Forum des Bundes der Energieverbraucher

Energiepreis-Protest => N => Stadt/Versorger => N-Ergie => Thema gestartet von: DieAdmin am 05. Januar 2012, 11:03:58

Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: DieAdmin am 05. Januar 2012, 11:03:58
neu in der Entscheidungssammlung:


http://www.energieverbraucher.de/de/site/Preisprotest/site/site__2928/

und im Forum: OLG Nürnberg, Urt. v. 06.12.11 Az. 1 U 1480/11 (N-Ergie) (http://forum.bdev.de/thread.php?threadid=16677)
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: Schwalmtaler am 05. Januar 2012, 11:42:37
Recht seltsame Entscheidung

Ein Verbraucher gesteht dem Versorger nur eine Steigerung von 2% zu, die dieser in der Regel nicht annimmt, weil er weiter auf seinem Preis besteht, und damit wird §307 ausgehebelt?

Hat dies der Verbraucheranwalt nicht aufgezeigt/erkannt?
Ein Preisänderungsangebot des Versorgers wurde vom Verbraucher abgelehnt und ein Gegenangebot (2%) gemacht, was der Versorger ablehnt.
Dito sollte dann doch der alte Vertrag gelten, der in der Regel keine gültige Preisanpassungsklausel enthält.

Nur als Hinweis: Ich bin Laie und kein RA!

Vielleicht äußert sich Herr Fricke noch in bekannt fundierter Art?!
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: PLUS am 05. Januar 2012, 12:47:41
Zitat
Original von Schwalmtaler
Recht seltsame Entscheidung
.....
Vielleicht äußert sich Herr Fricke noch in bekannt fundierter Art?!
seltsame Urteile\" in unserem Rechtssystem nicht ausgeschlossen. Die wesentliche Schuld daran liegt allerdings beim Gesetz- und Verordnungsgeber, der es bis heute nicht schafft, für Regelungen zu sorgen, die eine klare und verbraucherfreundliche Energieversorgung sicherstellen.  

Unglaublich, es kommt nach diesen Richtern nicht darauf an, ob der Vertrag eine wirksame Preisklausel enthält und man stellt dazu auch noch billiges Ermessen fest. Ein Graus der Sonderklasse, nicht nur für Sondervertragskunden!

Viele grundversorgte Verbraucher haben so unter Berücksichtigung eines Preisaufschlags unter generellem Vorbehalt gekürzt. Siehe z.B. hier: Kürzung der Jahresabrechung ? (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=3847#post3847)

Im Falle des Falles bleibt der Verbraucher mit gutem Willen vor Gericht trotzdem der Dumme. Nochmal, hier ist längst der Gesetz- und Verordnungsgeber verantwortlich und gefragt. Man muss im Einzelfall solche Urteile hinnehmen, akzeptieren muss man sie nicht. In der Demokratie ist neben dem Rechtsweg der politische Widerstand angesagt, auch wenn da dicke Bretter zu bohren sind. Bei Ausdauer sind irgendwann auch die durch.  X([/list]
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: RR-E-ft am 05. Januar 2012, 13:44:23
OLG Nürnberg, Urt. v. 06.12.11 Az. 1 U 1480/11 (N-Ergie) (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=88216#post88216)
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: hko am 05. Januar 2012, 19:15:55
Hallo Herr Fricke,

unsere Richter sind doch frei in ihren Entscheidungen? So frei, dass sie sich nicht einmal an Verträge, Gesetze und Urteile unserer höchsten Gerichte halten müssen   X( X(

Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Gruß hko

Ps.: oder hat man den falschen Ball gespielt ?  :D
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: tangocharly am 05. Januar 2012, 21:31:26
Sie haben etwas falsch verstanden - oder aber doch wieder nicht.

Denn wenn Sie es schaffen, einer Kuh einen Sattel aufzulegen, dann können Sie auf ihr auch nach Texas reiten.

P.S.: Die Nürnberger haben sich alle Mühe gegeben, diesem Versorger auf die Kuh zu helfen .....    ;)
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: berghaus am 06. Januar 2012, 02:06:47
Zitat
Zitat aus OLG Nürnberg, Urt. v. 06.12.11 Az. 1 U 1480/11 (N-Ergie)

Der Ehemann der Beklagten hat in seinem Schreiben vom 7.8.2005 (Anl. K 1) ein einseitiges Preisänderungsrecht der Klägerin nicht grundsätzlich in Abrede gestellt, sondern die konkrete Preiserhöhung für unbillig gehalten; er hat sogar erklärt, eine Erhöhung von 2% zu akzeptieren.

Mich würde interessieren, ob der ‚bayerische‘ Musterbrief 2005 bzw. die Anlage K1 auch ganz voran die Formulierung enthielt, die 2006 im Musterbrief des BdE verwendet wurde:

 „Sollten Sie zu einer einseitigen Preiserhöhung berechtigt sein, bindet mich eine solche nicht, solange die Angemessenheit Ihrer Preisforderung nicht von mir anerkannt oder von dem zuständigen Gericht rechtskräftig festgestellt wurde.“

Der Musterbrief und wir alle gingen doch damals (rechtsirrtümlich?) davon aus, dass der Versorger zu einer einseitigen Preisänderung auch in Sonderverträgen berechtigt sei. Mit Sicherheit wollten wir ihm dieses Recht nicht gerade mal neu einräumen.

Hätten wir schon mehr gewusst, nämlich, dass er es tatsächlich nicht besitzt, hätten wir nicht so zaghaft formuliert wie z.B. Preis von 2004 + 2%.

berghaus 06.01.12
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: PLUS am 06. Januar 2012, 11:06:42
Zitat
Original von RR-E-ft
Es muss das Äquivalenzverhältnis im konkreten Vertragsverhältnis gewahrt werden, ohne Neuabschluss eines neuen Vertragsverhältnisses
Zitat
BGH, B. v. 18.05.11 VIII ZR 71/10 Rn. 11

Aus dieser gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit folgt nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.

Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen.

Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisänderung auch die Pflicht hierzu, wenn die Änderung für den Kunden günstig ist (BGH, Urteile vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18 mwN).
Bezug: OLG Nürnberg, Urt. v. 06.12.11 Az. 1 U 1480/11  - Preiswiderspruch mit Tücken II (N-Ergie Nürnberg) (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=88253#post88253)
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: courage am 06. Januar 2012, 14:55:22
Strammes Urteil;
zeigt es doch vollstes Verständnis und extremistisch viel Einfühlungsvermögen in die Belange der gequälten Energieversorger in Bayern, denen man beistehen muss gegen diese lästigen Querulanten.

Der Urteilstenor stand wohl von Anfang an fest. Das sieht man an den stringenten Argumenten, die jeden mit gesundem Volksempfinden überzeugen müssten; nachstehend einige Beispiele:

Zitat
Die Preiserhöhung zum 1.1.2009 um 1,43 ct/kWh lag über dem Bezugspreisanstieg von 0,225 ct/kWh, wurde aber am 1.2.2009 und 1.4.2009 mit Preissenkungen von zusammen 1,6 ct/kWh wieder zurückgenommen.

Hier eine geradezu brillante betriebswirtschaftliche Herleitung:

Zitat
Dass die Klägerin keine zusätzlichen Gewinne erzielt hat, zeigt auch die Tatsache, dass der gaswirtschaftliche Bereich der Klägerin auch in den Jahren 2007 bis 2009 mit Verlust gearbeitet hat.

Zitat
Ebenso kann aus der Entwicklung der Gasimportpreise und deren Abstand zu den Endkundenpreisen nicht geschlossen werden, dass die Tarife der Klägerin überhöht sein müssten.

Aber das müsste auch den letzten Zweifler umstimmen:

Zitat
Eine Preissenkung im Umfang der nicht von der Klägerin weitergegebenen Differenz war außerdem jedem Kunden des Tarifs IDEAL zugänglich, weil die Klägerin zum 1.4.2007 den neuen, um 0,4 ct/kWh billigeren Tarif SMART als allgemeines Tarifmodell einführte, der gleichartig aufgebaut war und den sie jedem IDEAL-Kunden anbot.
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: Kampfzwerg am 06. Januar 2012, 19:26:25
Und dabei strebten die Franken doch über viele Jahre die Unabhängigkeit von Bayern, ja sogar ein eigenes Bundesland Franken, bzw. eine Neugliederung des Bundesgebietes, an.
Schimpfe eine Franken niemals einen Bayern, schon gibt es einen verbalen Schlagabtausch.

Und hier, keine Regel ohne Ausnahme?
Größenwahn oder Inkompetenz?
Die spinnen, die Nürnberger.
Es muss doch rechtlich möglich sein, diesem Senat endgültig einmal seine Grenzen aufzuzeigen und diese Tricks, die einen Taschenspieler und Hütchenspieler würdig wären, zu unterbinden???    
Und das, bevor diese äusserst eigenwillige Betrachtung und Argumentation untergeordnete Gerichte deutschlandweit massiv verunsichert.   X(
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: berghaus am 07. Januar 2012, 14:29:05
Zitat
Urteil LG Dresden v. 22.12.11 - Az: 4 S 216/11
hier (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=16700&hilight=Urteil+LG+Dresden)
[/B]

Alles klar Ihr Nürnberger, Düsseldorfer und RichterInnen von Gerichten, die der abartigen Idee, man hätte mit dem ersten Widerspruchsschreiben einen neuen Preis akzeptiert und vereinbart oder wie in Nürnberg sogar seinen Sondervertrag in einen Tarifkundenvertrag umgewandelt (konkludenter Selbstmord?)???

berghaus 07.01.12
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: jofri46 am 07. Januar 2012, 15:07:48
Die crux der Nürnberger Entscheidung liegt in der Tat in  dem (Muster-?)Schreiben der Beklagten vom 07.08.2005.

Aufgrund dieses Schreibens kann man durchaus die Begründung nachvollziehen, dass beide Parteien sich darin einig waren, dass der Klägerin ein einseitiges Preisänderungsrecht zustehen sollte, für die Höhe der damals in v. H. wohl zweistelligen Preisänderungen noch der Billigkeitsnachweis gefordert wurde und der Beklagte bis dahin von sich aus 2 % mehr zahlt.

Soweit das Gericht hilfsweise und quasi rückwirkend auf den Weg der  ergänzenden Vertragsauslegung verweist, würde es mich nicht überraschen, wenn der BGH demnächst ebenso argumentiert, wenn über Rückforderungsansprüche zu entscheiden ist bei einem Vertrag, der schon lange besteht und der ursprüngliche Preis das Vertragsgleichgewicht zu stark verschieben würde.
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: berghaus am 07. Januar 2012, 15:55:31
Zitat
................bei einem Vertrag, der schon lange besteht und der ursprüngliche Preis das Vertragsgleichgewicht zu stark verschieben würde.

wenn kein Kündigungsrecht besteht? (RR-E-ft: besteht doch immer!)

Kann mal jemand das (Muster)schreiben hier einstellen?

berghaus 07.01.12
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: jofri46 am 07. Januar 2012, 17:51:35
@berghaus

Ob mit oder ohne Kündigungsrecht:
Die Parteien haben den Vertrag über lange Zeit hinweg einvernehmlich (ohne Widerspruch gegen Preiserhöhungen) durchgeführt, so dass kein Anlass für eine Kündigung bestand, dann stellt sich heraus, dass der Kunde die Preiserhöhungen wegen unwirksamer Preisanpassungsklausel gar nicht hätte zahlen brauchen und verlangt nun auf Basis des ursprünglichen Preises das zuviel Gezahlte zurück. Da liegt der Gedanke an eine \"rückwirkende\" ergänzende Vertragsauslegung nicht fern, wobei offen ist, auf welchen Preis die Parteien sich im Rahmen einer solchen Vertragsauslegung geeinigt haben könnten.

Zu dem von Ihnen weiter oben zitierten Urteil des LG Dresden sehe ich im Sachverhalt zum Nürnberger Urteil einen wesentlichen Unterschied:
Im Dresdner Fall ging es von Anfang an um einen neuen Preis, worauf sich die Parteien, so das Gericht, nicht geeinigt haben. Im Nürnberger Fall ging es zunächst und überhaupt erst um das Recht zur Preisänderung, worauf sich die Parteien, so das Gericht, konkludent geeinigt hätten und das Gericht erst in Folge über die Billigkeitsprüfung zum neuen Preis kam.
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: Kampfzwerg am 07. Januar 2012, 18:09:21
Ich dachte, der BGH hätte in dem Punkt der Möglichkeit bzw. Voraussetzungen für eine Ergänzende Vertragsauslegung bei Sonderverträgen, und das gleich mehrfach, inzwischen bereits entschieden!

Außerdem ginge es doch hier eigentlich nicht um ein (vermeintliches) einseitiges Preisänderungsrecht (für vermeintliche Tarifkunden), sondern doch vielmehr um eine auszuübende Preisbestimmungspflicht (ebenfalls für vermeintliche, d. h. vom Versorger eben so deklarierte Tarifkunden)?

