Forum des Bundes der Energieverbraucher
Energiepreis-Protest => Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest => Thema gestartet von: RR-E-ft am 03. November 2015, 10:40:41
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Die Leitsatzentscheidung Urteil vom 28.10.15 Az. VIII ZR 158/11 ist veröffentlicht:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=72697&pos=11&anz=470
BGB §§ 133 B, 157 D, 433 Abs. 2; AVBGasV § 4 Abs. 1, 2; GasRL (Richtlinie 2003/55/EG) Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang A; ZPO § 287 Abs. 2
a)
§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ist mit den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG nicht vereinbar (Anschluss an EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 - Rechtssachen C- 359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff).
b)
§ 4 Abs.1 und 2 AVBGasV kann daher ein gesetzliches Recht des Gasversorgungsunternehmens, gegenüber Tarifkunden die Preise einseitig nach billigem Ermessen zu ändern, nicht (mehr) entnommen werden (insoweit Aufgabe der st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 -VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19.November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn.26; vom 15. Juli 2009 -VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn.18 ff.).
c)
Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts findet dort seine Grenze, wo die nationale Vorschrift nicht richtlinienkonform ausgelegt werden könnte, ohne dabei die Grenzen der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Gesetz zu sprengen. Eine richtlinienkonforme Auslegung setzt daher voraus, dass durch eine solche Auslegung der erkennbare Wille des Gesetz- oder Verordnungsgebers nicht verändert wird, sondern die Auslegung seinem Willen (noch) entspricht (Bestätigung von BGH, Urteile vom 26. November 2008 -VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 28; vom 17.
Oktober 2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 22; Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, NJW
2013, 2674 Rn. 42; Anschluss an BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601; NJW 2012, 669, 670 f.; BAGE 82, 211, 225 f.; 106, 252, 261; vgl. auch EuGH, Rs. C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 45 -OSA; Rs. C-176/12, BB 2014, 2493 Rn. 39 mwN -Association de médiation sociale; Rs. C-12/08, Slg. 2009, I-6653 Rn. 61 -Mono Car Styling).
d)
Ein den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG entsprechendes Preisänderungsrecht kann nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes hergeleitet werden, da eine solche Auslegung über den erkennbaren Willen des nationalen Gesetz- und Verordnungsgebers hinausginge.
e)
Die hierdurch im Tarifkundenvertrag eingetretene Regelungslücke ist im Wege einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§157, 133 BGB) dahingehend zu schließen, dass das Gasversorgungsunternehmen berechtigt ist, Kostensteigerungen seiner eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kosten-senkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, an den Tarifkunden
weiterzugeben, und das Gasversorgungsunternehmen verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
Der nach dieser Maßgabe berechtigterweise erhöhte Preis wird zum vereinbarten
Preis. Für eine zusätzliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB ist deshalb kein Raum.
f)
Die Beurteilung, ob die Preiserhöhungen des Energieversorgungsunternehmens - wie im Rahmen des vorgenannten Preisänderungsrechts erforderlich- dessen (Bezugs-) Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden, hat der Tatrichter auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Schätzungsmöglichkeit nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs.
1 Satz 1 ZPO vorzunehmen.
g)
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Weitergabe der Kostensenkungen und Kostenerhöhungen nicht tagesgenau erfolgen muss, sondern auf die Kostenentwicklung in einem gewissen Zeitraum abzustellen ist. Die Bemessung dieses Zeitraums obliegt der Beurteilung des Tatrichters nach den Umständen des Einzelfalls. In den meisten Fällen wird das Gaswirtschaftsjahr ein geeigneter Prüfungs-
maßstab sein (Fortführung der Senatsurteile vom 13.Juni 2007 - VIII ZR 36/06, aaO Rn. 25, und vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 34 f.).
h)
Von dem aus der ergänzenden Vertragsauslegung folgenden Preisänderungsrecht des Energieversorgungsunternehmens nicht umfasst sind Preiserhöhungen, die
über die bloße Weitergabe von (Bezugs-) Kostensteigerungen hinausgehen und
der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen.
