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Autor Thema: Kündigung des Sondervertrags zulässig ?  (Gelesen 4467 mal)

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Offline bolli

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« am: 13. Juli 2009, 13:37:28 »
Hallo zusammen,

nachdem die EVU ja vielerorts nun ihre Strategie ändern und die Sonderverträge kündigen (vor allem, wenn der Verbraucher gegen eine \'stillschweigende\' Änderungungskündigung [die offiziell ja nicht zulässig ist] Widerspruch einlegen) stellt sich für mich die Frage, inwieweit eine solche Kündigung zulässig ist.

Als Sondervertragskunde, der seit 2005 Widerspruch (erst aufgrund § 315 BGB und zuletzt aufgrund §§ 307 und 315 BGB) erhoben hat und der darauf \'ordentlich\' gekündigt wurde (SV enthielt Kündigungsregelung) und dem dabei ein  neuer SV oder alternativ die Rückstufung in die Grundversorgung angedroht wurde, würde mich interessieren, inwieweit diese Kündigung des ursprünglichen SV überhaupt zulässig ist bzw. in was für einem Vertragsverhältnis ich mich befinde, da dieses möglicherweise Auswirkungen auf meine Zahlungsverpflichtung hat.

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist eine Kündigung eines SV und Rückstufung in die Grundversorgung dann nicht zulässig, wenn der Verbraucher Widerspruch gem. § 315 BGB erhoben hat Siehe hier BdEV .
Andererseits scheint eine Anwendung von § 307 und § 315 nebeneinander nicht möglich, sofern schon § 307 zur Anwendung kommt, was in vielen Fällen ja der Fall sein dürfte.

Fraglich ist für mich nun, in was für einem Vertragsverhältnis ich mich befinde.
Wenn trotz ungültiger Preisgleitklausel und damit Verstoß gegen § 307 BGB auch aufgrund § 315 BGB Widerspruch eingelegt wurde, verindert dieses ein Einstufung in die Grundversorgung?
Theoretisch kann ich ja auch bei der Einstufung in die Grundversorgung die Unbilligkeit des Preises gem. § 315 BGB rügen, wenn ich dort zwangsweise hin \'geschoben\' werde. Dieses muss man natürlich schriftlich auch tun. Bin ich dann trotzdem in der Grundversorgung (nur mit unklaren Preisen) oder wie soll ich das sehen ?

Gruß
bolli

Offline Kampfzwerg

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« Antwort #1 am: 13. Juli 2009, 14:50:11 »
Evitell2004,

melde mich aus dem Urlaub zurück ;-))

bist du so lieb und löschst meinen Beitrag dann ebenfalls, ist ja jetzt überflüssig.
Danke

Offline RR-E-ft

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« Antwort #2 am: 13. Juli 2009, 14:58:07 »
Ein Sondervertrag zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die Belieferung außerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht erfolgt und der Lieferant deshalb das Vertragsverhältnis auch unter Einhaltung von Form und Frist ordnungsgemäß kündigen kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 und BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06).

Insbesondere dann, wenn der Vertrag keine wirksame Preisänderungsklausel enthält, muss es dem Lieferanten möglich sein, sich durch ordnungsgemäße Kündigung wieder aus einem solchen Vertragsverhältis lösen zu können.

Bei der Belieferung innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht besteht hingegen für das gesetzlich versorgungspflichtige EVU (\"Grundversorger\") kein Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung, vgl. § 20 Abs. 1 Satz 3 GasGVV/ StromGVV. Deshalb ist dem gesetzlich versorgungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen, das die Kunden zu Allgemeinen Tarifen beliefern muss, ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Allgemeinen Tarife eingeräumt worden, welches der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt  (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 -KZR 2/07)

Soweit in Sonderverträgen nicht explizit vertraglich vereinbart wurde, dass der Lieferant die Energiepreise nach Vertragsabschluss einseitig bestimmnen soll - was eine gerichtliche Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises zur Folge hätt - besteht ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten in Sonderverträgen regelmäßig nicht.

Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen, mit denen ein bereits vetraglich vereinbarter Energiepreis nachträglich einseitig geändert werden darf, unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB. Der weite Spielraum der Billigkeit genügt dabei nach der Rechtsprechung des BGH nicht den Anforderungen, die nach Umfang und Konkretisierung gem. § 307 BGB zu stellen sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.04 - KZR 10/03 unter II.6).

Offline DieAdmin

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« Antwort #3 am: 13. Juli 2009, 16:17:29 »
@all,

ab bollis Frage vom Argumentationshilfe-Thread abgehangen.

Offline bolli

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« Antwort #4 am: 14. Juli 2009, 08:46:22 »
@evitel
Zitat
Original von Evitel2004
@all,
ab bollis Frage vom Argumentationshilfe-Thread abgehangen.

das hab ich nicht ganz verstanden  ?(


@RR-E-ft

Zitat
Original von RR-E-ft
Insbesondere dann, wenn der Vertrag keine wirksame Preisänderungsklausel enthält, muss es dem Lieferanten möglich sein, sich durch ordnungsgemäße Kündigung wieder aus einem solchen Vertragsverhältis lösen zu können.

Das hab ich mir auch schon mal so gedacht.

Zitat
Original von RR-E-ft
Bei der Belieferung innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht besteht hingegen für das gesetzlich versorgungspflichtige EVU (\"Grundversorger\") kein Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung, vgl. § 20 Abs. 1 Satz 3 GasGVV/ StromGVV. Deshalb ist dem gesetzlich versorgungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen, das die Kunden zu Allgemeinen Tarifen beliefern muss, ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Allgemeinen Tarife eingeräumt worden, welches der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt  (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 -KZR 2/07)

Da also der SV gekündigt werden kann, befindet man sich dann ggf. also in der gesetzlichen Grundversorgung (wenn das EVU auch der Grundversorger für das entsprechende Gebiet ist) und kann in dieser aber den gesamten Preis über § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB angreifen ?  

Und das im Gegensatz zu einem Vertragsabschluß, bei dem man zu Grundtarifpreisen \'freiwillig\' einen Vertrag mit dem EVU eingeht und damit den Sockelpreis (möglicherweise) anerkennt [ich kenne die Diskussion um dieses Thema von anderer Stelle, müssen wir hier nicht erörtern] und diesen Sockelpreis nicht mehr wegen Unbilligkeit angreifen kann sondern nur noch die Preiserhöhungen/-reduzierungen entsprechend dem BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07
 
Verstehe ich das richtig ?

Gruß
bolli

Offline RR-E-ft

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« Antwort #5 am: 14. Juli 2009, 13:01:23 »
@bolli

Ihre Frage hat nichts damit zu tun, ob die Kündigung eines Sondervertrages zulässig ist.

Der VIII. Zivilsenat des BGH meint, dass dann, wenn ein neuer Vertrag allein durch Entnahme von Energie konkludent als Tarifvertrag/ Grundversorgungsvertrag geschlossen werde, dabei der bereits zu diesem Zeitpunkt bestehende Allgemeine Tarif vertraglich vereinbart werde und wegen dieser vertraglichen Vereinbarung selbst keiner Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB unterliege (VIII ZR 144/06, VIII ZR 36/06).

Der Kartellsenat des BGH lehnt hingegen bei Preisen in Form Allgemeiner Tarife eine künstliche Aufspaltung in einen vertraglich vereinbarten Anfangspreis und einen einseitig bestimmten Folgepreis ab, weil dies bei der Billigkeitskontrolle zu willkürlichen Zufallsergebnissen führe (KZR 36/04 Tz. 9ff.) Der Kartellsenat hält eine Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises zudem dann weiter für geboten, wenn sich die Preise eines Leistungsnabieters im Bereich der Daseinsvorsorge nicht im wirksamen  Wettbewerb gebildet haben (KZR 29/06 Tz. 22)

Offline Cremer

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« Antwort #6 am: 14. Juli 2009, 13:30:32 »
@RR-E-ft,

Sie schreiben:
Zitat
Insbesondere dann, wenn der Vertrag keine wirksame Preisänderungsklausel enthält, muss es dem Lieferanten möglich sein, sich durch ordnungsgemäße Kündigung wieder aus einem solchen Vertragsverhältis lösen zu können.

Nun gibt es in den \"Bestimmungen zum Gassondervertrag A\" der Stadtwerke Kreuznach einen Passus (§ 11) der da lautet:

\"Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedürfen der schriftlichen Bestätigung durch beide Vertragspartner. Die Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen ist auf Bestand und Fortdauer des Vertrages ohne Einfluß. Die Vertragspartner sind verpflichtet, die unwirksamen Bestimmungen alsbald durch neue, im wirtschaftlichen Erfolg ihnen möglichst nahekommende Vereinbarungen zu ersetzen.\"


Demnach ist gemäß Satz 1 eine Kündigung (Änderung) nur wirksam, wenn beide die Kündigung (Änderung)  schriftlich anerkennen.
Was ist, wenn der Kunde nicht bestätigt?
MFG
Gerd Cremer
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Offline RR-E-ft

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« Antwort #7 am: 14. Juli 2009, 13:41:18 »
@Cremer

Sie sind hoffentlich nicht verrückt genug, einen konkreten Fall der etwaig  gerichtlich anhängig ist, öffentlich zu diskutieren.

Dass es sich bei dem von Ihnen genannten Sondervertrag A um einen echten Sondervertrag handelt, ist eindeutig. Das geht bereits aus der Überschrift des schriftlichen Antrags auf Vertragsabschluss und aus der Bezeichnung der entsprechenden AGB hervor.

Da es sich dabei um keine Belieferung innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht zu Allgemeinen Tarifen gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 bzw. § 36 EnWG handelt, kann ein solcher Vertrag unter Einhaltung etwaig vereinbarter Vertragslaufzeiten und  Kündigungsfristen grundsätzlich auch durch das EVU ordnungsgemäß gekündigt werden.

Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die gerade nicht auf eine einvernehmelich Änderung eines bestehenden Vertrages, sondern auf dessen einseitige Beendigung gerichtet ist. Auf eine Zustimmung des anderen Vertragsteils zur Kündigung kommt es also nicht an, sondern allein darauf, ob ein Recht zur Kündigung besteht und ob dieses ggf. unter Beachtung von Form, Frist usw. wirksam ausgeübt wurde, eine entsprechende Kündigungserklärung ggf. beim Erklärungsgegner zugegangen ist.  

Wir wollen hier auch nicht konkrete Verträge diskutieren, sondern allgemeine Fragen.

Offline bolli

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« Antwort #8 am: 14. Juli 2009, 14:43:08 »
Zitat
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@bolli

Ihre Frage hat nichts damit zu tun, ob die Kündigung eines Sondervertrages zulässig ist.

Wie schon oben erwähnt, war ich mir unsicher, ob nun die Kündigung zulässig ist oder das SV-Verhältnis fortbesteht, habe aber schon vermutet, dass eine ordentliche Kündigung zulässig ist.

Nicht ganz klar ist mir aber die Konstruktion, dass man dann zwar von dem gesetzlich versorgungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen, das die Kunden zu Allgemeinen Tarifen beliefern muss und welches ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Allgemeinen Tarife hat, welches der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 -KZR 2/07), beliefert wird, dabei jedoch nach Ansicht des VIII. Senats diesen Allgemeinen Tarif dann doch nicht komplett auf Billigkeit gem. § 315 BGB überprüfen lassen kann.

Auch ist mir nicht ganz klar, wann man sich denn nun tatsächlich in der Ersatzversorgung gem. § 38 EnWG befindet ?  Muss dieses schriftlich festgelegt sein oder wann tritt diese Art der Versorgung ein. Unter Einbeziehung des Urteils vom LG Dortmund  Url=http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=11812] siehe auch diesen Thread [/Url], welches ja wohl eine bis zu 2-jährige Ersatzversorgung  gebilligt hat, kann es ja wohl nicht nur um den Umstand eines kurzfristigen  Wechsels gehen, welcher dort auch diskutiert wurde, oder wie ist das zu verstehen ?

Gruß
bolli

Offline Cremer

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Kündigung des Sondervertrags zulässig ?
« Antwort #9 am: 14. Juli 2009, 15:00:48 »
@RR-E-ft,

Ich diskutiere hier keinen konkreten Fall.

Nur bei der Betrachtung der vorgenannten Aussagen kam mir der § 11 der \"Bestimmngen zum Sondervertrag A\" in den Sinn.

Dann ist dieser, wie Sie es schildern, Nonsens.

Ich gehe mal davon aus, dass diese Sätze, genauer der Satz 3 aus dem § 11, aus einem möglichen Vertragsentwurf der Stadtwerke mit einem Großabnehmer entstammen sein könnte und hier in die AGB des Sondervertrages A eingeflossen sind.

dann sollten wir es dabei belassen
MFG
Gerd Cremer
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #10 am: 14. Juli 2009, 15:56:42 »
@Cremer

Dass eine erklärte Kündigung nicht dazu angetan ist, einen bestehenden Vertrag einvernehmlich durch Einigung anzupassen, sondern einen bestehenden Vertrag einseitig zu beenden, sollte keiner weiteren Erörterung bedürfen.

 

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