Und eine Einigkeit (für die defacto Sondervertragskunden) scheitert doch bereits an einem fehlenden Angebot. Geschweige denn in Folge an der angeblichen Annahme eines solchen.  :evil:


Ich bleibe dabei, das OLG Nürnberg spielt Hütchenspielertricks! und versucht mit dieser perfiden Strategie @tangocharly: den Versorgern die Kühe zu satteln!

Das könnte ich nur in dem Fall akzeptieren, wenn der Senat damit in die Wüste reitet! Obwohl mir dazu Kamele geeigneter erscheinen würden  :D


Bisher dachte ich eigentlich, dass eine \"konkludente Einigung\" bei bestehenden Sondervertägen grundsätzlich gar nicht in Betracht kommt?
Zitat
Original von jofri46
Im Nürnberger Fall ging es zunächst und überhaupt erst um das Recht zur Preisänderung, worauf sich die Parteien, so das Gericht, konkludent geeinigt hätten und das Gericht erst in Folge über die Billigkeitsprüfung zum neuen Preis kam.
und wie würde es dann hiermit aussehen?:
Zitat
BGH Urteil. v. 11.10.2006 - VIII ZR 270/05:Ein konkludenter Vertragsschluss durch Entnahme von Energie kommt wegen des Abschlusses eines Vertrages zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht in Betracht(vgl. Senatsurteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 95/03, WM 2004, 2450 = NJW-RR 2004, 928 unter II 2).
Quelle: Sondervertragskunden Argumentationshilfen (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=5696&hilight=argumentationshilfen)

SIEHE AUCH HIER:
trotz SV, LG sieht Anerkenntnis bzw. Neuvereinbarung des Preises 2004 durch Musterbrief! (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=86823#post86823)
Titel: Urteil OLG Nürnberg v. 06.12.11 - Az: 1 U 1480/11
Beitrag von: tangocharly am 08. Januar 2012, 20:42:59
Man muss wohl noch auf weitere Denkfehler hinweisen, welchen das OLG bei seiner Analyse der Entscheidung des BGH vom 02.10.1991 (VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183) aufgesessen ist.

Falsus 1
a.) - Im BGH-Fall war ein vertraglich vereinbartes Lieferungsverhältnis durch Kündigung beendet worden. Die Energieentnahme erfolgte aber nach Vertragsbeendigung weiter (BGH spricht von Interimsverhältnis; vergleichbar mit dem konkludenten Vertragsschluss (der nur dann denkbar ist, wenn ein existenter Vertrag fehlt).

b.) - Im OLG-Fall lag ein fortbestehendes Sondervertragsverhältnis ungekündigten Zustandes vor (welches einem konkludenten Vertragsschluss im Wege steht).

Zitat
BGH, 02.10.1991:
I. In Übereinstimmung mit den Parteien ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass nach Auslaufen des früheren Stromlieferungsvertrages seit dem 1. Oktober 1985 ein sogenanntes Interimsverhältnis bestehe, aufgrund dessen die Klägerin entsprechend den §§ 315, 316 BGB berechtigt sei,die Höhe des Strompreises nach billigem Ermessen zu bestimmen.

Falsus 2
a.) - Im BGH-Fall hatte die Klägerin (das Versorgungsunternehmen) ein Kündigungsrecht und hatte den bestehenden Vertrag gekündigt. Ein Kündigungsrecht des Beklagten (ein Verteilungsunternehmen) stand dort nicht zur Debatte.

b.) - Im OLG-Fall drehte sich das OLG um die Frage, dass ein Kündigungsrecht nicht ausgemacht werden könne, dem Versorgungsunternehmen ein Kündigungsrecht also gerade nicht eingeräumt sei. Diese Frage wurde entgegen der bestehenden BGH-Rechtsprechung im OLG-Fall falsch gelöst.

Zitat
BGH, 02.10.1991:
III.2.g) Diese Maßstäbe für die Billigkeit der Ermessensentscheidung gelten allgemein, wenn einem Energieversorgungsunternehmen im Interimsverhältnis entsprechend § 316 BGB die Bestimmung des Entgelts für die Lieferung an ein Verteilerunternehmen übertragen ist. Ihre Anwendung ist im vorliegenden Fall um so mehr gerechtfertigt, als die Klägerin den bestehenden Liefervertrag gerade mit der Begründung gekündigt hat, der darin festgelegte Strompreis sei wegen eingetretener Verteuerung der Stromerzeugung nicht mehr vertretbar, und die erfolgte Bestimmung des neuen, rund 30 % höheren Preises - als der Billigkeit entsprechend damit rechtfertigt, dass er Kosten orientiert sei.

Falsus 3
a.) - Im BGH-Fall ging es wegen des neu entstandenen (geduldeten) Lieferverhältnisses \"durch weitere Entnahme von Energie aus dem Netz\" um die Frage, ob jetzt und in welcher Höhe ein Entgelt für Energielieferungen gefordert werden durfte. Dabei war, nach der positiven Beantwortung dieser Frage, im nächsten Schritt zu der Frage zu gelangen, ob die hieraus resultierenden Entgeltansprüche der Billigkeitsprüfung unterfallen (§§ 316, 315 BGB). Dies hatte der BGH am 02.10.1991 eindeutig bejaht. Der BGH hatte das Gesetz anzuwenden (§§ 316, 315 BGB).

b.) - Im OLG-Fall ging es um die Frage, ob wegen des Fehlens eines Kündigungsrechts (in einem existenten Vertragswerk) eine Vertragslücke bestehe, was zu einem - nicht vereinbarten - Preisanpassungsrecht führen muss, welches über § 315 BGB kontrolliert werden dürfe. Das OLG hatte das Vertragswerk auszulegen , d.h. die bestehenden Vereinbarungen der Parteien (Parteiautonomie).


Falsus 4
a.) - Im BGH-Fall wurde auch über die Prüfung des \"Anfangspreises\" entschieden, d.h. die Entgelthöhe für nicht vereinbarte - aber geduldete - Energielieferungen. Für den BGH gab es dort nichts daran zu deuteln, dass die Entgelthöhe - ab der ersten geduldeten kWh-Lieferung - am Kostenprinzip orientiert und damit von den, das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschenden Entgeltsgrundsätzen bestimmt werden muss.
Im BGH-Fall lag die Konstellation eines \"marktbeherrschenden Unternehmens\" vor.

b.) - Im OLG-Fall wurde darüber entschieden, was die Parteien angeblich (stillschweigend) vereinbarten und darüber hinaus, was sie vereinbart hätten, wenn etwas zu bedenken gewesen wäre was nach Auffassung des OLG nicht bedacht worden sei, d.h.

aa.) - den Anfangs-/Sockelpreis (mit der Folge dass dieser Sockel damit der Billigkeitskontrolle entzogen sei) und schließlich

bb.) - (trotz bestehenden Kündigungsrechts des Versorgers) ein - nicht vereinbartes - Kontur loses Preisanpassungsrecht.

Eine marktbeherrschende Struktur der Klägerin spielte im OLG-Fall keine Rolle.

Zitat
BGH, 02.10.1991:
II. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe solche Umstände nicht hinreichend dargelegt.  Dazu hat es ausgeführt: Als in ihrem Einzugsgebiet marktbeherrschendes Unternehmen treffe die Klägerin das Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 GWB. Sie dürfe deshalb die Beklagte weder behindern noch gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln. Dieses Verbot stelle ein Element der Billigkeit dar. Darüber hinaus müsse bei der Auslegung des Begriffs Billigkeit auf die Interessenlage beider Parteien abgestellt werden, so dass dem § 315 BGB nur eine Abwägung gerecht werde, die die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien berücksichtige.

und

Zitat
BGH, 02.10.1991:
III.2.g) Diese Maßstäbe für die Billigkeit der Ermessensentscheidung gelten allgemein, wenn einem Energieversorgungsunternehmen im Interimsverhältnis entsprechend § 316 BGB die Bestimmung des Entgelts für die Lieferung an ein Verteilerunternehmen übertragen ist. Ihre Anwendung ist im vorliegenden Fall um so mehr gerechtfertigt, als die Klägerin den bestehenden Liefervertrag gerade mit der Begründung gekündigt hat, der darin festgelegte Strompreis sei wegen eingetretener Verteuerung der Stromerzeugung nicht mehr vertretbar, und die erfolgte Bestimmung des neuen, rund 30 % höheren Preises - als der Billigkeit entsprechend damit rechtfertigt, dass er Kosten orientiert sei.