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Autor Thema: OLG Oldenburg verhandelt ab 02.11.10 erneut über Gaspreiserhöhungen der EWE  (Gelesen 4123 mal)

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Offline RR-E-ft

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OLG Oldenburg verhandelt ab 02.11.10 erneut über Gaspreiserhöhungen der EWE

Derweil hat das LG Frankfurt/ Oder mit Urteil vom 26.10.10 Az. 19 S 48/09 eine Zahlungsklage der EWE wegen nicht wirksam Einbeziehung der Bedingungen der AVBGasV in einen Sondertraif S I - Vertrag auch in der Berufung abgewiesen.

Das LG Frankfurt/ Oder hat zugunsten der EWE die Revision gegen die sehr lesenswerte Entscheidung zugelassen. Das Urteil liegt dem Verein vor und findet sich hoffentlich bald in der Entscheidungssammlung.

Offline jroettges

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Der Senat des OLG Oldenburg knüpft auch personell an sein Urteil vom September 2008 an. Als EWE-Kunde und Verbraucher fühlt man sich da gut aufgehoben.

Bei den drei \"Baustellen\" des Verfahrens schätzen die Richter die jeweiligen Chancen der Parteien unterschiedlich ein, was letztlich auch zum Vergleichsvorschlag des Gerichts geführt hat.

Bei der Frage der Einbeziehung der AVBGasV sieht der Senat erhebliche Lücken im Vortrag der EWE-Vertreter. Nur bei 2en der Fälle wolle man in ein Beweisverfahren eintreten. In allen anderen Fällen sieht man keine wirksame Einbeziehung, da die EWE dazu keine Unterlagen mehr liefern kann bzw. die glieferten Unterlagen unvollständig oder widersprüchlich sind.

Der Senat scheint entschlossen, die vom BGH offengelassenen Fragen dem EuGH vorzulegen, damit geklärt wird, ob die im BGH_Urteil vom 14. Juli 2010 bestätigte Rechtskonstruktion (Einbezug der ABVGasV in Sonderverträge bildet das sog. \"gesetzliche Preisanpassungsrecht\" hinreichend nach) dem Transparenzgebot der EU-Binnenmarktrichtline entspricht. Dagegen wehrt sich natürlich die EWE, denn sie muss dort eine wirkliche Niederlage befürchten ... und mit ihr viele andere Versorger auch.

Bevor die dritte \"Baustelle\" - die Frage der Billigkeit der EWE-Preise - eröffnet wird, möchte der Senat die vorstehenden Fragen geklärt wissen und die Stellungnahme der Parteien zu seinem Vergleichsvorschlag kennen. Die dritte \"Baustelle\" berge auch für die Kunden der EWE die vergleichsweise höheren Gefahren des Unterliegens.

Er hat den Parteien 3 Wochen Zeit zur Stellungnahme gegeben und für den 14. Dezember einen Entscheidungetermin festgesetzt.

Mein Fazit:
Bei diesem Senat des OLG Oldenburg sind unsere Interessen gut aufgehoben. Er geht den Dingen auf den Grund und lässt sich nicht durch ellenlange Schriftsätze und Vorträge verblüffen.

Wenn es nicht zu besagtem Vergleich kommt (66% bzw. 100% Rückzahlung für die Zeiträume vor/nach dem 1.4.2007), kann das Verfahren zum Schlüssel bei der Klärung der anstehenden Fragen in tausenden Verfahren in Deutschland werden.

Offline RR-E-ft

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Das Transparenzgebot des § 307 BGB soll der Umsetzung einer EU- Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen entsprechen, hier lesen.

Die bis zum 01.04.07 von EWE verwendete Preisänderungsklausel (inhaltsglich mit § 4 AVBGasV) entspricht vollkommen unstreitig nicht den Anforderungen, welche die Rechtsprechung des BGH sonst nach dem Transparenzgebot an die Konkretisierung von Preisänderungsklauseln und Leistungsänderungsvorbehalte in Allgemeinen Gechäftsbedingungen stellt.

Zitat
BGH, Urt. v. 13.07.04 KZR 10/03 unter II. 6.:

Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer
Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt
(BGHZ 89 aaO).

Der VIII. Zivilsenat des BGH hält jedoch die Zulässigkeit einer solchen Klausel gleichwohl durch § 310 Abs. 2 BGB gerechtfertigt.

Tatsächlich lässt § 310 Abs. 2 BGB schon seinem Wortlaut nach jedoch gar keine Einschränkung bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle des § 307 BGB zu. Die entsprechende Auslegung erscheint zudem mit den entsprechenden EU- Richtlinien unvereinbar.

Bei Abschluss von Sonderverträgen wird regelmäßig ein im Rahmen der Vertragsfreiheit vom Versorger angebotener Preis vereinbart. Die Vereinbarung einer Preisänderungsklausel ist nicht erforderlich.

Vertraglich vereinbart ist deshalb gerade kein (der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegendes) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (vgl. BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers in Bezug auf den vertraglich geschuldeten Preis ergibt sich dabei deshalb weder aus Gesetz noch aus Vertrag.  

Anders verhält es sich mit der gesetzlichen Regelung des § 5 Grundversorgungsverordnung.

Dabei handelt es sich schon um keine einer gerichtlichen Inhalts- und Transparenzkontrolle unterliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingung.

