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Autor Thema: Fehlende Fälligkeit der Verbrauchsabrechnungen gegenüber Sondervertragskunden?  (Gelesen 4315 mal)

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Offline RR-E-ft

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Wurde in ein Sonderabkommen eine Preisänderungsklausel nicht wirksam einbezogen oder ist eine einbezogene Preisänderungsklausel unwirksam, so können Verbrauchsabrechnungen, welche unwirksam einseitig geänderte Preise zur Grundlage haben und deshalb fehlerhaft sind,  keine fälligen Zahlungsansprüche begründen.

So versteht das OLG Koblenz in seinem Urteil vom 08.06.12 Az. U 570/11 Kart folgende BGH- Rechtsprechung (NJW 2011, 1342 Tz. 48, zitiert nach juris) dahingehend, dass solch fehlerhafte Verbrauchsabrechnungen insgesamt keinerlei fälligen Forderungen des Versorgers begründen können, vielmehr erst mit dem Zugang fehlerfreier Verbrauchsabrechnungen fällige Ansprüche des Versorgers entstehen können:

Zitat
BGH, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 295/09, juris Rn. 48:

Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, soweit keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das ist der Fall, soweit die - zu verneinende - Wirksam-keit der Preisanpassungen zum 1. August 2004, 1. Januar 2005, 1. Oktober 2005 und 1. Juni 2006 in Rede steht. Insoweit ist unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils deren Unwirksamkeit festzustellen. Das gilt in gleicher Weise für die mangelnde Fälligkeit der auf den Erdgasverbrauch bezogenen Ansprüche der Beklagten aus den Endabrechnungen vom 14. Dezember 2004, 14. Dezember 2005, 15. Dezember 2006 und vom 14. Dezember 2007, deren konkret ausgewiesene Preise allein schon durch die hierin enthaltenen unwirksamen Preisanpassungen fehlerhaft sind.

Die Auslegung, dass eine Verbrauchsabrechnung gegenüber einem Sondervertragskunden mit unwirksamer Preisänderungsklausel, mit der unwirksam einseitig geänderte Preise zur Abrechnung gestellt werden, keinerlei derzeit  fälligen Zahlungsanspruch zu begründen vermag, steht jedoch wohl evident im Widerspruch zur Entscheidung BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, wonach die Zahlungsklage eines Energieversorgers gerade  nicht mit solcher Begründung (fehlerhafte Abrechnung) insgesamt als derzeit unbegründet abgewiesen wurde.

Zitat
BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 33

Welchen Arbeitspreis die Klägerin ihrem Zahlungsanspruch zugrunde legen kann, hängt davon ab, wann dem Beklagten die einzelnen Jahresabrechnungen der Klägerin zugegangen sind und gegen welche der darin enthaltenen Preiserhöhungen der Widerspruch des Beklagten vom 12. Juli 2005 somit noch rechtzeitig innerhalb der bezeichneten Dreijahresfrist erfolgt ist. Hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

BGH, aaO., Rn 39:

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zum Zugang der Jahresabrechnungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Offline courage

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Das OLG Koblenz folgt doch damit auch konsequent dieser rel. jungen Rechtsprechung des BGH:

Zitat
BGH, Urt. v. 22.02.2012, Az. VIII ZR 34/11, Rn 39:

3. Auch der Feststellungsantrag des Klägers, dass die anlässlich der Jahresabrechnung vom 20. November 2009 ermittelten Abschlagsbeträge von 281 € monatlich unbillig, unwirksam und nicht fällig, mithin nicht geschuldet sind, ist begründet. Hat die Beklagte dieser Jahresabrechnung nämlich einen nicht geschuldeten Preis zugrunde gelegt, ist auch der gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1, 2 GasGVV auf der Grundlage dieser Abrechnung ermittelte Abschlag mangels Orientierung am Verbrauch im zuletzt abgerechneten Zeitraum nicht zutreffend ermittelt. So verhält es sich hier. Denn die betreffende Jahresabrechnung baut auf mehrfach geänderten Sonderpreisen auf, für die sich die Beklagte - wie ausgeführt - auf ein Preisänderungsrecht nicht stützen kann. Der Kläger schuldet deshalb Abschlagszahlungen jedenfalls nicht in der von der Beklagten beanspruchten Höhe.
Möglicher weise folgt das OLG Koblenz mit seiner Haltung einer geraden, klaren und nachvollziehbaren Linie; im Gegensatz zum BGH, der eine solche mit Urteil vom 14.03.2012 verlassen hat.

Offline RR-E-ft

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Jedenfalls besteht da ein Widerspruch.

Ist der Versorger nach dem Vertrag berechtigt, Abschläge auf die nächste Verbrauchsabrechnung festzusetzen und zu verlangen, so handelt es sich bei der Festsetzung der Abschlagshöhe um eine einseitige Leistungsbestimmung, § 315 Abs. 1 BGB, die ihrerseits der Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB unterliegt. Verwendet er für die Ermitllung der Abschlagshöhe, also die Prognose über die Höhe der nächsten Verbrauchsabrechnung, unzutreffende Vertragspreise, so entspricht diese Leistungsbestimmung nicht der Billigkeit und kann allein wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB keinen fälligen Zahlungsanspruch begründen.

Die Nichtfälligkeit eines solchen Abschlages resultiert also nicht aus einer fehlerhaften Verbrauchsabrechnung im o. g. Sinne des OLG Koblenz, sondern in dieser besonderen Konstellation aus § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, da eine fällige Forderung frühestens  mit Rechtskraft einer Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB fällig werden kann.

Wurde im Sondervertrag hingegen gar kein Recht des Versorgers vereinbart, Abschläge einseitig festzulegen und zu beanspruchen, folgt die Unwirksamkeit und Nichtfälligkeit von Abschlagsforderungen schon  allein aus diesem Umstand und nicht erst aus der Unbilligkeit der Leistungsbestimmung oder aber der Fehlerhaftigkeit der Verbrauchsabrechnung, welche zur Grundlage der Ermittlung der Abschlagshöhe herangezogen wurde.

Offline RR-E-ft

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Siehe nun:

BGH, Urt. v. 06.06.12 Az. VIII ZR 198/11 zum Feststellungsinteresse eines Gas- Sonderkunden

Zitat
BGH, Urt. v. 06.06.12 Az. VIII ZR 198/11, juris Rn. 26 f.

b) Dem Schuldner verbleibt in diesen Fällen nur dann ein Bereiche-rungsanspruch, wenn die erfüllte Verbindlichkeit - unabhängig von ihrer mangelnden Fälligkeit - materiell-rechtlich nicht bestand. Dies ist jedoch keine Frage der Fälligkeit und begründet kein Feststellungsinteresse für einen Klageantrag, der sich auf die Feststellung der fehlenden Fälligkeit einer bereits erfüllten Forderung beschränkt. Soweit sich aus der Entscheidung des Senats vom 9. Februar 2011 (VIII ZR 295/09, WM 2011, 1860 Rn. 48] etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht fest.

c) Gemessen an diesen Maßstäben ist den Klägern ein Feststellungsinteresse an der Klärung der Frage, ob die Endabrechnungen der Beklagten vom 30. März 1998, 12. März 1999, 2. März 2000, 23. Januar 2001, 26. Januar 2002, 25. Januar 2003 und 23. Januar 2004 (gemeint sind wohl die sich daraus ergebenden Ansprüche) fällig sind, abzusprechen. Sie haben die in den genannten Endabrechnungen ausgewiesenen Forderungen der Beklagten widerspruchslos gezahlt.

 

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