Forum des Bundes der Energieverbraucher

Energiepreis-Protest => Grundsatzfragen => Thema gestartet von: Black am 25. Februar 2011, 12:20:34

Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: Black am 25. Februar 2011, 12:20:34
Der BGH äußert sich in seiner aktuellen Entscheidung so:

Zitat
BGH, 09.02.2011, VIII ZR 295/09, Rz. 24

Ein Preisänderungsrecht nach § 4 AVBGasV besteht aber auch dann nicht, wenn das Versorgungsunternehmen - wie hier - dazu übergeht, einen Kunden, der bis dahin als Tarifkunde versorgt worden ist, aus dessen Sicht außerhalb der allgemeinen Tarifpreise unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu Sonderpreisen zu versorgen.

Der BGH bejaht also scheinbar, dass der Versorger auch einseitig durch eine faktische Umstellung der Belieferung die Vertragssituation von Tarifkundenvertrag zu Sondervertrag ändern könne.

Gibt es dazu Meinungen?
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Februar 2011, 12:26:52
Klaus heißt jetzt Ute, wir wünschen ihr alles Gute.


Die Versorger haben sich etwas dabei gedacht, die Kunden in Sonderabkommen zu günstigeren Sonderpreisen zu beliefern.
Sie wollten wohl Konzessionsabgaben sparen.
Gespart haben sie wohl jedenfalls am falschen Ende.

Falsch war und ist  jedenfalls die Vorstelung der Versorger, sie könnten mit ihren Kunden einfach machen, was sie wollen.

Zitat
Original von Black
Der BGH äußert sich in seiner aktuellen Entscheidung so:

Zitat
BGH, 09.02.2011, VIII ZR 295/09, Rz. 24

Ein Preisänderungsrecht nach § 4 AVBGasV besteht aber auch dann nicht, wenn das Versorgungsunternehmen - wie hier - dazu übergeht, einen Kunden, der bis dahin als Tarifkunde versorgt worden ist, aus dessen Sicht außerhalb der allgemeinen Tarifpreise unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu Sonderpreisen zu versorgen.

Der BGH bejaht also scheinbar, dass der Versorger auch einseitig durch eine Umstellung der Belieferung die Vertragssituation ändern könne.


Wenn die Umstellung für die betroffenen Kunden günstig ist (günstigere Preise!), mag dies gerade noch angehen.
Aber jedenfalls nicht in die andere Richtung.

Aus einem Vertrag mit vertraglich vereinbartem günstigen Sonderpreis ohne wirksame Preisänderungsklausel kann der Versorger den Kunden nicht einfach mal in einen Grundversorgungsvertrag umstellen.

Man kann Ute nicht einfach ungefragt so umstellen, dass plötzlich ein Klaus draus wird. Das darf nicht sein!
Selbst wo dies im DDR- Spitzensport vorkam, endete es mit Strafverfahren und Schadensersatzansprüchen.
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: bolli am 25. Februar 2011, 13:37:48
@RR-E-ft
Wie ist das denn dann mit den so genannten \"Best-Preis-Abrechnungen, in wo nur der Eingangstarif ggf. der Allgemeine Tarif in der Grundversorgung ist, die anderen (aus Kundensicht besseren, da preisgünstiger) aber schon keine Belieferung in der gesetzlichen Grundversorgung mehr darstellen (z.B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09 - VI - 2 U (Kart) 14/08).

Das würde nach Ihrer Aussage ja bedeuten, dass nichts ist mit Best-Preis-Abrechnung, zumindest nicht, wenn man einmal, wegen des höheren Verbrauchs in der günstigeren Preisstaffel eingruppiert war.

Überflüssig zu sagen, dass die Versorger ja überwiegend immer noch der Meinung sind, dass alle ihr Best-Preise eine Versorgung in der gesetzlichen Grundversorgung darstellen. Da wäre das Problem nicht, beim Wechsel zwischen Grund- und Sondervertrag aber dann sehr wohl.
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: Black am 25. Februar 2011, 14:09:57
Zitat
Original von RR-E-ft
Wenn die Umstellung für die betroffenen Kunden günstig ist (günstigere Preise!), mag dies gerade noch angehen.
Aber jedenfalls nicht in die andere Richtung.

Da das Recht nicht danach funktioniert, ob man etwas wirtschaftlich günstig findet oder nicht, stellt sich schon die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage die einseitige Umstellung des Vertrages funktionieren soll.

Soll das nur in eine Richtung gehen Grundversorgung -> Sondervertrag oder auch umgekehrt?
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: PLUS am 25. Februar 2011, 14:32:44
Zitat
Original von Black
Da das Recht nicht danach funktioniert, ob man etwas wirtschaftlich günstig findet oder nicht, stellt sich schon die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage die einseitige Umstellung des Vertrages funktionieren soll.
Soll das nur in eine Richtung gehen Grundversorgung -> Sondervertrag oder auch umgekehrt?
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: Black am 25. Februar 2011, 14:38:41
Zitat
Original von PLUS
Am Ende eines Sondervertrags wandert der Verbraucher automatisch in die Grundversorgung?! Wie manche Erfahrung zeigt auch dann, wenn er kein Gas oder Strom mehr verbraucht.

Wenn ein Sondervertrag endet, der Kunde keinen neuen Sondervertrag abgeschlossen hat und trotzdem weiter Energie abnimmt, dann fällt er in die Grundversorgung.

Hat der Kunde zuvor einem Rückfall in die Grundversorgung ausdrücklich widersprochen, dann könnte er in die Ersatzversorgung fallen.

Aber das hat nichts mit der Frage zu tun, ob das EVU während eines ungekündigten Vertrages den Kunden einfach einseitig \"umgruppieren\" darf.
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: PLUS am 25. Februar 2011, 15:23:22
Zitat
Original von Black
Aber das hat nichts mit der Frage zu tun, ob das EVU während eines ungekündigten Vertrages den Kunden einfach einseitig \"umgruppieren\" darf.
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Februar 2011, 15:28:32
Ein Nicht-Haushaltskunde fällt nach wirksamer ordentlicher Kündigung eines Sondervertrages nicht in die Grundversorgung. Nur Haushaltskunden können auf diese Weise in die Grundversorgung gelangen.

Bestpreis- Verträge  könnten insgesamt Sonderverträge sein, weil ja vorgesehen ist, dass der betroffene Kunde unter bestimmten Umständen zu Sonderpreisen beliefert wird. Dies könnte insgesamt eine Abweichung der Vertragsbedingungen gegenüber der Grundversorgung darstellen, so dass man es mit einem Sondervertrag zu tun hat, auch wenn als Preis aufgrund der besonderen vertraglichen Bestpreis- Abrede auch ein Grundversorgungstarif zur Anwendung kommen kann (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 26 ff). Macht ein Versorger mit seinen Kunden ausnahmslos automatisch  verbrauchsabhängig Bestpreis- Abrechnung, hat er bei Lichte betrachtet wohl mit allen betroffenen Kunden ausschließlich Sonderverträge abgeschlossen. Vertragsfreiheit.

LG Potsdam , Urt. v. 22.12.10 Az. 7 S 67/10 Bestpreisabrechnung als Sondervertrag (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14953&sid=)

Wenn dem Kunden etwas nur günstig ist (so wie die Umstellung von Grundversorgung in einen preislich günstigeren Sondervertrag), kann die einseitige Umstellung möglich sein.

Ist ja auch seit Jahrzehnten  wohl millionenfach von Versorgern bewährt  praktiziert worden und kann von diesen deshalb auch schlecht rechtlich beanstandet werden.  

Andersherum geht es jedenfalls nicht.

Das muss man sich vielleicht so vorstellen  wie bei einer osmotischen Membran, die nur in eine Richtung durchlässig ist.
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: Black am 25. Februar 2011, 15:40:10
Zitat
Original von RR-E-ft
Wenn dem Kunden etwas nur günstig ist (so wie die Umstellung von Grundversorgung in einen preislich günstigeren Sondervertrag), kann die einseitige Umstellung möglich sein.

Und wie? Auf welcher schuldrechtlichen rechtlichen Grundlage? Schweigen des Kunden als zustimmende Willenserklärung zur unzulässigen Kündigung des Tarifkundenvertrages durch den Versorger?
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Februar 2011, 15:55:56
@Black

Warum stellen Sie eigentlich nun nach jahrzentelanger Brauchtumspflege der Versorger erst diese Frage.
Die hat sich doch wohl zuvor kein Versorger gestellt.
Die Versorger haben entsprechend ihres Handelsbrauches im Interesse der betroffenen Kunden einfach praktiziert.
Warum auch nicht?

Die Verträge wurden nicht gekündigt, sondern schlicht  im Interesse der Kunden modifiziert, wohl entsprechend Handelsbrauch.

Nun stellt man fest, dass diese gebräuchliche Praxis tatsächlich  im Interesse der betroffenen Kunden war, und stört sich daran?!

Die Leute vom Marketing wissen Bescheid:

Tue Gutes und rede darüber. :D
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: Black am 25. Februar 2011, 16:11:41
Es geht nur darum, dass Versorger nun vom BGH bestätigt bekommen, dass Sie  auch einseitig Kunden in andere Vertragsverhältnisse umstufen können. Und das sogar ohne ausdrückliche Kündigung des bisherigen Vertrages.

Ein toller Brauch  :tongue:
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Februar 2011, 16:15:19
Zitat
Original von Black
Es geht nur darum, dass Versorger nun vom BGH bestätigt bekommen, dass Sie  auch einseitig Kunden in andere Vertragsverhältnisse umstufen können. Und das sogar ohne ausdrückliche Kündigung des bisherigen Vertrages.

Bei Lichte betrachtet betraf der Fall am BGH gar nicht einen Streit zwischen mir und den Versorgern. Ich stufe auch nicht einseitig Kunden um.
Wenn der BGH tatsächlich gesagt haben sollte, dass ich das auch könne,... ;)


Vielleicht fragt man wegen der genannten Brauchtumspflege einfach mal bei der Trachtengruppe des BDEW nach.  :D
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: jofri46 am 25. Februar 2011, 17:28:30
Zur Eingangsfrage von Black:

Klar dürfte sein, dass eine Vertragsumstellung (oder wie immer man das nennen mag) im Interesse des Kunden liegen muss, hier offenkundig durch günstigere Konditionen.

Rechtliche Grundlage dann für eine solche einseitige Vertragsumstellung:
§ 151 BGB?
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: Elohim.Vista am 25. Februar 2011, 17:35:05
@RR-E-ft

nun bin ich etwas verwirt ...

Zitat
Original von RR-E-ft
Ein Nicht-Haushaltskunde fällt nach wirksamer ordentlicher Kündigung eines Sondervertrages nicht in die Grundversorgung. Nur Haushaltskunden können auf diese Weise in die Grundversorgung gelangen.

Was ist denn ein über einen zweiten Zähler mit Nachtstrom versorgter Kunde mit Sondervertrag? Über den zweiten Zähler bezieht derartiger Kunde doch eigentlich keinen Haushaltsstrom, sondern Strom, welcher nur zu Nebenzeiten (nachts) anliegt. Demnach wäre ein solcher ein Nicht-Haushalts Kunde.

Nun hat RWE im Bereich Rhein/Ruhr massnehaft die Nachtstrom-Sonderverträge gekündigt, egal ob Preisprotestler oder nicht. Laut Kündigungsschreiben würde man in die Grundversorgung fallen wenn man keinen neuen (Sonder)Vertrag annimmt.
Nun gibt es mittlerweile auch andere Anbieter, zu denen man mit dem Nachtstrom wechseln könnte. Will aber nicht jeder...

Frage an den Experten: Wie stehen die Chancen, dass ein Gericht einen derartigen Nachtstrom-Kunden als Nicht-Haushaltskunden einstuft und dessen Sondervertrag als nicht gekündigt ansieht?

Gruß
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Februar 2011, 17:35:15
@jofri46


§ 151 BGB betrifft gerade keine einseitige Umstellung.

§ 151 BGB  betrifft den Fall der Annahme eines Antrages iSv. § 145 BGB (ein solcher muss zugegangen sein! Arg: § 147 II BGB) ohne Zugang einer ausdrücklichen Annahmeerklärung.
Gleichwohl handelt es sich um eine Einigung gem. §§ 145 ff. BGB.
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Februar 2011, 17:38:57
Zitat
Original von Elohim.Vista
@RR-E-ft

nun bin ich etwas verwirt ...

Zitat
Original von RR-E-ft
Ein Nicht-Haushaltskunde fällt nach wirksamer ordentlicher Kündigung eines Sondervertrages nicht in die Grundversorgung. Nur Haushaltskunden können auf diese Weise in die Grundversorgung gelangen.

Was ist denn ein über einen zweiten Zähler mit Nachtstrom versorgter Kunde mit Sondervertrag? Über den zweiten Zähler bezieht derartiger Kunde doch eigentlich keinen Haushaltsstrom, sondern Strom, welcher nur zu Nebenzeiten (nachts) anliegt. Demnach wäre ein solcher ein Nicht-Haushalts Kunde.

Nun hat RWE im Bereich Rhein/Ruhr massnehaft die Nachtstrom-Sonderverträge gekündigt, egal ob Preisprotestler oder nicht. Laut Kündigungsschreiben würde man in die Grundversorgung fallen wenn man keinen neuen (Sonder)Vertrag annimmt.
Nun gibt es mittlerweile auch andere Anbieter, zu denen man mit dem Nachtstrom wechseln könnte. Will aber nicht jeder...

Frage an den Experten: Wie stehen die Chancen, dass ein Gericht einen derartigen Nachtstrom-Kunden als Nicht-Haushaltskunden einstuft und dessen Sondervertrag als nicht gekündigt ansieht?

Gruß

Aus § 3 Nr. 22 EnWG ergibt sich, dass Haushaltskunden nicht nur diejenigen sind, die für einen privaten Haushalt Strom beziehen.

Schon der Begriff \"Haushaltsstrom\" (wie sieht der aus? wie er sich anfühlt, weiß ich) hat nichts mit dem Begriff des Haushaltskunden zu tun.
Sieht \"Nachtstrom\" anders aus, fühlt er sich anders an?
Nein, Nachtkunden gibt es auch nicht, vielleicht an der Tankstelle. ;)
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: Elohim.Vista am 25. Februar 2011, 18:08:19
@RR-E-ft

Zitat
Sieht \"Nachtstrom\" anders aus, fühlt er sich anders an?

Und ob! Wer am Nachtstrom \"hängt\", zittert ungefähr 5 Stunden, bei Tagstrom rund um die Uhr!   :D


Gruß nach Lichtstadt
Titel: Kann ein EVU einseitig zwischen Tarif- und Sondervertrag wechseln?
Beitrag von: tangocharly am 07. März 2011, 21:31:06
Zitat
Original von Black
[...] Der BGH bejaht also scheinbar, dass der Versorger auch einseitig durch eine faktische Umstellung der Belieferung die Vertragssituation von Tarifkundenvertrag zu Sondervertrag ändern könne.

Eher wohl nicht. Das ergibt sich schon aus Tz. 23, wonach alles beim Alten bleibt:

Zitat
Tz. 23
Für die Beurteilung, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarif- beziehungsweise Grundversorgungsverträge oder um Sonderkundenverträge handelt, kommt es deshalb darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu allgemeinen Tarifpreisen (§ 6 Abs. 1 EnWiG 1935), Allgemeinen Tarifen (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998) oder Allgemeinen Preisen (§ 36 Abs. 1 EnWG 2005) im Rahmen einer Versorgungspflicht oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet. Die Abgrenzung hat hierbei gemäß §§ 133, 157 BGB durch Auslegung der ausdrücklich oder konkludent abgegebenen Vertragserklärungen aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers zu erfolgen (Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 14, sowie vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 26; Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2009 - VIII ZR 312/08, WuM 2010, 436 Rn. 2).