Forum des Bundes der Energieverbraucher
Energiepreis-Protest => S => Stadt/Versorger => Stadtwerke Achim => Thema gestartet von: swa2004 am 18. Januar 2008, 22:18:50
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Die Stadtwerke Achim drohen unter Hinweis auf das BGH-Urteil vom 13.06.2007 mit gerichtlichen Schritten, falls ihrer Zahlungsaufforderung nicht nachgekommen wird.
Beigelegt ist ein \"Wirtschaftsprüfertestat\" der WIBERA Wirtschaftsberatung AG, einer PCW-Tochter, die auf die Beratung von Unternehmen der öffentlichen Hand spezialisiert ist und deren Neutralität in diesem Zusammenhang bezweifelt werden darf.
Diese \"Bescheinigung\" des Beratungsunternehmens attestiert, daß
- vom 1.10.04 bis 30.9.07 keine zusätzlichen Gewinnmargen im Vergleich zur Periode 1.1.03 bis 30.9.04 erwirtschaftet wurden,
- vom 1.10.04 bis 30.9.07 nur 84,7% der Gasbezugspreiserhöhungen an die Kunden weitergegeben wurden.
Sicher gehören die Stadtwerke Achim bundesweit zu den günstigen Anbietern. Trotzdem sind der Verweis auf das o.g. Urteil und die \"Bescheinigung\" der PWC-Tochter doch wohl kaum ausreichend, um die Billigkeit der Preiserhöhungen zu belegen bzw. durchzusetzen.
Wer hat Erfahrungen mit gleich gelagerten Fällen?
Kann der Versoger meinen Normsodervertrag einseitig kündigen?
Gibt es neuer Urteile zu diesem Sachverhalt?
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@swa2004
Normsondervertrag
Sondervertrag bedeutet immer AGB- Recht und § 307 BGB bei Preisanpassungsklauseln.
Dafür paast das BGH- Urteil gar nicht, das nur echte Tarifkunden betrifft.
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Danke für den Hinweis!
Kann der Versorger meinen Normsondervertrag einseitig kündigen und mich dann als Tarifkunden einstufen, um zu erreichen, dass das BGH-Urteil auf alle zukünftigen Forderungen aus weiteren Preiserhöhungen anwendbar wird?
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@swa2004,
so ähnlich klingt auch das Schreiben der EVM an Kunden, die Widerspruch eingelegt und die Abschläge gekürzt, sowie eigene Jahresrechungen erstellt haben.
Auch bei den EVM wird die WIBERA zitiert.
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@Cremer
Wie das wohl nur wieder kommt? ;)
Steht in den WIBERA- Bescheinigungen auch das gleiche drin?
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Die 2-seitige Bescheinigung für die Stadtwerke Achim wurde am 2.11.07 erstellt und kommt zu dem in meinem Beitrag von gestern Abend genannten Schluß.
Gern stelle ich die \"Bescheinigung\" zur Verfügung, weiß aber nicht, ob ich hier im Forum Dateien übermitteln kann ??
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In dem Testat der Wibera steht zu den Stadtwerken Achim, dass es um die Preisanhebungen für die Kunden der Grund- und Ersatzversorgung und des Gaspreisangebotes Normsondervertrag geht.
Im Normsondervertrag heißt es unter Punkt 5, dass die AVBGasV einschl. Anlagen ein wesentlicher Bestandteil des Vertrages sein und Änderungen mit öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden.
Ach ja und unter Punkt 1 steht, dass sich der vorstehende Gaspreis ändert, wenn eine Änderung der \"Allgemeinen Tarifpreise für Gas\" eintritt.
Ist das jetzt ein Tarif, der sich nur so nennt oder ein Sondervertrag, für den § 307 BGB zuständig ist?
Gibt es auch dasfür einen Musterbrief?
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@AlienLifeForm
Normsondervertrag ist nach herrschender Meinung ein Sondervertrag, für den die §§ 305 ff. BGB gelten (vgl. etwa Kunth/ Tüngler, RdE 2006, 257).
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Dieses Wortungebilde ist ein Widerspruch in sich:
Wenn etwas \"normal\" ist, dann ist es nicht \"anormal\". Das \"Besondere\" ist nicht das \"Normale\" - irgendwie muß man sich bei diesem Wortungetüm schon entscheiden. Denn es gibt auch keine \"Norm\" (i.S.e einer Kodifikation) die besagt, was ein \"Sondervertrag\" ist.
Der Tarifkunde war (früher) gesetzlich geregelt (AVBGasV/AVBEltV), also normiert. Alles was nicht Tarifkunde ist, ist Sonderkunde (für den AVBGasV/AVBEltV nicht galten). Und aus der Abwesenheit von Normen kann man nicht auf \"Norm\"-Sonderverträge schliessen.
Aber:
Das Wortungetüm hat dennoch eine Wurzel --------> § 1 Abs. 4 KAV (http://www.buzer.de/gesetz/4630/a64048.htm)
Wenn man sich den Text genauer ansieht, dann definiert der so:
(Abs. 4) Sondervertragskunden im Sinne dieser Verordnung sind Kunden, die nicht Tarifkunden sind.
Was Tarifkunden sind besagt § 1 Abs. 3 KAV:
(3) Tarifkunden im Sinne dieser Verordnung sind Kunden, die auf Grundlage von Verträgen nach den §§ 36 und 38 sowie § 115 Abs. 2 und § 116 des Energiewirtschaftsgesetzes beliefert werden; Preise und Tarife nach diesen Bestimmungen sind Tarife im Sinne dieser Verordnung.
So, und jetzt zeigt sich, dass Tarifkunden eben nur Haushaltskunden sind; dies ergibt der Hinweis auf § 36 EnWG - dort ist die Grundversorgung für Haushaltskunden geregelt und eben nur für die Haushaltskunden. Wer Haushaltskunde ist ergibt sich aus § 3 Nr. 22 EnWG (http://www.buzer.de/gesetz/2151/a30482.htm)
nämlich Haushalte(Eigenverbrauch) und Gewerbe bis 10.000 kWh.
Wenn man mal von den Besonderheiten gem. §§ 38, 115 Abs. 2 und 116 EnWG absieht, dann sind alle anderen Letztverbraucher und Industriekunden \"Norm\"-Sondervertragskunden.
Aber bitteschön beachten: -----------> nur im Sinne der Konzessionsabgaben, denn die Konzessionsabgabenverordnung ist lex spezialis und hat mit den Gaspreisen nur als Kostenfaktor Bedeutung (richtet sich nicht an den Normadressaten: Gaskunde).
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@tangocharly
Sondervertragskunden sind alle Kunden, die nicht in der Grundversorgung gem. § 36 EnWG zu den Grundversorgungstarifen beliefert werden. Die Ersatzversorgung gem. § 38 EnWG ist dadaurch geprägt, dass gar kein Vertragsverhältnis besteht. Es handelt sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis besonderer Art.
Die Übergangsregelungen §§ 115, 116 EnWG haben sich bereits durch Zeitablauf erledigt. Tarifkunden im Sinne dieser Vorschriften konnten auch vormalige Tarifkunden sein, die keine Haushaltskunden sind, sog. Nicht- Haushaltskunden. Der Begriff Haushaltskunde wurde erst mit dem EnWG 2005 eingeführt.
Unter Normsondervertragskunden versteht die Branche Kunden, die aufgrund von Sonderverträgen beliefert werden, bei denen die Verordnungsbedingungen, die kraft Gesetzes nicht für diese Kunden gelten, als Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. § 305 Abs. 2 BGB in die Verträge einbezogen wurden. Sie unterliegen - die wirksame Einbeziehung vorausgesetzt - dann der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.
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Das OLG München (Az U (K) 2033/08 ) vom 20.6.2008 und mit ihm die Vorinstanz haben dann doch wohl die Eierlegendewollmichsau erfunden:
der \"Tarifsonderkundenvertrag\" !
Wissen die noch, von was sie da reden ?