Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Kartellbehörden: Vertragskündigungen unzulässig  (Gelesen 8420 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline jroettges

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 511
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Männlich
Kartellbehörden: Vertragskündigungen unzulässig
« Antwort #15 am: 05. November 2006, 10:30:04 »
Zitat
Drohungen von Energieunternehmen gegenüber Verbrauchern, die unter Berufung auf § 315 BGB Preiserhöhungen nicht bezahlen, ihnen die Strom- oder Gaslieferung einzustellen, stellen einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar und sind kartellrechtlich unzulässig. Gleiches gilt für die um sich greifende Praxis mancher Energieunternehmen, in dieser Situation günstige Sonderverträge mit Verbrauchern zu kündigen und den Kunden in den teureren Grundversorgungstarif herabzustufen.
Das Bundeskartellamt geht also davon aus, dass Sondervertragskungen unter Verweis auf §315 von den EVU geforderte Preiserhöhungen nicht bezahlen, finden dies rechtens und stellen sich vor die Verbraucher.

Nach seiner und der Auffassung der Landes-Kartellbehörden stellen die erwähnten Gegenmaßnahme der EVU (Sperrung, Kündigung in die Grundversorgung) einen ... Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar und sind kartellrechtlich unzulässig.

Das Bundeskartellamt sieht also die Trennung von Tarifkunden (§315) und Sondervertragskunden (§307) als nicht so strikt an, wie sie aus der reinen Lehre heraus gerechtfertigt erscheinen mag.

Außerdem könnten sich einige EVU (wie zB. die EWE im Leeraner Prozess), die so sehr auf die kartellrechtliche Schiene setzen, durchaus auch hier in den Finger geschnitten haben.

Offline Zottel

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 118
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Männlich
Kartellbehörden: Vertragskündigungen unzulässig
« Antwort #16 am: 25. November 2007, 19:42:52 »
Die Meldung des Bundeskartellamts ist jetzt unter

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/archiv/PressemeldArchiv/2006/2006_11_02.php

zu finden.

Offline ktown

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 186
  • Karma: +0/-0
Kartellbehörden: Vertragskündigungen unzulässig
« Antwort #17 am: 22. Dezember 2007, 18:03:17 »
Hierzu habe ich mal an die Pressestelle des Bundeskartellamtes eine Mail geschrieben, da die Landeskartellbehörde diesbezüglich uns Kunden hat im Regen stehen lassen.

Hier nun die Antwort der Pressestelle:

Sehr geehrter Herr K.,
 
haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail vom heutigen Tage.
 
Die von Ihnen erwähnte Presseerklärung gibt das Ergebnis einer gemeinsamen Beratung der Kartellbehörden von Bund und Ländern im Herbst 2006 wieder. Im Zusammenhang mit Preiswidersprüchen nach den Grundsätzen des § 315 BGB war kartellrechtlich relevant, dass marktbeherrschende Energieversorgungsunternehmen nicht aus einer marktbeherrschenden Position heraus mit Maßnahmen drohen sollten, um so einseitig ihre Rechtsauffassung, ob und inwieweit § 315 BGB anwendbar sei, durchzusetzen.
 
Ob und inwieweit in einem Einzelfall die in der Presseerklärung geschilderte Sachverhaltskonstellation wirklich vorliegt, hat jede Kartellbehörde selbst zu prüfen. Ob eine Kartellbehörde in einem solchen Fall dann den Sachverhalt unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten auch aufgreift und verfolgt, liegt in ihrem Ermessen. Eine Kartellbehörde muss einen Fall dann nicht aufgreifen, wenn er keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung aufweist und die Möglichkeit besteht, Rechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch zu nehmen.
 
Es gibt darüber hinaus auch Sachverhaltskonstellationen, die kartellrechtlich unbedenklich sind und nicht unter die von Ihnen genannte Presseerklärung fallen: Die Versorgungsunternehmen sind gehalten, binnen Jahresfrist die bestehenden Gasversorgungsverträge an die im November 2006 in Kraft getretene Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (GasGVV) anzupassen. Regelmäßig gehen Versorgungsunternehmen in diesem Rahmen dazu über, Ihren Kunden diesen Sachverhalt mitzuteilen und darauf aufmerksam zu machen, dass die bisherige Vertragsgrundlage, die AVBGasV, vom Gesetzgeber außer Kraft gesetzt worden ist. Oft werden auch auf Basis der neuen GasGVV Versorgungstarife angeboten, die nach den dortigen Berechnungen für die Kunden mit einer preislich günstigeren Versorgung verbunden sind, was sicherlich auch vor dem Hintergrund des sich im Gasbereich allmählich etablierenden Wettbewerbs geschieht, um Kunden zu halten.
Für den Fall, dass man als Kunde eine solche neue Tarifgestaltung ablehnt, fällt man auf Grund der gesetzliche vorgeschriebenen Grundversorgungspflicht  des Gasgrundversorgers automatisch in den (womöglich teureren) Grundtarif desselben Versorgers, es sei denn,  man kündigt die Gasversorgung mit  dem  bisherigen Gasgrundversorger generell auf und  läßt  sich , sofern möglich,  von einem alternativen, günstigeren Lieferanten beliefern. Eine vom Gesetzgeber bewirkte Vertragsumstellung  wie zuletzt geschildert stellt  aber  jedenfalls keine kartellrechtlich  relevante Problematik dar.  Da es sich um eine rein zivilrechtliche Angelegenheit handelt, bliebe insofern enzig die Möglichkeit, den Sachverhalt zivilrechtlich überprüfen zu lassen. Hier kann es sich empfehlen, eie Einrichtung des Verbraucherschutzes oder einen Rechtsanwalt zu befragen.

Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag

Bundeskartellamt
Grundsatzabteilung
Referat G 2 - Grundsatzfragen und Öffentlichkeitsarbeit
Kaiser-Friedrich-Straße 16
53113 Bonn



Ich frage mich. Wieso gibt das Bundeskartellamt solch eine Pressemeldung heraus, wenn sie oder die zuständigen Landeskartellbehörden trotz Hinweise von Bürgern nicht tätig werden.
Ja sogar behaupten, dass solch ein Vorgehen rechtens wäre.
Alles was ich schreibe ist meine private Meinung. ;)

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Kartellbehörden: Vertragskündigungen unzulässig
« Antwort #18 am: 27. Dezember 2007, 15:20:43 »
@ktown

Die Gasversorger werden Ihren Beitrag ggf. mit Interesse lesen und sich womöglich ausmalen, ihr Spielraum habe sich nun erweitert.

Auch das Bundeskartellamt ist indes nicht zu Rechtsauskünften zu zivilrechtlichen Fragestellungen ein einzelnes Vertragsverhältnis betreffend berufen.

Die Frage, ob in den AGB eines bisher bestehenden Sondervertrages ein wirksamer Änderungsvorbehalt enthalten ist, richtet sich nach § 307 BGB.
Wobei zunächst zu klären ist, ob bei Vertragsabschluss gem. § 305 Abs. 2 BGB überhaupt AGB in den Vertrag einbezogen wurden.

Ebenfalls einer zivilrechtlichen Beurteilung unterliegt die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und unter Einhaltung welcher Form und Frist ein bestehendes Sonderabkommen (Sondervertrag) vom Gasversorgungsunternehmen ggf. gekündigt werden darf.

Kartellrecht kann dabei insoweit eine Rolle spielen, als eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und also eine kartellrechtswidrige Diskriminierung einzelner Kunden vorliegen könnte.

Die in § 115 EnWG vorgesehene Vertragsanpassung nach Inkrafttreten der GasGVV meint eine Anpassung bestehender Verträge, also gerade nicht Kündigung und Neuabschluss von Verträgen.

All diese Fragen sind ggf. in einem Zivilprozess zu klären.

Soweit sich das Energieversorgungsunternehmen dabei auf Rechte und Pflichten beruft, die sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergeben sollen, so ist m. E. hierfür gem. §§ 102, 108 EnWG in erster Instanz eine Kammer für Handelssachen an einem Landgericht ausschließlich zuständig.

Dort muss man sich gem. § 78 ZPO durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz