Bundesgerichtshof Mitteilung der Pressestelle Nr. 183/2011 vom 16.11.2011
Verhandlungstermin: 14. Dezember 2011
VIII ZR 6/11 (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 09. März 2010 - 17 C 840/09
LG Bonn - Urteil vom 08. Dezember 2010 - 5 S 89/10
VIII ZR 15/11 (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 09. März 2010 - 17 C 1109/09
LG Bonn- Urteil vom 08. Dezember 2010 - 5 S 116/10
VIII ZR 18/11 (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 09. März 2010 - 17 C 983/09
LG Bonn - Urteil vom 08. Dezember 2010 - 5 S 95/10
VIII ZR 26/11 (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 23. April 2010 - 17 C 1007/09
LG Bonn - Urteil vom 15. Dezember 2010 - 5 S 158/10
VIII ZR 27/11 (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 30. März 2010 - 17 C 1088/09
LG Bonn - Urteil vom 15. Dezember 2010 - 5 S 128/10
VIII ZR 28/11 (Revision wird voraussichtlich zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 09. März 2010 - 17 C 851/09
LG Bonn - Urteil vom 15. Dezember 2010 - 5 S 86/10
VIII ZR 60/11 (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Gummersbach - Urteil vom 05. Juli 2010 - 16 C 234/09
LG Köln - Urteil vom 05. Januar 2011 - 9 S 187/10
VIII ZR 113/11
AG Wipperfürth - Urteil vom 12. Januar 2010 – 1 C 251/09
LG Köln - Urteil vom 16. März 2011 – 10 S 66/10
In den zur Verhandlung anstehenden Verfahren verlangen die Kläger von der jeweiligen Beklagten, insgesamt handelt es sich um drei regionale Gasversorgungsunternehmen, aufgrund unwirksamer Gaspreisanpassungen die Rückerstattung geleisteter Zahlungen.
Die Kläger bezogen jeweils aufgrund eines Sonderkundenvertrages Gas von den Beklagten. Die Verträge waren teilweise bereits in den 1980er Jahren geschlossen worden. Die Beklagten erhöhten in der Vergangenheit wiederholt die Arbeitspreise, mit welchen der Gasverbrauch abgerechnet wird, auf der Grundlage einer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksamen Gaspreisanpassungsklausel (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 – VIII ZR 274/06, Pressemitteilung 234/200, welches die Beklagte in den Verfahren VIII ZR 6/11, 15/11, 18/11, 26/11, 27/11 und 28/11 betrifft).
Die Kläger zahlten die geforderten erhöhten Entgelte.
In dem Verfahren VIII ZR 60/11 begehren die Kläger, die den Preiserhöhungen nie widersprochen haben, ausgehend von dem Ende 2005 geltenden Arbeitspreis die Rückzahlung der aufgrund der Preiserhöhungen gezahlten Beträge für die Jahre 2006 bis 2009. Sie berufen sich dabei auf einen im November 2005 in der lokalen Presse erschienenen Artikel, in welchem der damalige Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der Aussage zitiert wurde, dass Kunden, die keine Rechtsmittel eingelegt hätten, keinen Rechtsanspruch verlören und es keinen Unterschied zwischen Kunden, die Vorbehaltszahlungen mitgeteilt hätten, und denjenigen, die dies nicht getan hätten, geben werde.
Auch im Verfahren VIII ZR 28/11 widersprach der Kläger den Preiserhöhungen nie und begehrt unter Zugrundelegung des Ende 2005 geltenden Arbeitspreises Rückzahlung für die Jahre 2006 bis 2009.
Im Verfahren VIII ZR 15/11 widersprach der Kläger im Januar 2006 den Preiserhöhungen und stellte seine Zahlungen unter den Vorbehalt der Rückforderung. Er begehrt nun die Rückzahlung der in den Jahren 2006 bis 2009 gezahlten Erhöhungsbeträge, wobei er seiner Anspruchsberechnung den Ende 2004 geltenden Arbeitspreis zugrunde legt.
In den Verfahren VIII ZR 6/11, 18/11, 26/11 und 27/11 widersprachen die Kläger den Preisanpassungen zu verschiedenen Zeitpunkten und stellten fortan ihre Zahlungen unter den Vorbehalt der Rückforderung. Ihren für unterschiedliche Zeiträume geltend gemachten Rückforderungsansprüchen legen sie dabei die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Arbeitspreise zugrunde.
Im Verfahren VIII ZR 113/11 widersprach der Kläger den Preiserhöhungen nie, er wechselte im Oktober 2008 zu einem anderen Gasanbieter. Erstmals im Februar 2009 wandte er sich gegen die Preiserhöhungen und begehrte die Rückzahlung der Erhöhungsbeträge auf der Basis des bei Vertragsschluss im Jahre 1981 geltenden Arbeitspreises.
Die Klagen haben in der Berufungsinstanz überwiegend Erfolg gehabt.
Die Berufungsgerichte haben zur Begründung ihrer Entscheidungen, soweit für die Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt: Den Klägern stehe der geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB*) zu, denn die Zahlungen auf die Erhöhungen des Arbeitspreises seien mangels Preisanpassungsrechts der Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgt. Weder sei es durch die widerspruchslose Hinnahme der Preiserhöhungen und der darauf basierenden Jahresabrechnungen zu einer konkludenten Vereinbarung eines neuen Preises gekommen noch ergebe sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht der jeweiligen Beklagten. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf eine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB** berufen. Der Rückzahlungsanspruch sei zudem nicht verwirkt.
Mit den von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.
* § 812 BGB: Herausgabeanspruch (1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. … ** § 818 BGB: Umfang des Bereicherungsanspruchs … (3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. …
Verhandlungstermin: 14. Dezember 2011
VIII ZR 93/11
AG Hamburg-Bergedorf - Urteil vom 25. Mai 2010 – 410A C 205/09
LG Hamburg - Urteil vom 18. Februar 2011 - 320 S 129/10
In diesem Verfahren verlangt die Klägerin, ein Gasversorgungsunternehmen, von dem Beklagten, einem ehemaligen Sonderkunden, die Zahlung restlichen Entgelts für Gaslieferungen im Zeitraum vom 20. Januar 2004 bis zum 1. Februar 2008.
Die Klägerin erhöhte mehrfach den Arbeitspreis. Der Beklagte erbrachte bis Mitte 2005 die geforderten Abschlagszahlungen und wandte sich auch nicht gegen die Jahresabrechnungen. Im Juli 2005 erhob er erstmalig schriftlich Widerspruch und berief sich auf die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen. Danach behielt er erhebliche Rechnungsbeträge ein. Die Klage hatte in der Berufungsinstanz keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt: Der Klägerin stehe für den streitgegenständlichen Zeitraum kein weiterer Zahlungsanspruch für das gelieferte Gas aus § 433 Abs. 2 BGB* zu. Denn die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen seien nicht wirksam gewesen, da die im Jahre 1998 bei Vertragsschluss vereinbarte Preisanpassungsklausel unwirksam sei.
Zwischen den Parteien gelte somit der im Jahr 1998 vereinbarte Preis als Festpreis. Der von dem Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum gezahlte Betrag liege oberhalb dieses Preises, so dass die Klägerin keine weitere Zahlung verlangen könne.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
* § 433 BGB: Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag ... (2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
Hallo tangocharly, heute erfuhr ich von der Pressestelle des BGH folgendes zum 14.12.11: Die folgenden Aktenzeichen werden verhandelt: VIII ZR 93/11 und VIII ZR 113/11. Es steht noch die VIII ZR 28/11 auf dem Terminzettel, wobei diese Sache wohl vor dem Termin noch zurückgenommen wird. Die restlichen Verfahren haben sich durch Rücknahme erledigt. Die beiden Verfahren werden um 9.00 Uhr verhandelt. Gegen das Benutzen eines Laptops zum Eintippen bestehen keine Bedenken. Vielleicht möchten Sie Ihren Beitrag ja aktualisieren: BGH, Verhandlungstermine am 14.12.11 Rückzahlung an Gas- Sonderkunden in Varianten Ich habe in dem Unterforum ja kein Schreibrecht. Wegen dem Laptop hatte ich aufgrund der möglichen Dauer der Verhandlungen nachgefragt. Gruss, ESG-Rebell
Original von ESG-Rebell
Verhandlungen am 14.12.11 von 9:07 bis 10:50 Uhr.
8. Zivilsenat: Ball, Dr. Frellesen, Dr. Milger, Dr. Hessel, Dr. Achilles, Dr. Schneider
Verfahren 1: VIII ZR 113/11
Kläger: Bergische Energie- und Wasser GmbH, RAin Prof. Ackermann
Beklagte: Müller, RA Prof. Groos
AG Wipperfürth - Urteil vom 12. Januar 2010 – 1 C 251/09
LG Köln - Urteil vom 16. März 2011 – 10 S 66/10
Verfahren 2: VIII ZR 93/11
Kläger: E.ON Hanse Vertriebs GmbH, RA Dr. von Plehwe und RA Dr. Schäfer, RA Dr. Tümmler
Beklagter: Piletzky, RA Dr. Kummer und RA Dr. Wassermann
AG Hamburg-Bergedorf - Urteil vom 25. Mai 2010 – 410A C 205/09
LG Hamburg - Urteil vom 18. Februar 2011 - 320 S 129/10
Der Senat war heute mit sechs Richtern besetzt, da ursprünglich neun Verfahren für 9:00 terminiert waren.
Da alle bis auf zwei durch Rücknahme erledigt wurden, waren nur noch die Richter der Spruchgruppen 10 und 11 anwesend. Beide Verfahren wurden zeitgleich verhandelt.
----- 9:07 ---------------------------------------------------------------------------
Ball:
Zu Verfahren 1):
Der Kläger verlangt vom Gasversorger Rückzahlung von gezahlten Entgelten wegen Unwirksamkeit der Gaspreisanpassungen für den Zeitraum vom 31.1.2006 bis 2008. Im Jahr 1981 wurde der Vertrag mit einem Formular als Gassondervertrag zum damaligen Arbeitspreis von 4,2 Pf/kWh geschlossen. In §2 heisst es: \"Die Gaspreise ändern sich, wenn sich die allgemeinen Preise ändern\".
Die Unwirksamkeit dieser Preisanpassungsklausel ist in der Revision unstrittig.
In §5.1 heisst es zudem, dass der Vertrag erstmals nach 24 Monaten mit drei Monaten zum Ende des Belieferungsjahres gekündigt werden kann. §6 besagt, dass die AVBGasV gelten, sofern nichts abweichendes vereinbar sei.
Der Versorger hat mehrfach die Preise erhöht und der Kunde hat weiterhin Gas bezogen und die Rechnungen bezahlt ohne Widerspruch einzulegen. Erst im Jahr 2008 wechselte er den Versorger und verlangte erstmalig im Jahr 2009 eine Rückzahlung basierend auf dem vertraglichen Anfangspreis von 1981. Das AG hat die Klage abgewiesen, das LG hat der Klage teilweise stattgegeben.
Die Klägerin strebt die Wiederherstellung des AG-Urteils an.
Eine konkludente Zustimmung zu Preisänderungen durch den Kunden hat der Senat in diesen Fällen bislang abgelehnt. Es fehlt schon an den Voraussetzungen auf der Angebotsseite. Auf die Reaktion des Kunden kommt es daher schon nicht an. Die Bekanntgabe einer Preiserhöhung ist kein Angebot für eine Vertragsänderung.
Die Klägerin meint, sie habe den Kunden aber doch persönlich angeschrieben. Der Senat bezweifelt allerdings sehr, dass dies schon ausreicht, um von der Unterbreitung eines Angebots auf Vertragsänderung zu sprechen.
Zur ergänzenden Vertragsauslegung fehlte es in den bisher entschiedenen Fällen bereits an den Voraussetzungen dafür, denn der Versorger hatte stets die Möglichkeit, sich durch Kündigung aus den Verträgen zu lösen. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass eine Vertragslücke entsteht, die nicht durch dispositives Recht geschlossen werden kann und durch die sich das Vertragsgleichgewicht völlig zugunsten des Kunden verschiebt.
Möglicherweise ist dies aber anders zu beurteilen, wenn ein Vertrag lange besteht und ein lange zurückliegend vereinbartes Preisanpassungsrecht angegriffen und der ursprünglich vereinbarte Preis verlangt wird. Dies könnte zu einer starken Verschiebung des Vertragsgleichgewichts führen.
Eine geltungserhaltende Reduktion ist unzulässig. Wie also könnte eine ergänzende Vertragsauslegung dann aussehen?
Der Senat hatte in einem Urteil zur Tagespreisauslegung Grundsätze zur ergänzenden Vertragsauslegung entwickelt. Dort wurde weniger beleuchtet, was die konkreten Vertragsparteien vereinbart hätten, sondern es wurde darauf abgestellt, was redliche Vertragsparteien typischerweise vereinbaren würden, wenn Sie nach den Grundsätzen von Treu und Glauben handeln. Diese Sichtweise ist auf den vorliegenden Fall ggf. anwendbar um die Möglichkeit zur rückwirkenden Geltendmachung von Rückforderungen wegen Preiserhöhungen zu beschränken.
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sich die Bezugskosten seit Vertragsbeginn immerhin verdoppelt haben. Die Vertragsparteien waren sich zudem ja einig darüber, dass der Anfangspreis nicht beliebig lange gelten würde.
Damit wäre nicht der Anfangspreis von 1981 sondern ein anderer Preis (bspw. bis drei Jahre vor dem ersten Widerspruch des Kunden) als Maßstab heranzuziehen. Auch das Energiewirtschaftgesetz kennt ja entsprechende Fristen, damit Vertragsverhältnisse nicht völlig aus dem Gleichgewicht geraten können und Rechtsfriede hergestellt wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Energieversorger mit der Sicherstellung einer zuverlässigen Energieversorgung ja eine volkswirtschaftlich wichtige Aufgabe übernehmen. Dies liegt ja auch im Interesse des Kunden.
Zu Verfahren 2):
In diesem Verfahren verlangt die Klägerin, ein Gasversorgungsunternehmen, von dem Beklagten, einem ehemaligen Normsonderkunden, die Zahlung restlichen Entgelts für Gaslieferungen im Zeitraum vom 20. Januar 2004 bis zum 1. Februar 2008.
Der ursprünglich vereinbarte Arbeitspreis betrug 4,8645 Pf/kWh.
Die Preisanpassungsklausel berechtigte die Klägerin, ihre Preise an die Entwicklung des Wärmemarktes anzupassen.
Ferner verwies der Vertrag auf §5 AVBGasV. Bei Widersprüchen haben die Regelungen des Vertags Vorrang.
Die Klägerin erhöhte mehrfach den Arbeitspreis. Der Beklagte erbrachte bis Mitte 2005 die geforderten Abschlagszahlungen und wandte sich auch nicht gegen die Jahresabrechnungen. Im Juli 2005 erhob er erstmalig schriftlich Widerspruch und berief sich auf die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen. Danach behielt er erhebliche Rechnungsbeträge ein.
Die Klägerin leitet ihr Preisanpassungsrecht auch aus der GasGVV her, die sie dem Beklagten zugeschickt habe.
Der Beklagte bestritt, dieses Schreiben mit der GasGVV erhalten zu haben.
Das AG hat einen Teilbetrag zuerkannt, und die Klage im übrigen abgewiesen.
Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Klägerin verlangt weiterhin die Zahlung der Gesamtforderung.
Die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel ist auch hier unstrittig.
Die Revision meint, die GasGVV trete in den Vertrag ein. Der Senat bezweifelt dies.
Zur konkludenten Zustimmung zu Preisanpassungen gibt es hier nichts Neues im Vergleich zum anderen Verfahren.
Es gibt kein Angebot und daher auch keine konkludente Annahme.
Zur ergänzenden Vertagsauslegung gilt auch hier, dass eine geltungserhaltende Reduktion unzulässig ist.
Auch hier ist aber ggf. keine Rückforderung zum vertraglichen Anfangspreis sondern ein Preis aus dem Mittelfeld als Sockelpreis heranzuziehen.
----- 9:27 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 1: Dr. von Plehwe
Der Kläger hat über 28 Jahre hinweg Gas bezogen und erst dann widersprochen. Mit der unwirksamen Regelung hatte er über den gesamten Zeitraum kein Problem. Erst die Überzahlungen von 2006 bis 2008 waren streitig. Die Preisanpassungsklausel war da längst nicht mehr zu retten.
Eine ergänzende Vertragsauslegung ist garnicht erforderlich, da keine Lücke vorhanden ist. Wenn die Regelung §2 des Vertrags unwirksam ist, dann müsste doch die AVBGasV eintreten, wie vereinbart.
In diesem Fall ist zudem die sehr lange Vertragslaufzeit zu berücksichtigen. Die Klägerin hatte doch gar keinen Anlass ihrerseits zu kündigen um das vertragliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Einem durchschnittlichen Bürger ist doch nicht zu vermitteln, dass ein Kunde über Jahre hinweg von den Vergünstigungen eines Sondervertrags - also dem günstigeren Preis - profitieren soll und sich dann auch noch nachträglich von den notwendigen Preiserhöhungen befreien können soll.
Laut der Entscheidung des Senats vom 14.7.10 käme eine konkludente Vertragsänderung bei Sondervertragskunden nicht in Betracht. Dies kann ich der Entscheidung nicht entnehmen. (Anm.: Verweist noch auf eine andere Entscheidung). Auch bei Sondervertragskunden sind konkludente Vertragsänderungen grundsätzlich möglich.
----- 9:37 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 1: Dr. Groos
Auch in diesem Verfahren müssen wir uns doch danach richten, was normalerweise passiert, wenn eine AGB-Klausel unwirksam ist. Müssen wir tatsächlich den Energieversorgern helfen, wenn andernfalls - analog zur Bankenkrise - eine Energiewirtschaftkrise durch die Rückforderungen zu befürchten wäre?
Die Vorschriften zur Verjährung und zu Treu und Glauben sind anzuwenden um die Verträge auszulegen und einen Ausgleich wiederherzustellen.
Die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel ist nicht strittig. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nicht geboten. Die entstandene Lücke bleibt bestehen. Eine ergänzende Vertragsauslegung könnte aber evtl. doch geboten sein, um zu vermeiden, dass der Klauselverwender weiterhin bewusst unwirksame Klauseln verwendet und sich darauf verlässt, dass der BGH es schon für ihn richten werde.
Vor einer ergänzende Vertragsauslegung ist aber in jedem Fall erstmal zu prüfen, ob Rückforderungen der Kunden die Existenz des Versorger überhaupt gefährden - geschweige denn vernichten - können. Dazu ist zumindest eine Kalkulation der Folgekosten anzustellen. Mehr als die Behauptung, die Rückforderungen seien existenzgefährdend hat die Klägerin nicht vorgebracht.
Zur Verjährung: Rückforderungen für die 28 Jahre können garnicht geltend gemacht werden. Sowohl die Höhe der Ansprüche als auch die Zeiträume sind also sehr überschaubar.
Es gibt also keinen Anlass, die Energieversorger unter einen besonderen Schutz zu stellen.
Die geschilderte Absicht des Senats, einen Sockelpreis aus der Mitte zwischen 1981 und 2008 also praktisch gemäß §242 herauszugreifen und festzulegen, geht in die Richtung der Verjährungsregelung. Davon unabhängig bleibt aber die zugrundeliegende Klausel unwirksam.
----- 9:50 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Schäfer
Sie dementiert zunächst die unterstellten bösen Absichten der Versorger bei der Gestaltung unwirksamer Preisanpassungsklauseln.
Im vorliegenden Fall ist aber nicht die Situation gegeben, die eigentlich vom BGB geregelt werden sollte, nämlich dass der Klauselverwender von den gesetzlichen Vorschriften zu seinen Gunsten abweicht. Vielmehr schreibt ja das Energiewirschaftsrecht den Versorgern vor, vertragliche Regelungen zu erstellen. Und der Gesetzgeber hat die Versorger dann mit dieser Aufgabe alleine gelassen.
Die Klägerin versuchte doch mit ihren Klauseln, basierend auf §4 AVBGasV eine griffigere und transparentere Regelung zu gestalten und sie hat gerade nicht versucht, das vertragliche Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu verlagern.
Im vorliegenden Fall ist der Zahlungsanspruch aber auch noch anders begründet.
Bei dem Widerspruchsschreiben des Beklagten kann man nicht der Auffassung folgen, die Gründe für den Widerspruch seien irrelevant. In einem anderen Verfahren von 1989(?) zu einenm Mieterhöhungsverlangen hat der Senat auch eine Teilzustimmung erkannt.
Das Widerspruchsschreiben ist eine Willenserklärung gemäß §116 BGB, die eine Teilzustimmung zu dem verlangten Preis enthält.
Da das Widerspruchsschreiben ungewöhnlich ausführlich ist, lässt sich dem entnehmen, dass es dem Beklagten dezidiert nur um die Unbilligkeit der Preiserhöhung ging. Es folgen weitere klare Ausführungen und Berechnungen. Gegen Ende des Schreibens fordert er die Klägerin auf, seine Zahlungen nur auf der Basis des von ihm berechneten Preises von xxx Pf/kWh zu verrechnen.
Der Beklagte erklärt also selbst, die Erhöhungen zu bezahlen, wenn ihre Billigkeit bewiesen ist.
Es enthält also ein unbedingtes Einverständnis mit der Preisanpassung von xxx Pf/kWh. Dies ist ein Schuldeingeständnis.
Angesichts seiner Ausführungen kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, sich der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel nicht bewusst gewesen zu sein.
Zur Rz. 50 der Entscheidung des Senats kommt eine ergänzende Vertragsauslegung u.a. nur in Betracht, wenn das Vertragsgefüge sich völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt. Dies ist hier zu bejahen, da das AGB-Recht dem Kunden nicht völlig unangemessene Vorteile zu beschaffen hat. Die Kündigungsmöglichkeit des Versorgers steht dem nicht entgegen.
Eine Kündigung wäre zudem auch nicht im Interesse des Beklagten gewesen, da dieser ja dann in den teureren Allgemeinen Tarif der Klägerin gekommen wäre. Zudem hatte die Klägerin auch nach dem Widerspruch des Kunden keinen Anlass zur Kündigung da das Urteil des Kartellsenats vom 29.4.08 noch nicht ergangen war und sie daher noch keine Kenntnis über die Unwirksamkeit ihrer Klausel hatte.
Zur ergänzenden Vertragsauslegung ist zu sagen, dass neben dem Widerspruchsschreiben auch das Parteiverhalten nach dem Vertragsabschluss zu berücksichtigen ist.
Zur Rz. 53 in der Entscheidung vom 14.7.10 führte der Senat aus, die Entscheidung zur Zinsanpassungsklausel des 11. Senats sei nicht anwendbar, weil ein variabler Preis vereinbart sein. Dies geht an der Lebenswirklichkeit vorbei. (Sie verweist auf ein Urteil von 1981). Dort war eine ergänzende Vertragsauslegung möglich.
----- 10:05 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Wassermann
Die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel ist unstrittig.
Die Regelung des §4 AVBGasV ist ja selbst intransparent, aber die Senatsentscheidung zur unveränderten Übernahme steht ja zur Prüfung durch den EuGH an.
Zum Inhalt des Widerspruchschreibens: Darauf kommt es nicht an, wie auch der Senat bisher bekräftigt hat. Durch den Widerspruch alleine hat der Versorger schon allen Anlass, seinen Vertrag und vorrangig die Wirksamkeit seiner Vertragsklauseln zu prüfen. Es kann nicht Aufgabe des Kunden sein, den Versorger auf seine Fehler hinzuweisen. Dies ist alleine Aufgabe des Versorgers. Andernfalls käme es zu einer Verlagerung des Verwenderrisikos einer Klausel auf die andere Partei.
Selbst wenn die Aussage des Kunden zu dem Preis von xxx Pf./kWh eine Willenserklärung gewesen wäre, dann ist mangels Annahme dieses Angebots durch die Klägerin aber kein Vertrag zu diesem Preis zustandegekommen.
Zum Sockelpreis \"aus der Mitte\". Ausgangspunkt ist ja die Entscheidung vom 14.7.10 zu den Auswirkungen eines fehlenden Widerspruchs. Hier geht es nicht um ein Rückforderungsverlangen sondern um einbehaltene Gelder nach Rüge der Unbilligkeit. Dann sind die Zumutbarkeitsüberlegungen nicht anwendbar, da der Versorger in einem angemessenen Zeitraum kündigen konnte. Der vertraglich vereinbarte Preis ist der Anfangspreis. Dies ist nicht vereinbar mit einer Zeitschranke.
In diesem Fall handelt es sich ausnahmslos um Nachforderungen für Zeiten nach dem ersten Widerspruch. Die Klägerin hätte also kündigen können. Daher ist es für sie nicht unzumutbar, eine Zeit lang noch an den Anfangspreis gebunden zu sein.
Bei langjährigen Verträgen eine Zeitschranke für die Geltendmachung einzuführen, das geht so nicht. Warum? Was ist für Versorger und Kunden zumutbar? Warum noch einen fingierten Preis zusätzlich zur dreijährigen Verjährungsfrist einführen. Die Zumutbarkeit ist hinreichend geklärt.
Dies wäre auch ein gedanklicher Bruch:
Eine unwirksame Preisanpassungsklausel und ein Weiterbezug von Gas soll keine Preisneuvereinbarung darstellen.
Erfolgt plötzlich doch ein Widerspruch, dann sollen nur drei Jahre zurück eine Zeitschranke für den Preis gelten.
Zur Bedeutung des Widerspruchs des Kunden: Darauf alleine kann es nicht ankommen. Auch die Widersprüche andere Kunden und die öffentliche Diskussion hätten der Klägerin genug Grund zur Prüfung aller ihrer Sonderverträge gegeben.
----- 10:28 ---------------------------------------------------------------------------
Ball:
Die Verjährung ist keineswegs immer drei Jahre sondern oft sehr viel länger. Es gibt noch die Ultimoregelung; dann können es vier Jahre sein. Die Verjährung setzt aber die Kenntnis der Umstände voraus; daher können auch 10 Jahre gelten. Nach der alten Regelung ist sogar noch gar keine Verjährung bei den Altfällen eingetreten. Daher sind unsere Überlegungen nicht entbehrlich.
----- 10:29 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Schäfer
Sie beharkt nochmal das Widerspruchsschreiben und stellt auf die sehr ausführlichen Berechnungen des Kunden ab.
Der Versorger hatte keinen Anlass zur Kündigung.
Das Schreiben ist ein Schuldanerkenntnis.
Der Kunde selbst ging doch von einem variablen Preis aus, ansonsten wären seine umfangreichen Berechnungen und Überlegungen zu den Preisentwicklungen doch völlig gegenstandslos gewesen.
----- 10:32 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Tümmler
Die Kunden haben die Unbilligkeit der Preisanpassungen gerügt aber nicht das Preisanpassungsrecht in Frage gestellt, da die Verträge ja unbefristet waren. Er verweist auf die Sammelklage der Verbraucherzentrale in Hamburg.
Unmittelbar nach dem Urteil zur Unwirksamkeit konnten die 404.000 Verträge nicht sofort gekündigt werden, da hierfür interne Vorgänge und Entscheidungen des Vorstands erforderlich waren. Es mussten 100 Mitarbeiter befristet eingestellt und eingearbeitet werden. Erst danach konnten die Kündigungen in einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten verschickt werden. Auch die ca. 55.000 Verträge mit Widersprüchen konnten nicht schneller gekündigt werden.
Bis zum Sept. 2009 bestand kein Grund zu kündigen, da das Verfahren ein Musterverfahren war und währenddessen die Preisanpassungsklausel vom Gericht auch als wirksam bezeichnet worden ist.
Die Kartellbehörden haben solche Kündigungen zudem noch am 2.11.2006 als Missbrauch eingestuft. Gegen die Klägerin hat es zudem ein Verfahren des Kartellamts wegen des Verdachts der missbräuchlich überhöhten Preise gegeben, welches eingestellt wurde.
Zu dem Widerspruchsschreiben: Der Versorger hatte nach dessen Empfang kein weitergehendes Wissen, da erst mit Entscheidung des Kartellsenats die kundenfeindlichste Auslegung angewendet wurde. Bis dahin war die Leitbildfunktion der AVB gemäß der Entscheidungen des VIII Senats maßgeblich. Im Sommer 2008 stand noch nicht fest, dass auch der VIII. Senat sich dem anschliessen würde.
Zur geltungserhaltenden Reduktion: Das Verbot soll verhindern, dass der Verwender das nach der Klausel gerade noch Zulässige erhält.
Es geht hier aber darum: Worauf hätten sich die Parteien geeinigt?
Zu dem \"Preis aus der Mitte\": Je nach den Einzelumständen kann dieser sowohl über als auch unter dem Anfangspreis liegen. Eine starre Regelung könnte also auch dazu führen, dass der Kunde noch weniger zahlen müsste als anfänglich vereinbart.
----- 10:47 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Wassermann
Das Verwenderrisiko ist unabhängig von der Erkenntnismöglichkeit der Unwirksamkeit.
Es gibt keinen Vertrauensschutz darauf, dass sich die Rechtsprechung nicht ändert.
----- 10:50 ---------------------------------------------------------------------------
Ball
Entscheidungen zu beiden Verfahren werden heute noch ergehen; aber keine Urteile.
Mit diesen ist im Frühjahr zu rechnen.
Anm:
Im Frühjahr wird voraussichtlich auch der neu gestaltete Eingang an der Herrenstraße wiedereröffnet sein.
Gruss,
ESG-Rebell.
Ball:
Die Verjährung ist keineswegs immer drei Jahre sondern oft sehr viel länger. Es gibt noch die Ultimoregelung; dann können es vier Jahre sein. Die Verjährung setzt aber die Kenntnis der Umstände voraus; daher können auch 10 Jahre gelten. Nach der alten Regelung ist sogar noch gar keine Verjährung bei den Altfällen eingetreten. Daher sind unsere Überlegungen nicht entbehrlich.
In der Auseinandersetzung um eine unwirksame Gaspreisanpassungsklausel sucht der Bundesgerichtshof (BGH) nach einem Kompromiss. Die Regelung müsse sowohl den Kunden als auch den Gasversorgern gerecht werden.
Das sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Ball am Mittwoch in Karlsruhe. Verhandelt wurden zwei Verfahren zur Rückzahlung von Geldern im Zuge von Gaspreiserhöhungen. Sie waren angestoßen worden, nachdem der BGH im Jahr 2004 die in vielen Verträgen aufgenommene Preisanpassungsklausel für nichtig erklärt hatte. Das Urteil soll am 14. März 2012 verkündet werden.
Viele Gasversorger hatten seit Jahrzehnten eine Klausel verwendet, die ihnen eine stetige Anhebung der Preise zubilligte. Der BGH brachte sie vor sieben Jahren als zu einseitig zu Fall. Damit sei in den Verträgen eine Lücke entstanden, die jetzt gefüllt werden müsse, sagte Ball.
Als größtes Problem nannte er die lange Laufzeit der Verträge. So verlangt ein Kläger, dass alle Erhöhungen seit dem Abschluss des Vertrages 1981 für nichtig erklärt werden. Damit gelte für ihn weiterhin der 1981 festgeschriebene Preis von 4,2 Pfennig pro Kilowattstunde (2,15 Cent). Den Preisunterschied zu diesem Wert fordert er für die Jahre 2006 bis 2008 zurück - eine Summe von mehr als 2500 Euro. Für die Zeit vor 2006 kann er nichts mehr geltend machen, da eine dreijährige Verjährungsfrist gilt.
Diese Berechnung hält Ball für fragwürdig. Schließlich sei auch den Kunden bei Vertragsabschluss klar gewesen, dass Preiserhöhungen auf sie zukommen. Zudem könne niemand Interesse daran haben, die Gasversorger durch tausendfache Nachforderungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen.
Als möglichen Ausweg nannte Ball die Festlegung eines idealtypischen Preises als Grundlage für die Berechnung von Nachforderungen. Denkbar sei auch, einen erst wenige Jahre zurückliegenden Preis für die Berechnung zu verwenden.
Es ist zu erwarten, dass der BGH eine „salomonische“ Entscheidung fällen wird, die sowohl den Interessen der Kunden, als auch denen der EVU Rechnung tragen wird. Eine solche Lösung dürfte auf eine Kürzung des Rückzahlungsanspruchs der klagenden Kunden hinauslaufen. Die rechtliche Begründung hierfür ist aber nicht ganz einfach.
Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 35/2012
Zu den Folgen unwirksamer Preisanpassungsklauseln in
Erdgas-Sonderkundenverträgen
Der Bundesgerichtshof hat heute zwei Entscheidung zu der Frage getroffen, welchen Preis der Kunde in einem Sonderkundenverhältnis für das entnommene Gas zu entrichten hat, wenn die im Vertrag enthaltene Preisanpassungsklausel unwirksam ist und der Kunde den Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat.
In dem Verfahren VIII ZR 113/11 macht der Kläger gegen die Beklagte, ein regionales Gasversorgungsunternehmen, Rückzahlungsansprüche geltend. Der Kläger bezog aufgrund eines im Jahr 1981 geschlossenen Sonderkundenvertrages Gas von der Beklagten. Die Beklagte erhöhte in der Vergangenheit wiederholt die Arbeitspreise, mit welchen der Gasverbrauch abgerechnet wird, auf der Grundlage einer unwirksamen Preisanpassungsklausel. Der Kläger zahlte die geforderten erhöhten Entgelte, ohne den Preiserhöhungen zu widersprechen. Im Oktober 2008 wechselte er zu einem anderen Gasanbieter. Erstmals im Februar 2009 wandte er sich gegen die von der Beklagten während der Vertragslaufzeit vorgenommenen Preiserhöhungen und begehrte die Rückzahlung der von Januar 2006 bis September 2008 gezahlten Erhöhungsbeträge auf der Basis des bei Vertragsschluss im Jahre 1981 geltenden Arbeitspreises. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht ihr überwiegend stattgegeben.
In dem Verfahren VIII ZR 93/11 verlangt die Klägerin, ein Gasversorgungsunternehmen, von dem Beklagten, einem ehemaligen Sonderkunden, die Zahlung restlichen Entgelts für Gaslieferungen im Zeitraum Januar 2004 bis Februar 2008. Die Klägerin erhöhte seit Vertragsbeginn im Jahre 1998 mehrfach den Arbeitspreis auf der Grundlage einer ebenfalls unwirksamen Preisanpassungsklausel. Der Beklagte leistete bis Mitte 2005 die geforderten Abschlagszahlungen und wandte sich bis dahin auch nicht gegen die Jahresabrechnungen. Im Juli 2005 erhob er erstmalig Widerspruch und berief sich auf die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen. Danach behielt er erhebliche Rechnungsbeträge ein. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten hin abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revisionen der Energieversorger hatten in beiden Fällen Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass in beiden Verfahren den jeweiligen Ansprüchen nicht, wie von den Berufungsgerichten angenommen, die bei dem jeweils viele Jahre zurückliegenden Vertragsschluss vereinbarten Arbeitspreise zugrunde gelegt werden können. Vielmehr ist die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel in den Verträgen entstandene Regelungslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB* in der Weise zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhung, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Denn eine derartige Regelung hätten die Parteien bei einer Abwägung ihrer Interessen redlicherweise vereinbart, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der verwendeten Preisänderungsklausel jedenfalls unsicher war.
Der Senat hat die Verfahren an die Berufungsgerichte zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen dazu getroffen werden können, wann den Kunden die einzelnen Jahresabrechnungen zugegangen sind und gegen welche Preiserhöhungen die jeweiligen Widersprüche daher noch rechtzeitig vor Ablauf von drei Jahren erhoben worden sind.
*§ 133 BGB: Auslegung einer Willenserklärung
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
*§ 157 BGB: Auslegung von Verträgen
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Urteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11
AG Wipperfürth - Urteil vom 12. Januar 2010 – 1 C 251/09
LG Köln - Urteil vom 16. März 2011 – 10 S 66/10
und
Urteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 93/11
AG Hamburg-Bergedorf - Urteil vom 25. Mai 2010 – 410A C 205/09
LG Hamburg - Urteil vom 18. Februar 2011 - 320 S 129/10
Karlsruhe, den 13. März 2012
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhung, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.Es scheint so, als hätte der BGH so eine Art Verfallklausel mit Einwendungsausschluss zum Vertrag \"ergänzt\". Frei nach dem Motto, wer etwas (nicht) will, muss es auch (innerhalb von 3 Jahren) sagen.
§ 18 Berechnungsfehler
(1) Ergibt eine Prüfung der Messeinrichtungen eine Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen oder werden Fehler in der Ermittlung des Rechnungsbetrages festgestellt, so ist die Überzahlung vom Grundversorger zurückzuzahlen oder der Fehlbetrag vom Kunden nachzuentrichten. Ist die Größe des Fehlers nicht einwandfrei festzustellen oder zeigt eine Messeinrichtung nicht an, so ermittelt der Grundversorger den Verbrauch für die Zeit seit der letzten fehlerfreien Ablesung aus dem Durchschnittsverbrauch des ihr vorhergehenden und des der Feststellung des Fehlers nachfolgenden Ablesezeitraums oder auf Grund des vorjährigen Verbrauchs durch Schätzung; die tatsächlichen Verhältnisse sind angemessen zu berücksichtigen. Bei Berechnungsfehlern auf Grund einer nicht ordnungsgemäßen Funktion einer Messeinrichtung ist der vom Messstellenbetreiber ermittelte und dem Kunden mitgeteilte korrigierte Verbrauch der Nachberechnung zu Grunde zu legen.
(2) Ansprüche nach Absatz 1 sind auf den der Feststellung des Fehlers vorhergehenden Ablesezeitraum beschränkt, es sei denn, die Auswirkung des Fehlers kann über einen größeren Zeitraum festgestellt werden; in diesem Fall ist der Anspruch auf längstens drei Jahre beschränkt.
Original von RR-E-ft
Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung, namentlich die unzumutbare Härte, müssen in jedem Einzelfall geprüft werden.
Bei den Umständen, welche die unzumutbare Härte begründen sollen, handelt es sich um Tatsachenfragen, die auf entsprechendes Bestreiten erst durch die Instanzgerichte geklärt werden müssen, insbesondere ob die Gesamtkosten, die dem Versorger durch die Belieferung des Kunden entstanden, gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überhaupt tatsächlich gestiegen waren.
Dafür müssen m.E. wohl die Kosten, welche dem Versorger bei Vertragsabschluss entstanden und diejenigen Kosten, die ihm dann später entstanden, detailliert dargelegt und unter Beweis gestellt werden.
BGH, Urt. v. 29.01.03 Az. VIII ZR 92/02 zu § 21 AVBwasserV
Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlte es auch nicht an einer berichtigungsfähigen Rechnung im Sinne des § 21 Abs. 1 AVBWasserV, so daß einer unmittelbaren oder wenigstens entsprechenden Anwendung des § 21 Abs. 2 AVBWasserV nichts entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober1986 - VIII ZR 242/85, WM 1987, 267 unter I 2 = BGHR AVBGasV § 21 Abs. 1Energielieferung 1).
Die Klägerin hatte monatlich den jeweiligen Verbrauch abgelesen und hierüber Einzelrechnungen erteilt. Das beklagte Land konnte daher, wenn die Klägerin keine Nachberechnungen wegen Nichterreichens der Mindestabrechnungsmenge vornahm, davon ausgehen, daß mit dem Ausgleich dieser Rechnungen wie auch in den Vorjahren die bestehenden Zahlungsverpflichtungen erfüllt worden waren.
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, soll der Abnehmer darauf vertrauen dürfen, daß die ihm im Anschluß an die Zählerablesung erteilte Rechnung vollständig und richtig ist, daß er deshalb mit dem Ausgleich der Rechnung seine Zahlungsverpflichtungen erfüllt hat und jedenfalls keinen weit zurückliegenden Nachforderungen mehr ausgesetzt ist (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986 aaO).
Der Gedanke des Vertrauensschutzes, der § 21 Abs. 2 AVBWasserV zugrunde liegt, rechtfertigt daher jedenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den hier vorliegendenFall, in dem eine am Schluß des Abrechnungsjahres vereinbarte Nachberechnung des für diesen Zeitraum geschuldeten Gesamtentgeltes unterblieben ist.
c) Soweit Fehler in der Ermittlung des Rechnungsbetrages im Sinne von§ 21 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV von Fehlern bei der Vertragsanwendung und Vertragsauslegung abgegrenzt werden, für welche allein die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches gelten sollen (Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, Bd. 2, IV B § 21 AVBGasV Rdnr. 3 unter Hinweis des BGH, Urteil vom 30. Oktober 1975 - KZR 2/75, zu Abschnitt VIII/4 AVB 1942, insoweit in NJW 1976, 710 f. nicht veröffentlicht), kann die Revision zu ihren Gunsten hieraus nichts herleiten. Unter den weiten Begriff des Berechnungsfehlers (Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, Bd. II, 1984, § 21 AVBV Rdnr. 6) fallen alle Elemente des Gesamtpreises, insbesondere die Berechnung eines falschen Grund- oder Arbeitspreises (falscher Tarif) oder das Nichtinrechnungstellen des tariflichen Grundpreises (Tegethoff/Büdenbender/Klinger, aaO Rdnr. 4; Morell, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser, Stand Januar 2002, E § 21 S. 5 m.w.Nachw.). Wenn die Klägerin im vorliegenden Fall über mehrere Jahre hindurch jeweils die vertraglich zulässige Nachberechnung der nicht erreichten Mindestabrechnungsmenge unterlassen hat, waren die jeweils in Rechnung gestellten Beträge unrichtig ermittelt und damit fehlerhaft, auch wenn dieser Fehler auf der Nichtanwendung einer vertraglich vereinbarten Nachberechnung beruhte.
zugestellt laut EB Dr. Ackermann am 29.03.2012,
Eingangsstempel Dr. Hempel vom 02.04.2012BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 113/11 Verkündet am: 14.März 2012
in dem Rechtsstreit
Bergische Energie- und Wasser-GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer
Wilhelm Heikamp, Sonnenweg 30, Wipperfürth,
Beklagte und Revisionsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin Dr. Ackermann -
gegen
Kläger und Revisionsbeklagter,
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr. Gross -
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 9. Februar 2011 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1. Der Kläger verlangt von der Beklagten, einem regionalen Gasversorgungsunternehmen, welches den Kläger leitungsgebunden mit Erdgas versorgte, die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 2.621,54 € nebst Zinsen und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren aufgrund unwirksamer Gaspreisanpassungen im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008. Die Parteien schlossen am 7. April/1. Juni 1981 rückwirkend zum 1. Januar 1981 einen vorformulierten Erdgasliefervertrag (Gasversorgungs- Sondervertrag). Als Arbeitspreis waren 4,2 Pf/kWh netto vereinbart, als Grundpreis 36,40 DM/Monat netto. § 2 des Vertrages sieht vor, dass sich der Gaspreis ändert, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarife der Beklagten eintritt.
2 Nach § 5 Ziffer 1 kann der Vertrag erstmals nach Ablauf von 24 Monaten und danach jeweils mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Abrechnungsjahres schriftlich gekündigt werden.
3 Die Beklagte änderte aufgrund der Preisanpassungsklausel wiederholt ihre Preise. Der Kläger widersprach den Preisänderungen nicht Zum 1. Oktober 2008 kündigte er den Vertrag und wechselte zu einem anderen Anbieter. Mit Schreiben vom 21. Februar 2009 beanstandete der Kläger die Preiserhöhungen der Beklagten und forderte die gezahlten Erhöhungsbeträge zurück.
4 Er hat, ausgehend von dem ursprünglich vereinbarten Arbeitspreis in Höhe von 2,15 ct/kWh (4,2 Pf/kWh), den Rückforderungsanspruch mit 2.621,54 € beziffert. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte zur Rückzahlung von 1.861,72 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat Erfolg.I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7 Dem Kläger stehe ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 30. September 2009 habe der Kläger für die Gaslieferungen der Beklagten lediglich einen Grundpreis von 223,33 € und einen Arbeitspreis von 2,15 ct/kWh zu entrichten gehabt.
8 Das vertragliche Preisänderungsrecht in § 2 des Sondervertrages sei - was die Beklagte nicht in Abrede stelle - gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da die Klausel hinsichtlich des Umfangs der Preisänderung nicht klar und verständlich sei und die Kunden deswegen unangemessen benachteilige. Ein einseitiges Preisanpassungsrecht der Beklagten ergebe sich auch nicht aus einem Rückgriff auf die AVBGasV beziehungsweise die GasGVV, denn § 2 des Vertrages enthalte eine ausdrückliche und abschließende Vereinbarung über die Preisanpassung.
9 Ein Anspruch der Beklagten auf das erhöhte Entgelt folge auch nicht aus einer konkludenten vertraglichen Änderung des Gaspreises. Bei einer einseitigen Erhöhung von Gaspreisen des Gasversorgers gegenüber Sonderkunden werde der Gaspreis auch dann nicht zum vereinbarten Preis, wenn der Kunde auf die ihm individuell bekannt gegebene Preiserhöhung weiterhin widerspruchslos Gas beziehe. Beide Parteien handelten insoweit in dem Bewusstsein, die Erhöhungen des Arbeitspreises seien von dem vertraglichen Preisanpassungsrecht gedeckt, so dass dem Verhalten des Klägers nicht entnommen werden könne, er würde die Änderungen auch bei einer Unwirksamkeit des vertraglichen Preisänderungsrechts akzeptieren.
10 Ein Recht der Beklagten zur einseitigen Preisänderung ergebe sich auch nicht durch ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Eine solche komme nur in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lasse und dies zu einem Ergebnis führe, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trage, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebe. Dies könne hier nicht festgestellt werden.
11 Der Vertrag sei auch nicht nach § 306 Abs. 3 BGB unwirksam. Denn ebenso wenig wie eine einseitige Vertragsverschiebung könne eine unzumutbare Härte für die Beklagte durch das Festhalten an dem Vertrag festgestellt werden.
12 Dem Rückzahlungsanspruch stehe auch nicht der Einwand der Verwirkung oder ein sonstiger Verstoß gegen Treu und Glauben entgegen. Insoweit fehle es bereits am erforderlichen Zeitmoment, denn hierfür sei auf den Zeitpunkt der Kenntnis von der Unwirksamkeit des vertraglich vereinbarten Preisänderungsrechts abzustellen.
13 Unter Zugrundelegung der Verbrauchszahlen ergebe sich - entgegen der Berechnung des Klägers - indes nur ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 1.861,72 €.II.
14 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
Zu Recht geht das Berufungsgericht zwar davon aus, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der aufgrund der unwirksamen Gaspreiserhöhungen für den Zeitraum von Januar 2006 bis September 2008 gezahlten Erhöhungsbeträge zusteht. Das Berufungsgericht hat aber der Berechnung des Rückforderungsanspruchs rechtsfehlerhaft den im Jahre 1981 vereinbarten Ausgangspreis von 4,2 Pf/kWh (2,15 ct/kWh) zugrunde gelegt.
15 1. Das Berufungsgericht ist im Anschluss an das Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 (VIII ZR 274/06, BGHZ 179, 186 ff.) zutreffend vom Vorliegen eines (Norm-)Sonderkundenvertrages und von der Unwirksamkeit des in diesem Vertrag vorgesehenen Preisänderungsrechts der Beklagten ausgegangen. Gegen diese rechtliche Bewertung wendet sich die Revision nicht.
16 2. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass weder in der Zahlung der Abrechnungen noch in dem Weiterbezug von Gas nach Ankündigung der Preiserhöhungen eine konkludente Zustimmung des Klägers zur Erhöhung der Gaspreise liegt.
17 Eine Vertragsänderung bedarf entsprechender übereinstimmender Willenserklärungen der vertragsschließenden Parteien. Hier fehlt es schon an einem entsprechenden Vertragsangebot der Beklagten. Aus der maßgeblichen Sicht des Kunden lässt sich der Übersendung einer Jahresabrechnung, die einseitig erhöhte Preise ausweist, nicht der Wille des Versorgungsunternehmens entnehmen, eine Änderung des Gaslieferungsvertrages hinsichtlich des vereinbarten Preises herbeizuführen (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 57 mwN).
18 Entgegen der Auffassung der Revision ändert sich diese Beurteilung nicht dadurch, dass die Beklagte die Änderungen ihrer Preise nicht nur öffentlich bekannt gab, sondern allen Kunden - und damit auch dem Kläger - in individuellen Schreiben ankündigte. Denn nach dem eigenen Vortrag der Beklagten hat sie Preiserhöhungen dem Kläger lediglich bekannt gemacht. Dass hierin ein - von dem Kläger auch ablehnbares - Angebot zur einvernehmlichen Vertragsanpassung regen kann, ist für einen objektiven Empfänger (§§ 133, 157 BGB) nicht ersichtlich. Aus der Sicht des Kunden stellte sich die Mitteilung der Beklagten vielmehr als Ausübung des vertraglich geregelten einseitigen Preisbestimmungsrechts dar und nicht als Angebot, den Preis einvernehmlich zu ändern.
19 3. Da die Preisänderungsklausel unwirksam ist, hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der aufgrund der unwirksamen Gaspreiserhöhungen für den Zeitraum von Januar 2006 bis September 2008 gezahlten Erhöhungsbeträge. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Berechnung des Anspruchs jedoch nicht der bei Vertragsschluss geschuldete Anfangspreis zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Versorgungsvertrages, deren Voraussetzungen das Berufungsgericht zu Unrecht verneint hat und die dazu führt, dass sich der Kläger nicht darauf berufen kann, für den genannten Zeitraum nur den ursprünglich vereinbarten Anfangspreis mit Rechtsgrund geleistet zu haben.
20 Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der vereinbarte (Anfangs-)Preis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten und bei späteren Änderungen der allgemeinen Tarife ein anderer Preis geschuldet sein sollte. Denn die Aufnahme eines Preisänderungsrechts zeigt den Willen der Parteien, dass der Kunde - und nicht das Versorgungsunternehmen - Preisänderungen tragen soll, die etwa auf Veränderungen der Brennstoffbezugskosten oder der Lohn- und Materialkosten zurückgehen. Aus der Aufnahme einer Preisänderungsklausel bei Vertragsschluss wird deutlich, dass sich die Parteien von dem lebensnahen Bewusstsein haben leiten lassen, dass Preisänderungen im Laufe des auf unbestimmte Zeit angelegten Bezugsverhältnisses zu erwarten sind und deshalb der Gefahr einer zukünftigen Äquivalenzstörung in angemessener Weise zu begegnen ist. Da die von den Parteien vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist daher im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74, und VIII ZR 106/83, juris Rn. 27).
21 Diese Lücke im Vertrag ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass der Kläger die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
22 a) Zwar hat der Senat in Fällen, in denen auf Feststellung der Unwirksamkeit bestimmter Preiserhöhungen gerichtete Klagen von (Norm-)Sonderkunden Erfolg hatten, die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung mit dem Ziel der Ersetzung einer unwirksamen Preisanpassungsklausel durch eine wirksame Klausel als nicht erfüllt angesehen (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 38 f.; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 27; jeweils mwN). Diese Fälle waren aber dadurch gekennzeichnet, dass das Energieversorgungsunternehmen es selbst in der Hand hatte, einer nach Widerspruch oder Vorbehaltszahlung des Kunden zukünftig drohenden unbefriedigenden Erlössituation durch Ausübung des ihm vertraglich eingeräumten Kündigungsrechts in zumutbarer Weise zu begegnen.
23 Offen gelassen hat der Senat die - im Streitfall entscheidungserhebliche -Frage, ob eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges dann anzunehmen ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis
handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht (Senatsurteil vom 14. Juli 2010 VIII ZR 246/08, aaO Rn. 52). Das ist zu bejahen. In diesen Fällen vermag die vertraglich vorgesehene, nur in die Zukunft wirkende Kündigungsmöglichkeit des Energieversorgungsunternehmens die Regelungslücke im Vertrag nicht in einer für beide Seiten zumutbaren Weise zu schließen. Denn bevor der Kunde Widerspruch erhob oder Zahlungen nur noch unter Vorbehalt leistete, hatte das Energieversorgungsunternehmen keinen Anass, das bis dahin praktizierte Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung in Frage gestellt zu sehen und dementsprechend das Versorgungsverhältnis zu kündigen.
24 b) Die ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen (Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, aaO S. 78, und VIII ZR 106/83, aaO Rn. 33). Bereits deshalb kommt es nicht in Betracht, an die Stelle der unwirksamen, weil den Vertragspartner des Klauselverwenders im Sinne des § 307 BGB unangemessen benachteiligenden Preisänderungsklausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine (wirksame) Bestimmung gleichen inhalts zu setzen. Auch widerspräche dies im Ergebnis dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannten Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 118 f. mwN). Es geht vielmehr darum zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv- generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der verwendeten Preisänderungsklausel jedenfalls unsicher war (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 -VIII ZR 54/83, aa0 S. 75; vom 12. Juli 1989 - VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115 unter III 1 c).
25 c) Nach Ansicht des Senats ist ein in diesem Sinne angemessener Interessenausgleich dadurch zu erzielen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
26 aa) Bei langfristigen Vertragsverhältnissen, insbesondere solchen, die auf Leistungsaustausch gerichtet sind, besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu haften (vgl. Senatsurteile vorn 1. Februar 1984 - VIII ZR 106/83, aa0 Rn. 32; vom 16. Januar 1985 - VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252, 258]. Diesem Bedürfnis liefe es zuwider, wenn bei einem Energielieferungsvertrag mit langer Laufzeit die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen rückwirkend ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden könnte. Denn dies hätte zur Folge, dass der Energieversorger ohne Rücksicht auf Schwankungen seiner eigenen Bezugspreise für die gesamte Vertragslaufzeit nur den ursprünglich vereinbarten Preis beanspruchen könnte. Angesichts der Entwicklung der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig und würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, aa0 S. 77 f., und VIII ZR 106/83, aaO; vom 12. Juli 1989 - VIII ZR 297/88, aaO unter II 2 b, III 1 b). Dies entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen.
27 bb) Bei der Beurteilung, welche Regelung als angemessener Interessenausgleich anzusehen ist, darf auch der mit dem Energiewirtschaftsrecht verfolgte Zweck einer möglichst sicheren und preisgünstigen Energieversorgung (§ 1 EnwG) nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183 unter III 2 a; Büdenbender, EnWG, 2003, § 1 Rn. 56). Zwar wurde er erstmals durch das Energiewirtschaftsgesetz vom 24. April 1998 (BGBl. 1 S. 730) in den Gesetzestext selbst aufgenommen. Er war jedoch auch schon in der Präambel des davor geltenden Energiewirtschaftsgesetzes (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 752-1, veröffentlichten bereinigten Fassung) enthalten und konnte bereits damals für die Auslegung des Energierechts herangezogen werden (Büdenbender, aaO Rn. 4; Braband, Strompreise zwischen Privatautonomie und staatlicher Kontrolle, 2003, S. 9 f.; Germer/Loibl/Dorß, Energierecht, 2. Aufl., S. 69).
28 Das Ziel der Preisgünstigkeit ist nicht nur auf die möglichst billige Energieversorgung der Endkunden ausgerichtet. Zu berücksichtigen sind zugleich die insbesondere durch die Kostenstruktur geprägte individuelle Leistungsfähigkeit der Versorgungsunternehmen sowie die Notwendigkeit, die Investitionskraft und die Investitionsbereitschaft zu erhalten und angemessene Erträge zu erwirtschaften (Danner/Theobald, Energierecht, Stand 2011, § 1 EnWG Rn. 19; Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2, Aufl., § 1 Rn. 28; vgl. Braband, aaO S. 30). Insofern wurde im Recht der Energielieferung stets vorausgesetzt, dass die Möglichkeit des Versorgers besteht, Änderungen der Bezugspreise weiterzugeben, ohne den mit dem Kunden bestehenden Versorgungsvertrag kündigen zu müssen (vgl. BR-Drucks. 77/79, S. 34 [für die AVBGasV1; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 24, und VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 22; vom 24. März 2010 - VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96 Rn. 27, und VIII ZR 304/08, NJW 2010, 2793 Rn. 34).
29 Dass das Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, Kostensteigerungen weiterzugeben, dient daneben auch dem Zweck der Versorgungssicherheit (vgl. Danner/Theobald, aaO Rn. 7 und 26). Denn diese betrifft nicht nur die technische Sicherheit der Energieversorgung und die Sicherstellung einer mengenmäßig stets ausreichenden Versorgung der Abnehmer (BR- Drucks. 806/96, S. 28; Braband, aa0 S. 29). Sie hat vielmehr insoweit auch einen ökonomischen Aspekt, als die nötigen Finanzmittel für die Unterhaltung von Reservekapazitäten, für Wartungsarbeiten, Reparaturen, Erneuerungs- und Ersatzinvestitionen bereit stehen müssen (Britz/Hellermann/Hermes, aaO Rn. 26; Salje, EnWG, 2006, § 1 Rn. 27). Das wiederum setzt voraus, dass diese Mittel durch auskömmliche Versorgungsentgelte erwirtschaftet werden können.
30 cc) Die Rückforderung bereits gezahlter Entgelte durch den Kunden berührt die genannten Zielsetzungen des Energiewirtschaftsrechts, da hierdurch dem Versorger im Nachhinein die Möglichkeit genommen wird, Kostensteigerungen an den Kunden weiterzugeben, ohne dass er sich einer möglichen Unterdeckung durch eine Kündigung des Sonderkundenvertrages entziehen kann, zu der er bei einem zeitnahen Widerspruch des Kunden Anlass gehabt hätte. Die Parteien hätten daher, wenn sie erkannt hätten, dass die Wirksamkeit der vereinbarten Preisanpassungsklausel unsicher war, jedenfalls eine Regelung vereinbart, nach der es ausgeschlossen ist, nach einem längeren Zeitraum die Unwirksamkeit von Preisanpassungen geltend zu machen, die zuvor nicht in Frage gestellt worden sind.
31 dd) Die Bestimmung einer Frist, innerhalb derer der Kunde die Preiserhöhung beanstanden muss, um sich auf ihre Unwirksamkeit berufen zu können, trägt den Interessen beider Parteien Rechnung. Ein Gasliefervertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, bei dem ein besonderes Bedürfnis danach besteht, dass gegenseitige Ansprüche zeitnah geltend gemacht werden und sich nicht durch verspätete Geltendmachung aufsummieren (vgl. Senatsurteil vom 26. April 1989 - VIII ZR 12/88, WM 1989, 1023 unter B II 5 a bb; vgl. für die Energieversorger die Abrechnungsfrist in § 40 Abs. 2 EnWG). Zudem handelt es sich um ein Schuldverhältnis mit einer Vielzahl von Kunden und damit auch einer Vielzahl von Abrechnungsvorgängen, die Jahr für Jahr aufeinander aufbauen. Die in diesen Jahresabrechnungen enthaltenen Preiserhöhungen dürfen daher nicht unvertretbar lange mit Unsicherheiten behaftet sein. Es ist vielmehr erforderlich, dass die sich für beide Seiten stellende Frage, ob eine bestimmte Preiserhöhung Bestand hat oder nicht, ohne größere praktische Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Damit wird dem Versorger eine verlässliche Basis für seine (Kosten-)Kalkulationen geschaffen, während der Verbraucher weiß, mit welchen Kosten er zu rechnen hat, um hiernach sein Verbrauchsverhalten und gegebenenfalls auch die Wahl des Energieversorgers auszurichten.
32 ee) Ein Interessenausgleich, der die Geltendmachung von Rechten von der Reaktion einer Partei innerhalb gewisser Fristen abhängig macht, ist im Energierecht auch sonst verschiedentlich vorgesehen, so dass es nahe liegt, sich an diesen Vorbildern auch für die hier im Wege ergänzender Vertragsauslegung vorzunehmende Lückenschließung zu orientieren. Das gilt namentlich für die - zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Tarifkundenbereich geltende - AVBGasV, die in besonderer Weise darauf abzielt, den mit der Leitungsgebundenheit zusammenhängenden wirtschaftlich-technischen und rechtlichen Besonderheiten der Gasversorgung sowie dem energiepolitischen Ziel einer möglichst kostengünstigen Gasversorgung Rechnung zu tragen (vgl. BR-Drucks. 77/79, S. 34).
33 So ist etwa in § 21 AVBGasV geregelt, dass Ansprüche wegen Fehlern bei der Ermittlung des Rechnungsbetrages auf einen Zeitraum von längstens zwei Jahren beschränkt sind. Zur Begründung dafür führte der Verordnungsgeber an: Es gelte zu vermeiden, dass der Kunde größeren Nachforderungen ausgesetzt werde, die weit in die Vergangenheit zurückreichten. Es empfehle sich daher, eine zeitliche Begrenzung festzulegen. Dabei sei zwar zu berücksichtigen, dass dem Gasversorgungsunternehmen Einnahmen entgehen könnten. Unter Abwägung dieser Umstände erscheine es aber gerechtfertigt, an einer für beide Seiten gleichen Ausschlussfrist von zwei Jahren festzuhalten. Beide Seiten müssten es in Kauf nehmen, dass ihnen im Einzelfall unter Umständen weitergehende Ansprüche auf Rückerstattung beziehungsweise Nachzahlung abgeschnitten würden (BR-Drucks. 77/79, S. 58]. An dieser Zielsetzung hat die GasGVV in ihrem § 18, der die Anspruchsbeschränkung gegenüber § 21 AVBGasV von zwei auf drei Jahre erweitert, im Wesentlichen festgehalten, wobei der Verordnungsgeber auch hier darauf hingewiesen hat, dass diese Bestimmung im Interesse einer reibungslosen Durchführung des Vertragsverhältnisses und des Rechtsfriedens eine zeitliche Beschränkung der Ansprüche enthalte (BR-Drucks. 306/06, S. 39).
34 In § 30 AVBGasV findet sich eine weitere zeitliche Begrenzung. Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen, und der Zahlungsaufschub oder die Zahlungsverweigerung innerhalb von zwei Jahren nach Zugang der fehlerhaften Rechnung oder Abschlagsberechnung geltend gemacht wird. Zur Begründung heißt es: Um die Abwicklung des Versorgungsverhältnisses nicht auf lange Zeit mit Rechtsunsicherheiten zu belasten, sei es zweckmäßig, das Recht auf Zahlungsaufschub und -verweigerung auf einen Zeitraum von zwei Jahren nach Zugang der fehlerhaften Berechnung zu begrenzen (BR- Drucks. 77/79, S. 64). Das bedeute nicht, dass der Kunde das Recht verliere, die mangelnde Berechtigung solcher Forderungen auch noch nach Ablauf von zwei Jahren geltend zu machen. Er solle dann allerdings spätere Zahlungen nicht mehr mit der Begründung verweigern können, frühere Forderungen ohne Rechtsgrund beglichen zu haben (BR-Drucks. 77/79, aaO).
35 e) Einer derartigen ergänzenden Vertragsauslegung steht nicht entgegen, dass theoretisch unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung der durch die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel entstandenen vertraglichen Regelungslücke in Betracht gekommen wären (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, aaO S. 80 f.; vom 12. Juli 1989 - VIII ZR 297/88, aaO unter III 1 c mwN; BGH, Urteile vom 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 317 mwN; vom 6. November 2009 - V ZR 63/09, NVwZ 2010, 531 Rn. 43). Die vorstehend aus einer objektiv-generalisierenden Abwägung der gegenseitigen Interessen und den Erfordernissen einer funktionierenden Energiewirtschaft entwickelte, die Rechtsfolgen einer unwirksamen Preisanpassungsklausel begrenzende Regelung stellt, was entscheidend ist, eine für beide Seiten zumutbare Lösung dar. Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt im Übrigen nicht voraus, dass sich für jede Einzelheit der \"technischen\" Ausgestaltung der Vertragsergänzung konkrete Anhaltspunkte im Willen oder in den Erklärungen der Vertragsparteien nachweisen lassen (Senatsurteil vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, aaO S. 81).
36 4. In Anwendung vorstehender Grundsätze ergibt sich für den Streitfall folgendes:
37 Der Kläger kann der Berechnung des Rückforderungsanspruchs nicht den im Jahre 1981 vereinbarten Ausgangspreis von 2,15 ct/kWh zugrunde legen und somit die Unwirksamkeit sämtlicher Preiserhöhungen seit Vertragsbeginn geltend machen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger erstmals mit Schreiben vom 21. Februar 2009 und damit nach Beendigung des Vertrages den Preiserhöhungen widersprochen. Während der gesamten Vertragslaufzeit über einen Zeitraum von 27 Jahren hat der Kläger die Preiserhöhungen und Jahresabrechnungen ohne Beanstandungen hingenommen und damit der Beklagten keine Veranlassung gegeben, eine Beendigung des (Norm-)Sonderkundenverhältnisses - etwa mit dem Ziel eines Übergangs in das Grundversorgungsverhältnis (vgl. dazu Senatsurteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO; Senatsbeschluss vom 7. Juni 2011 - VIII ZR 333/10, juris, Rn. 8; jew. mwN) - in Erwägung zu ziehen. Die Beklagte kann somit nicht an dem bei Vertragsschluss vereinbarten Preis festgehalten werden.
38 Welchen Arbeitspreis der Kläger seinem Rückforderungsanspruch zugrunde legen kann, hängt davon ab, wann dem Kläger die einzelnen Jahresabrechnungen der Beklagten zugegangen sind und gegen welche darin enthaltenen Preiserhöhungen der Widerspruch des Klägers vom 21. Februar 2009 somit noch rechtzeitig erfolgt ist. Hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.
39 Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststeilungen zum Zugang der Jahresabrechnungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball Dr. Frellesen Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG Wipperfürth, Entscheidung vom 12.01.2010 - 1 C 251/09 -
LG Köln, Entscheidung vom 16.03.2011 - 10 S 66/10 -
Original von RR-E-ft
Die Entscheidung VIII ZR 113/11 Rn. 20 scheint - irgendwie - im Widerspruch zur Entscheidung vom 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07 Rn. 46 zu stehen.ZitatBGH, Urt. v. 14.03.12 VIII ZR 113/11 Rn. 20
Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der vereinbarte (Anfangs-)Preis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten und bei späteren Änderungen der allgemeinen Tarife ein anderer Preis geschuldet sein sollte. Denn die Aufnahme eines Preisänderungsrechts zeigt den Willen der Parteien, dass der Kunde - und nicht das Versorgungsunternehmen - Preisänderungen tragen soll, die etwa auf Veränderungen der Brennstoffbezugskosten oder der Lohn- und Materialkosten zurückgehen. Aus der Aufnahme einer Preisänderungsklausel bei Vertragsschluss wird deutlich, dass sich die Parteien von dem lebensnahen Bewusstsein haben leiten lassen, dass Preisänderungen im Laufe des auf unbestimmte Zeit angelegten Bezugsverhältnisses zu erwarten sind und deshalb der Gefahr einer zukünftigen Äquivalenzstörung in angemessener Weise zu begegnen ist. Da die von den Parteien vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist daher im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74, und VIII ZR 106/83, juris Rn. 27).ZitatBGH, Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07 juris Rn. 46:
Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf die vorliegende Fallgestaltung schon deshalb nicht übertragen, weil die Parteien im Streitfall keinen von vornherein variablen Preis vereinbart haben. Bei dieser Preisänderungsklausel geht es vielmehr um die in vollem Umfang der AGB-Inhaltskontrolle unterliegende Befugnis der Beklagten zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises (dazu vorstehend unter II 2 a), so dass es bereits an einer in bestimmte Richtung weisenden Grundsatzentscheidung der Parteien zur interessengerechten Schließung der Vertragslücke fehlt.
Original von RR-E-ft
BGH VIII ZR 93/11 betrifft die Zahlungsklage des Versorgers.
Dass stetig gestiegene Kosten festgestellt wurden, ist aus den Entscheidungen jeweils gerade nicht ersichtlich geworden.
Die Frage, ob im konkreten Fall überhaupt ein Kostenanstieg zu verzeichnen war, wurde offensichtlich gar nicht mehr geprüft.
Ein Kostenanstieg und ein daraus resultierendes gravierendes Missverhältnis wurden jeweils unterstellt.
Überzeugen denn überhaupt die in BGH VIII ZR 113/11 Rn. 35 genannten Erfordernisse einer funktionierenden Energiewirtschaft?
Betroffen sind wohl überhaupt nur Gashändler und Vertriebsgesellschaften, die sich freiwillig außerhalb der Grundversorgung im Endkundengeschäft in einem von Natur aus eher riskanten Marktumfeld betätigen, aus dem sie sich durch ordnungsgemäße Kündigung aller betreffenden Verträge vollständig zurückziehen können.
Nicht unmittelbar betroffen sind z.B. die Netzbetreiber, welche die Investitionen in die Infrastruktur vornehmen sowie die vorgelagerten Marktstufen der Großhandelsebene, die Erzeugung und der Transport.
Dass solche Vertriebsgesellschaften vom Markt verschwinden und andere sodann deren Platz einnehmen, ist im Wettbewerb wohl ausdrücklich vorgesehen.
Schließlich können sich Sondervertragskunden noch so vertragstreu verhalten, ohne davor gefeit zu sein, dass ihre Vertragspartner
aufgrund anderer unternehmerischer Risiken über Nacht in Insolvenz fallen und ihre vertraglichen Lieferverpflichtungen nicht mehr erfüllen.
Argumentiert wird mit § 18 GasGVV, der den gesetzlich versorgungspflichtigen Grundversorger schützen soll, ferner mit einer Ausschlussfrist in § 30 AVBGasV, die in § 17 GasGVV entfallen ist.
Diese Normen, die für Sonderverträge nicht unmittelbar anwendbar sind, betreffen Fehler einer breits erfolgten Abrechnung, stellen den Versorger jedoch nicht frei, den gleichen Fehler in zukünftigen Abrechnungen fortzusetzen.
Eine infolge der Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 307 BGB entstehende planwidrige Regelungslücke in einem Energieversorgungsvertrag mit einem (Norm-)Sonderkunden kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) dahingehend geschlossen werden, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes in der Entscheidung vom 14.07.2010 (VIII ZR 246/08], denen sich die Kammer anschließt, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung hier nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt.
Dies kann nach Auffassung der Kammer vorliegend nicht festgestellt werden.
Die Beklagte trägt insoweit lediglich vor, dass bei Zugrundelegung des Ursprungspreises dies zu einer erheblichen, noch nicht einmal die Bezugsarbeitskosten der Beklagten deckenden Preise, Unterdeckung führen würde, spätestens seit der ersten Preisänderung nach Vertragsabschluss, in jedem Fall aber durch die Kostenentwicklung auf der Beschaffungsseite, die zuletzt zudem seit 2005 geänderten Preise geführt habe. Zudem verweist sie auf die Preisentwicklung für leichtes Heizöl, die für ihre Beschaffungspreise maßgeblich gewesen sei. Weiter verweist sie darauf, dass der ursprüngliche Vertragspreis unter der Hälfte des im streitgegenständlichen Zeitraum geforderten Arbeitspreises lag.
Dieser Vortrag, der zudem erstmalig mit Schriftsatz vom 04.02.2011 in der Berufungsinstanz gemacht wurde, weshalb dieser nach §§ 530, 521 Abs. 2, 277, 296 Abs. 1 ZPO auch nicht zuzulassen wäre, genügt aber nicht einer hinreichend konkreten Darlegung einer unzumutbaren Vertragsverschiebung zugunsten des Klägers. Auch wenn der Kläger ohne ergänzende Vertragsauslegung nur einen Arbeitspreis zahlen muss, der unter der Hälfte des geforderten Arbeitspreises liegt, kann allein daraus nicht auf ein völlig einseitig zugunsten des Klägers verschobenes Vertragsgefüge geschlossen werden. Ohne konkrete Darlegung der Vertragskalkulationen insgesamt auf Seiten der Beklagten ist eine solche Verschiebung nicht feststellbar. Denkbar ist insoweit eben auch, dass ein zunächst für die Beklagte sehr günstiger Vertrag jetzt für beide Seiten ähnlich günstig oder noch vertretbar für den Kläger günstiger ist.
f) Aus den vorgenannten Gründen kommt auch nicht eine Unwirksamkeit nach § 306 Abs. 3 BGB in Frage. So wenig wie eine einseitige Vertragsverschiebung festgestellt werden kann, kann auch eine unzumutbare Härte durch das Festhalten an dem Vertrag für die Beklagte nicht festgestellt werden.
BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11, juris Rn. 26
Diesem Bedürfnis liefe es zuwider, wenn bei einem Energielieferungsvertrag mit langer Laufzeit die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen rückwirkend ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden könnte. Denn dies hätte zur Folge, dass der Energieversorger ohne Rücksicht auf Schwankungen seiner eigenen Bezugspreise für die gesamte Vertragslaufzeit nur den ursprünglich vereinbarten Preis beanspruchen könnte. Angesichts der Entwicklung der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig und würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, aaO S. 77 f., und VIII ZR 106/83, aaO; vom 12. Juli 1989 - VIII ZR 297/88, aaO unter II 2 b, III 1 b). Dies entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen.
Der Leitsatz der BGH- Entscheidung zeigt auf, wie die durch die Unwirksamkeit einer vereinbarten Preisänderungsklausel entstehende Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden kann, wenn durch diese Vertragslücke eine unzumutbare, völlig einseitige Verschiebung des Vertragsgefüges erfolgt.Hervorhebung von mir.
Die Prüfung, ob hierdurch eine völlig einseitige Verschiebung des Vertragsgefüges bzw. unzumutbare Härte vorliegt, bedarf regelmäßig der Feststellung entsprechender Umstände (Tatsachenfeststellungen). Tatsachenfeststellungen sind Aufgabe der Instanzgerichte.
Original von uwes
Ja, ich sehe das auch so. Das Wort \"kann\" hat in dem Leitsatz eine enorme Bedeutung. Sie sehen es meiner Auffassung nach richtig, wenn Sie zitieren:ZitatDer Leitsatz der BGH- Entscheidung zeigt auf, wie die durch die Unwirksamkeit einer vereinbarten Preisänderungsklausel entstehende Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden kann, wenn durch diese Vertragslücke eine unzumutbare, völlig einseitige Verschiebung des Vertragsgefüges erfolgt.Hervorhebung von mir.
Die Prüfung, ob hierdurch eine völlig einseitige Verschiebung des Vertragsgefüges bzw. unzumutbare Härte vorliegt, bedarf regelmäßig der Feststellung entsprechender Umstände (Tatsachenfeststellungen). Tatsachenfeststellungen sind Aufgabe der Instanzgerichte.
Das bedeutet nach meiner Auffassung zugleich aber auch, dass bei langfristigen Verträgen auch berücksichtigt werden muss, ob nicht das Vertragsgefüge zuungunsten des Verbrauchers/Kunden verschoben werden würde, wenn man dem Versorger zunächst gestattet, die Zahlungen von ungerechtfertigten Preiserhöhungen für weit zurückliegende Zeiträume aufgrund Verjährungseintritts behalten zu dürfen und sich zudem auch noch auf den neuen Leitgedanken des BGH in dieser Entscheidung berufen zu können.