogar bei Zitierung meines Aufsatzes, in dem in Fußnote 18 diese BGH- Entscheidung ganz klar aufgezeigt wird, immer noch an dieser Argumnetation festzuhalten und mir dann sogar noch zu unterstellen, ich habe etwas offensichtlich übersehen, ist schlicht nicht mehr nachvollziehbar.

In Fußnote 20 meines Aufsatzes habe ich das Urteil vom 05.02.2003 VIII ZR 111/02 (NJW 2003, 1449 f). ebenfalls genannt. Allenfalls auf dieses könnte die Argumentation der Vertreter der Energiewirtschaft wie oben aufgezeigt noch verfangen.....

Nun ist jedoch mit dem Lichtblick- Urteil klar, dass es sich um keine \"alte höchstrichterliche Rechtsprechung\" handelt.

Vielleicht werden die Protagonisten der anderen Meinung nun konsequent nach dem Lichtblick- Urteil von einer neuen Rechtsprechung des BGH sprechen, obschon sich diese zwischenzeitlich gar nicht geändert hatte.  

Die Argumentation der Energiewirtschaft hatte also einige Raffinesse, konnte ja auch noch die Oberlandesgerichte bisher überzeugen....

Nach meinem Aufsatz und sogar unter Bezugnahme auf diesen, geht das jedoch nicht mehr. Nach dem Lichtblick- Urteil schon gar nicht.

Wir dürfen gespannt sein auf den Text des Lichtblick- Urteils.

Es müsste sich meine Argumentation wohl bestätigen, dass es für eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB gar nicht darauf ankommt, dass es sich um Leistungen der sog. Daseinsvorsorge handelt.

Auch die Flughafengebühren waren ja schon keine Daseinsvorsorge.

Und die Nutzung der Stromnetze durch dritte Händler dürften auch nicht zur Daseinsvorsorge zählen.

Allein deshalb hatten ja viele Gerichte § 315 BGB in diesem Bereich unzutreffend für unanwendbar erklärt (vgl. nur LG Köln, RdE 2004, 306).


Meines Erachtens kommt § 315 BGB entsprechend auf Entgelte von Unternehmen zur Anwendung, die aufgrund eines Gesetzes oder aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung selbst einem Kontrahierungszwang unterligen.

Aus dem Kontrahierungszawang des Unternehmens folgt zugleich der Leistungsanspruch desjenigen, der die Leistung in Anspruch nehmen möchte (nicht muss).

Ein solcher Leistungsanspruch könnte nämlich immer durch das Fordern prohibitiver (verboten überhöhter) Preise vollkommen ausgehöhlt werden.

Deshalb ist derjenige, der entsprechende Leistungen in Anspruch nimmt, schutzbedürftig.

Die Billigkeitskontrolle findet nicht auf alle Preise von Unternehmen Anwendung, sondern nur da und soweit ein entsprechender Kontrahierungszwang besteht.

So spricht auch die Literatur von der Entgeltfindung unter Kontrahierungszwang, stellt aber wohl unzutreffend darauf ab, der Leistungsnachfrager unterfalle einem solchen:

http://shop.buecher.de/entgeltfindung_unter.htm

Es ist noch einmal deutlich herauszustellen, dass nur ganz selten der Nachfrager der Leistung einem Kontrahierungszwang unterfällt.

Einem Kontrahierungszwang unterliegen vielmehr diejenigen Unternehmen, die bestimmte Leistungen anbieten.

So gesehen, ist es ggf. an der Zeit, die dogmatische Herleitung vom Kopf auf die Füße zu stellen im Sinne von fiat lux.

Meine  Formel ist auch viel einfacher zu handhaben.

Fällt Ihnen etwas ein, was dagegen spräche?

Im Bereich der Energieversorgung muss eine Billigkeitskontrolle allein deshalb stattfinden, weil sich sonst überhaupt nicht kontrollieren ließe, ob nun preisgünstig versorgt wird oder eben nicht.


Freundliche Grüße
aus Jena





Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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