Da es hierzu immer wieder Fragen gibt:
Die Billigekeitskontrolle von Strompreisen findet auch nach der Liberalisierung weiter Anwendung, soweit diese vom EVU einseitig bestimmt wurden, also nicht individualvertraglich vereinbart wurden.
So befasst sich das Urteil des BGH vom 05.02.2003, VIII ZR 111/02 (NJW 2003, S. 1449 ff.) auch mit einem Rückerstattungsanspruch infolge Unbilligkeit für einen Zeitraum, der nach der Libearlisierung lag und schloss diesen nicht etwa wegen der Liberalisierung aus.
Vgl. den Aufsatz von Joachim Held \"Strompreise und Verbraucherschutz durch § 315 BGB\" in der Zeitschrift \"Verbraucher und Recht\" VuR 2003, S. 296 ff.
Dies gilt zum einen für die Allgemeinen Tarife, die durch das EVU veröffentlicht werden und für einseitige Preiserhöhungen aufgrund von Preisanpassungsklauseln.
Für die Billigkeit der behördlich genehmigten, Allgemeinen Tarife gilt dabei Folgendes
für den Fall eines Rückerstattungsprozesses, wo grundsätzlich den Kunden die Beweislast für die Unbilligkeit des Tarifs trifft, und dies auch nur, wo der Kunde zunächst ohne jedweden Vorbehalt über Jahre die Zahlungen an den Versorger geleistet hatte:
Der BGH hat selbst im Falle eines Rückforderungsprozesses eines Kunden, in welchem diesen grundsätzlich die Beweislast für die Unbilligkeit der Tarife des EVU trifft, vollkommen offen gelassen, ob einer behördlichen Tarifgenehmigung überhaupt eine Indizwirkung für die Billigkeit der geforderten Tarife zukommen kann (vgl. BGH NJW 2003, 1449 ff.).
Nur für diesem Fall eines Rückerstattungsprozesses des Kunden wegen unbilliger Allgemeiner Tarife kann gelten:
Tarife und ihre einzelnen Bestandteile bedürfen der Genehmigung der Behörde, § 12 Abs. 1 BTOElt.
Die Preisgenehmigung wird nur erteilt, soweit das EVU nachweist, dass entsprechende Preise in Anbetracht der gesamten Kosten- und Erlöslage bei elektrizitätswirtschaftlich- rationeller Betriebsführung erforderlich sind , § 12 Abs. 2 BTOElt.
Die Tarife müssen sich an den Kosten der Elektrizitätsversorgung, und nicht etwa anderer Aktivitäten, orientieren, § 1 Abs. 1 Satz 2 BTOElt.
Ein EVU der allgemeinen Versorgung genügt seiner Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Stromtarife allenfalls durch Vorlage der ihm erteilten tarifrechtlichen Genehmigungen und aller dazugehörenden Anträge und Kostenträgerrechnungen.
Wenn auch die dem EVU erteilte Genehmigung nach § 12 Abs. 1 BTOElt für Rechtmäßigkeit des Genehmigungsverfahrens und die Billigkeit des genehmigten Tarifs spricht, so sind dennoch die prozessualen Anforderungen an die Substantiierung der Billigkeit zu beachten.
Der Hinweis auf den mit dem Kunden abgeschlossenen Vertrag und die danach zu übernehmenden Tarife ohne Vorlage der Genehmigung, der Anträge und der Kostenträgerrechnung wird im Rahmen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB nicht den Anforderungen an die substantiierte Darlegung der Angemessenheit der Tarife genügen.
Die Tatsache der behördlichen Genehmigung kann sich auf die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Stromtarife nur in der Weise auswirken, dass sie ein Indiz, nicht aber der Beweis für die Ordnungsgemäßheit des behördlichen Genehmigungsverfahrens und die Billigkeit des genehmigten Stromtarifs sind.
Das EVU muss seine Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der Tarife durch vollständige Vorlage der behördlichen Genehmigungsunterlagen erfüllen.
Allenfalls dannach hat der Kunde erst die Darlegungs- und Beweislast für etwaige Mängel des Genehmigungsverfahrens und damit verbundenen Zweifel an der Billigkeit des Tarifs (vgl. BGH NJW 2003, 1449 ff; AG Bad Neuenahr- Ahrweiler, NJW 1998,2540= WuM 1998, 362; KG Berlin, RdE 2002, 243;Hempel, RdE 2002, 246, jeweils m.w.N.).
