Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: wie vorgehen ?  (Gelesen 5208 mal)

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Offline Pedder

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wie vorgehen ?
« am: 21. Februar 2010, 17:59:08 »
Hallo !
Folgendes Problem: Meine Bekannte hat seit rund zwei Jahren die Abschläge für Gas gekürzt. Im August 09 obsiegte dann der zuständige Versorger in einem recht fragwürdigen Prozess gegen andere Personen aus unserer Nähe. Fragwürdig deshalb, weil im laufenden Prozess der Richter ausgetauscht wurde.....!

Nun kam wie erwartet die Nachforderung ins Haus. Meine Bekannte soll rund 1200.- nachzahlen.  Meine Bekannte hat die letzten Jahre im Niedriglohnsektor gearbeitet und unterstützendes ALG2 bezogen. Mitte 2009 ging ihr Arbeitgeber pleite und seither bekommt sie ALG1 + unterstützendes ALG2. Sie möchte nun beim Jobcenter einen Kostenübernahmeantrag stellen. Wir haben die starke Vermutung, dass dieser Antrag abgelehnt wird. In 2007 und 2008 hat das Jobcenter nie die vollen Heizkosten gezahlt, obwohl dies laut Gesetz hätte gemacht werden müssen. Erst in 2009 würden die Kosten voll übernommen.  Unter dem Strich hätte also in 07 + 08 das Jobcenter mehr zahlen müssen. Wäre dies passiert, wäre eine Kürzung ja nicht nötig gewesen. Sie kürzte damals nur, weil das Jobcenter nicht den vollen Satz zahlte und der Versorger mehrfach den Preis erhöhte.

Da sie mittlerweile keine Arbeit mehr hat, kann sie diese Nachzahlung nicht leisten. Ferner sind die hohen Rückstände ja zum großen Teil durch die fehlerhafte Zahlweise des Jobcenters entstanden.

Meine Fragen: Wie kann soll sie sich jetzt verhalten ? Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es ?


Danke !

Pedder

Offline Cremer

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« Antwort #1 am: 21. Februar 2010, 22:48:49 »
Der Versorger obsiegte gegen andere Kunden. Bei Ihnen müßte er, sofern Sie die Nachforderung verweigern auch erst mal klagen.

Was die Sache mit dem Jobcenter betrifft, müßten Sie dies selbst regeln.

Heizkosten werden bei uns in RP mit 1 €/m²/Monat gezahlt. Darübergehende Foderungen sind beweispflichtig.
MFG
Gerd Cremer
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Offline Black

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wie vorgehen ?
« Antwort #2 am: 22. Februar 2010, 09:51:57 »
Wenn die Außenstände nur auf einem Fehler des Job Centers beruhen und Ihr Versorger schon einen gleichartigen Prozess gewonnen hat, sind die Erfolgsaussichten ihrer Bekannten in einen Prozess eher schlecht.

Eine rechtschutzversicherung dürfte wohl auch nicht vorhanden sein, so dass das Risiko weiterer Prozesskosten hinzukommt.

Wenn der Versorger abermals obsiegt und tatsächlich Außenstände in Höhe von 1.200,- Euro bestehen, könnte dieser sogar im schlimmsten Fall die Versorgung nach § 19 GasGVV ganz einstellen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline Kampfzwerg

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« Antwort #3 am: 22. Februar 2010, 12:27:17 »
Zitat
Original von Pedder
Sie möchte nun beim Jobcenter einen Kostenübernahmeantrag stellen. Wir haben die starke Vermutung, dass dieser Antrag abgelehnt wird.  
Warum?
Vermuten heisst Nicht-Wissen.
Den Antrag auf jeden Fall schriftlich stellen, sich den Eingang quittieren lassen, und zeitgleich mit den Unterlagen zu einer Beratungsstelle für Erwerblose gehen.

Sollte der Antrag tatsächlich abgelehnt werden, muss! die schriftliche Ablehnung der ARGE eine Begründung enthalten.
Gegen diesen Ablehnungsbescheid könnte wiederum Widerspruch eingelegt werden. Wird dieser ebenfalls abschlägig beschieden, sollte man die Vorausssetzung für eine Klage prüfen lassen.

Die Sozialgerichte quellen über wegen der eingereichten Klagen in Bezug auf unrechtmässig abgewiesene Anträge auf Übernahme der Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Kosten, u. d.  obwohl die Mitarbeiter der ARGEn es besser wissen sollten!
Ich nenne so etwas Willkür. Freundlich ausgedrückt.


Eine Pauschalierung der Heizkosten ist lt. BSG generell unzulässig.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
Unter § 22 Abs. 1 SGB II fallen jedoch nicht nur laufende Kosten, sondern auch einmalige Kosten, die beispielsweise für die Beschaffung von Heizmaterial anfallen.
Heisst übersetzt: Wenn die Wohnung insgesamt angemessen ist, kann auch bei den Heizkosten nicht pauschaliert werden.

http://www.fachverband-gefaehrdetenhilfe.de/Wohnungslosenhilfe/BSG%20Urteil%20Heizkosten.pdf

auch hier:

http://www.herbertmasslau.de/pageID_8658650.html

und hier

http://www.tacheles-sozialhilfe.de/forum/thread.asp?FacId=1199922
Zitat
Der Senat hat zwischenzeitlich bereits wiederholt entschieden, dass auch die laufenden Leistungen für Heizung grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen sind.

Geht der Grundsicherungsträger davon aus, dass eine Wohnung insgesamt angemessen ist, so kann er in der Regel nicht bei den Heizkosten eine in Relation zur Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unangemessene Wohnungsgröße wieder zur Geltung bringen und - wie hier - die Heizkosten pauschal im Verhältnis der tatsächlich angemieteten Wohnfläche zur abstrakt angemessenen Wohnfläche kürzen.

Zitat
Die Größe der Wohnung ist bei der Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nur einer von mehreren Ermittlungs- bzw Berechnungsposten.
Ist eine Wohnung von ihren Mietkosten her nach der sog Produkttheorie angemessen, so sind die angemessenen Heizkosten grundsätzlich zu erstatten.
...
Nicht erstattungsfähig sind Heizungskosten lediglich dann, wenn sie bei sachgerechter und wirtschaftlicher Beheizung als der Höhe nach nicht erforderlich erscheinen.
Dies setzt eine konkrete Prüfung im Einzelfall voraus.


Zitat
Original von Cremer
Heizkosten werden bei uns in RP mit 1 €/m²/Monat gezahlt. Darübergehende Foderungen sind beweispflichtig.

Auch wenn es bei Euch so gemacht wird, es ist aber trotzdem nicht rechtens  :rolleyes:
Offensichtlich muss eine bestimmte Vorgehensweise der ARGE nicht zwanghaft rechtskonform sein und sollte generell hinterfragt und verifiziert werden!


P.S.
Und von Black nicht bange machen lassen.   ;)

Offline Cremer

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« Antwort #4 am: 22. Februar 2010, 14:28:07 »
@Kampfzwerg,

herzlichen Dank für die Ausführung.

Dies kann bedeuten, dass ich für die Heizkosten nach Abschluß der Heizsaison 2009/2010 eine Nachforderung für meinen Mieter (ALG II) stellen kann, wenn die im voraus gezahlten Kosten von der ARGE aufgrund einer Berechnung auf der Basis der vorangegangenen Heizperiode 2008/2009 für den Einkauf von Heizöl nicht ausreichen.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline Kampfzwerg

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wie vorgehen ?
« Antwort #5 am: 22. Februar 2010, 15:34:11 »
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 2.7.2009, B 14 AS 36/08 R
siehe hier

Mit seiner Entscheidung vom 2. Juli 2009 (B 14 AS 36/08 R) hat der 14. Senat des Bundessozialgerichts erstmals eine Grundsatzentscheidung hinsichtlich der Heizkosten im Rahmen des § 22 SGB II getroffen.

Zitat
Leitsätze
1. Die Angemessenheit der Höhe der Heizkosten ist im SGB 2 unabhängig von der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu beurteilen.
2. Der Anspruch auf Heizkosten besteht in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen. Eine Pauschalierung ist unzulässig.
3. Liegen die Heizkosten über einem aus einem bundesweiten oder kommunalen Heizspiegel zu ermittelnden Grenzbetrag, so sind sie im Regelfall nicht mehr als angemessen zu betrachten.
...
4. Den Klägern steht nicht bereits auf Grund der Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II (heute § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II) für einen Übergangszeitraum von sechs Monaten der Anspruch auf Kosten der Unterkunft in der bisher bewilligten Höhe zu (vgl zur Übertragung der sechsmonatigen Übergangsfrist auf die Heizkosten Urteil des Senats vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 21 ff). Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 25. Mai 2005 einen Hinweis darauf gegeben, dass sie die Heizkosten der Kläger für unangemessen hoch hält. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt diesem Hinweis bzw der Kostensenkungsaufforderung lediglich eine Warn- und Aufklärungsfunktion zu (vgl insbesondere BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R). Dies macht zugleich deutlich, dass bereits durch ein Informationsschreiben bzw einen solchen Hinweis eine Obliegenheit zur Klärung der Sachlage durch den Hilfebedürftigen ausgelöst wird (vgl hierzu auch Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, 2009, S 39).


BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 19.9.2008, B 14 AS 54/07 R
siehe hier

Zitat
2) Nur soweit im Leistungszeitraum tatsächlich Heizkosten entstanden sind, sind sie ebenso wie die übrigen Unterkunftskosten zu übernehmen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit richtet sich grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall.
...
Für den hier streitigen Zeitraum wären aber die tatsächlichen Heizkosten in entsprechender Anwendung von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF schon deshalb zu übernehmen, weil für die \"Schonfrist\" von sechs Monaten auch unangemessene Kosten für eine Wohnung zu tragen sind, zu denen - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch die Heizkosten gehören.

Die hier benannte \"Schonfrist\" ergibt sich aus der Verpflichtung der ARGE, im Falle, dass die KdU nicht angemessen sein sollten, den Bezieher zur Senkung der KdU auffordern zu müssen, und zwar bevor die Leistung an diesen gekürzt werden kann.
Oft genug wird allerdings ohne entsprechende, vorherige Aufforderung zur Senkung gekürzt. Ebenso wenig findet eine vorgeschriebene Anhörung und Einzelfallprüfung statt. Dies ist ebenfalls rechtswidrig.



@Cremer
yepp ;)
Wie man sehen kann, beschäftigt das kleine Wörtchen \"Angemessenheit\" die Gerichte in vielerlei Hinsicht.

Offline RebellA

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wie vorgehen ?
« Antwort #6 am: 24. Februar 2010, 06:08:38 »
@Pedder
Zitat
In 2007 und 2008 hat das Jobcenter nie die vollen Heizkosten gezahlt, obwohl dies laut Gesetz hätte gemacht werden müssen -
Meine Fragen: Wie kann soll sie sich jetzt verhalten ? Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es ?

1. Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X kann bis 4 Jahre rückwirkend beim Jobcenter gestellt werden.
2. Nach Ablehnung Widerspruch einlegen.
3. Nach Widerspruchsbescheid beim Sozialgericht klagen.
Dort ist kein Anwaltszwang und kostenlos.
Man kann sich sogar direkt/persönlich bei der Klageeinreichung beim SG helfen lassen.
(Dazu alle Bescheide usw. mitnehmen).
Mit Beratungsschein vom Amtsgericht und 10 EURO Eigenanteil macht dies ein Rechtsanwalt. *

Den Versorger zu informieren, dass Klage beim SG eingereicht ist, obliegt jedem selbst.
Jedenfalls hätte ein Mahnbescheid bzw. eine Klage keinen Erfolg,
weil das Einkommen beim ALG2-Bezug unter dem Pfändungsfreibetrag liegt.

* Rechtsanwalt; Beratungsstellen, Gruppen:
http://www.my-sozialberatung.de/adressen

Gruß :)
RebellA

 

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