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Autor Thema: Fernwärmepreise der LSW  (Gelesen 9574 mal)

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Offline TucoX

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Fernwärmepreise der LSW
« am: 16. November 2011, 01:02:09 »
LSW: Fernwärme

Hallo allerseits,

anlässlich der letzten Preiserhöhung der LSW im Bereich Fernwärme zum
01.11.2011 möchte ich in diesem Zusammenhang ein paar Zahlen, Fakten
und Fragen zur Diskussion stellen.

Konkret habe ich mir die Preisentwicklung seit Gründung der LSW im
Jahre 2005 angesehen. Seit jenem Jahr (genauer: 01.07.2005) ist die
E.ON AG in Wolfsburg sowohl an der Produktion von Fernwärme und Strom
(95 % Eigentum am Heizkraftwerk West über die Volkswagen AG Preussen
Elektra AG OHG) als auch am Vertrieb (Querbeteiligung an der LSW über
die LandE GmbH Fallersleben) entscheidend beteiligt.

Ich möchte am Beispiel zweier Basistarife aus dem Bereich Strom und
Fernwärme zunächst in Kurzform darstellen, wie sich die Preise vor
Ort seitdem entwickelt haben. (Sorry für die Formattierung.)


________________Brutto-_Staats-_Netto-__Brutto-_Staats-_Netto-__Netto-
________________preis___anteil__preis___preis___anteil__preis___preis-
________________[Juni___[in %]__[Juni___[Nov.___[in %]__[Nov.___diff.
_________________2005]___________2005]___2011]___________2011]__[in %]

Strom (\"Tarif A\")

Arbeitspreis____16,45___39,9_____9,89___23,86___45,6____12,98___+31,2
[Cent/kWh]

Grundpreis______50,-____39,9____30,05___71,40___45,6____38,84___+29,3
[Euro/Jahr]   


Fernwärme (\"Einheitswärmepreis RE\")

Arbeitspreis____34,34___16______29,60___58,45___19______49,12___+65,9
[Euro/MWh]

Bereitstel-______3,83___16_______3,30____6,33___19_______5,32___+61,2
lungspreis
[Euro/m²
 pro Jahr]

Verrechungs-_____5,34___16_______4,60____5,57___19_______4,68___+ 1,7
preis
[Euro pro Heiz-
 kostenvert.
 und Jahr]


Anmerkungen:
============
Bei der Fernwärme entspricht der Staatsanteil am Bruttopreis einfach
der Umsatzsteuer. Zur Entwicklung des Staatsanteils an den
Strompreisen siehe Punkt 1.4 auf folgender Webseite:

http://de.wikipedia.org/wiki/Strompreis#Steuern.2C_Abgaben_und_Umlagen


Für den \"Tarif A\" ergibt sich somit beim Strom für den Arbeitspreis
(netto) eine Steigerung um 31,2 %, während der Grundpreis seit dem
30.06.2005 um 29,3 % erhöht worden ist. Grob gesagt, reden wir beim
Basistarif für Strom also von Preissteigerungen um die 30 Prozent,
seit die LSW hier die Preise festlegt.

Für den Fernwärmetarif \"Einheitswärmepreis RE\" sehen die
Steigerungsraten ganz anders aus.

Der Arbeitspreis ist von der LSW im Betrachtungszeitraum um üppige
65,9 % angehoben worden.

Beim verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis verzeichnen wir
eine Steigerung von satten 61,2 %.

Beim Verrechnungspreis (pro Heizkostenverteiler) ist die LSW mit
einer Steigerung von 1,7% bescheiden geblieben. Allerdings hat der
Verrechnungspreis verglichen mit den anderen beiden Preiskomponenten
nur einen sehr geringen Anteil an den Gesamtkosten der Fernwärme.

Im Vergleich zwischen den Basistarifen bei Strom und Fernwärme sticht
heraus, dass die LSW die beiden Hauptbestandteile der Fernwärmepreise
seit 2005 gegenüber den Strompreisen mehr als doppelt so stark
angehoben hat. Dieser Unterschied ist besonders deshalb verwunderlich,
weil die Fernwärme in den beiden Wolfsburger Kraftwerken im Rahmen
der Kraft-Wärme-Kopplung aus der Abwärme der Stromproduktion gewonnen
wird.

Welche Erklärungen gibt es für die enormen Diskrepanzen zwischen
Strom und Fernwärme bei der Preisentwicklung dieser Basistarife ?

Was die Arbeitspreise angeht, konnte mir am Telefon bei der LSW auch
nach mehrmaliger Nachfrage niemand erklären, warum der sog.
\"Einheitswärmepreis RE\" im Betrachtungszeitraum mit +65,9 % geradezu
explodiert ist, während der Nettopreis beim entsprechenden \"Tarif A\"
für den Strom nur um 31,2 % angehoben wurde.

Auf die Frage nach der enormen Preissteigerung beim \"Bereitstellungs-
preis\" (+ 61,2 %), der pro Quadratmeter Wohnraum zu entrichten ist
und der eigentlich nichts mit der allgemeinen Entwicklung der
Energiepreise zu tun haben sollte, bekam ich mit einem Tag Verspätung
per Rückruf zumindest einen Antwortversuch:
Man teilte mir mit, dass gemäß der sog. \"Heizkostenverordnung\" der
Fixkostenanteil an den Gesamtkosten der Fermwärme nicht unter einen
gewissen Prozentsatz sinken dürfe. Deshalb habe man den
Bereitstellungspreis fast parallel zum Arbeitspreis angehoben
(obwohl die tatsächlichen Bereitstellungskosten nicht annähernd so
stark gestiegen sind).

Da mir diese Begründung ziemlich abenteuerlich vorkam, habe ich als
Laie versucht, mir die Heizkostenverordnung (HKV) etwas genauer
anzusehen. Hilfreich fand ich wegen der ergänzenden Kommentare zu
dieser ziemlich trockenen Materie die folgende Webseite:

http://www.heizkostenverordnung.de

Im §1 der HKV wird der Anwendungsbereich festgelegt. Bezogen auf den
Versorgungsbereich der LSW, fallen (grob gesagt) alle Wohngebäude mit
Fernwärmeanschluss unter die HKV, in denen die Heizkosten auf mehrere
Nutzer zu verteilen sind. Also gilt die HKV i.d.R. nicht für
Einfamilienhäuser.

Im §7 der HKV wird festgelegt, dass 50-70% der gesamten Heizkosten
eines Wohngebäudes nach dem Verbrauch abzurechnen sind. Unter (3)
präzisiert der Experte für den Fall einer Fernwärmeanlage die
empfohlenen Anteile der Grund- und Verbrauchskosten an den
Gesamtheizkosten auf 30 bzw. 70 Prozent.

Laut \"Wärmepreisblatt A zu Anlage 2\" (Seite 4) der LSW liegt das
Verhältnis im hiesigen Versorgungsgebiet bei 42% Grundkosten und
58% Verbrauchskosten.

Download unter:
http://www.lsw.de/CMS/Default.aspx?id=1036&ch=1&n=5d7b3818b5ee4b5ab3edb0c794f61a71

Schon die Zahlen der LSW zeigen, dass der Anteil an Grundkosten im
Versorgungsgebiet eher zu hoch geraten ist und dass es gemäß HKV
keinerlei Notwendigkeit gegeben hat, den Bereitstellungspreis
(+61,2 %) so enorm anzuheben.

Noch merkwürdiger wird der Sachverhalt, wenn ich die Zahlen des
letzten Abrechnungsjahres 2010/11 für die Wohneigentümergemeinschaft
(80 Parteien) berechne, in der ich selbst lebe. Hier sind bei
jährlichen Gesamtheizkosten von knapp über 44.000,- Euro nur etwa 25%
nach dem Verbrauch verrechnet worden und fast 75% als Grundkosten
angefallen.

Bei meinen Eltern (WEG mit 72 Parteien; anderer Stadteil) fallen die
Zahlen mit 77% Grundkosten und 23% Verbrauchskosten sogar noch
schlechter aus.

Wenn die HKV auf der Ebene der einzelnen Gebäude anzuwenden wäre,
dann lägen zwei klare Verstöße gegen §7 vor.

Bei beiden Eigentümergemeinschaften handelt es sich um eher mittel-
mäßig isolierte Bausubstanz aus den frühen 60-er Jahren, wie sie für
Wolfsburg typisch ist.

Angesichts dieser Daten drängen sich zwei grundsätzliche Fragen auf:

1. Ist die Durschnittsbildung seitens der LSW quer über das gesamte
Versorgungsgebiet und damit auch quer über alle Gebäudekategorien
hinweg (sehr gut isoliert, mittelmäßig isoliert, schlecht isoliert)
überhaupt mit der Heizkostenverordnung vereinbar, wenn dadurch selbst
bei mittelmäßig isolierten Gebäuden der Fixkostenanteil so hoch wird
(über 75%), dass sich Sanierungsmaßnahmen zur Energieeinsparung nicht
mehr rechnen ? (Widerspricht eine solche Preisbildung nicht dem
eigentlichen Sinn und Zweck der HKV ?)

2. Wie vertrauenswürdig sind die von der LSW angegebenen Durch-
schnittswerte für den Verbrauchs- und Grundkostenanteil ?
Da sie anscheinend von keinerlei Behörde oder neutraler Instanz
überprüft werden und ihre Berechnung für die Privatkunden in keinster
Weise transparent oder gar nachvollziehbar ist (Black-Box), wäre
einem Missbrauch hier Tür und Tor geöffnet.
Mir persönlich erscheinen die vom Versorger angegebenen durch-
schnittlichen Prozentsätze unrealistisch. Wenn sich in mittelmäßig
isolierter Bausubstanz ein Fixkostenanteil von ca. 75 % ergibt, dann
müsste die restliche Bausubstanz in und um Wolfsburg in
katastrophalem Zustand sein, damit der Durschnittswert insgesamt auf
die angegebenen 42 % fallen kann. In einer so jungen Stadt wie
Wolfsburg ist das nur schwer vorstellbar.


Ich hoffe mit meinem überlangen Beitrag nicht die Geduld der
Forumsmitglieder überfordert zu haben und würde mir eine rege
Diskussion zum Thema Fernwärmepreise der LSW wünschen.


Gruß,

TucoX

 

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