Die vorstehenden Ausführungen stammen im Wesentlichen aus einem Beitrag von Herrn Kollegen Dr. Hempel, Wuppertal, dortiger Justiziar der Stadtwerke und Herausgeber des Standardkommentars \"Verträge und Inkasso der Versorgungswirtschaft\" in der Zeitschrift \"Recht der Elektrizitätswirtschaft\", RdE 2002, S. 246.
Im Gegensatz zum Rückerstattungsprozess trifft das EVU im Zahlungsprozess gegen den Kunden die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der geforderten Entgelte, vgl. BGH Urteil vom 30.04.2003 VIII ZR 278/02 (NJW 2003, S. 3131 ff.).
Die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des EVU sind also logischerweise in einem Zahlungsprozess gegen den Kunden noch weit strenger als in einm Rückerstattungsprozess.
Dabei muss nämlich nicht der Kunde die Unbilligkeit der Strompreise beweisen, sondern das EVU deren Billigkeit.
Versorger, die sich zur Angemessenheit ihrer Tariferhöhung deshalb auf die erteilte Tarifgenehmigung oder aber auch für die Angemessenheit der Erhöhung von Sondertarifen auf die behördlich genehmigte Erhöhung ihrer Allgemeinen Tarife berufen (vgl. EnBW, ESAG, E.on Bayern etc. pp.) müssen aufgefordert werden, die Angemessenheit der Preiserhöhung zumindest durch Offenlegung der Tarifgenehmigung, nebst aller Antragsunterlagen einschließlich der Kostenträgerrechnung nachzuweisen.
Wo die Allgemeinen Tarife nicht erhöht wurden, kann wohl davon ausgegangen werden, dass eine enstprechende Tariferhöhung behördlich versagt wurde oder zu versagen gewesen wäre, weil die Kosten- und Erlöslage bei elektrizitätswirtschaftlich-rationeller Betriebsführung eben eine Tariferhöhung gerade nicht zuließ:
Wenn die Voraussetzungen für eine Tariferhöhung vorliegen, ist das Management verpflichtet, eine entsprechende Tariferhöhung zu beantragen. Dies ergibt sich aus der Verpflichtung zur Kapitalerhaltung gegenüber den Anteilseignern.
Es kann deshalb wohl davon ausgegangen werden, dass entsprechende Anträge gar nicht erst gestellt oder aber im laufenden Genehmigungsverfahren wieder zurückgenommen wurden, wo die Preise bisher schon zu hoch waren.
Keine Erhöhung der Allgemeinen Tarife gab es etwa bei den Stadtwerken Bielefeld, der E.on Westfalen Weser AG, der TEAG Thüringer Energie AG, der RheinEnergie etc. pp.
Zur Verweigerung der behördlichen Genehmigung von Tariferhöhungen, etwa in NRW vgl. auch hier:
http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/?id=536353 Wenn jedoch die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Allgemeinen Tarife nicht vorlagen, können unter sonst gleichen Bedingungen wohl auch die Voraussetzungen für eine Tariferhöhung im Übrigen nicht vorliegen, so dass diese unbillig sein müssen.
Immerhin gab es ja insoweit schon eine behördliche Negativfeststellung bzw. man ist einer solchen ganz bewußt ausgewichen.
Zum anderen wird durch ein Annähern der Preise für sog. Sonderprodukte an den Allgemeinen Tarif auch das Äquivalenzprinzip im konkreten Vertragsverhältnis verletzt. Tatsächliche Kostensteigerungen dürfen demnach nur auf alle Kundengruppen gleichmäßig weitergewälzt werden.
Das EVU trifft die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit seiner Preise, wenn es selbst Ansprüche gegen den Kunden geltend macht (BGH NJW 2003, S. 3131ff.).
Ein EVU hat zum Nachweis der Billigkeit seiner Preise seine Kalkulation offen zu legen (vgl. BGH, NJW-RR 1992, S. 183 ff. (186); OLG München NJW- RR 1999, S. 421; LG Berlin ZMR 2002, 119; Palandt/ Heinrichs, BGB, § 315 Rnrn. 4, 19).
Vgl. auch hier:
http://forum.energienetz.com/viewtopic.php?t=957Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt