Forum des Bundes der Energieverbraucher
Energiepreis-Protest => Grundsatzfragen => Thema gestartet von: reblaus am 15. März 2012, 17:27:33
-
Ein wenig überrascht stelle ich fest, dass diese beiden Entscheidungen in diesem Forum nicht der große Aufreger zu sein scheinen.
Pressemitteilung zu BGH Urt. v. 14.03.2012 Az. VIII ZR 113/11 u. a. (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2012&Sort=3&nr=59565&pos=3&anz=38)
Zugegebenermaßen bin ich bei den aktuellen Diskussionen nicht mehr so ganz auf dem Laufenden. Da sie die mich interessierenden Themen (Ansprüche aus fehlerhaft vorgenommenen Versorgerwechseln) nicht thematisieren. Aber angesichts früherer Tiraden gegen den Ball-Senat hätte ich ein wenig mehr Empörung schon erwartet. Wird doch die ständige Rechtsprechung zu Preiserhöhungen bei unwirksamer Preiserhöhungsklausel arg gerupft.
Für Details muss man natürlich noch die Urteilsbegründung abwarten.
-
Hallo reblaus,
Willkommen zurück ;)
Ich persönlich rege mich über die Entscheidungen aus Gründen des Verbraucherschutzes und meines persönlichen, gesunden Rechtsempfindens schon sehr auf, stimme Ihnen aber durchaus zu, ich hätte grundsätzlich nämlich auch mehr Resonanz erwartet!
Unabhängig von Urteilsbegründungen, bei denen ich jetzt schon sicher bin, dass diese jedenfalls arg konstruiert ausfallen müssten.
-
Es sind ALLE so fassungslos, das im Moment noch die Worte fehlen. :evil:
Frage: Könnte hier Handlungsbedarf für den Großen Senat des BGH bestehen ?
-
Sagen wir mal so.
Der Verbraucher, welcher im Jahre 2008 begonnen hat, sich über die zu hohen Gaspreise zu empören, und dann feststellte, dass andere Verbraucher längst sehr erfolgreich kürzen, war nicht notwendigerweise gut beraten, sich allzusehr darauf zu verlassen, dass er mit Hinweis auf eine Preisvereinbarung aus dem Jahre 1981 die Einsparungen, die andere über Jahre erreicht haben, mit einer Abrechnungsperiode nachholen könne.
Das erinnert ein wenig an die UBS (ehemals angesehenste Bank der Welt), die im Jahre 2006 feststellte, dass andere seit Jahren erfolgreich Gewinne erzielen, indem sie drittklassige amerikanische Hypothekenpapiere in die Bilanz nehmen. Die jahrelangen Gewinne der Konkurrenz dann ausgleichen zu wollen, in dem sie die Bilanz bis unter die Pfette mit den Ramschpapieren aufplusterte, war keine so gute Idee.
Auf Habgier haben Energieversorger und Banken kein Monopol.
Jedenfalls hat der VIII Zivilsenat dies zum Anlass genommen, dem Treiben ein schnelles Ende zu bereiten.
Vielleicht wäre einem das Risiko solchen Tuns eher aufgefallen, wenn man in den Unterlagen einen alten Liefervertrag aus Adolfs Zeiten gefunden hätte. Es wäre wohl nur wenigen in den Sinn gekommen, deshalb den Versorger mit alten Reichmarkscheinen bezahlen zu dürfen, weil genau dieser Preis dort vereinbart worden war.
Man kann sich natürlich auch darauf stürzen, dass dem Vorsitzenden Ball und seinen Kollegen die Bedeutung von Rechtssicherheit in einer funktionierenden Marktwirtschaft nicht ganz so geläufig zu sein scheint. Allerdings hat der BGH die Rechtsfrage nicht erschaffen.
-
Hier geht es aber nicht um Habgier.
Sagen wir mal, zumindest ganz sicher nicht um die der Kunden! ;)
Rechnet man z. B. die oftmals jahrzehntelange Bereicherung der Versorger aufgrund unrechtmäßiger Preiserhöhungen bei Millionen von Kunden gegen die Verjährungsfrist und Rückforderung von ein paar Tausend Kunden auf, scheidet Habgier der Kunden wohl definitiv aus.
Und von einem schnellen Ende durch den BGH kann ebenfalls schlicht nicht die Rede sein. Im Gegenteil, der VIII. Senat versucht nun inzwischen seit Jahren, seine Rechtsprechung gegen die Verbraucher und zugunsten der Versorger möglichst unauffällig und in kleinen Schritten, sozusagen peu-a-peu, unters Volk zu mischen! In der Hoffnung, dass die langsame Gewöhnung bei den Verbrauchern eine Art Abstumpfungseffekt auslöst!? Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein!
Der Währungsvergleich hinkt noch mehr. Zwischen Reichsmark und Euro lag immerhin auch noch die D-Mark ;)
-
Ich sprach auch nicht von den Verbrauchern, sondern von einem Verbraucher.
Ich habe im Jahr 2008 erstmals den Gasversorger gewechselt, und bin jetzt beim 4. angelangt. Eigentlich sollte die Bedeutung von Sonderverträgen ohne wirksame Preisanpassungsklausel täglich abnehmen, und demnächst ein Thema für ein Institut für Rechtshistorie werden.
Dass sich der Ball-Senat nicht in Verbraucherfreundlichkeit überschlägt, wissen wir spätestens seit 2007. Sich mit derart gewagten Ansprüchen gerade in seine Hände zu begeben, war reichlich leichtsinnig.
Die Bereicherung der Gasversorger dauerte übrigens nicht Jahrzehnte. Die Preiserhöhungen starteten mit Beginn des Jahrtausends. Heute ist jedermann frei, sich sein Gas zu kaufen, wo er mag. Eon kommt sogar in große Probleme, weil sie ihr Gas zu Ölpreisen nicht mehr losschlagen können. Man will die Ruhrgas liebend gerne verkaufen, findet aber niemanden, der für diese Verträge auch nur einen Cent hinlegen würde.
Ich denke für diejenigen, die frühzeitig gegen die Gaspreise Widerspruch eingelegt haben, dürfte sich nicht allzuviel ändern. Die Dinge werden ein wenig komplizierter. Die meisten dürften ihre Verfahren aber längst hinter sich haben.
Jedenfalls wird zu klären sein, welche Anforderungen ein Widerspruch gegen Preiserhöhungen zu erfüllen hat. Viel Raum für sperrige Amtsrichter nur die Worte \"ich widerspreche der Preiserhöhung vom ...\" zu akzeptieren. Und ein weites Feld für Energieanwälte auch in den nächsten Jahren noch ihre Brötchen zu verdienen.
Preisprotest im Jahre 2012 bedeutet nicht den Klageweg zu beschreiten, sondern sich einen günstigeren Versorger am Markt zu suchen. Und da gibt es auch vielfältige Geschichten, die sich in diesem Forum zu erzählen lohnen würden.
@H\'berger
Eine Sache für den Großen Senat ist das nicht. Sonst wäre kein Urteil ergangen. Der Große Senat ist keine Superrevisionsinstanz. Man sollte mit dem Urteil leben, und wenn man davon betroffen ist, sofort die richtigen Schritte einleiten.
-
@reblaus
Was war eigentlich aus Ihrem Kontokorrent und dem Saldoanerkenntnis in Sonderverträgen geworden?
Verjährungsbeginn der Rückforderung: Abrechnung oder Abschlagszahlungen maßgeblich? (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=12999&threadview=0&hilight=&hilightuser=0&page=5)
======================================================
Es gibt ja bereits einen Thread:
Gaspreis von 1981 - Beschränkung von Rückforderungsansprüchen bei unterlassenem Widerspruch (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=16971)
Das Empörungspotential hält sich in Grenzen, insbesondere auch mit Rücksicht auf die erfreuliche Entscheidung
BGH, Urt. v. 22.02.12 VIII ZR 34/11 Gas Sondervertrag - zur Einbeziehung der AVBGasV gem. § 305 BGB (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=91375#post91375.)
In dem Fall, der dem BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 zu Grunde liegt, hatte der betroffene Kunde ersichtlich vor dem AG Wipperfürth erfolglos auf Rückzahlung geklagt, hatte in der Berufung vor dem LG Köln zunächst mehr Erfolg. Er hatte es also nicht in der Hand, dass der Versorger Revision einlegte und hätte wohl allenfalls in der Revision noch seine Klage bzw. Berufung zurücknehmen können. Auch nach der Zurückverweisung an das LG Köln wird er wohl nicht nichts zurückbekommen, mit einiger Wahrscheinlichkeit jedoch deutlich weniger, als er sich bisher ausgerechnet hatte.
Bei dem Sachverhalt, wie er der Entscheidung BGH VIII ZR 113/11 zu Grunde liegt, wurde der Versorger wohl tatsächlich kalt erwischt, wenn er aufgrund des Verhaltens dieses Kunden keine Veranlassung hatte, diesen Vertrag zu kündigen.
BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 52, juris:
Offen bleiben kann, ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat (vgl. dazu auch unten unter II 1) und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen (durch Feststellungsklage oder durch Klage auf Rückzahlung geleisteter Entgelte) geltend macht. Sind in einem solchen Fall die Gestehungskosten des Gasversorgungsunternehmens erheblich gestiegen und ergibt sich daraus für die betroffenen Zeiträume ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Wert der von dem Unternehmen zu erbringenden Leistung und dem vereinbarten Preis, lässt sich die Annahme eines nicht mehr interessengerechten Ergebnisses jedenfalls hinsichtlich der länger zurück liegenden Zeitabschnitte nicht ohne weiteres mit der Begründung verneinen, dass eine Kündigungsmöglichkeit bestand. Denn für das Versorgungsunternehmen bestand in einem solchen Fall zunächst kein Anlass, eine Kündigung des Vertrages in Erwägung zu ziehen.
Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung müssen in jedem Einzelfall gründlich geprüft werden,
so dass sich Verallgemeinerungen grundsätzlich verbieten.
Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung, namentlich die unzumutbare Härte, müssen in jedem Einzelfall geprüft werden.
Bei den Umständen, welche die unzumutbare Härte begründen sollen, handelt es sich um Tatsachenfragen, die auf entsprechendes Bestreiten erst durch die Instanzgerichte geklärt werden müssen, insbesondere ob die Gesamtkosten, die dem Versorger durch die Belieferung des Kunden entstanden, gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überhaupt tatsächlich gestiegen waren.
Dafür müssen m.E. wohl die Kosten, welche dem Versorger bei Vertragsabschluss entstanden und diejenigen Kosten, die ihm dann später entstanden, detailliert dargelegt und unter Beweis gestellt werden.
Vorstellbar, dass oftmals keiner (mehr) sagen kann, wie hoch die Kosten bei Vertragsabschluss tatsächlich lagen. Der Kunde kann diese nicht kennen.
-
Original von reblaus
Ich habe im Jahr 2008 erstmals den Gasversorger gewechselt, und bin jetzt beim 4. angelangt. Eigentlich sollte die Bedeutung von Sonderverträgen ohne wirksame Preisanpassungsklausel täglich abnehmen, und demnächst ein Thema für ein Institut für Rechtshistorie werden.
Ich hatte es früher auch schon mal gesagt: An und für sich sind die bisherigen Klagen im Sondervertragsbereich doch nur \"Nebenkriegsschauplätze\", da man an das eigentliche Ziel \"angemessene Energiepreise\" nicht rankommt. Selbst in der Grundversorgung hat der VIII. Senat es ja mit seinem Sockelpreiskonstrukt geschafft dieses Erfordernis weitestgehend auszuhebeln, bisher zumindest.
Mir war in den letzten Jahren sowieso nicht klar, warum nicht ALLE Versorger ihre SV neu abgeschlossen haben, um eine größere Rechtssicherheit zu haben, selbst wenn sie in den Preisanpassungsklauseln immer ncoh unsicher waren, war klar, dass zahlreiche vorhandene Verträge immer noch unwirksam oder wegen unklarer Übergabebedingungen nicht wirksam vereinbart wurden. Da hätte ich erwartet, dass da flächendeckend neue abgeschlossen worden wären. Aber anscheinend hatte man doch gehörige Angst, Kunden zu verlieren.
Mit der jetzigen BGH-Entscheidung muss man zumindest Uralt-Verträge, wo gegen die Preiserhöhungen bisher nicht widersprochen wird, nicht unnötig \"aufwecken\". :D Da wird sich die Versorgergemeinde (leider) freuen. :evil:
-
Noch eine Tasse Kaffee? ;)
Mit Rücksicht auf BGH, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=55196&pos=0&anz=1) gibt es wohl keine rechtssicheren Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen.
Es gibt deshalb Versorger, die alle bisher bestehenden Sonderverträge ordentlich gekündigt haben
und fortan neben der Grundversorgung nur noch zeitlich befristete Festpreisverträge anbieten,
etwa E.ON Thüringer Energie AG (ETE).
Nach BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=56751&pos=0&anz=1) ist auch für die Grundversorgung nichts zementiert.
BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 10 f., juris:
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Gasver-sorgungsunternehmen das ihm nach dem Regelungsgehalt des § 4 Abs. 1 oder 2 AVBGasV kraft Gesetzes zukommende und dort nach Anlass, Voraussetzungen und Umfang nicht präzisierte Recht zur Preisänderung nicht nach freiem Belieben ausüben; eine solche Preisänderung hat vielmehr gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen. Sie ist deshalb für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Zu diesem Zweck kann dieser die Preisänderung auch gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen lassen (BGH, Urteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 19 f.).
b) Aus dieser gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit folgt nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisänderung auch die Pflicht hierzu, wenn die Änderung für den Kunden günstig ist (BGH, Urteile vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18 mwN).
Siehe auch:
BGH, B. v. 24.01.12 VIII ZR 236/10 Aussetzung bei Tarifkunden bis zur EuGH- Entscheidung (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=16855)
BGH, B. v. 24.01.12 VIII ZR 158/11 Aussetzung bei Tarifkunden bis zur Entscheidung des EuGH (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=16856)
Demnach erscheint es möglich,dass
- das gesetzliche Preisänderungsrecht, wie der Senat es sich bisher vorstellt, unwirksam ist (BGH VIII ZR 71/10),
- es auch bei Tarifkunden nicht auf Widersprüche wie nach der bisherigen Rechtsprechung ankommt (BGH VIII ZR 236/10),
- die Grundversorgungstarife unbillig und unverbindlich (geworden) sind, wenn Kostensenkungen nicht oder nicht umfassend weitergegeben wurden (BGH VIII ZR 71/10).
Es spricht einiges dafür, dass die bestehende Verpflichtung zur Preisabsenkung zugunsten der Kunden oft vergessen wurde.
-
Original von RR-E-ft
Noch eine Tasse Kaffee? ;)[7quote]
Oh kein Problem, den hatte ich dabei. ;)
Original von RR-E-ft
Mit Rücksicht auf BGH, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=55196&pos=0&anz=1) gibt es wohl keine rechtssicheren Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen.
Ich frage mich nur, woher Sie Ihre Erkennis nehmen ?
aus BGH, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 RdNr. 21
Gleichwohl steht dies nach Auffassung des Senats der Wirksamkeit einer unveränderten Übernahme von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in einen Sonder-kundenvertrag nicht entgegen, weil es den Versorgungsunternehmen nach dem in § 310 Abs. 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Willen des deutschen Ge-setzgebers freistehen soll, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern, deren Schutz nicht weitergehen soll als derjenige der Tarifabnehmer, entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten. Mit einer unveränderten Übernahme von § 4 AVBGasV in das Sonderkundenverhältnis wird das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel erreicht, Sonderkunden nicht besser, aber auch nicht schlechter zu stellen als Tarifkunden. Es ist nicht ersichtlich, dass dafür im Bereich von Sonderverträgen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit und die Konkretisierung einer Preisänderungsregelung gestellt werden müssten, als sie im Bereich der Tarifkundenversorgung durch § 4 AVBGasV unmittelbar erfüllt werden, zumal dem Sonderkunden ebenso wie dem Tarifkunden eine Überprüfung von einseitigen Preisänderungen nach § 315 BGB offen steht (Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 21 ff. und VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 19 ff.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, WM 2010, 1762 Rn. 32 ff.).
DA steht davon auf jeden Fall nichts von drin, im Gegenteil. Man hat jetzt erstmal lediglich den EuGH befragt, was er denn dazu meint. Waren SIE etwa schon bei denen zum Kaffetrinken und kennen deren Entscheidung ? Dann lassen Sie uns doch freundlicherweise konkret teilhaben an diesen Erkenntnissen.
-
Original von RR-E-ft
Bei den Umständen, welche die unzumutbare Härte begründen sollen, handelt es sich um Tatsachenfragen, die auf entsprechendes Bestreiten erst durch die Instanzgerichte geklärt werden müssen, insbesondere ob die Gesamtkosten, die dem Versorger durch die Belieferung des Kunden entstanden, gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überhaupt tatsächlich gestiegen waren.
Da fällt mir der Richter wieder ein, der in die mündlichen Verhandlung äußerte, es sei \"gerichtsbekannt, dass alles teurer geworden sei\".
-
@bolli
Wenn die Klauseln in Sonderverträgen absolut rechtssicher wären, hätte es die Vorlage zum EuGH, BGH, B. vom 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 schon nicht gegeben. Die Vorlage erfolgte schließlich nur deshalb, um diese Rechtsfrage dort zu klären.
Original von Black
Da fällt mir der Richter wieder ein, der in die mündlichen Verhandlung äußerte, es sei \"gerichtsbekannt, dass alles teurer geworden sei\".
@Black
Solche Richter, die meinen, sie wüssten alles, kann man zuweilen antreffen.
Zum einen ist nicht alles teurer geworden.
Zum anderen kann das Gericht die maßgeblichen Kosten auch nicht kennen.
-
Original von RR-E-ft
Wenn die Klauseln in Sonderverträgen absolut rechtssicher wären, hätte es die Vorlage zum EuGH, BGH, B. vom 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 schon nicht gegeben. Die Vorlage erfolgte schließlich nur deshalb, um diese Rechtsfrage zu klären.
Original von Black
Da fällt mir der Richter wieder ein, der in die mündlichen Verhandlung äußerte, es sei \"gerichtsbekannt, dass alles teurer geworden sei\".
Zum einen ist nicht alles teurer geworden.
Zum anderen kann das Gericht die maßgeblichen Kosten auch nicht kennen.
Möglich ist alles. Der Richter muss auch nicht Beweis dafür anbieten, was ihm gerichtsbekannt ist oder nicht.
-
Es mag alles möglich erscheinen.
Das Gericht, welches seine Beurteilung auf eigene Sachkunde stützt,
muss jedenfalls erkennen lassen, woraus es diese eigene Sachkunde schöpft.
Der durchschnittliche Richter kennt
weder die maßgeblichen preisbildenden Kostenfaktoren,
noch deren Gewichtung am konkreten Preis,
geschweige denn deren zwischenzeitliche Entwicklung
seit einem irgendwann liegenden Vertragsabschluss.
-
Original von RR-E-ft
@bolli
Wenn die Klauseln in Sonderverträgen absolut rechtssicher wären, hätte es die Vorlage zum EuGH, BGH, B. vom 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 schon nicht gegeben. Die Vorlage erfolgte schließlich nur deshalb, um diese Rechtsfrage dort zu klären.
Warum die Vorlage erfolgte ist mir auch bekannt. Aber entgegen Ihrer Äußerung (\"Mit Rücksicht auf BGH, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 gibt es wohl keine rechtssicheren Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen.\") IST es eben noch nicht geklärt und somit nicht sicher, ob es tatsächlich so ist wie Sie vermuten. Der BGH lässt in seinen Formulierungen im Vorlagebeschluss zumindest deutlich erkennen, dass ER eine solche Regelung in Sonderverträgen für zulässig hält, möchte aber, da der Kläger halt die Gas-Richtlinie ins Spiel gebracht hat, sich halt \"den Rücken freihalten\". Mal sehen was da rauskommt. Die Hoffnung stirbt schließlich zum Schluss.
-
@bolli
Wenn etwas noch nicht abschließend rechtlich geklärt ist, so ist es nicht sicher bzw. rechtssicher.
Nicht abschließend rechtlich geklärt ist die Rechtsfrage der Zulässigkeit dieser Klauseln,
weshalb diese sich bisher nicht als rechtssicher bezeichnen lassen.
Der BGH hat die streitentscheidende, vorrangig zu beantwortende Rechtsfrage der Zulässigkeit dieser Klauseln
deshalb dem EuGH zur Entscheidung vorlegegt, weil er gem. Art. 267 AEUV dazu verpflichtet ist.
-
Meine persönliche These für die Zukunft:
Der BGH hat nun erstmals den Weg freigemacht für die ergänzende Vertragsauslegung bzw. nimmt erstmals aktiv eine solche vor.
Sollte der EuGH tatsächlich § 5 GVV als Grundlage für Preisanpassungen kippen, wird der BGH die entstehende Lücke auch hier durch die ergänzende Vertragsauslegung schließen. Und hier vermutlich auch ohne den Spielraum von 3 Jahren. Denn der Grundversorger hatte wegen der Vorgaben der GVV gar keine Chance eine eigene Preisanpassungsregelung zu gestalten und den Lieferanten von Sonderverkunden hatte der BGH höchspersönlich die Bezugnahme auf die GVV gestattet.
-
Original von Black
und den Lieferanten von Sonderverkunden hatte der BGH höchspersönlich die Bezugnahme auf die GVV gestattet.
Möglicherweise rechtswidrig wegen Verstoß gegen zwingendes EU- Recht.
Und dabei waren dem Senat die erheblichen Zweifel
aus der Revisionserwiderung BGH VIII ZR 246/08 hinlänglich bekannt.
Es gibt im Falle der Unwirksamkeit von Preisänderungsklauseln
nach wie vor wohl keine Einräumung eines solchen
durch ergänzende Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.12 VIII ZR 34/11 Rn. 30).
Grundversorgung ist wieder eine vollkommen andere Spielwiese.
Wenn sich § 4 AVBV/ § 5 GVV als unwirksam erweisen,
bliebe ja die gesetzliche Preisbestimmungspflicht
gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG
immer noch wirksam.
Eigentlich besteht dazu deshalb
bereits zwingendes Recht.
Liegen die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung vor,
ist selbige Aufgabe der nationalen Gerichte.
Die dabei gefundene Lösung darf dann jedoch nicht ihrerseits
den gesetzlichen Vorgaben zuwider laufen.
-
Original von Black
... Denn der Grundversorger hatte wegen der Vorgaben der GVV gar keine Chance eine eigene Preisanpassungsregelung zu gestalten und den Lieferanten von Sonderverkunden hatte der BGH höchspersönlich die Bezugnahme auf die GVV gestattet.
Ist das so ? - als juristischer Laie behaupte ich jetzt mal ;), dass die GVV keine Preisanpassungsregelung/-recht bzw. -pflicht beinhaltet (ist das nicht auch die Auffassung des OLG Oldenburg?), dass der Verordnungsgeber eine vom Grundversorger zu gestaltende transparente Regelung voraussetzt und mit § 5 Abs. 2 und 3 lediglich festlegt, wie Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen wirksam werden.
edit: Zu dieser These sehe ich keinen Widerspruch in der GVV, im EnWG und im BGB - oder ? Jetzt sind unsere Experten gefragt.
-
Den Weg der ergänzenden Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel hat der BGH m. W. erstmals bereits 1989 beschritten, allerdings zu einer Anpassungsklausel in einem Vertrag mit einer festen Laufzeit von zehn Jahren (NJW 1990, S. 115 ff.). Die daraufhin vom damaligen Klauselverwender nach den damaligen BGH-Vorgaben geänderte Klausel hat die Rechtsprechung (bis hin zu den Obergerichten) inzwischen erneut gekippt, vor allem weil in Folge die Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB um das Transparenzgebot erweitert wurde und damit der Auslegung Tür und Tor geöffnet ist. Insofern wage ich die Voraussage, dass es auch für die Zukunft dem Versorger nicht möglich sein wird, eine eigene Preisanpassungsklausel zu gestalten, die rechtssicher und gerichtsfest wäre. Der Anwalt, der eine solche Klausel mit Gewähr zu liefern bereit ist, sei er noch so hochqualifiziert und spezialisiert, ist mir noch nicht begegnet. Die Versorger können sich (noch) glücklich schätzen, dass ihnen der BGH mit der Bezugnahme auf die GVV eine komfortable Möglichkeit gestattet hat, obwohl schon jetzt offenkundig ist, dass sie einer Inhaltskontrolle ach § 307 BGB nicht standhalten würde.
-
Original von jofri46
Der Anwalt, der eine solche Klausel mit Gewähr zu liefern bereit ist, sei er noch so hochqualifiziert und spezialisiert, ist mir noch nicht begegnet.
Es kommt wohl immer darauf an, welche Kollegen man trifft. Bei einem Gegenstandswert für die Anwaltsvergütung aus dem 3,5fachen Jahresbetrag der Preiserhöhungen aller betroffenen Vertragsverhältnisse eines großen Konzerns (E.ON/ RWE) wäre das möglicherweise ein verlockender Auftrag. Andererseits dürfte die Deckungszusage der Berufshaftpflichtversicherung kaum ausreichen, selbst wenn man diese auf 30 Mio. EUR erhöht. Wenn es mit der Gewähr schief geht, braucht man dann wohl ein Gewehr.
Haftungsvereinbarungen auf dem Markt (http://www.boernerlaw.de/pdf/honorarvereinb.pdf)
-
Original von RR-E-ft
Wenn es mit der Gewähr schief geht, braucht man dann wohl ein Gewehr.
Der war gut ! (http://www.smilies.4-user.de/include/Optimismus/smilie_op_022.gif) (http://www.smilies.4-user.de) :D
-
Der BGH geht seltsame Wege. Auf die unzumutbare Härte im Einzelfall scheint es für die ergänzende Vertragsauslegung gar nicht mehr anzukommen.
-
Original von Black
Der BGH geht seltsame Wege. Auf die unzumutbare Härte im Einzelfall scheint es für die ergänzende Vertragsauslegung gar nicht mehr anzukommen.
Die Wege des Herrn sind unergründlich. Nun auch schon die Wege des BGH- Senats?
Das sind tatsächlich seltsame Wege, denn bevor es mit einer ergänzenden Vertragsauslegung überhaupt losgehen kann, muss nach herrschender Meinung und herrschender Lehre zunächst geprüft werden, ob deren Voraussetzungen im Einzelfall überhaupt vorliegen. Schließlich muten auch die Rechtsfolgen (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=92377#post92377) einigermaßen abenteuerlich an.
Die Entscheidung gibt Rätsel auf und man wähnt sich in einer Verklärung (Metamorphosis).
Der BGH- Senat vergibt den Energieversorgern ihre Schuld, macht wohl über Nacht aus gemeinen Schuldnern Gläubiger.
Eine Rechtsgrundlage für eine solche (Ver-)Wandlung ist nicht sogleich ersichtlich.
Über etwaige bilanzssteuerliche Folgen will man erst gar nicht nachdenken.
-
Der BGH macht damit auch faktisch das Verjährungsrecht kaputt. Denn die Uhr tickt ab der Abrechnung GENAU 3 Jahre. Die Verjährung (mit ebenfalls 3 Jahren) beginnt dagegen erst am Ende des Kalenderjahres zu laufen.
Dadurch kann ein unverjährter Anspruch trotzdem schon \"entwertet\" sein, weil die 3 Jahre Widerspruchsfrist schon abgelaufen sind.
Der sorgfältige Verbraucheranwalt müsste künftig also nicht nur die Verjährungsfrist sondern auch die Widerspruchsfrist notieren.
-
Mich überrascht die Entscheidung des BGH nach langjähriger Erfahrung mit AGB\'s, expliztit auch mit Preisanpassungsklauseln im Massengeschäft und Rechtsstreitigkeiten bis hin zum BGH, keineswegs. Ich kann die Argumentation des BGH nachvollziehen und sie stört auch nicht mein Rechtsempfinden, auch wenn das hier viele aus Verbrauchersicht anders sehen.
Rechtsgrundlagen dafür lassen sich mit entsprechender Interpretation allemal finden (z. B. 241 Abs. 1 BGB). Ein Richter sprach trotz unwirksamer Preisanpassungsklausel nach jahrelanger einvernehmlicher Vertragsdurchführung die erhöhten Entgelte zu, bezog sich dabei u. a. auf § 141 Abs. 2 BGB und formulierte diese Bestimmung in den Urteilsgründen so um:
\"Wird eine nichtige Preisanpassungsklausel von den Parteien bestätigt (durch jahrelange Hinnahme und Zahlung von Preiserhöhungen), so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn die Preisanpassungsklausel von Anfang an gültig gewesen wäre.\"
-
Kleine Korrektur:
In meinem Beitrag oben ist nicht § 241 Abs. 1, sondern § 241 Abs. 2 BGB gemeint.
-
Original von Black
Der BGH macht damit auch faktisch das Verjährungsrecht kaputt. Denn die Uhr tickt ab der Abrechnung GENAU 3 Jahre. Die Verjährung (mit ebenfalls 3 Jahren) beginnt dagegen erst am Ende des Kalenderjahres zu laufen.
Dadurch kann ein unverjährter Anspruch trotzdem schon \"entwertet\" sein, weil die 3 Jahre Widerspruchsfrist schon abgelaufen sind.
Noch bevor ein Rückforderungsanspruch wegen Überzahlung verjährt wäre, könnte er bereits infolge Metamorphose untergegangen sein.
Auch Gerichtsentscheidungen sollen transparent und nachvollziehbar sein.
Sie dürfen nicht den Eindruck erwecken, willkürlich \"gewürfelt\" worden zu sein.
Bei der Bewertung der wissenschaftlichen Leistung eines Examenskandidaten, dessen gefundene Lösung auf einer ergänzenden Vertragsauslegung gründet, kommt es bisher entscheidend darauf an, ob zuvor die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung gründlich geprüft wurden.
Hierfür kommt es bisher entscheidend darauf an, ob eine Vertragslücke besteht, die nicht durch dispositives Recht geschlossen werden kann, und für einen Vertragsteil zu einer unzumutbare Härte führt.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, dann soll die Lücke durch den hypothetischen Parteiwillen geschlossen werden.
Gemeinhin: Was hätten die Parteien bei Kenntnis der Lücke vernünftiger Weise vereinbart?
Es ist nur allzu verständlich, dass ein nach diesen wissenschaftlichen Grundsätzen ausgebildeter Jurist diese Grundsätze auch in der Rechtsanwendung eines höchsten Zivilgerichts wiederfinden möchte, anderseits die Frage zu stellen wäre, ob diese wissenschaftlich gelehrten und gelernten Grundsätze etwaig überhaupt noch Geltung beanspruchen.
-
Original von RR-E-ft
Gemeinhin: Was hätten die Parteien bei Kenntnis der Lücke vernünftiger Weise vereinbart?
Welche \"objektiv vernünftige Partei\" hätte wohl vertraglich vereinbart, dass ihre Ansprüche möglicherweise noch vor ihrer Verjährung untergehen sollen?
-
Original von Black
Welche \"objektiv vernünftige Partei\" hätte wohl vertraglich vereinbart, dass ihre Ansprüche möglicherweise noch vor ihrer Verjährung untergehen sollen?
Eine Antwort auch darauf bleibt uns der Senat in seiner bisher veröffentlichten Entscheidung jedenfalls schuldig.
Woher die Dreijahresfrist seit Rechnungszugang herrühren soll, kann man allenfalls mit Blick auf § 18 GVV erahnen.
-
Original von jofri46
Rechtsgrundlagen dafür lassen sich mit entsprechender Interpretation allemal finden (z. B. 241 Abs. 1 BGB). Ein Richter sprach trotz unwirksamer Preisanpassungsklausel nach jahrelanger einvernehmlicher Vertragsdurchführung die erhöhten Entgelte zu, bezog sich dabei u. a. auf § 141 Abs. 2 BGB und formulierte diese Bestimmung in den Urteilsgründen so um:
\"Wird eine nichtige Preisanpassungsklausel von den Parteien bestätigt (durch jahrelange Hinnahme und Zahlung von Preiserhöhungen), so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn die Preisanpassungsklausel von Anfang an gültig gewesen wäre.\"
Genau dieser \"Bestätigung durch jahrelange Hinnahme\" hat der BGH noch in seiner letzten Entscheidung ausdrücklich eine Absage erteilt, da die schweigende Hinnahme keinerlei Erklärungswert besitzt.
In der HIER besprochenen Entscheidung möchte der BGH den Parteien plötzlich unterstellen, dass sie \"redlicherweise\" eine vertragliche Regelung getroffen HÄTTEN, wonach Schweigen zum plötzlichen Wegfall des zuvor schon wirksam entstandenen Anspruches führen soll.
-
Original von Black
Genau dieser \"Bestätigung durch jahrelange Hinnahme\" hat der BGH noch in seiner letzten Entscheidung ausdrücklich eine Absage erteilt, da die schweigende Hinnahme keinerlei Erklärungswert besitzt.
Siehe schon BGH, Urt. v. 20.07.05 Az. VIII ZR 199/04 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=33734&pos=7&anz=24)
BGH, Urt. v. 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11 Leitsatz
Erhöht ein Versorgungsunternehmen einseitig den Gaspreis aufgrund einer Preisanpassungsklausel, die nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden ist, kann die vorbehaltlose Zahlung des erhöhten Preises durch den Kunden nach Übersendung einer auf der Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung nicht als stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis angesehen werden (Bestätigung des Senatsurteils vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180).
Original von Black
In der HIER besprochenen Entscheidung möchte der BGH den Parteien plötzlich unterstellen, dass sie \"redlicherweise\" eine vertragliche Regelung getroffen HÄTTEN, wonach Schweigen zum plötzlichen Wegfall des zuvor schon wirksam entstandenen Anspruches führen soll.
Es führt nicht nur zu einem nachträglichen Wegfall des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruches des betroffenen Kunden, sondern (im selben tragischen Augenblick drei Jahre nach Rechnungszugang) auch zu einer Neubegründung eines bis dahin jedenfalls nicht bestehenden vertraglichen Zahlungsanspruches des Versorgers, wiegt für den betroffenen Kunden mithin wohl finanziell mindestens doppelt schwer.
Warum die Parteien dies bei Kenntnis einer Vertragslücke redlicherweise vereinbart hätten, wurde bisher noch nicht geoffenbart.
-
Im Kern ging es darum, dass der Vertrag keine wirksame Preisanpassungsklausel enthält.
Deshalb mag der Vertrag eine Vertragslücke aufweisen oder auch nicht (vgl. nur BGH , Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07, juris Rn. 46).
BGH, Urt. v. 01.02.84 Az. VIII ZR 54/83
Die Lücke in einem Vertrag, der durch die Unwirksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsteht, kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden, wenn konkrete gesetzliche Regelungen zur Ausfüllung der Lücke nicht zur Verfügung stehen und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klausel Verwenders und des Kunden Rechnung tragenden Lösung führt.
Man könnte meinen, dass es um die Schließung dieser Lücke im Regelungsplan nicht ging.
BGH, Urt. v. 18.07.07 Az. VIII ZR 227/06
Grundsätzlich sind auch Allgemeine Geschäftsbedingungen in Fällen, in denen eine Lücke in vorformulierten Verträgen nicht auf AGB-rechtlichen Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken beruht, einer ergänzenden Auslegung zugänglich (BGHZ 92, 363, 370; 103, 228, 234; 117, 92, 98; 119, 305, 325; Senatsurteil vom 22. Dezember 2003 VIII ZR 90/02, WM 2004, 748 = NJW-RR 2004, 262, unter II 2 a, m.w.N.). Dabei ist ein objektiv-generalisierender Maßstab zugrunde zu legen, der sich am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise auszurichten hat (BGHZ 119, 305, 325; Senatsurteil vom 22. Dezember 2003, aaO). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen hat, dass der Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzeptes der Parteien eine Lücke aufweist, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (BGH, Urteil vom 1. Juni 2005 VIII ZR 234/04, WM 2005, 1863 = NJW-RR 2005, 1421, unter II 2 b; Urteil vom 13. Mai 1993 IX ZR 166/92, NJW 1993, 2935, unter III 2 b). Schon daran fehlt es hier.
Dass die Regelung, die vom Senat genannt wurde, jedenfalls nicht an die Stelle einer unwirksamen Preisänderungsklausel treten kann, um den Regelungsplan zu verwirklichen, der mit einer Preisänderungsklausel verfolgt wird, sollte ohne Weiteres erkennbar sein.
Vernünftigerweise hätte sich der Versorger anstelle einer unwirksamen Preisänderungsklausel wohl nicht auf eine Regelung eingelassen, wonach alle einseitigen Preisänderungen jedenfalls unwirksam sind, wenn nur innerhalb von drei Jahren ab Rechnungszugang Widerspruch eingelegt wird; anders gewendet: einseitige Preisänderungen allenfalls erst rückwirkend wirksam werden können, wenn nicht innerhalb von drei Jahren ab Rechnungszugang Widerspruch vom Kunden erhoben wird, mithin auf die Dauer von drei Jahren aufschiebend bedingt sind.
Der betroffene Kunde hätte demnach jeweils für die Dauer von drei Jahren einen auflösend bedingten Rückforderungsanspruch.
Eine These:
Es handelt sich bei der ergänzenden Vertragsauslegung um den Versuch, diejenige Lücke im Vertrag zu schließen, die überhaupt erst dadurch entsteht, dass sich eine andere Lücke im Vertrag, welche ihrerseits infolge einer fehlenden oder unwirksamen Preisänderungsklausel entsteht, nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung schließen lässt.
Es geht nicht um Preisanpassungen, die Gegenstand eines Regelungsplanes der Parteien waren, sondern vielmehr um die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Preiserhöhungen, welche selbst schon nicht Gegenstand des Regelungsplanes der Parteien war.
Dieser These steht jedoch der Wortlaut der Entscheidung entgegen.
BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 24 ff:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin jedoch nicht der bei Vertragsschluss geschuldete Anfangspreis zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Versorgungsvertrages, deren Voraussetzungen das Berufungsgericht zu Unrecht verneint hat und die dazu führt, dass sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, nur zur Zahlung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises verpflichtet zu sein.
Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der vereinbarte (Anfangs-)Preis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten und bei späteren Änderungen der Preise auf dem Wärmemarkt ein anderer Preis geschuldet sein sollte. Da die von ihnen vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (Senatsurteil vom heutigen Tage - VIII ZR 113/11 unter II 3 mwN, zur Veröffentlichung bestimmt).
Diese Lücke im Vertrag ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass der Beklagte die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
Mit anderen Worten:
Diese Lücke im Vertrag ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass die Klägerin die Wirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, immer erst geltend machen kann, wenn der Beklagte sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hatte?!!!
Aus genannten Gründen kann diese Regelung wohl weder den Interessen des Versorgers noch den Interessen des Kunden entsprechen, so dass nichts dafür ersichtlich ist, dass sich die Parteien redlicherweise gerade auf diese Regelung eingelassen hätten und diese vereinbart hätten, um einen bestimmten Regelungsplan zu verwirklichen.
Möglicherweise ist es so, dass der Senat keinen Plan von den Interessen der Parteien bei Abschluss eines unbefristeten Energielieferungsvertrages hat.
-
Es geht ja bei den in Rede stehenden BGH-Entscheidungen nicht nur um die bloße Hinnahme, sondern um eine langjährige einvernehmliche Vertragsdurchführung zwischen Versorger und Verbraucher.
BGH VIII ZR 199/04 (Wohnraummiete) passt hier m.E. nicht, weil die einmal kalkulierte Wohnungsmiete in der Regel keine kostenabhängige Bestandteile mehr enthält, anders als der laufende Energiebezug also nicht so sehr von der laufenden Kostenentwicklung betroffen ist. Üblicherweise fließen bei der Wohnraummiete die von der laufenden Kostenentwicklung abhängigen Bestandteile (und das dürften nicht unwesentlich die Energiekosten sein) in die Nebenkostenabrechnung ein.
Passender erscheint mir hier die grundsätzliche BGH-Entscheidung aus 1989 (NJW 1990, 115, 116 ff.) zu sein, in der der BGH m. W. erstmals zu einer unwirksamen Preisanpassungsklausel auf die ergänzende Vertragsauslegung zurückgegriffen hat, eben weil der BGH dort bei der langjährigen Anmietung einer Telefonanlage auch die von der laufenden Kostenentwicklung abhängigen Bestandteile der Miete gesehen hat (Wartungskosten etc.).
Es spricht aus meiner Sichts nichts dagegen, die damals vom BGH entwickelten Grundsätze zur ergänzenden Vertragsauslegung auch für eine bereits zurückliegende langjährige Vertragsdurchführung bei einem Energieliefervertrag mit unwirksamer Preisanpassungsklausel heranzuziehen. Die Preisbestandteile eines Energieliefervertrages sind im Vergleich zur Wohnraummiete ungleich stärker von der laufenden Kostenentwicklung betroffen.
Insofern sehe ich im Falle eines langjährig einvernehmlich durchgeführten Energieliefervertrages auch keinen grundsätzlichen Widerspruch zu den BGH-Entscheidungen VIII ZR 54/83 und VIII ZR 227/06. Im Gegenteil (vgl. dazu BGH, NJW1990, 115 ff.).
-
Dem Senat ging es laut Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=92724#post92724) nicht darum, eine wirksame Preisänderungsklausel in den Vertrag zu implementieren, da dies dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zuwider gelaufen wäre.
Der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch wird dem Grunde nach bestätigt, jedoch der Höhe nach beschränkt.
-
Interessante Frage auch:
Der Versorger klagt auf Zahlung einer Preisanpassung, obwohl die Preisanpassungsklausel nichtig ist. Die zugehörige Rechnung stammt vom Oktober 2008. Der Kunde hat nicht widersprochen. Klage wurde im Dezember 2011 erhoben.
Wann ist der Anspruch gegen den Kunden entstanden?
-
Original von Black
Interessante Frage auch:
Der Versorger klagt auf Zahlung einer Preisanpassung, obwohl die Preisanpassungsklausel nichtig ist. Die zugehörige Rechnung stammt vom Oktober 2008. Der Kunde hat nicht widersprochen. Klage wurde im Dezember 2011 erhoben.
Wann ist der Anspruch gegen den Kunden entstanden?
Zunächst müsste in den Sondervertrag überhaupt wirksam eine Preisänderungsklausel einbezogen sein, die sich bei einer Inhaltskontrolle als unwirksam erweist.
Sonst greift die Argumentation schon nicht durch (vgl. BGH VIII ZR 113/11 Rn. 20).
Die Entscheidung VIII ZR 113/11 Rn. 20 scheint - irgendwie - im Widerspruch zur Entscheidung vom 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07 Rn. 46 zu stehen.
BGH, Urt. v. 14.03.12 VIII ZR 113/11 Rn. 20
Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der vereinbarte (Anfangs-)Preis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten und bei späteren Änderungen der allgemeinen Tarife ein anderer Preis geschuldet sein sollte. Denn die Aufnahme eines Preisänderungsrechts zeigt den Willen der Parteien, dass der Kunde - und nicht das Versorgungsunternehmen - Preisänderungen tragen soll, die etwa auf Veränderungen der Brennstoffbezugskosten oder der Lohn- und Materialkosten zurückgehen. Aus der Aufnahme einer Preisänderungsklausel bei Vertragsschluss wird deutlich, dass sich die Parteien von dem lebensnahen Bewusstsein haben leiten lassen, dass Preisänderungen im Laufe des auf unbestimmte Zeit angelegten Bezugsverhältnisses zu erwarten sind und deshalb der Gefahr einer zukünftigen Äquivalenzstörung in angemessener Weise zu begegnen ist. Da die von den Parteien vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist daher im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74, und VIII ZR 106/83, juris Rn. 27).
BGH, Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07 juris Rn. 46:
Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf die vorliegende Fallgestaltung schon deshalb nicht übertragen, weil die Parteien im Streitfall keinen von vornherein variablen Preis vereinbart haben. Bei dieser Preisänderungsklausel geht es vielmehr um die in vollem Umfang der AGB-Inhaltskontrolle unterliegende Befugnis der Beklagten zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises (dazu vorstehend unter II 2 a), so dass es bereits an einer in bestimmte Richtung weisenden Grundsatzentscheidung der Parteien zur interessengerechten Schließung der Vertragslücke fehlt.
Davon, dass ein Zahlungsanspruch des Versorgers entsteht, ist der Entscheidung nichts zu entnehmen, sondern nur davon, dass der betroffene Kunde die Unwirksamkeit einseitiger Preisänderungen nicht mehr geltend machen können soll, wenn er die Preiserhöhungen an den Versorger zahlte, ohne die Preisänderung innerhalb von drei Jahren nach Rechnungszugang zu beanstanden.
BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 Rn. 23
Offen gelassen hat der Senat die - im Streitfall entscheidungserhebliche -Frage, ob eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges dann anzunehmen ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis
handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht (Senatsurteil vom 14. Juli 2010 VIII ZR 246/08, aaO Rn. 52). Das ist zu bejahen. In diesen Fällen vermag die vertraglich vorgesehene, nur in die Zukunft wirkende Kündigungsmöglichkeit des Energieversorgungsunternehmens die Regelungslücke im Vertrag nicht in einer für beide Seiten zumutbaren Weise zu schließen. Denn bevor der Kunde Widerspruch erhob oder Zahlungen nur noch unter Vorbehalt leistete, hatte das Energieversorgungsunternehmen keinen Anass, das bis dahin praktizierte Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung in Frage gestellt zu sehen und dementsprechend das Versorgungsverhältnis zu kündigen.
Dabei ist die Frage zu stellen, ob eine Nichtzahlung nicht stärker wirken muss als eine Zahlung unter Vorbehalt, mit anderen Worten, ob der Versorger, der schon bei einer Zahlung unter Vorbehalt Veranlassung zur Kündigung haben soll, bei einer jahrelangen Nichtzahlung des Erhöhungsbetrages erst recht dazu Veranlassung haben musste. Denn dann wurde schon kein neues Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung praktiziert.
-
Original von RR-E-ft
Davon, dass ein Zahlungsanspruch des Versorgers entsteht, ist der Entscheidung nichts zu entnehmen, sondern nur davon, dass der betroffene Kunde die Unwirksamkeit einseitiger Preisänderungen nicht mehr geltend machen können soll, wenn er die Preiserhöhungen an den Versorger zahlte, ohne die Preisänderung innerhalb von drei Jahren nach Rechnungszugang zu beanstanden.
Meine Frage bezog sich auf die zweite Entscheidung des BGH, 14.03.2012, VIII ZR 93/11. Hier ging es um eine Zahlungsklage des Versorgers.
Der Klägerin stehe danach kein Anspruch auf Zahlung in der vom Amts-gericht erkannten Höhe zu. Denn zwischen den Parteien gelte der im Jahr 1998 vereinbarte Preis als Festpreis.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zu Recht geht das Berufungsgericht zwar von der Unwirksamkeit der von der Klägerin verwendeten Preisanpassungsklausel aus. Das Berufungsgericht hat aber der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin rechtsfehlerhaft den im Jahre 1998 vereinbarten Ausgangspreis von 4,8645 Pfennig je Kilowatt-stunde zugrunde gelegt.
(...)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin jedoch nicht der bei Vertragsschluss ge-schuldete Anfangspreis zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Versorgungsvertrages, deren Voraussetzungen das Berufungsgericht zu Unrecht verneint hat und die dazu führt, dass sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, nur zur Zahlung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises verpflichtet zu sein.
Diese Lücke im Vertrag ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass der Beklagte die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
Das bedeutet doch wohl: Ein Anspruch des Versorgers auf Zahlung ist zunächst nicht entstanden, aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann sich der Kunde nicht darauf berufen (das ein Anspruch nicht entstanden sei).
Wann entsteht also der Anspruch? Entsteht er überhaupt? Der BGH sagt ja nur, dass der Kunde nicht geltend machen kann, dass der Anspruch nicht existiere.
-
Original von Black
Meine Frage bezog sich auf die zweite Entscheidung des BGH, 14.03.2012, VIII ZR 93/11. Hier ging es um eine Zahlungsklage des Versorgers.
Schon klar.
Die Begründung der Entscheidung BGH 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11 verweist jedoch auf die Begründung der Entscheidung BGH VIII ZR 113/11 vom selben Tage hinsichtlich der maßgeblichen Interessenlage, für welche wiederum ein (auf höherem Niveau eingestelltes) praktiziertes Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung Bedeutung haben soll.
BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 30:
Unter Berücksichtigung dieser im Senatsurteil vom heutigen Tage (VIII ZR 113/11 aaO) näher dargestellten Interessenlage hätten sich die Parteien nach Ansicht des Senats zu einer Regelung des Inhalts bereitgefunden, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
Original von Black
Das bedeutet doch wohl: Ein Anspruch des Versorgers auf Zahlung ist zunächst nicht entstanden, aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann sich der Kunde nicht darauf berufen (das ein Anspruch nicht entstanden sei). Wann entsteht also der Anspruch? Entsteht er überhaupt? Der BGH sagt ja nur, dass der Kunde nicht geltend machen kann, dass der Anspruch nicht existiere.
Darin liegt ja gerade eine gewisse Mystik.
Immerhin spricht der Senat in VIII ZR 93/11 von einem höheren Zahlungsanspruch, der zunächst jedenfalls mindestens für die Dauer von drei Jahren nicht bestand und auch nicht auf einer entsprechenden Einigung der Parteien beruhte.
BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 24
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin jedoch nicht der bei Vertragsschluss geschuldete Anfangspreis zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Versorgungsvertrages, deren Voraussetzungen das Berufungsgericht zu Unrecht verneint hat und die dazu führt, dass sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, nur zur Zahlung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises verpflichtet zu sein.
Der vertragliche Zahlungsanspruch des Versorgers ergibt sich gemeinhin nach § 433 Abs. 2 BGB. Demnach muss er wohl nachträglich entstehen, für den Versorger wohl unerwartet wie Manna vom Himmel fallen.
Der Fall, welcher der Entscheidung BGH VIII ZR 93/11 zu Grunde lag, ist jedoch ein anderer Sachverhalt, als er von Ihnen gebildet wurde, da dort jedenfalls ein (auf höherem Niveau eingestelltes) Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung von den Parteien jahrelang praktiziert wurde, indem der Kunde die nach Vertragsabschluss einseitig erhöhten Preise beanstandungslos bezahlt hatte.
-
Bei aller Diskussion im Detail, nur kurz noch einmal zum Sachverhalt:
Da macht ein Kunde nach Vertragsabschluss im Jahre 1981 in 2009 einen Rückforderungsanspruch auf der Basis des Anfangspreises von 1981 geltend! Dazwischen liegen 28 Jahre einvernehmlicher Vertragsdurchführung mit stetig gestiegenen Preisen und Kosten. Wie lebens- und wirklichkeitsfremd muss man da sein, um sich nicht mehr die Frage zu stellen, ob ein solchermaßen geltend gemachter Rückforderungsanspruch noch gerecht und angemessen sein kann?
Der BGH hat hier nach meinem Empfinden bei objektiver Betrachtung eine gerechte und angemessene Lösung gefunden. Das mag man in dem einen oder anderen Punkt rechtstechnisch kritisieren können, aber Rechtstechnik allein macht den Juristen nicht aus, sollte ihn zumindest nicht.
-
BGH VIII ZR 93/11 betrifft die Zahlungsklage des Versorgers.
Dass stetig gestiegene Kosten festgestellt wurden, ist aus den Entscheidungen jeweils gerade nicht ersichtlich geworden.
Die Frage, ob im konkreten Fall überhaupt ein Kostenanstieg zu verzeichnen war, wurde offensichtlich gar nicht mehr geprüft.
Ein Kostenanstieg und ein daraus resultierendes gravierendes Missverhältnis wurden jeweils unterstellt.
Überzeugen denn überhaupt die in BGH VIII ZR 113/11 Rn. 35 genannten Erfordernisse einer funktionierenden Energiewirtschaft?
Betroffen sind wohl überhaupt nur Gashändler und Vertriebsgesellschaften, die sich freiwillig außerhalb der Grundversorgung im Endkundengeschäft in einem von Natur aus eher riskanten Marktumfeld betätigen, aus dem sie sich durch ordnungsgemäße Kündigung aller betreffenden Verträge vollständig zurückziehen können.
Nicht unmittelbar betroffen sind z.B. die Netzbetreiber, welche die Investitionen in die Infrastruktur vornehmen sowie die vorgelagerten Marktstufen der Großhandelsebene, die Erzeugung und der Transport.
Dass solche Vertriebsgesellschaften vom Markt verschwinden und andere sodann deren Platz einnehmen, ist im Wettbewerb wohl ausdrücklich vorgesehen.
Schließlich können sich Sondervertragskunden noch so vertragstreu verhalten, ohne davor gefeit zu sein, dass ihre Vertragspartner
aufgrund anderer unternehmerischer Risiken über Nacht in Insolvenz fallen und ihre vertraglichen Lieferverpflichtungen nicht mehr erfüllen.
Argumentiert wird mit § 18 GasGVV, der den gesetzlich versorgungspflichtigen Grundversorger schützen soll, ferner mit einer Ausschlussfrist in § 30 AVBGasV, die in § 17 GasGVV entfallen ist.
Diese Normen, die für Sonderverträge nicht unmittelbar anwendbar sind, betreffen Fehler einer breits erfolgten Abrechnung, stellen den Versorger jedoch nicht frei, den gleichen Fehler in zukünftigen Abrechnungen fortzusetzen.