Etwas anderes gilt -sowohl im Falle der Rückforderung als auch im Falle der Restforderung von Entgelt für Ener-gielieferungen - allerdings unter bestimmten Voraussetzungen dann, wenn bei einem langjährigen Energielieferungsverhältnis der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile vom 14.März 2012- VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 21, 25, und VIII ZR 93/11, ZNER 2012, 265 Rn. 29 f.; vom 25.März 2015 - VIII ZR 360/13, juris Rn. 33, und VIII ZR 109/14, juris Rn. 34; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, BB 2015, 1548 Rn. 37 mwN). Der danach maßgebliche Preis tritt an die Stelle des Anfangspreises (Bestätigung des
Senatsurteils vom 15.April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO).
BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 -VIII ZR 158/11 -
OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Fraglich erscheint, dass dann, wenn eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie möglich ist, hierfür jedoch Tatsachenvortrag und- feststellungen in den Tatsacheninstanzen fehlen (Rn. 65), zur weiteren Aufklärung keine Zurückverweisung erfolgt. Das EVU, welches Grundversorger ist, könnte nämlich ähnlich einem kommunalen Versorger als nicht gleichberechtigtes Privatsubjekt, sondern vielmehr als privilegiert im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs erscheinen.
Auch wenn ein Preisänderungsrecht erst im Wege ergänzender Vertragsauslegung eingeräumt wird, so wird es sich auch dabei um ein Recht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB handeln, auf welches § 315 Abs. 3 BGB unmitrelbare Anwendung findet. Schließlich hatte auch der Verordnungsgeber zumindest mit § 17 GasGVV die Anwendung des § 315 BGB klargestellt, woran sich das Gericht zu halten hat. Das im Wege ergänzender Vertragsauslegung durch das Gericht eingeäumte Recht wird nicht weniger der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen können als das nicht gesetzlich eingeräumte Preisänderungsrecht, wenn es wirksam eingeräumt worden wäre.
Insoweit erscheint es nicht überzeugend, wenn nicht von einer Billigkeitskontrolle (der Ausübung des durch ergänzende Vertragsauslegung eingeräumten Rechts), sondern demgegenüber von einer Kontrolle der "Preisbildung im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung" gesprochen wird (Rn. 100), wohl um die Sache zu vernebeln.
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Das was der 8. ZS-BGH in seinen Tz. 64,65 ausführt, ist angesichts der Entscheidungen des BVerfG zu dieser Problematik schon als "fauxpas" zu bezeichnen.
Das BVerfG hat am 07.10.2010, Az.: 1 BvR 2160/09 (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2010/09/rk20100907_1bvr216009.html), diese Frage über den Weg der Grundrechtsfähigkeit von Versorgungsunternehmen im Privatbesitz beantwortet und dabei in ständiger RSpr. heraus gestellt, dass diese dem Kunden nicht in horizontaler Ebene gegenüber stehen:
Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG kann „jedermann“ Verfassungsbeschwerde erheben. Darunter ist derjenige zu verstehen, der Träger von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten, also grundrechtsfähig ist (vgl. BVerfGE 39, 302 <312> m.w.N.). Dies trifft nach Art. 19 Abs. 3 GG auch für inländische juristische Personen zu, soweit Grundrechte betroffen sind, die ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine inländische juristische Person. Allerdings dienen die Grundrechte vorrangig dem Schutz der Freiheitssphäre des einzelnen Menschen als natürlicher Person gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 15, 256 <262>; 21, 362 <369>; 59, 231 <255>; 61, 82 <100 f.>; 65, 1 <43>). Juristische Personen als Grundrechtsinhaber anzusehen und sie in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte einzubeziehen, ist mithin nur dann gerechtfertigt, wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen ist (vgl. BVerfGE 21, 362 <369>; 61, 82 <101>; 68, 193 <205 f.>; 75, 192 <195 f.>). Die Grundrechtsfähigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist vor diesem Hintergrund jedenfalls dann zu verneinen, wenn diese öffentliche Aufgaben wahrnimmt (vgl. BVerfGE 21, 362 <369 f.>; 45, 63 <78>; 61, 82 <101>; 68, 193 <206>; 70, 1 <15>). Gleiches gilt für juristische Personen des Privatrechts, deren alleiniger Anteilseigner eine solche juristische Person des öffentlichen Rechts ist (vgl. BVerfGE 45, 63 <79 f.>; 68, 193 <212 f.> ). Auch Energieversorgungsunternehmen, die sich mehrheitlich in (deutscher) öffentlicher Hand befanden, wurden deshalb in der Vergangenheit als nicht grundrechtsfähig angesehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 16. Mai 1989 - 1 BvR 705/88 -, NJW 1990, S. 1783; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Mai 2009 - 1 BvR 1731/05 -, NVwZ 2009, S. 1282 <1282 f.>).
