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Autor Thema: Hinweisbeschluss LG Gera, v. 16.12.09, Az. 2 HK O 123/09 Substantiierung der Billigkeit  (Gelesen 2697 mal)

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Zitat
Landgericht Gera
2 HK O 123/09

verkündet am 16.12.2009

HINWEISBESCHLUSS

in dem Rechtsstreit

Energieversorgung Gera GmbH ./. ....

hat die 2.Kammer für Handelssachen des Landgerichts Gera durch VLRG Grünewald als Vorsitzenden gem. § 349 Abs. 3 ZPO aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2009 beschlossen:

1.

...

2.


Das Gericht geht somit derzeit davon aus, dass die Beklagte von der Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum als Tarifkunde mit Gas beliefert wurde. Demzufolge ist auch davon auszugehen, dass die AVBGasV für den hier streitgegenständlichen Zeitraum kraft Anordnung des Verordnungsgebers in den Vertrag einbezogen waren. Auf Grundlage von § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV stand der Klägerin in Bezug auf die Gestaltung der Tarife ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu, welches die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum durch Anhebung der Preise mehrfach ausübte. Die Billigkeit der Preisbestimmung ist der gerichtlichen Prüfung nach § 315 BGB unterworfen.

3.

Die hier streitgegenständlichen Abrechnungen hat die Beklagte nicht vorbehaltlos gezahlt. Als nicht überprüfbarer Preissockel kommt der Tarif zum Schluss desjenigen Abrechnungszeitraumes in Betracht, für den die Beklagte letztmals die Abrechnung vorbehaltlos gezahlt hat.

4.

Bei der Billigkeitsüberprüfung ist von dem das ganze Energierecht beherrschenden Grundsatz auszugehen, dass die Energieversorgung unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung so preiswürdig wie möglich zu gestalten ist. Der von der Klägerin geforderte Preis ist daher an den Kosten der Belieferung auszurichten. Über die Deckung der Kosten für den Erwerb und die Leitung des Gases und der Vorhaltung der dazu erforderlichen Anlagen hinaus steht der Klägerin ein Gewinn zu, aus denen sie erforderliche Rücklagen bilden und Investitionen tätigen kann. Weiterhin ist hier eine angemessene Verzinsung zuzugestehen, ohne die sie Fremdkapital nicht aufnehmen und Anlagekapital nicht gewinnen kann.

5.

Für die Billigkeit der Preisgestaltung ist die Klägerin darlegungs-und beweisbelastet. Die Klägerin hat daher die Erhöhungen derjenigen Tarife, die der Beklagten gegenüber abgerechnet wurden zu begründen.

Die Klägerin geht zu Recht davon aus, dass eine Tariferhöhung, die lediglich zu einer vollen oder gar nur teilweisen Weitergabe von Bezugskostensteigerungen führt, ohne weiteres als Brief im Sinne des § 315  BGB anzusehen ist, sofern er die Steigerung der Bezugskosten nicht durch Einsparungen in anderen Bereichen aufgefangen wird. Dabei kommen für die Überprüfung nur Einsparungen in der Sparte Gas zum Tragen, die für die Tarifkalkulation der abgerechneten Tarife erheblich sind. Hierbei ist allerdings auch zu beachten, dass eine unterschiedliche Beteiligung verschiedener Tarife an Kostensteigerungen und -einsparungen ihrerseits wiederum der Begründung bedarf.
a)

Die Klägerin hat durch Bezugnahme auf das als Anlage acht vorgelegte Gutachten konkret und damit ausreichend vorgetragen, dass und inwieweit sich ihre Bezugskosten erhöht haben. Zu erläutern bleibt die Herleitung der Tariferhöhungen aus den Steigerungen der Bezugskosten.

b)

Das Gutachten sagt nichts dazu, ob oder ob nicht die Bezugskostensteigerungen durch rückläufige Kosten in anderen kalkulatorisch erheblichen Bereichen ausgeglichen wurden.

Insoweit liegt nach derzeitiger Rechtsauffassung des Gerichtes auch keinen hinreichend konkreter Tatsachenvortrag der Klägerin vor. Die Klägerin hat bislang nur eine einfache Behauptung in dieser Tatsache vorgetragen, ohne Anknüpfungstatsachen darzulegen. Ein hinreichend konkreter Vortrag von Tatsachen ist aber Voraussetzung dafür, die Behauptung von einer Behauptung \"ins Blaue hinein\" abzugrenzen und der dicke Akten eine Stellungnahme zu ermöglichen. Hierzu sind jeweils die preisrelevanten Kostenelemente und deren Entwicklung verständlich und nachvollziehbar darzulegen.

c)

Zur Wahrung der beteiligten Interessen sind alle prozessualen Möglichkeiten zu nutzen, einerseits die berechtigten Interessen der Klägerin an der Geheimhaltung von Geschäfts-und Betriebsgeheimnissen und andererseits die berechtigten Interessen der Beklagten an einer fundierten Prüfung der Tariferhöhungen zu wahren. Nach derzeitiger Rechtsauffassung des Gerichts kann dies dadurch geschehen, dass der Beklagten zunächst Geheimhaltung der beweiserheblichen Tatsachen gemäß § 174 Abs. 3 GVG auferlegt wird, bevor die dem Gutachter als Grundlage für sein Gutachten übergebenen Unterlagen offen gelegt werden, rund im Falle der mündlichen Verhandlung über das Gutachten zudem die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird. Das Gericht beabsichtigt daher, entsprechend zu verfahren.

6.

Nach derzeitigem Stand hat die Klägerin daher die Billigkeit der Tariferhöhungen noch nicht nachgewiesen.


.....

Gelegenheit zur Stellungnahme besteht binnen 4 Wochen ab Empfang dieses Beschlusses.

7.

Neuer Termin wird von Amts wegen bestimmt werden.

Der Inhalt des vom Versorger vorgelegten Gutachtens wurde wohl dabei nicht bestritten (Bestreiten mit Nichtwissen genügt regelmäßig).

Einige Versorger bieten mehrere kostenbasierte Tarife nebeneinander an, in welche dann auch die Kosten der Gassparte einschließlich Bezugskosten unterschiedlich geschlüsselt werden, was eine differenzierte Darlegung dazu erfordern kann.

 

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