Der Gesetzgeber hat den Grundversorgern in Bezug auf die Allgemeinen Tarife ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt und sie zugleich zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas verpflichtet und ihnen aufgegeben, die von ihnen in Erfüllung des gesetzlichen Rechts zur Preisbestimmung und der gesetzlichen Verpflichtung zur Preisbestimmung, Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben, §§ 36, 2, 1 EnWG.

Gedankliche Voraussetzung für die öffentliche Bekanntgabe solcher Allgemeinen Preise ist zuvor deren einseitige Festlegung durch den Grundversorger.

Sie sind demnach wohl per se weder Ergebnis von Preisverhandlungen zwischen Versorger und Kunden noch einer Marktpreisbildung durch Wettbewerb, sondern Ergebnis einer kostenbasierten Preiskalkulation des Grundversorgers.

§ 5 Abs. 2 Grundversorgungsverordnung bestimmt darüber hinaus lediglich eine besondere Ausformung der Ausübung dieses einseitigen Leistungsbestimmungsrechts in Abweichung von § 315 Abs. 2 BGB.

Der Gesetzgeber hat sowohl das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers hinsichtlich der Preise für die Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht als auch die gerichtliche Billigkeitskontrolle dergestalt einseitig bestimmter Preise für Elektrizität und Gas ausdrücklich vorgesehen, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 Grundversorgungsverordnung.

Allgemeine Tarife sind (wohl von Anfang an) gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

§ 5 Abs. 2 Grundversorgungsverordnung stellt demnach gar keine Preisänderungsklausel hinsichtlich eines vertraglich vereinbarten Preises dar und kann mit einer solchen auch nicht gleichgesetzt werden.

Es erscheint deshalb abwegig, wenn der VIII. Zivilsenat des BGH aus § 310 Abs. 2 BGB herauslesen will, dass der Gesetzgeber mit § 4 AVBV bzw. § 5 Abs. 2 GVV selbst den Maßstab für die \"Transparanz\" für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen bestimmt hätte.

Letzteres - dem Gesetzgeber vom BGH- Senat lediglich unterstellte Handeln - widerspräche wohl auch schon dem  in Artikel 5 Satz 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vorgeschriebenen Transparenzgebot.

Tatsächlich ist wohl rein gar nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetztgeber in irgendeiner Weise eine Abweichung von dem Transparenzgebot der EU- Richtlinie oder der bisherigen BGH- Rechtsprechung hierzu wollte.

Eine entsprechende Klärung der Grundsatzfrage scheint wichtig.

Offline GFleischer

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Ich habe mir Gestern (02.11.2010) die Verhandlung am OLG OL als Zuschauer angesehen. Dabei fand ich zwei Bermerkungen, die von einer 5-köpfigen Gruppe am Rande gemacht wurden, wichtig.
Die Erste: Es laufen Klagen um Erstattung gem BGH-Urteil vom 14. Juli 2010, Az. VIII ZR 246/08. Diese sind unzulässig weil die Kunden ja nicht widersprochen haben und damit Trittbrettfahrer sind!
Die zweite: Wir beziehen unser Gas vom Vorlieferanten anhand der Ölpreisbindung, und damit ist unsere Preisgestalltung Billig und rechtens.

Beides hatte zwar nichts mit dieser Verhandlung direkt zu tun. Die Randinformationen der Anwälte zeigen aber die grundsätzliche Betrachtung der Meinungsbildung in der EWE.

Offline RR-E-ft

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Rückforderungsklagen gem. § 812 BGB sind zulässig und haben Aussicht auf Erfolg, soweit Zahlungen des Kunden rechtsgrundlos erfolgten und der Versorger deshalb ungerechtfertigt bereichert ist.  

Dies ist dann der Fall, wenn die zur Abrechnung gestellten und bezahlten Entgelte nicht vertraglich geschuldet waren, soweit sie auf unwirksamen Preiserhöhungen beruhten.

Der BGH hat im Urteil vom 14.07.10 VIII ZR 246/08 klargestellt, dass die Preisänderungsklauseln der EWE in den Sonderverträgen seit 01.04.07 unwirksam waren und dass durch die widerspruchslose Hinnahme und Zahlung der Kunden die wegen unwirksamer Preisänderungsklauseln unwirksam erhöhten Preise nicht vertraglich vereinbart wurden, folglich nicht vertraglich geschuldet waren.

Mehrere Gerichtsentscheidungen belegen, dass sich ein Versorger dabei für eine Entreicherung auch nicht auf gestiegene Bezugskosten berufen kann.

Bei einer Vorlage an den EuGH kann sich - im Gegensatz zum BGH - ergeben, dass auch die bis zum 01.04.07 verwendeten Preisänderungsklauseln unwirksam waren.

Drohende Katastrophe vor dem EuGH

Offline uwes

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Zitat
Original von GFleischer
Wir beziehen unser Gas vom Vorlieferanten anhand der Ölpreisbindung, und damit ist unsere Preisgestalltung Billig und rechtens.

Das dürfte ja wohl eine inoffizielle Mitteilung der EWE sein.
Dass dieses Unternehmen grundsätzlich nur die Hälfte dessen veröffentlicht, was eigentlich interessant ist, wissen wir seit Beginn der Auseinandersetzungen. Hier ein Bericht der örtlichen Presse, der aufzeigt, welch grundsätzliche Bedeutung nunmehr in diesem Verfahren steckt.

Siehe auch die Diskussion im Forum hier und hier.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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