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Das was über die Billigkeitsprüfung gem. § 315 BGB zu lesen ist, stellt auch schon wieder einen "doppelten Rittberger" dar:
(1) Das Recht zur Preisanpassung in der (gesetzlichen) Versorgung erfolgt -ohne Transparenzvorgaben- aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (Privatautonomie).
(2) Die Kontrolle der Preisanpassung braucht keinen vorgegebenen und dem Kunden bekannten Rahmen (Zitat: "Der Versorger hat einen gewissen Ermessenspielraum") und folgt auch wieder nur aus dem Gesichtspunkt der Privatautonomie (Ergänzende Vertragsauslegung).
(3) -und das Bonbon am Ende- Eine Kontrolle vereinbarter Preise nach § 315 BGB scheidet aus, weil es eine "3T-Rechtsprechung" gibt.
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Die Entscheidung erscheint aus Verbrauchersicht problematisch.
A.
Der Senat hat eine wegen Unvereinbarkeit mit der EU- Richtlinie unwirksame Regelung im Wege ergänzender Vertragsauslegung durch eine Regelung ersetzt, welche sich ebenso wenig mit der EU- Richtlinie vereinbaren lässt, den von der EU- Richtlinie geforderten Verbraucherschutz ebenfalls nicht gewährt.
Es ist Aufgabe auch des Gerichts, die EU- Richtlinie und dem von dieser geforderten Verbraucherschutz Geltung und Wirksamkeit zu verschaffen.
B.
Dieses im Wege ergänzender Vertragsauslegung eingeräumte Preisänderungsrecht soll wohl zudem einer geringeren Kontrolldichte unterliegen als das gesetzliche Preisänderungsrecht nach dem Willen des Gesetzgebers im Falle seiner Wirksamkeit, für welches die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB vorgesehen war.
So soll es nicht mehr zu einer Billigkeitskontrolle jeder einzelnen Preiserhöhung kommen.
Einzelne Aspekte, die bei einer Billigkeitskontrolle zu prüfen sind, sollen wohl nicht mehr durchgreifen und zukünftig unberücksichtigt bleiben:
BGH, Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07, juris Rn 43:
„Das schließt allerdings nicht aus, dass jedenfalls die Weitergabe solcher Kostensteigerungen im Verhältnis
zum Abnehmer als unbillig anzusehen ist, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte. Das Recht zur Preiserhöhung nach § 4 AVBGasV kann, wie
die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, angesichts der sich aus § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 EnWG ergebenden Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas nicht dazu dienen, dass es zu beliebigen Preisen einkauft, ohne günstigere Beschaffungsalternativen zu prüfen (Markert, RdE 2007, 263, 265; Säcker, ZNER 2007, 114, 115), und im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und -steigerungen akzeptiert, die über das hinausgehen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich ist (vgl. zu einer entsprechenden Einschränkung des Änderungsrechts von Banken bei Zinsänderungsklauseln in Kreditverträgen BGHZ 97, 212, 217 ff., 222; 158, 149, 155).“
Wenn der Gesetzgeber erkennbar wollte, dass die Preisänderungen der Versorger im Rahmen ihrer gesetzlichen Versorgungspflicht der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliegen sollen, dann ist eine Einschränkung dieser Kontrolldichte bei einem im Wege ergänzender Vertragsauslegung ersatzweise für das unwirksame gesetzliche Preisänderungsrecht eingeführten Preisänderungsrecht nicht nachvollziehbar.
Ziel des § 1 EnWG ist unter anderem eine verbraucherfreundliche Energieversorgung.
Die Aspekte des Verbraucherschutzes wie von der EU- Richtlinie gefordert und der Verbraucherfreundlichkeit sind insbesondere bei einer Einschränkung der Kontrolldichte bei der vorgenommenen Abwägung wohl unberücksichtigt geblieben.
Mag man noch die Einräumung eines einseitigen, an keine weiteren Bedingungen geknüpften Preisänderungsrechts im Wege ergänzender Vertragsauslegung als geboten ansehen.
Die Einschränkung der Kontrolldichte erscheint jedenfalls nicht geboten, erforderlich und gerechtfertigt.
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Zeitung für kommunale Wirtschaft, November 2015, Seite 12:
"Grundversorger zitterten seit einem Jahr vor diesem Urteil, daher war die Überraschung perfekt: Es hätte für sie nicht erfreulicher ausgehen können".
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Wenn das Zittern jetzt ein Ende hat, dann kann ja wieder munter und lustig auf die Verbraucher eingeschlagen werden.
Und wie man das jetzt mit viel Spass unternehmen kann, auch dafür hat der 8.ZS-BGH die Richtung gezeigt. Das Zauberwort heißt: § 287 Abs. 2 ZPO
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Es ist sehr hilfreich, wenn man sich die Verfassungsbeschwerde von Prof. Zuck ansieht und gegenüber dem Amts- oder Landgericht damit argumentiert.
Der Delmenhorster Amtsrichter würde offenbar gerne vorlegen. Er meint, es sei doch wohl etwas ungewöhnlich, ein ursprünglich auf §§ 4 AVBGasV und 5 GasGVV gestütztes Preisänderungsrecht nach Feststellung von deren europarechtlicher Intranspanrenz nun nahezu 1:1 in eine ergänzende Vertragsauslegung zu packen.
Also: Weiterhin logisch und nicht zielorientiert argumentieren.
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Beschluss des AG Delmenhorst vom 30.12.2015 Az.: 44 C 4134/15 (I)
Das Gericht prüft derzeit, ob insoweit im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 28.10.2015 eine erneute Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, in diesem Fall durch das erstinstanzliche Gericht, gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vorzunehmen ist.
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Während des langen Rechtsstreits haben die Stadtwerke Hamm gegen den betroffenen Verbraucher weitere Forderungen aus Energielieferungen gestellt und in zwei Klagen vor dem Amtsgericht Hamm eingeklagt.
In einem dieser Verfahren (Az 19 C 22/14) wurde die Klage jetzt ohne Begründung zurück genommen. Dem Vernehmen nach war es den Stadtwerken zu umständlich, den Anforderungen des BGH an die Begründung der Preiserhöhung nachzukommen.
Interessant ist das auch deshalb, weil der Anwalt der Stadtwerke Dr. Dietmar Hempel ist, der zahlreiche Versorger quer durch die Republik vertritt und mit der Rechtsmaterie bestens vertraut ist.
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Aua :-[
Ja, selbiger hat seinerzeit beim LG Stuttgart die drei weiblichen Kammermitglieder mächtig mit der damals brandneuen Entscheidung Az.: VIII ZR 138/07 (Stadtwerke Düren) beeindruckt (oder war's vielleicht seine Erscheinung ;-) )
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Hallo!
Ist der Beschluss des AG Delmenhorst abrufbar?
Für Hilfe wäre ich dankbar....
Grüße
Mathaub
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Hallo!
Ist der Beschluss des AG Delmenhorst abrufbar?
Für Hilfe wäre ich dankbar....
Grüße
Mathaub
Nein, ich habe lediglich den Text zitiert. Spannend wird es erst, wenn das Gericht seine Ankündigung auch wahr macht.
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Trotz der beiden Entscheidungen des EuGH vom 23.10.2014 und vom 21.03.2013 ergehen sämtliche Folgeentscheidungen des 8.ZS-BGH seit dem 28.10.2015 ständig mit der gleichen Begründung, wonach der nationale Richter ja mit seiner "erg. Vertragsauslegung" nur nationales Recht auslege bzw. anwende.
Dennoch ist sich der 8.ZS-BGH bewußt, dass auch hierbei eine unionsrechtliche Entscheidungserheblichkeit vorliegt, nämlich die Auslegung von Anlage 3 zu Art. 3 der Gas-/Stromrichtlinien. Hierzu hat sich der EuGH in beiden Entscheidungen unmißverständlich ausgedrückt und er hat in beiden Fällen von einer zeitlichen Befristung der Wirkungen seiner Auslegungsentscheidungen Abstand genommen.
Wenn aber eine unionsrechtliche Entscheidungserheblichkeit vorliegt, der BGH aber in seinen Entscheidungen nur nach nationalen Bestimmungen auslegt, dann kann dies gegen Art. 4 u. 288 AEUV (Treuepflicht und effektiver Rechtsschutz) verstoßen.
Wenn der BGH, so wie jetzt in seinen jüngsten Entscheidungen geschehen, die unionsrechtlichen Auslegungskriterien für nicht anwendbar oder nicht entscheidungserheblich ansieht, weil diese angeblich "nur für die von den Entscheidungen des EuGH betroffenen Einzelfälle gelten", so kann dies gegen Art. 267 Abs. 2 u. 3 AEUV verstoßen, weil diese Auslegungsfrage unionsrechtlicher Natur und eben geradewegs dem EuGH zugewiesen ist .
Diese Frage wird derzeitig im Wege der Verfassungsbeschwerde gegen eine der beiden Entscheidungen des 8.ZS-BGH vom 28.10.2015 vom BVerfG geprüft. Dabei dürfte sich das BVerfG mit seiner Entscheidung voraussichtlich nicht sonderlich schwer tun; denn ein vergleichbarer Sachverhalt wurde bereits in einem, nach voraus gegangenen Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht, beim BVerfG anhängig gewordenen Beschwerdeverfahren entschieden (vgl. BVerfG, 10.12.2014, Az.: 2 BvR 1549/07 (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/12/rk20141210_2bvr154907.html)):
(1) Ausweislich der Begründung hat das Bundesarbeitsgericht die Frage der Vorlagepflicht hinsichtlich der Gewährung von Vertrauensschutz in die frühere, nicht richtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 f. KSchG zwar durchaus gesehen. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Feststellung, dass dem Bundesarbeitsgericht die Entscheidung über den Vertrauensschutz nicht „entzogen“ sei und es (diesbezüglich) insbesondere nicht zur Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet sei, sowie aus dem Hinweis auf die eine Vorlagepflicht bejahende Auffassung von Schiek (AuR 2006, S. 41 <43 f.>), die sich das Bundesarbeitsgericht nicht zu Eigen gemacht hat. Es hat die Vorlagepflicht vielmehr verneint und dies in der Sache damit begründet, dass es nicht Unionsrecht, sondern nationales Recht auslege und sich insoweit allein im Bereich der nationalen Rechtsanwendung befinde. Aus seiner Sicht war somit keine unionsrechtliche Frage entscheidungserheblich, so dass eine Vorlagepflicht nicht in Betracht kam.
(2) Damit hat es die Frage der Vorlagepflicht in nicht mehr verständlicher und offensichtlich unhaltbarer Weise beantwortet, weil es sich hinsichtlich des (materiellen) Unionsrechts nicht hinreichend kundig gemacht und seine Vorlagepflicht insoweit grundlegend verkannt hat.
(a) Die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, es könne eine richtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 f. KSchG unter Berufung auf seine frühere Rechtsprechung unterlassen, verkennt die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts grundlegend. Es hat sich insoweit darüber hinweggesetzt, dass die Gewährung von Vertrauensschutz und die damit verbundene Unterlassung der richtlinienkonformen Auslegung einer nationalen Norm zumindest auch eine Frage des Unionsrechts ist. Hinzu kommt, dass der Gerichtshof in der Junk -Entscheidung (EuGH, Urteil vom 27. Januar 2005, Junk, C-188/03, Slg. 2005, I-885) die Geltung der von ihm vorgenommenen Auslegung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl Nr. L 225/16) nicht aus Gründen des unionsrechtlichen Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt und eine zeitliche Geltungsbeschränkung damit implizit abgelehnt hat. Durch die Unterlassung der richtlinienkonformen Auslegung der §§ 17 f. KSchG in der angegriffenen Entscheidung verschiebt das Bundesarbeitsgericht die Anwendung der Massenentlassungsrichtlinie in der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung aus Gründen des Vertrauensschutzes nach nationalem Recht auf einen Zeitpunkt nach ihrem Inkrafttreten (vgl. BVerfGE 126, 286 <314>).
(b) Zwar ist ein Rückgriff auf nationales Verfassungsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei der Anwendung des Unionsrechts in Deutschland nicht generell ausgeschlossen. Dies setzt jedoch voraus, dass der vom Grundgesetz gebotene Mindeststandard an Grundrechtsschutz durch das Unionsrecht verfehlt würde (vgl. BVerfGE 37, 271 <280 ff.>; 73, 339 <371 f., 387>; 89, 155 <174 f.>; 102, 147 <163 f.>). Eine solche Feststellung wäre überdies dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>; 126, 286 <308>). Anhaltspunkte dafür, dass das vom Grundgesetz geforderte Mindestmaß an Grundrechtsschutz unterschritten sein könnte, liegen hier jedoch ersichtlich nicht vor und wurden vom Bundesarbeitsgericht nicht thematisiert. Indem es Bestimmungen des nationalen Verfassungsrechts ins Feld führt, um die praktische Wirksamkeit einer Richtlinie zu begrenzen, setzt es sich daher über die etablierte Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Vorrang des Unionsrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1970, Internationale Handelsgesellschaft, 11/70, Slg. 1970, 1125, Rn. 3) hinweg und verkennt auch insoweit seine Vorlagepflicht.
(c) Dass sich das Bundesarbeitsgericht, obwohl es sich grundsätzlich bewusst war, die Junk -Entscheidung aufgrund ihrer (unionsrechtlichen) Bindungswirkung beachten zu müssen, bei der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit einer unionsrechtlichen Frage im Zusammenhang mit der Gewährung von Vertrauensschutz zudem mit keinem Wort näher mit der (unionsrechtlichen) Bindungswirkung von Vorabentscheidungen auseinandergesetzt hat, erscheint ebenfalls nicht mehr verständlich.
Aufgrund dieser methodischen Mängel ist die Anwendung von Art. 267 Abs. 3 AEUV durch das Bundesarbeitsgericht nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar. Liegt in Fällen, in denen das Fachgericht die Entscheidungserheblichkeit einer unionsrechtlichen Frage erkennt, sodann jedoch eine Vorlage zum Gerichtshof der Europäischen Union trotz Zweifeln an der richtigen Beantwortung einer unionsrechtlichen Frage nicht in Erwägung zieht (sogenannte grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), ein Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>), so kann im vorliegenden Fall, in dem ein letztinstanzliches Gericht eine Vorlagepflicht verneint, weil es trotz offenkundiger Anhaltspunkte gar nicht erkennt, dass eine unionsrechtliche Frage entscheidungserheblich ist, und die Entscheidung allein an nationalen Maßstäben orientiert trifft, nichts anderes gelten. In beiden Fällen wird Art. 267 Abs. 3 AEUV in einer methodisch eindeutig unzureichenden und auf einer offenkundigen Verkennung seines Regelungsgehalts beruhenden Weise ausgelegt. Diese willkürliche Verneinung der Vorlagepflicht ist daher als Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 267 Abs. 3 AEUV verfassungsrechtlich zu beanstanden.
Diese Grundsätze auf die Entscheidungen des BGH zur "ergänzenden Vertragsauslegung" übertragen bedeuten, dass der BGH sowohl die Bestimmungen gem. Art. 267 Abs. 2 u. 3 AEUV, als auch die Bestimmungen der Transparenzrichtlinien ohne Vorlageanrufung willkürlich anwendet bzw. auslegt.
Der BGH hat auch schon seither, zumindest in einer Entscheidung, die Wirkungen der Vorlageentscheidungen von 2014/2013 auf den Zeitpunkt ab Erlass der Transparenzrichtlinien "nach nationalem Recht" eingeschränkt. Damit hat der BGH auch den Vorrang der Entscheidungen des EuGH aus 2014/2013 ignoriert, wodurch die Fragen zur Befristung oder Nichtbefristung dort klar und deutlich beantwortet wurden. Diese Befristung auf den Zeitpunkt ab Erlass der RiLi erfolgt demnach ohne Rechtsgrund und ist damit -offensichtlich- haltlos und willkürlich.
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Unzutreffend ist die Einschätzung des 8.Zivilsenats des BGH im Urteil vom 28.10.15 Az. VIII ZR 158/11, juris Rn. 80,
dass die Vertragsparteien bei angemessener, objektiv-generalisierender Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten,
dass die Kl. berechtigt sein soll, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Bekl. weiterzugeben,
und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
Denn damit wird allein den Interessen des Energieversorgungsunternehmens Rechnung getragen, Kostensteigerungen seiner eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an die grundversorgten Tarifkunden weiterzugeben. Nicht zuletzt in Verkennung der Verpflichtung der Energieversorgungsunternehmen aus § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 EnWG 2005 zu einer möglichst verbraucherfreundlichen leitungsgebundenen Versorgung mit Gas bleibt das Interesse des Kunden an einem hohen Maß an Verbraucherschutz dabei vollkommen unberücksichtigt.
Das geboten hohe Maß an Verbraucherschutz kann nur gewährleistet werden, wenn der betroffene Kunde das Recht hat, sich anlässlich einer einseitigen Preisänderung vom Vertrag zu lösen oder gegen die Preisänderung vorzugehen. Um diese Rechte in vollem Umfang und tatsächlich nutzen und in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen zu können, ist es erforderlich, dass der Kunde rechtzeitig vor dem Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert wird (vgl. EuGH, Urt. v. 23.10.14 Rs. C-359/11 und C- 400/11, Rnrn. 43,44, 47).
Bei angemessener, objektiv-generalisierender Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen hätten die Parteien nach Treu und Glauben redlicherweise demnach ein entsprechendes Preisänderungsrecht nur vereinbart, wenn dem Bekl. auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Liefervertrages anlässlich einer einseitigen Preisänderung sowie die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Preisänderung eingeräumt wird und zudem eine Verpflichtung der Kl. besteht, den Bekl. rechtzeitig vor dem Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang zu informieren. Aus Verbrauchersicht ausgewogen wird eine solche Regelung aber auch nur dann, wenn der Versorger verpflichtet ist, rückläufige Kosten mindestens nach gleichen Maßstäben weiterzugeben, die Preise auch zugunsten der Kunden anzupassen.
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Schließe mich der Argumentation vollständig an ;)
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Im Leitsatz e) muss man lesen:
Die hierdurch im Tarifkundenvertrag eingetretene Regelungslücke ist im Wege einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) dahinge-hend zu schließen, dass das Gasversorgungsunternehmen berechtigt ist, Kosten-steigerungen seiner eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kosten-senkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, an den Tarifkunden wei-terzugeben, und das Gasversorgungsunternehmen verpflichtet ist, bei einer Tarif-anpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der nach dieser Maßgabe berechtigterweise erhöhte Preis wird zum vereinbarten Preis. Für eine zusätzliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB ist deshalb kein Raum.
Dieser Satz lässt viel Raum zum Spekulieren.
1. Wenn es (ausschließlich?) nur unter den obigen Voraussetzungen zu einem "vereinbarten Preis" kommen kann, wofür braucht man einen Kundenwiderspruch zumal eine "zusätzliche Billigkeitskontrolle" ausscheidet?
2. Wenn eine zusätzliche Billigkeitskontrolle ausscheidet, und es nur nach den im Leitsatz e) genannten Voraussetzungen zu einem vereinbarten Preis kommen kann, dürfte der Schutz des Kunden gem § 315 Abs. 3 BGB abhanden gekommen sein, wonach ein unbillig erhöhter Preis erst durch die Neubestimmung des Gerichts fällig wird und somit dem Kunden keine Verzugszinsen oder Anwaltskosten drohten. Jetzt muss er damit rechnen, dass er auch dann, wenn die Preisanpassung nicht in vollem Umfang vom Gericht gebilligt wird, Verzugsfolgen zu tragen hat.
Ist damit festzustellen, dass sich die Lage des Verbrauchers nach der neueren Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH gegenüber der bisherigen verschlechtert hat?