Forum des Bundes der Energieverbraucher
Energiepreis-Protest => Grundsatzfragen => Thema gestartet von: enerveto am 20. November 2005, 23:11:14
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Sehr geehrter Herr Fricke!
Die Unterscheidung des Einwandes nach § 315 BGB in Bezug auf den Gesamtpreis
(Allgemeiner Tarif) oder nur die Preiserhöhung (Sondervertrag) ist geklärt.
Unter diesen Voraussetzungen nun folgende Vertragsgestaltung zur Beurteilung:
Stromlieferungsvertrag eines örtlichen Versorgers (Stadtwerke).
Im Vertragsvordruck ein Katalog von 7 Preisdarstellungen („Bestpreis-Sytem“)
mit „wolkigen“ Bezeichnungen (Verbrauchs- und Grundpreis), die angekreuzt werden.
Darunter befindet sich auch der Allgemeine Tarif (als Standardtarif ... bezeichnet).
„Auftragserteilung
... Ergänzend zu den Bedingungen dieses Vertrages gelten die umseitigen Regelungen und die auszugsweise abgedruckten Bestimmungen aus der Verordnung über Allgemeine
Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV).“
„Allgemeine Bedingungen zur Lieferung von ...-Strom
...
Preisanpassung
Die Stadtwerke ... GmbH behält sich das Recht vor, die umseitig genannten Preise
anzupassen. Eine solche Anpassung wird dem Kunden mit einer Frist von sechs Wochen schriftlich angekündigt. Erhöht die Stadtwerke ... GmbH die Preise, so ist der Kunde
berechtigt, diesen Vertrag – auch innerhalb der Erstlaufzeit – mit einer Frist von vier Wochen zu dem von der Stadtwerke ... GmbH angekündigten Datum der Preisanpassung zu
kündigen. ...“
„Allgemeines
...
Ergänzend zu den vorgenannten Bedingungen gelten die auszugsweise abgedruckten
Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen der Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV) vom 21. juni 1979 (BGBl. I S 684).
Der ...-Kunde gilt als Tarifkunde im Sinne der Bestimmungen.“
Frage an den Fachmann:
Sondervertrag (Preiserhöhung) oder Vertrag Allgemeiner Tarif (Gesamtpreis)?
Mit freundlichen Grüßen
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@enerveto
Manche Versorger haben ein Bestpreismodell und wissen selbst nicht mehr, ob es nun Allgemeinversorgung oder Sondervertrag sein soll.
Objektives Kriterium für die Allgemeinheit eines Tarifs ist, dass dieser über eine gewisse Zeit allen Kunden mit einem standardisierten Abnahmeverhalten eingeräumt wird, nicht Ergebnis individueller Preisverhandlungen ist.
In diesem Sinne dürfte es sich um einen Allgemeinen Tarif handeln, egal, wie man diesen nun bezeichnet. Dieses Ergebnis dürfte auch aus dem Gleichbehandlungsgebot und kartellrechtlichem Diskrimnierungsverbot folgen.
Auch diese Frage wird derzeit gerichtlich geklärt, ebenso, ob es sich bei den sog. Bestpreismodellen um ein Unterschreiten der genehmigten Tarife im Sinne von § 12 Abs. 5 BTOElt handelt, so dass eine Preiserhöhung einer gesonderten Genehmigung bedarf.
Die Preisanpassungsklausel ist m. E. wegen Intransparenz unwirksam, vgl. Rechtsgutachten VZ NRW, so dass einseitige Preiserhöhungen nicht daruf gestützt werden können.
Sofern Sie Unbilligkeit gegen den Gesamtpreis einwenden wollen, um nur die Preiserhöhung zu kürzen, im Übrigen den alten Preis auch nur noch unter Vorbehalt zu leisten, dürfte die Unterscheidung im Ergebnis auch egal sein. Immerhin werden die alten Preise ja weiter gezahlt, wenn auch unter Vorbehalt.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt